FSV Mainz 05 – VfB Stuttgart 3:1

Ein sehr abwechselungsreiches Freitagsspiel zwischen dem 1. FSV Mainz 05 und dem VfB Stuttgart endete mit 3:1 für die Hausherren. Neben zwei Platzverweisen und einem umstrittenen Elfmeter bot die Partie außerdem eine interessante Systemumstellung von Gäste-Trainer Labbadia.

Tuchel bringt vier Neue, Stuttgart unverändert

Grundaufstellungen

Im Vergleich zur 1:3-Heimniederlage gegen Werder Bremen in der Vorwoche wechselte der zuletzt wegen seines Verhaltens an der Seitenlinie kritisierte Mainz-Trainer Thomas Tuchel vier Spieler: Für den verletzten Noveski sowie Fathi, Malli und Choupo-Mouting begannen Müller, Polanski, Baumgartlinger und Ivanschitz. Taktisch ordnete Tuchel seine Spieler wie zuletzt auch in einem 4-3-1-2-System an, mit welchem die 05er in der vergangenen Saison so erfolgreich gewesen waren.

Mit Ivanschitz spielte auf der Spielmacherposition ein direkterer Spieler, der immer wieder in die Spitze vorstieß und dort die von dem sehr beweglichen Stürmerpaar gerissenen Löcher nutzen sollte. Die natürliche fehlende Breite des Systems wurde offensiv damit kompensiert, dass die beiden Außenverteidiger weit aufrückten und sich die Mittelfeldspieler auf den Halbpositionen, Soto und Baumgartlinger, ebenfalls situativ auf die Flügel bewegten.

VfB-Coach Labbadia ließ seine Mannschaft im Vergleich zur Vorwoche unverändert und blieb dem bewährten 4-2-3-1-System treu. Hauptansatzpunkt waren die beiden Flügel, auf denen die Stuttgarter jeweils nominell eine 2:1-Überzahl vorzuweisen hatten. Die Außenverteidiger sollten nach vorne gehen, um sich dann gemeinsam mit den Mittelfeldspielern in den Rücken der Abwehr kombinieren zu können. Dies klappte jedoch nur in der Anfangsphase. Nachdem Tuchel seine Mittelfeldspieler nach etwa zehn Minuten zur Ordnung gerufen hatte, kamen die Stuttgarter nur einmal, nämlich beim Führungstor in der 50. Spielminute, in den Rücken der Mainzer Abwehr.

Situatives Angriffspressing auf beiden Seiten

Trotz der gänzlich unterschiedlichen Spielsysteme agierten beide Teams gegen den Ball relativ ähnlich: Frühes Zustellen der „einfachen“ Passwege ins Mittelfeld mithilfe der beiden Stürmer (Hajnal schob dazu bei gegnerischem Ballbesitz auf Cacaus Höhe), aggressives Pressing weit in der gegnerische Hälfte bei ungenauen Zuspielen oder technischen Fehlern. Diese Spielweise führte dazu, dass beide Mannschaften zunächst große Schwierigkeiten hatten, ein geordnetes Aufbauspiel aus der Innenverteidigung aufzubauen.

Gerade die Mainzer erzielten im Laufe der Partie einige wertvolle Ballgewinne gegen einen aufgerückten Gegner, jedoch fehlten ihnen anschließend die Anspielstationen auf den Außen, ein großer Nachteil des 4-3-1-2-Systems. Die Stuttgarter dagegen zeigten zwar ebenfalls eine ordentliche Leistung im Spiel gegen den Ball, versäumten es aber ein echtes Mittel gegen die drei defensiven Mittelfeldspieler der Mainzer zu finden, die trotz aller Bemühungen häufig vertikal angespielt werden konnten.

Die Mainzer fanden zudem ein eigentlich nur allzu bekanntes Mittel, um die Unterzahl auf den Flügeln auszugleichen: Wurde Linksverteidiger Molinaro angespielt wurde er sofort von Baumgartlinger unter Druck gesetzt, auf der anderen Seite machte Soto Boulahrouz zu. Dieser simple Kniff wurde schon in der vergangenen Saison angewendet, er funktionierte aber wieder einmal sehr gut, abgesehen von der Anfangsphase. Nach Tuchels Eingreifen von außen pressten Soto und Baumgartlinger wesentlich höher, teilweise auch beide gleichzeitig, und erstickten damit den Vorwärtsdrang ihrer Gegenspieler. Und obwohl dieser Schritt aufgrund aller Spiele des FSV unter Tuchel bekannt und damit vorhersehbar war, hatten die Stuttgarter dennoch keine passende Antwort darauf parat und damit ihren Vorteil auf den Flügeln eingebüßt.

