Adventskalender, Türchen 23: Holger Badstuber

Kritik gibt es immer, auch bei deutschen Nationalspielern. Sogar denen, die mit 22 Jahren Stammspieler in der Innenverteidigung sind. Doch dass solche Spieler aber kaum in den Medien gelobt werden, ist deutlich seltener. Holger Badstuber ist ein solcher Fall. Von den Trainern nahezu gefeiert, in den Medien ist er aber immer der junge Bube, er wirkt wohl etwas zu weich und skandalfrei für die hiesigen Zeitungen und Internetportale. Aber er feiert gerne und viel, bei der Meisterfeier im Sommer 2010 schien der Jüngling noch etwas berauscht von den zahlreichen Siegen der letzten Monate. Dabei war sein Stern erst in dieser Saison aufgegangen, doch er war schon mittendrin unter den großen Stars des FC Bayern. Es war eine Zeit, wo er noch keine Rückschläge einstecken musste – doch auch die würde er schließlich meistern. Zwar liest man unaufhörlich von seinem starken linken Fuß, aber in allen anderen Bereichen scheint der „unbesungene“ Held stark unterschätzt zu sein. Obwohl es natürlich fraglich ist, ob man bei einem Spieler des FC Bayern überhaupt von „unbesungen“ reden kann.

Holger Badstubers Profilbild auf bundesliga.de

Seine Geschichte

Seine fußballerischen Lehrjahre begannen bereits im Alter von fünf Jahren, als er bei seinem Heimatverein Rot an der Rot begann. Sein Vater war ein bekannter Jugendtrainer und ehemaliger Fußballer, der Lebensweg schien fast schon vorgezeichnet, in der D-Jugend wechselte er dann zum VfB Stuttgart. Eine Strecke von 75 Kilometern, fast jeden Tag, doch ein Problem war das dank der Stuttgarter Unterstützung nie. Ähnliche Stärken zeichneten ihn damals wie heute aus, auf einer Position, die ihm später wiederbegegnen sollte: Badstuber begann im zentralen Mittelfeld, neben seinem Biss war sein sein linker Fuß das Aushängeschild. Es sollte das schlaksige Talent nicht lange bei den Stuttgartern halten, sein Vater und Hermann Gerland waren gute Bekannte, letzterer vermittelte ihn dank seiner Funktion zum FC Bayern an die Topadresse des deutschen Fußballs.

In der C-Jugend wurde er aufgenommen, ab der B-Jugend fix im Internat dabei und er eroberte sich seinen Platz – nun in der Innenverteidigung. Im Jahre 2007 mauserte er sich zum Stammspieler in der Amateurmannschaft und für manche war er das größere Talent als Mats Hummels. Er galt als dynamisches Verteidigertalent  – bei einer Messung Jahre später soll er bei den Amateuren der Schnellste gewesen sein, trotz Thomas Müller und Co., bei den Profis liegt er unter den Top Fünf, so lauten die Gerüchte. Zwar scheint er auf dem Platz etwas hüftsteif, doch spätestens auf den langen Distanzen erkennt man, dass diese Geschichten nicht gänzlich aus der Luft gegriffen sein können, obwohl es auf den ersten paar Metern an der Explosivität fehlt.

Dennoch sollte Hermann Gerland vorerst andere Pläne haben, Holger Badstuber wurde ins defensive Mittelfeld versetzt, er sollte vor der Abwehr absichern. In der neugegründeten Dritten Liga wurde Badstuber zum Profi und unumstrittenen Stammspieler, er durfte sogar die Saisonvorbereitung mit den Stars des FC Bayern mitmachen, doch kurz nach der Unterschrift unter den Profivertrag starb Holger Badstubers Vater an Krebs, auf der Rückfahrt von den Vertragsverhandlungen verspürte dieser große Schmerzen und am 21. März erlag er nach kurzer Zeit der schweren Krankheit.

An dieser Stelle ein von Herzen kommendes Beileid an alle Verwandten für den großen und relativ plötzlichen Verlust – ganz Fußballdeutschland trauerte, vom letzten Arbeitgeber, dem SSV Ulm 1846, über nahezu sämtliche Verantwortliche beim FC Bayern und einzelner Persönlichkeiten wie Thomas Tuchel, eine Unzahl kondolierte einem der populären Jugendtrainer Deutschlands.

