SV Werder Bremen – Hamburger SV 2:0
Das brisanteste Spiel dieses Spieltags war wohl das Nordderby zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV. Während die Hamburger in den letzten Spielen einiges an Kritik bekamen, befanden sich die Bremer mit drei Siegen aus vier Spielen im Aufwind, doch bekanntlich haben Derbys eigene Gesetze.
Wechselwirkung der jeweiligen Formationen
Der Gastgeber trat mit einem klassischen Schaaf-System an, die Mannschaft präsentierte sich in einer Raute im 4-4-2. In der Abwehr agierten Prödl und Wolf von Beginn an, interessant zu beobachten war, dass letzterer die Aufgabe hatte, Mladen Petric zu decken. Dadurch, dass Oenning Petric halbrechts brachte, agierte Prödl als halbrechter Verteidiger und Wolf als halblinker – also invers. Dies hatte allerdings einen großen Vorteil, einerseits konnte man Petric öfters beim Abschluss blocken, andererseits war es für Prödl ein leichtes, die vielen Halbfeldflanken Aogos von links abzufangen. Dadurch, dass man in der Innenverteidigung sicher stand und ein geballtes Zentrum hatte, waren die Außenverteidiger offensiv stark gefordert – und sie erledigten diese Aufgabe sehr gut. Sowohl Sokratis als auch Ignjovski lieferten viele gefährliche Vorstöße und brachten Breite ins Spiel der Bremer, während Bargfrede und die beiden Spieler auf den Halbpositionen, Fritz und Hunt, sie nicht nur defensiv absicherten, sondern in der Offensive mit sicheren Anspielstationen versorgten. Als nominelle Nummer Zehn begann Marko Marin, vor ihm hieß das Sturmduo Arnautovic und Pizarro. Was auffiel war, dass sich sowohl Pizarro und noch mehr Arnautovic immer wieder zurückfallen ließen, um Marko Marin bei der Spielgestaltung zu unterstützen. Diese Fluidität sorgte dafür, dass man im Zentrum ununterbrochen Überzahl hatte und die Innenverteidiger Hamburgs öfters ohne Gegenspieler im Raum stehen ließ. Pizarro okkupierte zwar einige Male die vorderste Spielposition für sich, um das Spiel in die Tiefe zu ziehen und sich dafür im Aufbauspiel zu opfern, doch beide taktischen Mittel waren effektiv und vielleicht war es eben dieser Wechsel Pizarros, der sie so gut funktionieren ließ.
Hamburg trat mit einem 4-2-3-1/4-4-1-1-Hybriden an und konnten aufgrund der wenig flexiblen Außenspieler im Mittelfeld nie die Schwachstellen der Raute nutzen. Skjelbred auf rechts war nahezu komplett abgemeldet, während Jansen links Probleme beim Durchsetzen im Offensivspiel hatte. Aogo unterstützte Jansen zwar und war der auffälligste Hamburger, doch Mancienne auf der Gegenseite war offensiv absolut ineffektiv und das machte den HSV sehr ausrechenbar. Guerrero zog zu oft ins Sturmzentrum, wenngleich er sich auch im Aufbauspiel sehr bemühte, doch weder er noch Petric konnten Wiese wirklich gefährlich werden. Dadurch, dass Jarolim und Tesche an Kreativität vermissen ließen, konzentrierte sich das gesamte Offensivspiel auf Halbfeldflanken über die linke Seite, welche zum Scheitern verurteilt waren. Defensiv stand man zwar einigermaßen ordentlich, dennoch war das erste Gegentor absolut zu erwarten. Rajkovic und Westermann sicherten zwar den Strafraum und die direkten Wege auf das Tor, doch Mancienne auf rechts konnte den Bremern nie wirklich viel entgegensetzen und so kam es, dass die meisten Torschüsse Bremens über links und halblinks kamen. Zwar gingen sehr viele nicht auf das Tor (14 von 22), da Bremen entweder an Präzision vermissen ließ oder die Innenverteidigung Hamburgs sie beim Schuss bedrängten, allerdings täuschte das nie über die Überlegenheit des Bremer Offensivspiels hinweg.