Mainzer Probleme auf links

Im Angriffsspiel der Hausherren spielte Linksverteidiger Caligiuri in den ersten 45 Minuten eine sehr offensive Rolle. Dadurch ergaben sich in der Offensive einige Vorteile, die jedoch nicht in Tore umgemünzt werden konnten. Nach Ballverlust ergaben sich aus der offensiven Positionierung Caligiuris eine Reihe von negativen Folgen: Soto musste kurzfristig Caligiuris Position übernehmen, wodurch man einen zentralen Spieler verlor und nun anfälliger war für Pässe in den Bereich vor der Abwehr. Außerdem war Soto häufig ebenfalls ins Angriffsspiel eingeschaltet, konnte also auch nicht die Linksverteidigerposition übernehmen, wodurch diese entweder unbesetzt blieb oder von Polanski eingenommen wurde, wodurch Baumgartlinger einige Male alleine zentrale vor der Abwehr verteidigen musste.

So kamen den Stuttgarter in der ersten Hälfte zu einigen viel versprechenden Konteransätzen, die allerdings nicht konsequent genug zu Ende gespielt wurden. Zudem verpasste man es auf einem Flügel oder im Zentrum eine kurzfristige Überzahl herzustellen, sodass man die risikoreiche Spielweise der Mainzer nicht ausnutzen konnte. Zur zweiten Hälfte hielt sich Caligiuri etwas mehr zurück, stattdessen drehte nun Pospech auf rechts auf. Komischerweise ergaben sich auf dieser Seite kaum Kontergelegenheiten, was zunächst am schwachen Okazaki gelegen haben könnte, später dann an der Systemumstellung Labbadias.

Labbadia spielt Mainz in die Hände

Nachdem Mainz die Führung des VfB durch Cacau in der 50. Minute bereits drei Minuten später in Person von Ujah egalisiert hatte, zeigten sich die Stuttgarter sehr verunsichert von der aggressiven Mainzer Spielweise in dieser Phase. Viele Bälle wurden bereits in der eigenen Hälfte verloren und man geriet stark unter Druck. Der Führungstreffer für die Gastgeber fiel schließlich nach einem sehr fragwürdigen Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Guido Winkmann in der 59,. Minute. Ivanschitz verwandelte den anschließenden Strafstoß sicher. Erneut nur vier Minuten später machte Ujah sein zweites Bundesligator, als er gedankenschneller als die Stuttgarter Defensivspieler war und den Ball am herausstürmenden Torhüter Ulreich vorbei legte und ins leere Tor schob.

Für VfB-Coach Labbadia hieß diese hektische Viertelstunde zwischen 50.und 65. Minute, dass er reagieren musste. Er musste offensiv wechseln, um den Druck der Mainzer abzumindern und das Spiel nun selbst in die Hand zu nehmen. Aus diesem Zweck brachte er Hemlein für Okazaki sowie Traore für Molinaro. Hemlein spielte als zweiter Stürmer, Traore war für die komplette linke Seite zuständig.

So entstand offensiv eine Art 3-2-3-2-System, dessen Effektivität gegenüber dem 4-3-1-2-Systems jedoch sehr fragwürdig war. Immerhin gab Labbadia die Vorteile auf den Flügeln auf und war mit seinem Team in der Mittelfeldzentrale weiterhin mit 3:4 in der Unterzahl, gewonnen hatte er einen Mann im Sturmzentrum und einen in der Verteidigung. Es zeigte sich, dass die Mainzer sehr gut mit dem Systemwechsel zurecht kamen. Die Ballgewinne erzielten sie nun meistens im Mittelfeld, anschließend schalteten sie schnell um und kamen so in fast jedem Angriff zu gefährlichen Kontersituationen, die sie allerdings extrem fahrlässig ausspielten.

Die Stuttgarter dagegen wurden nur nach Standardsituationen gefährlich, ansonsten blieben sie ohne große Torchance. Mit der harten Roten Karte gegen Polanski in der 83. Minute wurde die hektische Schlussphase eingeläutet, Mainz verteidigte nun mit sieben Mann vor dem eigenen Strafraum und versuchte nur noch das Ergebnis über die Zeit zu bringen, was letztlich auch gelang.

Fazit

Mainz nutzte vor allem in der zweiten Halbzeit seine Überzahl im zentralen Mittelfeld zu vielen Ballgewinnen in der Zentrale. Die Stuttgarter dagegen konnten ihren anfänglichen Plan, sich über die Flügel in den Rücken der Mainzer Abwehr zu kombinieren, nicht lange umsetzen und verloren mehr und mehr die Linie. Dennoch hielten sie lange Zeit mit, gingen durch Cacau sogar in Führung, lagen aber eine Viertelstunde später bereits mit 3:1 in Rückstand.

Labbadias Versuch, mehr Offensive aufs Feld zu bringen ging gehörig schief und spielte den Mainzern in die Karten, die die Konteranfälligkeit dieses 3-2-3-2-Systems nach jedem Ballgewinn unter Beweis stellten, jedoch nicht zum Torerfolg kamen. So blieb es beim 3:1 für die Domstädter, die taktisch ganz einfach besser waren und so spielerische Unzulänglichkeiten ausgleichen konnten.

Horster_Schwabe 7. November 2011 um 22:01

Wie immer eine sehr gute Analyse – grundsätzlich fällt mir auf, dass ihr Labbadias Arbeit recht kritisch seht…? Mich hat er bisher noch nicht wirklich überzeugt, taktische Finessen sind eher Mangelware oder gehen in die Hose.

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