Schalke 04 – FSV Mainz 05 1:1

Der FC Schalke 04 verschläft die erste Halbzeit und kommt so gegen den FSV Mainz 05 nicht über ein 1:1 hinaus. Erst durch eine Systemumstellung zur Halbzeitpause findet Stevens Truppe ins Spiel.

Formation zu Spielbeginn

Nach dem erfolgreichen 4:1-Erfolg in Köln setzte Huub Stevens erneut auf ein 4-4-2-System mit Mittelfeldraute. Auch Thomas Tuchel schickte seine Mannschaft mit der gleichen Formation ins Spiel. Durch die gleiche Formation auf beiden Seiten ergab sich eine klare Aufteilung: Jeder Akteur hatte einen direkten Gegenspieler. Oftmals ergibt sich so ein intensives Spiel mit vielen Zweikämpfen, worunter allerdings der Spielfluss etwas leidet. Letzteres traf in der Anfangsphase eher auf die Schalker als auf die Mainzer zu. Letztere wussten die feste Aufteilung zu nutzen, um den Gegner matt zu stellen.

Mainz am Drücker

Dass Mainz besser ins Spiel fand, lag maßgeblich an der flacheren Interpretation der Raute: Während bei Schalke die Abstände zwischen den Mittelfeldspielern sehr groß blieben, agierten die Mainzer nahe beieinander. Sie blieben dabei fast immer hinter ihren direkten Gegenspielern, auch bei Ballbesitz, um im Falle eines Ballverlustes nahe am Gegner dran zu sein.  Dies hatte den angenehmen Nebeneffekt, dass so die Ablagen der Stürmer, eine der großen Stärken der Schalker, verhindert werden konnten – die Mittelfeldspieler blieben immer zwischen gegnerischen Stürmern und Mittelfeldspielern und schloßen so die Passwege nach hinten. Hinzu kam, dass die Innenverteidiger sich aus der eigenen Viererkette lösten. Sie verfolgten so die gegnerischen Stürmer und ließen ihnen keine Freiräume, so dass besonders Marica komplett abgemeldet blieb.

Die Schalker bekamen gegen die aggressiven Mainzer keine Kontrolle über das Spiel. In der Anfangsviertelstunde waren die Mainzer am Drücker. Bei ihren Angriffen nutzten sie die Nachteile einer Mittelfeldraute aus: Durch schnelle Verlagerungen können gegen die drei zentralen Mittelfeldspieler Räume auf der freien Flanke geschaffen werden. Die Mainzer Außenverteidiger boten sich stets auf der ballfernen Seite an. Der Führungstreffer fiel genau nach diesem Schema: Mainz verlagerte von rechts auf den freistehenden Linksverteidiger Zabavnik, Schalkes Viererkette rückte kollektiv in Richtung des Flankengeber, ließ dabei allerdings Zidan auf der gegenüberliegenden Seite frei. Der Mal-wieder-neu-Mainzer musste den Ball nur einschieben (15.).

Schalke mit Loch in der Zentrale

Auch nach dem Führungstreffer fing Schalke sich nicht. Ihr größtes Problem war das große Loch in der Mittelfeldzentrale. Die Mainzer lenkten den Spielaufbau der Hausherren über ihre zwei Stürmer geschickt auf die Außen. Da Matip schematisch recht tief und Raul hoch stand, fehlte für die Außenspieler eine Anspielstation im Rückraum. Da Spielverlagerungen so kaum möglich waren, konnte Mainz durch einfaches Verschieben die Angriffsversuche über die Außen leicht verteidigen. Auf den Seiten stellten die Außenverteidiger die gegnerischen Außenstürmer einfach zusammen mit den einrückenden Halbfeldspielern kalt, fertig war die Verteidigungstaktik. Schalke blieb so gefangen auf einer Flanke, ihr Spiel war eindimensional und berechenbar.

Das einzig bleibende Mittel waren Flanken, diese wurden jedoch von den groß gewachsenen Innenverteidiger herausgeköpft (nur 2 von 8 kamen an) oder durch die Außenverteidiger geblockt. Die hieraus resultierenden Ecken blieben ebenfalls harmlos. Die Kreativitätslosigkeit der Schalker war erschreckend. Bis zur Halbzeit kam kein einziger der fünf Schussversuche auf den Kasten von Wetklo. Mainz durfte sich durchaus ärgern, nur 1:0 zu führen. Allerdings spielten sie die nicht wenigen Kontermöglichkeiten schwach aus, Thomas Tuchel regte sich mehr als einmal über einen unnötigen Fehlpass im vertikalen Spielaufbau auf.

Stevens‘ Systemumstellung fruchtet

Nach der Pause war das Spiel geprägt durch Auswechslungen und Systemumstellungen. Huub Stevens erkannte das Loch in der Mitte und brachte mit Jurado (für Draxler) einen zentralen Mittelfeldspieler. Auch Raul ließ sich bei Ballbesitz tiefer fallen, so dass ein leicht asymmetrisches 4-1-4-1 entstand. Auf der rechten Seite agierte der ebenfalls eingewechselte Farfan (für Marica) höher als Obasi, der nach links wechselte. Gerade letzterer wurde durch seine neue Rolle stärker, im Zusammenspiel mit Jurado kreierte er einige Chancen.