Hamburg begann gut, doch nachdem sich Bremen gefunden hatte und von den Kontern abkehrte, war es mehr oder weniger ein Spiel auf ein Tor, nämlich das von Drobny. Pizarro erzielte einen glücklichen Treffer nach einem Pfostenabpraller und setzte in der 78. Minute mit dem 2:0 den Schlusspunkt einer unterhaltsamen Partie.
Eine moderne Raute oder doch ein verkapptes 4-3-3?
Die Mannschaft, die Thomas Schaaf ins Spiel schickte, zeigte sich sehr diszipliniert und taktisch stark. Fraglich ist allerdings, ob es wirklich eine klassische Raute war, da Marko Marin sich sehr offensiv zeigte, während Arnautovic immer wieder im Mittelfeld auftauchte. Durch diese Verschiebung könnte man das System auch als 4-3-3 deklarieren, wobei Hunt sich mit Marin und Arnautovic, welche beide eher über links kamen, um das Kombinationsspiel kümmerte, während Fritz als box-to-box-midfielder auf halbrechts die Lücken füllte und für einen Übergang zum rechten Außenverteidiger sorgte. Allerdings muss man erwähnen, dass Marin nicht wirklich als hängender Stürmer definiert werden kann, da er viel mehr eine Freirolle im offensiven Mittelfeld übernahm und seine Dribblings und Lochpässe von dort am besten ins Spiel bringen kann. Kommt er über außen, hat er zumeist nur eine Anspielstation, die großteils horizontal ist, desweiteren kann man ihn leichter doppeln. Da er nicht der robusteste ist, nutzt Thomas Schaaf diesen taktischen Kniff, um ihn schwerer ausrechenbar zu machen und seine Stärken näher vor das gegnerische Tor zu bringen. Arnautovics hängende Rolle unterstützt ihn dabei, da ihn nicht der gegnerische Innenverteidiger verfolgt, sondern er zumeist vom defensiven Mittelfeld oder der kollektiven Raumdeckung übernommen wird. Dies gewährt wiederum Marin mehr Platz und die beiden technisch starken Spieler haben generell mehr Raum für ein Kombinationsspiel im letzten Drittel. In Anbetracht der Umstände kann man eher sagen, dass man in einer Raute agiert, wobei die nominelle Nummer Zehn eine Freirolle innehat, die zwischen Stürmer und Mittelfeldspieler wechselt, was das System weder eindeutig einem 4-4-2 noch einem 4-3-3 einordbar macht.
Perfektes Match-Up auf den Flügeln
Ob gewollt oder nicht, ein weiterer Schlüssel zum Sieg war, dass die Bremer immer den idealen Gegenspieler zu den Hamburgern hatten. Die offensiv schwächeren Außen Hamburgs, Mancienne und Skjelbred spielten gegen die defensiv schwächere Seite Bremens, nämlich Hunt und Ignjovski. Dadurch, dass die beiden aber von Arnautovic und Marin unterstützt wurden, konnten sie den Gegner nach hinten drücken auf dieser Seite und erlahmten Hamburgs Flügelspiel. Auf der anderen Seite hingegen hatte man mit Sokratis einen sehr defensivstarken Mann gegen Marcell Jansen und Aogo wurde vom gelernten Rechtsverteidiger Fritz abgedeckt, was für ein relatives Gleichgewicht in Sachen Qualität auf dem linken Flügel Hamburgs sorgte – man kam somit zwar zu einigen Vorstößen, wirklich gefährlich wurde es jedoch nicht. Im Zentrum konnten Jarolim und Tesche keine Impulse setzen, da Bargfrede eine formidable Leistung zeigte und die Defensive dicht hielt, dahinter hatte man mit Prödl und Wolf passende Innenverteidiger zu den unflexiblen Hamburger Stürmern.
Fazit
Alles in allem ein unterhaltsames Spiel, welches durch Einsatzbereitschaft insbesondere auf Bremer Seiten geprägt war. Hamburg fand kaum Wege nach vorne und ihre Ballzirkulation, welche für mehr Ballbesitz als der Gegner sorgte, geschah vornehmlich im ersten Drittel. Bremen verlor bei ihren Angriffe keine Zeit und spielte vertikal wie dynamisch nach vorne, was zu vielen Abschlüssen führte, dennoch brauchte es eine Standardsituation und etwas Glück, um den ersten Treffer zu erzielen. Allerdings war der Sieg, auch nach dem 2:0, noch absolut verdient und Hamburg muss sich fragen, ob man bei Oenning nicht die Reißleine ziehen sollte.