Bis zur Ankunft Louis van Gaals verblieb Holger Badstuber in der zweiten Mannschaft des Rekordmeisters. Der theoretische Konkurrent Mats Hummels wurde an Dortmund abgegeben und die Zeit im defensiven Mittelfeld sollte sich für Badstuber rentieren. Verstärkte Schulung bei Zweikämpfen, Antizipation, Kopfballduellen und Ballverteilung auch unter Bedrängnis zeigten Wirkung, der Junge aus Memmingen entwickelte sich zu einem kompletten Spieler, was van Gaal nicht unbemerkt ließ. Ein offener Konkurrenzkampf wurde ausgerufen, der brasilianische Nationalmannschaftskapitän Lúcio verließ den Verein und Badstuber war nun fester Bestandteil des Profikaders. In der Vorbereitung schienen die Chancen gut zu stehen, auf der Position des linken Innenverteidigers Stammspieler zu werden, Louis van Gaal wünschte sich auf dieser Position einen Linksfuß. Neuzugang Edson Braafheid sollte den defensiven linken Flügel beackern, van Buyten erhielt als Abwehrchef den Vorzug vor Martin Demichelis. Letzterer jedoch hätte Holger Badstuber beinahe einen Strich durch die Rechnung gemacht, da sich van Gaal für den erfahreneren Argentinier entschieden hatte, doch eine Verletzung ermöglichte Badstuber sein Debüt am ersten Spieltag. Bis zum 12. Spieltag blieb er Stammspieler in der Innenverteidigung, nach der Genesung Demichelis‘ verdrängte er Pranjic auf der Position des linken Außenverteidigers. Bis Saisonende sollte er vorrangig auf dieser Position spielen, hin und wieder durfte er zwar für Contento Platz machen oder in die Innenverteidigung rochieren, doch das Gros seiner Spieler bestritt er auf der Seite, teilweise garniert von wundervollen Freistoßtoren, wie er sie bereits in seiner Zeit bei den Amateuren erzielte.

Unter Bayernfans zwar nicht unumstritten, spätestens seit dem Spiel gegen Manchester United stark mit Kritik überschüttet, aber von van Gaal dennoch protegiert, wurde er auch von Jogi Löw sehr gelobt. 49 Pflichtspiele, das Champions-League-Finale und das Double waren genug in seinem Lebenslauf, um als Stammspieler bei der WM 2010 aufzutreten. Nach zwei eher enttäuschenden Spielen auf der Außenverteidigerposition, wo ihn insbesondere Milos Krasic vor große Probleme stellte, musste er auf der Bank Platz nehmen, verdrängt von seinem jetzigen Vereinskollegen Jerome Boateng.

In der folgenden Saison kam er zwar öfter auf seiner gelernten Position zum Einsatz, bestritt aber in der chaotisch anmutenden Defensive des FC Bayern deutlich weniger Spiele als im Vorjahr. Louis van Gaals Wechselspiele schienen nicht nur dem Team, sondern insbesondere Badstuber zu schaden, der nach heftiger Kritik angeblich den Tränen nahe gewesen sein soll. Ohnehin hatte er mit einer Schambeinreizung zu kämpfen, nur 23mal kam er in der Bundesligasaison 2010/11 zum Einsatz, nur einmal auf der Außenposition, zweimal gar von der Bank aus. In der Nationalmannschaft lief es besser, bei neun EM-Qualifikationsspielen kam er zum Einsatz, nur einmal waren es weniger als 90 Minuten – er etablierte sich als Stammspieler.

