Olympique Marseille – AS St. Etienne 0:0
Frankreichs Vizemeister Olympique Marseille kommt auch bei seinem dritten Saisonspiel nicht über ein Remis hinaus – auch wenn es diesmal gegen das bisher starke St. Etienne ging.
Marseilles Coach Didier Deschamps wählte ein 4-3-3-System, die Gäste agierten in einem 4-4-1-1.
In dieser Formation reihte sich der Tabellendritte in der eigenen Hälfte auf und überließ dem favorisierten Gastgeber den Ball. Trotz fast 70% Ballbesitz in der ersten halben Stunde konnte dieser damit recht wenig anfangen – die vier Abwehrspieler und der tief spielende Sechser Diarra schoben sich die Bälle in der eigenen Spielhälfte kurz vor der Mittellinie zu.
Die anderen fünf Spieler standen sehr hoch und kamen zu selten als Anspielstation in Frage – es gab in der Anfangsphase so gut wie keine Verbindung zwischen Defensive und Offensive. Lediglich die beiden Außenstürmer wurden nach einem Pass entlang der Linie gelegentlich ins Spiel involviert.
Bei diesen beiden Spielern fiel die unterschiedliche Rollenverteilung auf. Rechts hatte Valbuena sehr viele Freiheiten und driftete über den Platz, während Ayew sehr zentral, aber aufgrund seiner Torgefahr überraschend tief stand. Somit konzentrierte sich Marseille stark auf die rechte Angriffsseite – doch sowohl dieser Fakt als auch die Ausrichtung der Außen hatte einen bestimmten Grund.
Während der linke Achter, Charles Kaboré im Laufe der Zeit sich öfters fallen ließ, um Alou Diarra zu unterstützen, spielte der Schlüsselspieler auf der rechten Achter-Position – Lucho González. Er ließ sich wahlweise fallen oder bewegte sich zwischen der Abwehr- und Mittelfeldlinie des Gegners.
In ersterem Szenario hielt der Außenverteidiger die Breite, während Luchos Bewegung entweder einen Mittelfeldspieler wegziehen und damit Raum für den hinein driftenden Valbuena öffnen würde (1a) oder an den Ball kommen und mit einem langen Ball den beweglichen Remy oder den nach vorne stoßenden Kaboré bedienen würde (1b).
Im zweiten Fall ging der Außenverteidiger ins Zentrum, Valbuena hielt die Breite, Kabore blieb hinten zur Absicherung und zum Halten eines Gegenspielers, während auch Ayew solche auf sich zu ziehen versuchte – Lucho könnte zwischen den Linien angespielt werden (2).
Häufiger zu sehen war Szenario eins – wobei bedenklich war, wie ungeschickt sich St. Etienne bei den langen Zuspielen Luchos anstellte.
Marseille spielte also den Ball herum und ließ ihn zirkulieren, bis man ihn zu Lucho bekam – dies schien der einzige wirklich einstudierte Spielzug zu sein, und auch wenn er keine große Offenbarung oder Sensation darstellt, so muss man doch sagen, dass OM zwar über weite Strecken „Ballgeschiebe“ bot, mit seiner Strategie aber dennoch zu Torchancen kam.
Diese entstanden dann meistens eher durch das Zentrum – entweder blieb man auf halbrechts oder man beendete den Spielzug über halblinks.
Zwei interessante Dinge lassen sich hier konstatieren: Zum einen opferte man damit die Torgefahr André Ayews und die linke Offensivseite für das Spiel über Lucho und auch Valbuena – es sei denn, jener war der Strippenzieher des Spielzugs, wie bei der ersten Doppelchance der Marseillaise.
Zum anderen spielten somit die eigenen Außenverteidiger eher defensiv-konservativ, sie sicherten meistens ab und hielten die Stabilität, denn für weites Aufrücken wurden sie auch nicht gebraucht – so erklärt sich, dass St. Etienne ohne Torschuss in der ersten Halbzeit blieb.
Dass sich dies in Durchgang zwei änderte, lag zum einen daran, dass Marseille etwas nachließ, ihre Gegner dafür aber mutiger und verbessert spielten.
Zudem hatte man sich nun auf die Gefahr von Lucho sowie auf das Verteidigen von langen Bällen besser eingestellt – wenn er sich fallen ließ, machte man nun nicht mehr den Fehler, ihm Zeit am Ball für den Pass zu lassen, sondern erzwang ein Prallen-Lassen und damit den Rückpass.
Den zentralen Mittelfeldspielern war es weiterhin möglich, den Ball weit außen zu erhalten, in der Schnittstelle zwischen den gegnerischen Stürmer und Außenspieler – doch hier stand man nicht gut zum Spielfeld und nun auch unter Druck von St. Etienne, welche im Mittelfeld aggressiver pressten und damit Lucho Zeit für seine Pässe nahmen.
Weil Deschamps zu Beginn des zweiten Durchgangs wegen der schwächeren Präsenz Luchos auch die linke Seite mehr einbinden musste, wurden zwar die Außenverteidiger offensiver, doch der Aufbau musste mehr durch das Zentrum gehen, und der Argentinier Lucho deshalb noch horizontaler spielen, so dass er sich also ohnehin seltener fallen lassen konnte und man häufiger mit dem gegnerischen Mittelfeldpressing konfrontiert war. Wollte man Lucho einbinden, brauchte es Vertikalpässe zwischen die Linien – deshalb hatte man weniger Chancen, allerdings qualitativ höhere, dafür aber auch mehr Ballverluste und mehr Chancen gegen sich.
Marseille konnte seine Probleme nicht beheben – stattdessen wirkte es so, als ob die Gegenmaßnahmen die Probleme noch verstärkten, in sie hinein spielten.
Ein Tor lag so gut wie gar nicht in der Luft – was die Angriffe Marseilles immer panischer werden ließ. Lange Bälle blieben meist erfolglos, man wurde immer ungefährlicher – das 0:0 war berechtigt.
Fazit
Die französische Liga ist generell eher defensiv geprägt und vorsichtig.
In der ersten Halbzeit war das Spiel stark auf Lucho fokussiert, was auch einige Chancen brachte, während St. Etienne bei Gegenzügen nicht zu viel Risiko gehen wollte, um dann nicht ihrerseits einen Konter zu fangen – gegen häufig 5 defensiv bleibende OM-Akteure reichte das aber nicht.
Mit besserer Verteidigung wurde man dann stabiler, und konnte Marseilles Spielzüge mit Mittelfeldpressing stoppen. Dank Ballgewinnen nach jenem Pressing, höheren Außenverteidigern seitens Marseilles sowie mehr von jenen gespielten riskanteren Vertikalpässen kam man zu mehr Torgelegenheiten.
Deschamps Plan B war auf den ersten Blick durchaus sinnvoll, aber auch sehr riskant. Der Effekt war quasi der gleiche, den St. Etienne mit seiner besseren Defensivarbeit erzielte – und damit förderlich. Folglich wurde Deschamps nicht belohnt – und Marseille steht nun schon unter Druck.
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