11 Kommentare Alle anzeigen
werda 20. September 2011 um 22:53
Schade, dass das Hunt-Bashing jetzt auch schon in den qualitativ hochwertigen Blogs losgeht – ich dachte, das wäre auf Bild.de beschränkt…
RM 21. September 2011 um 10:47
Von Bashing kann ich nichts erkennen, in der Analyse des vorletzten Spiels wurde er ja sehr gelobt und in diesem nicht mehr kritisiert als die anderen.
datschge 21. September 2011 um 14:27
Ich dachte, das war auf die Kommentare weiter oben gemünzt.
Horst Willmann 15. September 2011 um 10:03
Ich möchte Frank Ehrmann beipflichten: Habe bis auf Heidenheim jedes Spiel im Stadion verfolgt und die ermittelte Laufleistung bestätigt meinen Eindruck, dass Aaron sich enorm gesteigert hat. Auch seine Körpersprache scheint in dieser Spielzeit wesentlich positiver. Deshalb verstehe ich noch weniger, das einige Zuschauer im Stadion raunen, wenn Hunt bei einem Konter und 1:0-Führung mal auf den Ball tritt – zumal sich offensiv nur zwei Anspielstationen hinter den IVs des Gegners verstecken.
Frank Ehrmann 14. September 2011 um 14:40
der „Phlegmatiker“ Hunt hatte mit 12,4 km die höchste Laufleistung. Bin sicher kein Fan von ihm, aber als phlegmatisch würde ich das nicht bezeichnen.
Grüße!
Meinste? 12. September 2011 um 13:32
wofür gibt es hier bitte eine kommentarfunktion, wenn man ewigkeiten warten muss, bis das ding freigeschaltet wird?? pfffff…..schwach..
der gute Torben koehn hat den selben beitrag auf 11-freunde.de verfasst. verlagere ich die diskussion eben dorthin, wenn es euch nicht passt. *kopfschüttel*
peinlich paranoid. auf zonalmarking.com habe ich praktisch noch nie einen spam-kommentar gelesen, weil eben nur echte fetischisten auf diesen seiten unterwegs sind. aber euch geht der kackstift, das begreife mal einer….
TE 12. September 2011 um 15:12
Jeder Kommentar, der von einem User mit einer uns unbekannten E-Mail Adresse geschrieben wurde, muss erst moderiert werden. Dies gilt genauso für Kommentare, in denen mehrere Links vorkommen. Sobald ein Kommentar eines Users freigeschaltet wurde, werden alle seine weiteren Kommentare sofort freigeschaltet. Auf diese Art und Weise wollen wir Werbespam vorbeugen, der bei WordPress-Systemen mittlerweile sehr gängig ist. Außerdem sorgen wir so dafür, dass in unseren Kommentaren ein hohes Niveau herrscht, mit dem wir uns als Autoren identifizieren können. Im Übrigen wird dieses System von fast allen großen WordPress-Blogs genutzt.
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datschge 12. September 2011 um 16:40
Solche Kommentare liest man nicht gerne. Hätte ich nicht freigeschaltet.
Meinste? 12. September 2011 um 12:54
@ Torben:
ist schon was wahres dran. schade, dass der erste(?) transfer (ekici) eigentlich am wenigsten vorbereitung mitgemacht hat. ignjovski und sokratis wurden bestens integriert, auf den von ihnen gespielten positionen ist es aber auch wesentlich leichter als auf einer zentralen, ballverteilenden….
ich sehe den mangel an flexibilität und kreativität im letzten drittel ebenfalls und hoffe, dass ein fitter ekici den auch dieses jahr noch überwiegend phlegmatischen hunt bald ersetzen kann und sich dieser probleme annehmen wird. nachdem was ich bisher von mehmo gesehen habe, glaube ich schon, dass er ein wichtiger baustein des werderkonstrukts werden wird. die hoffnung stirbt zuletzt.
