Adventskalender, Türchen 11: Naldo

Das Krankenlazarett des SV Werder Bremen hat bereits viele Opfer beklagen müssen. Allen voran sind es Spieler wie Ivan Klasnic, deren gesundheitliche Probleme im Dress der Grün-Weißen Schlagzeilen gemacht haben, doch auch ein weiterer potenziell hervorragender Spieler fiel dem Fluch von der Weser zu Opfer. Sein Name ist Ronaldo Aparecido Rodrigues – besser bekannt unter dem Künstlernamen „Naldo“.

Ein unbesungener Held?

Fast jedem Fan der Bundesliga dürfte er bekannt und bei den meisten hoch geschätzt sein. Der brasilianische Innenverteidiger kam im Jahre 2005 für die satte Summe von 3 Millionen € zur Mannschaft von Thomas Schaaf, nachdem er in der vorherigen Saison bei EC Juventude eine grandiose Leistung ablieferte, wo er sich als sehr starker Innenverteidiger mit großem Drang nach vorne (acht Tore in 36 Spielen) präsentierte.

Auf Anhieb eroberte er sich den Stammplatz in der Bremer Innenverteidigung und kam in einer Saison 45mal zum Einsatz, nicht einmal kam er von der Bank und in der Bundesliga verpasste er nur zwei Spiele, erzielte sogar zwei Treffer. In der folgenden Saison traf er sogar sechsmal und die folgenden Jahre polierten seinen Image und seinen Marktwert auf. Unter Bremenfans und einigen Experten galt er sogar schon als der bessere der beiden Innenverteidiger, vor dem 79maligen Nationalspieler Per Mertesacker wohlgemerkt und 2007 feierte er gar sein Debüt in der Selecao. Ein kometenhafter Aufstieg des bescheidenen und sympathischen Hünen aus Londrina in Brasilien, an welchem bereits Branchenprimus Bayern München und der italienische Verein AC Fiorentina Interesse bekundeten, eine fast zweistellige Millionensumme soll im Raum gestanden haben – doch ein Verkauf war wohl nie eine Option, doch nicht nur aufgrund der Bremer Dementi, sondern womöglich aufgrund der Verletzungen Naldos, welche eine tragische Leidensgeschichte beginnen sollten.

Ein Knochenödem im rechten Knie verhinderte einen Einsatz in der gesamten Saison 2010/11, es sollte über 500 Tage dauern, bis er wieder in der Stammelf des SVW erschien. Eigenen Aussagen zufolge fühlte sich der größte brasilianische Nationalspieler aller Zeiten (1.98m) „nutzlos und irgendwie nicht mehr richtig dabei“ – was ihm bis heute nachhaftet. In der Zeit der Badstuber, Hummels und Wollscheids rutschte der ehemalige Topverteidiger der Bundesliga langsam in den No-Name-Bereich ab, zumindest außerhalb der Bremer Fankreise. Es war diese lange Verletzung und die rasante Entwicklung der Bundesliga, welche einen solch starken Innenverteidiger, UEFA-Cup-Finalisten und Nationalspieler des fünfmaligen Weltmeisters, zu einem unbesungenen Helden werden ließ. Doch was machte ihn eigentlich so stark?

Der Spieler Naldo

Bereits sofort nach seinem Wechsel konnte man feststellen, dass sich Bremen trotz der Millionenablöse ein Schnäppchen geangelt hatte. Der extrem groß gewachsene Innenverteidiger fand sich sofort in der Bundesliga ein und konnte seine Stärken hervorragend einbringen. Neben seiner konstanten Leistungen und mentalen Stärke bewies er besonders im körperlichen Bereich ungeheure Fähigkeiten.

