Adventskalender, Türchen 6: Robert Lewandowski
Das Leben eines Angreifers ist nicht immer einfach: In den Medien werden sie oft nur an Toren gemessen. Aus diesem Grund werden spielstarke Stürmer, die viel zum Aufbauspiel der Mannschaft beitragen, oft unterschätzt. In unserer Adventsreihe „unbesungene Helden“ werfen wir einen Blick auf Robert Lewandowski. In der ersten Saison von vielen BVB-Fans kritisch beäugt, hat er sich mit seinen Toren mittlerweile in die Herzen der Fans geschossen. Doch seine wahre Stärke ist seine neu gewonnene Spielstärke.
Ein Blick fünfzehn Monate zurück
Robert Lewandowski hatte nach seinem Transfer von Lech Posen zu Borussia Dortmund zunächst keine leichte Zeit: Die Erwartungen an den 4,5 Millionen Euro-Transfer waren hoch, schließlich war er der teuerste Einkauf seit Dortmunds Fast-Pleite Mitte der 2000er. Doch neben dem überragend aufspielenden Schnäppchen Kagawa konnte der Pole selten glänzen: Hinter Barrios war er nur die zweite Wahl, so dass er zunächst nur als Joker zum Einsatz kam.
Seine Spielweise war der Hauptgrund, warum Klopp ihn hinter Barrios sah: Während der Südamerikaner als Brecher im Sturmzentrum Bälle halten und ablegen konnte, war Lewandowskis Spiel anders geprägt. Seine Stärken konnte er besonders ausspielen, wenn er mit dem Ball in Richtung Tor lief. Den Alltag eines mitspielenden Stürmers, der auch gegen den Ball zu arbeiten hat, war er aus der Nationalmannschaft und von seinen Ex-Klubs nicht gewohnt. Klopp verlangte aber genau dieses Stürmerprofil, und so wechselte er Lewandowski meist erst nach einer Führung ein, wen die Dortmunder auf Konter lauern konnten. Sein Startelf-Debüt gab er so erst am 5. Spieltag der Europa League, auch danach blieb ihm meist nur die Joker-Rolle.
Verletzungen spülen ihn in die Startelf
Erst als sich Kagawa vor dem Beginn der Rückrunde beim Asien-Cup verletzte, konnte der Pole einen Stammplatz erkämpfen. Er agierte in der Rückrunde oft von Beginn, meist auf der Zehnerposition, manchmal auch aufgrund von Verletzungen von Barrios im Sturmzentrum. Viele Beobachter wurden aber das Gefühl nicht los, er stünde nur in der Startelf, weil Klopp keine Alternativen habe. Auch die Tatsache, dass er in der Rückrunde bei „nur“ vier geschossenen Toren zahlreiche Chancen ausließ, brachte ihm die Missgunst der Anhänger ein. Die BVB-Fanseite schwatzgelb.de sah sich daher sogar veranlasst, ihn gegenüber der Kritik einiger Fans („Fehleinkauf“) in Schutz zu nehmen: „Diejenigen, die Lewandowski als Fehleinkauf einschätzten, haben ihn de facto nie eine richtige Chance gegeben, sondern nur auf ein Scheitern gewartet.“
Wer in dieser Rückrunde genauer hinschaute, entdeckte allerdings neue Qualitäten im Spiel des Polen: Im Verlauf der Rückserie schaltete er sich mehr und mehr in das Aufbauspiel der Borussia ein. Während er in seinen ersten Partien noch wie ein Fremdkörper im Passspiel und Pressing der Meistermannschaft wirkte, wurden seine Aktionen zunehmend selbstverständlicher. Obwohl seine Lieblingsposition im Sturmzentrum ist, lernte er, von der Zehnerposition aus seine Kollegen auf den Außen einzusetzen. Oft sah dies nicht spektakulär aus, doch diese vermeintlich einfachen Pässe und Läufe öffneten Räume für Jungstar Mario Götze. Nach und nach wurde Lewandowski ein wesentlicher Teil der BVB-Elf, auch wenn seine Chancenverwertung arg zu wünschen übrig ließ.
Neu gewonnene Spielstärke
So richtig platzen sollte der Knoten erst in dieser Spielzeit: Mit neun Treffern führt er die interne Torschützenliste klar an. Doch nicht seine Tore sind der Grund, warum Lewandowski aus der Startelf nicht mehr wegzudenken ist. Vielmehr verkörpert er das Modell eines mitarbeitenden Stürmers: Er bietet sich als Anspielstation in der Tiefe an, weicht immer wieder auf die Flügel auf und hilft auch im Spiel gegen den Ball aus. Sein laufintensives Spiel eröffnet immer wieder Löcher in der gegnerischen Abwehrreihe. Seine Ballverluste haben sich seit der letzten Saison stark verringert, er beherrscht das Ballhalten mit dem Rücken zum Tor mittlerweile fast so gut wie Barrios.