Thorben Köhn 12. September 2011 um 11:50
Mal aus einer anderen Diskussion:) (…) diese aktuelle Werder-Euphorie find ich ja schön und gut, nur sieht man selbst bei einer wieder leidenschaftlich ackernden und rennenen Werder-Mannschaft gegen wirklich schlechte Gegner (Lautern, HSV) ähnliche Probleme wie früher. Lautern ist jetzt schon für mich ein Zweitligist, war in Bremen miserabel aufgestellt, trotzdem nicht deutlich schlechter als Werder, und ähnlich schlecht wie Lautern spielen wohl nur HSV und Köln derzeit. Selbst Augsburg hat da mehr Stabilität und wird Werder mit dem 4-2-3-1 im zentralen Mittelfeld wohl noch richtig fordern. Und auch Hoffenheim brach beim 2:1 von Werder nach 37 absolut dominanten Minuten, in denen Werder kaum Luft zum Atmen hatte, nach einem dämlichen Tor für Arnautovic‘ einfach völlig auseinander. Auch kein Gradmesser.
Zurück zum SA.
Zum einen ist der HSV taktisch unter Oenning einfach noch desaströser, zudem völlig uneingespielt. Das flache 4-4-2 , zudem so unkompakt gespielt und mit zwei kaum verteidigenden zentralen Stürmern, ist ein Fest für eine Mannschaft, die im 4-2-3-1 oder 4-1-2-1-2(Raute) zentral Überzahl schaffen will. Wichtig ist in der Raute – Max und ich haben es immer wieder geschrieben und gepredigt:)- dass entweder die Außenverteidiger mit übermenschlicher Laufstärke die ansonsten fehlende Weite schaffen oder die Stürmer sich nicht beide mittig anbieten und einer eigentlich einen verkappten Außenstürmer gibt. Das überraschende Neue ist, dass nicht nur der junge und agile Ignjovski, für mich taktisch der wichtigste Spieler am SA, diese Weite im Spiel durch permanente Präsenz vorne schafft, sondern auch Papasthatopoulos etliche Läufe macht. Auch Wesley wäre diese Dynamik zuzutrauen. Papasthatopoulos ist dabei etwas oft noch sehr einfallslos und stampft ohne jede Finte die Bahn runter – aber gegen einen schwachen Gegner! reicht dies zumindest, um die Defizite der Raute im Mittelfeld auszugleichen, dem Spiel die fehlende Breite zu geben.
Zwischenresumee: Zwei bessere Außenverteidiger als Fritz, Schmitz und Silvestre, die einfach keinen Antrieb, keine Antritt (mehr haben), verbesserten die Rauten-Malaise durchaus schon mal.
Im letzten Angriffsdrittel bin ich aber wiederum skeptischer, d.h. wenn Werder wirklich Chancen auf engem Raum herausspielen muss. Pizarro bietet sich wie schon Zeit seines Stürmerlebens (auch beim FC Bayern) gerne als Halbspitze tief an, aber nicht außen. Auch Arnautovic‘ wäre an sich ein sehr variabler Stürmertyp, der beim TC Twente über außen kam. Aber auch er bietet sich nicht wirklich bei Werder auf den Außen an, Schaaf sieht sowas taktisch wiederum nicht viel vor, fürchte ich. Meistens sieht man doch wieder Dribblings durch die Mitte, auf den Halbaußen, Offensivzweikämpfe, die meist eben im 1 gegen 1 oder 1 gegen 2 verloren gehen, vor allem gegen besseren Gegner, mitunter ein sehr mittiges und fehlerhaftes Spiel, wodurch zwar viel Druck durch die Mitte erzwungen wird, es aber trotzdem meist nur durch Fehler des Gegners zu klaren Torchancen kommt – oder nach Standards. Es fehlen immer noch in Mehrzahl schöne diagonale Bälle durch die Schnittstellen, es fehlen die Außen, die nicht nur tief, sondern auch hoch direkt besetzt werden.
Ich habs schon in der Krisensaison gesagt: Wir haben kein kämpferisches Problem, ich fürchte auch dieses Jahr, dass uns irgendwann die Lösungen gegen gut stehende Gegner fehlen. Heidenheim und Augsburg sind so gesehen schwierigere Gegner als Lautern und der HSV.
HW 12. September 2011 um 14:15
Entschuldige bitte, aber was ist Zitat (und von wo) und was nicht?