Dank seiner Größe konnte er sich in Luftzweikämpfen jederzeit vor seinem Gegenspieler behaupten oder bei eigenen Ecken im Strafraum der anderen Mannschaft für Gefahr sorgen, seine zahlreichen Treffer erzielte er allerdings nicht nur per Kopf.  Stürmisch, wie es Brasilianer nun einmal sind, übernimmt Naldo auch während des Spiels oder bei Freistößen Verantwortung. Ob er mit dem Ball am Fuß, ähnlich wie Landsmann Lúcio, nach vorne stürmt oder seine unglaubliche Schusskraft beim ruhenden Ball beweist, der Rechtsfuß sorgt mit seinem ungeheuren Arsenal an Offensivwaffen für Verwirrung und Furcht bei seinen Abwehrkollegen aus der Bundesliga. Aber obwohl er sich offensiv so freizügig gibt und extrem hoch gewachsen ist, vernachlässigt er nicht die klassische Defensivarbeit. Im Bodenzweikampf und dem Timing beim Grätschen ist er seinem ehemaligen Partner Per Mertesacker ebenbürtig, wirkt aber etwas agiler und weniger hüftsteif als jener, wobei auch bei Naldo die Beschleunigung auf den ersten paar Metern zu wünschen übrig lässt. Doch diese Schwäche kann er mit seiner Spielintelligenz, Robustheit und Aggressivität am Mann ausgleichen, was ihn letztlich zu einem kompletten Innenverteidiger macht.

Doch auch menschlich war die Beziehung zwischen Naldo und der Bundesliga ein Volltreffer. Aufgewachsen im Süden Brasiliens hat Naldo nicht so große Probleme mit der Kälte in Deutschland wie mancher Landeskollege – vielmehr scheint er das fremde Land zu lieben und gibt sich sehr positiv. Er schätzt die Gastfreundlichkeit, doch selbst ist er das perfekte Beispiel einer Integration, er spricht bereits Deutsch und seine beiden Kinder wurden bereits auf deutschem Terrain geboren.

Mit seiner unbekümmerten Lebens- und offensiven Spielweise, seiner individuellen Qualität und seinem freundlichen Gemüt auf und neben dem Platz verkörpert der Brasilianer wohl das Idealgesicht des Bremer Spiels, fast wirkt er wie eine Personifikation der Spielphilosophie Thomas Schaafs. Man kann nur hoffen, dass dieser herausragende Fußballer und sympathische Mensch nun von Verletzungen verschont bleibt und an frühere Zeiten anknüpfen kann – und vielleicht noch mehr.

blra 14. Dezember 2011 um 17:22

Vielleicht hätte noch erwähnt werden sollen, dass für Werder in dieser Saison Naldo vor allem deshalb so wichtig ist, weil er ein Spiel sehr intelligent eröffnen kann. Gerade dies war in der letzten Saison ein großes Problem, da Mertesacker und Prödl in diesem Bereich zu limitiert agierten und oft schlechte Lösungen im Spielaufbau wählten (sehr häufig unnötige hohe Bälle). Naldo ist ein Verteidiger, der angespielt werden kann und einen Ball intelligent verwerten kann, aber es nicht wie Lucio übertreibt. Damit gleicht er bei Werder die im Mittelfeld nicht mehr so starke Spieleröffnung aus.

Für mich ist er der aktuell beste Verteidiger der Bundesliga, weil er für Werder einen enormen Wert für die Spielweise eines Vereins hat, den sonst kein anderer Verteidiger in der Liga hat.

Antworten

C 11. Dezember 2011 um 23:18

Gratulation zur Wahl des Videos

Ich finde es ganz allgemein absolut unverständlich, das bei Abwehrspielern immer ihre Offensivstärke betont wird, ein Abwehrspieler muss Zweikämpfe gewinnen, Bälle antizipieren und das Spiel eröffnen nichts davon ist hier zu sehen! Nein lieber nimmt man ein absolut unsportliches Video, auf dem zu sehen ist wie Naldo den Ex-Bremer Klose umsenst! Applaus Ihr verdient den Fairnesspreis!

Antworten

Jojo 11. Dezember 2011 um 21:29

Also, ich muss sagen, dass ich von diesem Artikel ausnahmsweise nicht restlos überzeugt bin. Einerseits kann er mMn kaum als „unbesungener Held“ bezeichnet werden, nur weil er längere Zeit verletzt war. So schlecht ist das Gedächtnis dann auch höchstens bei der Bild.