Spielverlagerungen, Flachpasskombinationen, Überladungen der Flanken mithilfe der zentralen Mittelfeldspieler – all die aus der ersten Halbzeit vermissten Feinheiten wurden durch die neue Formation ins Schalker Spiel integriert. Die Mainzer schwammen nun, auch weil die direkte Zuteilung aus der ersten Halbzeit nicht mehr passte. Dies sorgte insbesondere für Jurado auf halblinks für Freiräume, da Polanski sich zu selten zu ihm orientierte. Aber auch die Außenverteidiger profitierten, da die Mittelfeldspieler nicht mehr problemlos einrücken konnten – sie hätten dann den mit zur Seite rückenden zentralen Mittelfeldspieler frei gelassen. Fuchs und Höger kamen nun zu mehr Flanken.

Das größte Manko übernahmen die Rheinland-Pfälzer aber aus der ersten Halbzeit: Ihr Angriffsspiel blieb weiterhin ungenau. Sie hatten große Probleme mit den immer aggressiver werdenden Schalker, die nun die Defensivstrategie ihrer Gegner übernahmen: Im 4-4-2 mit Mittelfeldraute (Jurado im Zentrum vor Matip, Raul wurde bei gegnerischen Ballbesitz zur zweiten Sturmspitze) spiegelten sie die Mainzer Formation und gingen hart und direkt in die Zweikämpfe. Die Mainzer spielten unter dem ständigen Druck durch die direkte Zuteilung die Konter schwach aus, viele Fehlpässe landeten bei Matip und dem herausrückenden Höwedes. Auch der Ausgleichstreffer durch Obasi, der von der linken Flanke nach innen zog, wurde durch einen katastrophalen Fehlpass im offensiven Mittelfeld eingeleitet (59.).

Der FSV fängt sich wieder

Formationen nach dem Ausgleich (59.)

Erst nach dem Treffer der Königsblauen stellte Thomas Tuchel seine Mannschaft um. Choupo-Moting ging auf den linken Flügel, Kirchhoff fiel etwas zurück und es entstand ein 4-1-4-1, den Posten auf Rechtsaußen übernahm der kurz nach dem Treffer eingewechselte Müller (69., für Caligiuri). Nach und nach brachte er frische Kräfte für das zentrale Mittelfeld (76., Baumgartlinger für Polanski, und 83., Malli für Soto). So hatten die Mainzer drei zentrale Mittelfeldspieler. Sie gewannen so die Mittelfeldhoheit zurück, auch weil die Spieler aus dem Halbraum nicht mehr so stark auf den Außen nachhelfen mussten – das übernahmen Müller und Choupo-Moting. Fraglich nur, warum Tuchel nicht schon in den ersten Minuten nach der Pause, in denen der Schalker Aufwind deutlich wurde, diese Umstellungen vornahm.

In der Schlussviertelstunde ließen auf beiden Seiten die Kräfte nach. Die Schalker hatten sich durch das kraftintensive Gegenpressing nach der Pause verausgabt. Durch die große Laufarbeit der beiden Außenstürmer kreierten sie Überzahlsituationen gegen die am Ball unsicher wirkenden Außenverteidiger der Mainzer, denen oft nur der hohe Ball blieb. Dies machte sich jedoch kurz vor Spielschluß bemerkbar, gerade Obasi konnte nicht mehr so in die Dribblings gehen wie kurz nach der Pause. Die Mainzer blieben mit ihrem Spiel in die Spitze jedoch schwach und konnten keine nennenswerten Torchancen gegen die müder werdenden Hausherren herausspielen. Es blieb beim 1:1.

Fazit                           

Bewertet man die Leistung eines Teams strikt nach dem Ergebnis, so müsste man Schalkes Unentschieden als Rückschlag werten. Eifrige Spielverlagerung-Leser konnten aber in dieser Partie die gleichen Stärken und Schwächen wie in den Wochen zuvor erkennen: Schalke schafft es nicht, über 90 Minuten eine konstant starke Leistung zu bringen. Huub Stevens Anpassungen in der Halbzeitpause waren richtig und behoben die gröbsten Probleme der schwachen ersten Hälfte. Jedoch muss man auch fragen, wieso er diese Umstellungen nicht schon früher vornahm. Trotz Verbesserungen im Gegenpressing und im Spielaufbau nach dem Wiederanpfiff sind sie in diesen beiden Disziplinen, die im Meisterschaftskampf gegen Außenseiterteams essentiell wichtig sind, noch zu schwach für den Tabellenplatz an der Spitze.

Die Mainzer zeigten mal wieder ein gutes Spiel. Diesmal passte Tuchels Strategie vom Anpfiff weg, so dass seine Spieler die erste Halbzeit klar dominierten. Einzig das schnelle Spiel in die Spitze war ein Wermutstropfen. Nach dem Ausgleich passte der Mainzer Coach das System gut an die Schalker Wechsel an. Fraglich bleibt, warum er diese Anpassungen nicht direkt nach der Pause vornahm, als Stevens Plan bereits deutlich wurde. Am Ende müssen sich die Mainzer ärgern, nicht mehr als nur einen Punkt herausgeholt zu haben – möglich wäre es allemal gewesen.

Philipp 4. Februar 2012 um 23:21

Gerade das zweite Spielsystem scheint mir sehr gelungen. Bin gespannt, ob es in einer Woche für Gladbach reicht. Das dürfte eines der ersten vorentscheidenden Meisterschaftsspiele werden.

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