Nach einer turbulenten Saison im Verein kehrte Ruhe beim FC Bayern ein, als Jupp Heynckes übernahm. Gewachsen an den Problemen seit der Weltmeisterschaft sowie mit mehr Erfahrung ausgestattet, zeigte sich Badstuber dieses Jahr in absoluter Topform. Lange Zeit erhielt man keine Gegentore in der Liga, setzte sich von den Konkurrenten ab und neben den Neuzugängen Boateng und Neuer war dies sicherlich ebenso die Leistung Badstubers, welche die Erfolge maßgeblich bewirkte. Herausragende Antizipation, eine wundervolle Spieleröffnung und gute Fähigkeiten im Bereich der defensiven Organisation sowie seine Fähigkeiten im Bereich der klassischen Defensivarbeit – mit deutlich weniger Grätschen, ganz nach Löws Wünschen – machten ihn wohl zu Deutschlands stärkstem Innenverteidiger dieser Saison. Neben Mats Hummels und Jerome Boateng.

Man wird sehen, wie hoch der „John Terry Bayerns“ noch steigen kann. Ein kleines, fast schon humoristisch wirkendes Video seiner Trainerfähigkeiten kann man übrigens als kleines Schmankerl hier sehen.

RM 8. Januar 2012 um 20:39

Mein Fehler, eigentlich wollte ich darauf hinaus. Im Abschnitt „die Zeit im defensiven Mittelfeld sollte sich für Badstuber rentieren. Verstärkte Schulung bei Zweikämpfen, Antizipation, Kopfballduellen und Ballverteilung auch unter Bedrängnis zeigten Wirkung, der Junge aus Memmingen entwickelte sich zu einem kompletten Spieler“ hätte ich das erwähnen sollen, habe ich verschwitzt, fiel mir auch jetzt erst nach verwirrten Benutzen der Strg + F – Tastenkombination und ihren Auswirkungen.

Antworten

Sebastian 8. Januar 2012 um 18:10

Eine ergänzende Anmerkung noch: Auch Hermann Gerland hat ihn immer als Innenverteidiger gesehen, lässt diese aber bei den Amateuren oft auf der Sechs spielen, um stärker den Spielaufbau und das Finden von Lösungen unter Druck zu trainieren, was ein moderner IV bei den Profis einfach können muss.

Antworten

C 28. Dezember 2011 um 15:38

Was auf jedenfall fehlt ist, er ist erst 22 und hat diese Saison eigentlich noch keinen einzigen schweren Fehler gemacht! Sieht man mal vom 0:1 gegen ManCity ab aber daraus wird er gelernt haben, und wenn es nur zu ich sag mal 20% sein Fehler war.

Antworten

C 28. Dezember 2011 um 15:34

Ich denke auch auf einer Taktikseite hätte man sich hier auf seine speziellen Fähigkeiten bzw. seine Rolle bei Bayern konzentrieren sollen und nicht auf die Geschichte die hier 90% ausmacht.

PS: Die Wahl Badstubers erfreut mich allerdings sehr 🙂

Antworten

Jojo 28. Dezember 2011 um 02:12

Finde es generell gut das ihr Badstuber genommen habt, bin aber etwas entäuscht. Vlt weil ich Bayern-Fan bin und ihn häufiger spielen sehen.
Mir bleibt das Ganze zu oberflächlich.
Es hätte viele Chancen gegebn, auf interesante Dinge einzugehen.

Z.B. Warum es ein modernen IV, der viel über antizipation und ablaufen löst, in den Augen der meisten Fußball-Fans schwer hat. Im Vergleich zu klassichen IV, die Grätschen einen 6-pAck haben usw.

Man hätte allgemein auf die Entwciklung im Spiel eingehen können: Aufbauspiel nach hinten verlagert, weniger Flanken, flinkere Gegenspieler, ballorientierte Raum dekcung statt Mandekcung, so das mentale Aspekte wichtiger werden und physische Attribute etwas weniger entscheidend…..

Man hätte auch seine Rolle im Bayern-System eingehen können, stopft viele Löcher hinter Lahm, rückt oft auf LV Position raus.
Rückt im Defensivkonzept von Henckes weit ins MF vor. Vorteile/ Nachteiel der Spielweise….

Hier gab es viele Gelegenheiten, neues, interesantes zu thematisieren. Leider bleibt es bei seiner Geschichte, Jugned-FCB + eine recht allgemeine Beschreibung.

90% davon erfährt man unter Wikipedia + 10 Minuten googeln.

Hatte mir da einfach von einer richtigen (guten) Taktikseite mehr erhofft.

Antworten

Schreibe einen Kommentar zu C Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*