Andererseits finde ich folgende Passage übertrieben:

„der Rechtsfuß sorgt mit seinem ungeheuren Arsenal an Offensivwaffen für Verwirrung und Furcht […] “

Also von ungeheurem Arsenal (offensiv) kann man mMn wirklich nicht sprechen. Dinge wie den Ball nach vorne treiben, harte Freistöße schießen und einige Offensivkopfbälle oder generell Tore nach Standarts sind eig eher das gute Standartarsenal eines Top IV.

lg

Antworten

RM 11. Dezember 2011 um 21:42

a) Nun ja, wie viele Innenverteidiger in der Bundesliga gibt es, welche den Ball am Fuß nach vorne treiben können, extrem gute Distanz-/Freistoßschützen sind und durch Kopfbälle gefährlich werden können? Van Buyten geht bspw. ersteres ab, Lúcio ist nicht mehr hier, Hummels besitzt zweiteres nicht, Subotic ersteres, Badstuber ersteres und letzteres.
b) bis auf Werder-Fans oder in Rückblicken habe ich persönlich leider sehr wenig gehört und die neue Generation von Innenverteidigern strahlt doch deutlich heller als Naldos Stern, trotz Comeback, was auch seine erste Schlagzeile seit langem war. Mir persönlich kam es nun einmal vor, dass er aufgrund der generellen Entwicklung der Bundesliga langsam, aber doch, in Vergessenheit geriet. Wobei das auch nur mein subjektiver Eindruck gewesen sein könnte, der bekanntlich trübt …

Antworten

Jojo 12. Dezember 2011 um 00:18

Zu a)

Stimmt natürlich auch, dass muss ich zugeben. Allerdings finde ich die Formulierung: ungeheures Personal und den Gegner Angst einjagen, noch etwas übertrieben.
Vlt könne man sich darauf einigen, dass er !für einen IV! ein fantastisches Offensiv-Arsenal hat, neben seinen Defensiv-Qualitäten. Also ein schöner Zusatz und gemessen an seiner Position.
Würde sagen, tolle Offensivqualitäten: Absolut: Nein, Relativ(Position): Ja
Nur bei einem tolen Offensivarsenal drängen sich dann doch andere Asoziatioten auf.

zu b).

Naja, gut die Medien… Bei Naldo gibts eben außer seiner Comeback nix neues, es hilft auch kein Skandal, hab sowieso ein bisschen das Gefühl, dass Bremen durch Bayern, Dortmund und Gladbach medial etwas unter dem Radar fliegen. 2 höher eingeschätz, 1 überraschender, neuer.

Ich denke, in Anbetracht der Thematik „unbesungene Helden“ habe ich schlicht euine andere Erwartungshaltung gehabt.
Naldo ist ja eher der Fall war besungen und dann wurds etwas stiller.
Andererseits hab ich das Gefühl, dass über Naldo schon viel gesprochen wurde, während seiner Leidenszeit. Das war ja schon Standart, bei jeder „Analyse“ der Bremer Schwächen in der Defensive“Ihnen fehlt natürlich mit Naldo ein ganz wichtiger Mann…“

Andererseits, sein Comeback, war den Medien wohl nicht sexy genug…. Kaum thematisiert, vielleciht zu positiv…

Antworten

Rm² 11. Dezember 2011 um 12:05

Genial, ihr habt den besten Bremer rausgepickt.
Naldo ist einfach der Beste.
Ich hatte wirklich Tränen in den Augen, als endlich wieder spielen konnte!

Antworten

laterookie58 11. Dezember 2011 um 18:21

@Rm²: meine volle Zustimmung als „alter“ Werderaner. Mit großem Abstand der beste und zuverlässigste Spieler; m.E. von Anfang an besser als der seit Jahren überschätzte Merte! Nun kann Werder Europa doch noch angehen…!

Antworten

Schreibe einen Kommentar zu C Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*