Adventskalender, Türchen 2: Almog Cohen

Ein bisschen mulmig sei ihm gewesen, sagt Almog Cohen, als er das erste Mal in Nürnberg war. Zu Jahresbeginn 2010 gaben die Clubberer die Verpflichtung des israelischen Nachwuchstalents bekannt, den Lothar Matthäus bei Maccabi Netanya geformt hatte und den man als „Gattuso Israels“ anpries. Dies war ein Grund, warum Cohen nach seinem Wechsel zunächst belächelt wurde, erinnerte man sich in Deutschland doch an ähnlich angekündigte Transfers wie Ali Karimi oder Siyabonga Nkosi.

Almog Cohens Profilbild bei bundesliga.de

Nürnberg und das Judentum, jedenfalls, haben eine ganz eigene Beziehung. Genau in dieser Stadt hatte die NSDAP im nationalsozialistischen Deutschland seinen Parteisitz, genau in dieser Stadt wurden die Rassengesetzte verabschiedet. Mittlerweile ist vieles anders – Cohen gehört zu den Fanlieblingen, in der letzten Saison waren die beiden Moslems Gündogan und Ekici seine besten Freunde.

Vergleiche mit Gennaro Gattuso oder auch dem ehemaligen Bayern-Star Jens Jeremies lassen sich bei Cohen nicht von der Hand weisen: Er ist ein giftiger, sehr laufstarker und durchaus dynamischer Abräumer mit Qualitäten im Zweikampfspiel. Besonders hervor sticht seine unglaubliche Aggressivität, mit der er den Bällen nachjagt und mit der er seine Gegenspieler wie ein Terrier gnadenlos verfolgt.

Was sich aber als gelegentlich übermotiviert und ähnlich wie bei Hoffenheims Daniel Williams unkontrolliert anhört, ist es eher nicht. Zwar beweisen auch die Statistiken seine überdurchschnittlichen Laufleistungen, doch er gehört nicht zu den absoluten Klassenbesten. Es ist nicht die Quantität des Laufens, sondern die Qualität und Dynamik seiner Aktionen, die ihn auszeichnet, vom Zuschauer allerdings sowohl durch das klassische Bild eines Abräumers als auch durch die Tatsache, dass bspw. seine Sprints so lang und ausdauernd sind, wieder mit Quantität assoziiert werden. Dies ist wiederum eher ein Merkmal für die Unauffälligen, die fleißigen und quantitativ veranlagten Arbeiter. Denn Cohen weiß schon sehr gut, wann er attackieren muss, besitzt also ein recht gutes Lauftiming und ist damit einer, der sich diese Aktionen effektiv einteilt, doch selbst dann kann es noch schief gehen oder übertrieben passieren – und man macht wieder den limitierten und ungestümen Holzhacker daraus. Selbst in der letzten Saison, als er sich in bestechender Form präsentierte, hatte Cohen oftmals eine „4“ bei diversen Sportportalen und –zeitschriften.

Vor allem in den Spielen gegen stärkere Gegner besitzt er entweder eine spezifische Aufgabe im Abdecken eines speziellen Spielers, in der er wie der Terrier agiert, oder auch fast schon Defensivfreiheiten, bei der man ihn seine Position verlassen und die Gegner attackieren lässt sowie in der anderen vertikalen Richtung sein schnelles Zurückrücken nutzen kann – hier darf er dann seine Aggressivität recht risikolos ausleben.

In der Offensive hat der junge Israeli allerdings noch einiges an Steigerungspotential. Zwar besitzt er eine in jedem Fall akzeptable Technik und eine – auch im Spiel ohne Ball – gute Portion an Spielintelligenz, doch sein Passspiel und sein Spielaufbau sind noch ausbaufähig. Bisher agiert er zwar technisch einwandfrei, aber noch zu wenig balanciert und zu überhastet. Dies ist auch ein Grund, warum er eher selten überhaupt eingebunden wird und so auf nur wenige Ballkontakte und Pässe kommt. Er hat alle 2,13 Minuten einen Ballkontakt, bei seinen Bundesliga-Pendants – Josue (1,93), Jermaine Jones (1,53), Manuel Schmiedebach (1,67), Sascha Riether (1,63), Thanos Petsos (1,57) – und seinen Teamkollegen – Simons (1,89), Feulner (1,79) und Hegeler (1,63) – sind die Werte geringer. Stattdessen versucht er, schon bei eigenem Ballbesitz seine Gegner wieder zu nerven, mit Laufarbeit für Räume zu sorgen oder neue Situationen zu antizipieren und beispielsweise auf den zweiten Ball zu gehen. Wie Gattuso beschützt er somit den etwas spielaufbauenderen Sechser Timmy Simons und agiert sehr vertikal, mit Aggressivität rückt er gegen den Gegner vor, lässt sich aber auch oft zur zusätzlichen Sicherung mit weiter nach hinten fallen, mit Tempo sprintet er sowieso immer zurück.

Mit dieser gewissen Beschränktheit im Spiel nach vorne dürften allerdings die seltener gewordenen Einsätze des 1,69-großen „Giftzwergs“ zusammenhängen. Nach den Abgängen seiner Vertrauten Ekici und Gündogan lastet auf den anderen Mittelfeldspielern mehr Verantwortung im Offensivspiel, welche Cohen auch aufgrund der aktuell nicht mehr so starken Form (noch) nicht zu schultern vermag. Dass die Rolle von einem der beiden Flügelspieler wieder klassischer und weniger unterstützend geworden ist, spielt auch mit in diese Situation hinein.

Offensiv gibt es also noch Entwicklungspotential, doch Cohen hat in kurzer Zeit bereits einen enormen und vielfach überraschenden Sprung gemacht und bereits einiges im Hintergrund für den FCN geleistet. Als Mensch wie als Spielertyp wirkt er sympathisch.

Max 4. Dezember 2011 um 13:30

Schöne Serie, das muss auch mal gesagt werden. Die super Spieler für die Masse können ja oft nur glänzen, weil sie genügend Wasserträger um sich haben.
Schreibt Ihr auch mal was über Bernd Schneider? Imho auch einer der unterschätztesten Nationalspieler. Erst mit Müller konnte sein Ausscheiden auf der rechten Position kompensiert werden.

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juwie 4. Dezember 2011 um 00:37

Schöne Wahl beim FCN.

Noch eine kleine Korrektur, obwohl OT: Der Parteisitz der NSDAP war in München (der „Hauptstadt der Bewegung“), in Nürnberg die Reichsparteitage.

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