Gerade in den Spielen gegen andere Top-Teams sind dies Qualitäten, die ihn aus dem Mannschaftsgefüge herausragen lassen. Im Top-Spiel gegen die Bayern war er viel unterwegs und versuchte immer wieder Räume für mögliche Konter zu öffnen. Er leitete auch mit einem sehenswerten Pass aus dem Halbfeld in den gegnerischen Strafraum das Siegtor ein. Gegen Borussia Mönchengladbach sorgte sein permanenter Druck auf den Innenverteidiger Dante dafür, dass dieser sich im Spielaufbau seltener beteiligen konnte als sonst. Hiermit hatte er eine der großen Gefahrenquellen des Gegners ausgeschaltet.
Robert Lewandowski wird noch immer von vielen Beobachtern unterschätzt. Manche Kritiker meinen, der einzige Unterschied zur letzten Saison sei seine bessere Chancenverwertung. Bei genauerer Betrachtung sieht man allerdings, dass Lewandowski mit seiner Flexibilität und Spielstärke mittlerweile zu den spielstärksten Stürmern der Liga gehört. Die Tatsache, dass Barrios aktuell nicht an ihm vorbeikommt, spricht Bände: Aus dem Dortmunder Problemkind ist eine der Säulen der Mannschaft geworden.
5 Kommentare Alle anzeigen
JS 15. April 2015 um 22:54
lustig, die Kommentare und den Text jetzt zu lesen. Auch das Bild am linken Rand dazu ironisch 😀
Erasmus 23. Januar 2012 um 12:04
Gerade erst entdeckt, aber einen Kommentar kann ich mir nicht verkneifen: Lewandowski wäre zur Sommerpause sicherlich die logische Wahl gewesen, aber wer in der Rückrunde so trifft und dementsprechend Aufmerksamkeit bekommt, ist kurz vor Weihnachten sicherlich kein unbesungener Held mehr.
Ehrlich gesagt hatte ich fest mit einem anderen Spieler gerechnet, der in der Öffentlichkeit regelmäßig auf seine Laufstärke und Identifikation mit dem Verein reduziert wird: Kevin Großkreutz.
laterookie58 6. Dezember 2011 um 16:59
@44²: mir fehlen eindeutig Deine taktische Fähigkeiten, etwas so zu analysieren. Auch ich sehe Barrios als „Standard-Mittelstürmer“ im Vergleich zu Robert. Aber auch solche wird man immer wieder brauchen; und wenn „nur“ wie Hanke bei MG.
Zu Kloppo: ich würde ihn für fähig halten solche „Schachzüge“ mit Spielern als begrenztes Wagnis einzugehen. Daß er Psychologe ist wissen wir; Taktiker zu sein hat er gegen Bayern und MG bewiesen. Und: zocken gehört wohl für einen Trainer zum täglichen Geschäft.
datschge 6. Dezember 2011 um 18:46
Hanke ist aber sehr, sehr weit weg von einem „Standard-Mittelstürmer“, da gab es doch hier gerade erst einen Artikel drüber. 😉
Zu Lewandowski, dass er in der Öffentlichkeit so kritisch gesehen wird, ist irgendwie an mir vorbeigegangen. Als Spielertyp kann man seine Sorte mMn nicht hoch genug einschätzen, er hat inzwischen was von Klose, mit dem großen Vorteil, dass er auf der 10er nicht verschenkt ist.
44² 6. Dezember 2011 um 15:46
Ich frag mich, ob Klopp ihm bewusst ein Lehrjahr verordnet, bzw es in Kauf genommen hat.
Ich halte Lewandowski für technisch sehr sehr begabt, deutlich talentierter als Barrios. Wenn ich mich recht entsinne, war seine erste Ballberührung für den BVB eine Mitnahme, wo er sich völlig überraschend zwischen zwei, drei Gegner durchdreht und den Ball weiterspielt, da konnte man gleich sehen welches Potential er hat.
Ein zentrales Element seines Spieles ist, dass er extrem schwierige Sachen versucht. Da ist er anders als Barrios, der löst Situationen viel konventioneller. Barrios bewegt sich stets geradlinig von seinen Gegnern weg, hält den Ball einfach nur, nutzt für Dribblings fast nur seinen Antritt. Lewandowski dreht sich oft um die Gegner herum, versucht sich direkt einen Vorteil zu verschaffen, sucht viel riskantere Dribblings mit überraschenden Haken und Übersteigern, spielt auch schwierigere Pässe als Barrios. Das führte letzte Saison (teilweise immernoch) dazu, dass er trotz seiner technischen Überlegenheit meist schlechter aussah als Barrios, weil ihm insgesamt weniger gelang.
Man kann ja einem Spieler verordnen, bzw ihn dazu „erziehen“, dass er wenig riskante Dinge macht. Ich frag mich, ob Klopp das bewusst nicht gemacht hat und Lewandowskis „Ausschuss“ in Kauf nahm, damit er sich dazu entwickelt, dass solche Dinge gelingen und perspektivisch einen Stürmer für entscheidende Dinge zu haben, oder ob Lewandowski sich da einfach oft überschätzt hat. Wie seht ihr das ein?