Karlsruhes Kwasniok-Swag

Plötzlich spielt Karlsruhe in der zweiten Bundesliga ziemlich attraktiven Fußball und ist damit eine der wenigen Ausnahmen in einer ansonsten gleichförmigen Liga. Wie konnte das passieren?

So sah das 2015 bei der U17 aus. Per Klick öffnet sich mein gesamter Jugendfußball-Artikel.

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Vor ziemlich genau einem Jahr trainierte Lukas Kwasniok, heute 35 Jahre alt, noch die U17 des Karlsruher SC. Eine Mannschaft, welche nicht nur einen der oberen Tabellenplätze belegte, sondern auch teils außergewöhnlichen Fußball spielte. Aus einem grundsätzlichen 3-5-2 heraus schoben die Halbverteidiger immer wieder weit in den Sechserraum, teilweise gleichzeitig. Dies sorgte für Zugriffsschwierigkeiten bei Gegnern wie Eintracht Frankfurt, die zwar relativ sauber agierten, aber auf derlei Szenarien nicht vorbereitet schienen. Die Folge: Dominanter Fußball vonseiten der Badener.

Zugegeben: Etwas, das man aus dem Herrenbereich in dieser Saison vom KSC nicht kennt. Oder besser gesagt: nicht kannte. Bis Kwasniok sich plötzlich zwei Spieltage lang auf der Trainerbank wiederfand. Mit zurückgegelten Haaren, Kapuzenpullover und Jeans strahlte er genau jene angriffslustige und arbeitsame Einstellung aus, die sich auch schnell auf die Mannschaft übertragen sollte. Nachdem er zwischenzeitlich zur kriselnden U19 befördert wurde und diese in der abgelaufenen Saison vor dem Abstieg bewahrte, brachte der gebürtige Pole seine Ideen direkt mit zu den Profis.

Im ersten Spiel gegen unangenehme Dresdner ließ er seine Mannschaft bereits in einem 5-2-3 auflaufen. Der Gegner aus der sächsischen Landeshauptstadt ist jedoch bekannt für seine hohe Strafraumpräsenz und für eine enorme Wucht, die er im letzten Drittel erzeugen kann. Ein Team, das einen nach hinten drückt – gerade, wenn die Abläufe noch nicht absolut stimmen können. So stand tatsächlich eher jene Leidenschaft im Vordergrund, die für das tiefe Verteidigen nötig war. Der Lohn: Ein Punkt.

Die Aufstellungen und fast alles über Braunschweig

Die Grundformationen zu Beginn.

Die Grundformationen zu Beginn.

Nominell wurde die Aufgabe beim zweiten Spiel nicht leichter: Tabellenführer Braunschweig kam in den Wildpark, um sich die Herbstmeisterschaft zu sichern. Vor dem Spiel kündigte Kwasniok erneut einen mutigen Auftritt an, betonte zusätzlich zum bereits erarbeiteten Pressing-Fundament, dass eine Weiterentwicklung im Ballbesitzspiel nötig sei.

Hierfür bot er erneut eine Mannschaft mit Dreier-/Fünferkette auf. Vollath stand im Tor. Die zentrale Verteidigung bildeten der ehemalige Wolfsburger Thoelke halbrechts, Kempe halblinks sowie Figueras, der einst für Rayo Vallecano kickte und konstruktives Aufbauspiel aus Spanien gewohnt ist. Als linker Flügelverteidiger wurde der junge Bader aufgeboten, während der Grieche Mavrias diesen Job auf rechts erledigte. Als tiefer Sechser fungierte der ehemalige Hoffenheimer Prömel – beim olympischen Turnier noch für das deutsche Team im Einsatz. Neben ihm spielte Yamada eine Hybridrolle hinter der aus Stoppelkamp, Hoffer und Mehlem bestehenden, asymmetrischen Angriffsreihe.

Eintracht Braunschweig hielt ein klassisches 4-4-2 dagegen, das in allen Bereichen so ziemlich dem Standard der zweiten Liga entsprach. Gegen den Ball verschob die Mannschaft zwar ballorientiert, nahm jedoch ein ums andere Mal die (mitunter weite) Verfolgung von Gegenspielern auf. Mit Ball wandelte sich die Ausrichtung zu einem 4-2-4/2-4-4 mit hohem Fokus auf die letzte Linie und relativ isolierten Sechsern. Das war es praktisch auch schon von den Gästen. Das Pressingkonzept von Karlsruhe passte jedenfalls zu dieser Ausrichtung.

Pressing: Ein bisschen wie Nagelsmann

Grundsätzlich staffelte sich der KSC wieder in einem 5-2-3-System gegen den Ball, wobei dieses mehrere Besonderheiten aufwies. Begannen die Braunschweiger Innenverteidiger damit, das Spiel aufzubauen, wurden sie zunächst freigelassen, die vorderste Pressinglinie orientierte sich eher an den Sechsern (Hoffer), beziehungsweise am Passweg zu den Außenverteidigern (Stoppelkamp und Mehlem). Die Staffelung war demnach eher als 5-2-3-0 zu beschreiben. Die Braunschweiger Sechser wurden in einem Dreieck isoliert, während der einfache Weg über die Außenverteidiger versperrt war.

In der Folge ließ sich deshalb einer der Sechser etwas zurückfallen, worauf wiederum Hoffer reagierte und nach vorne lose, bei kleineren Bewegungen innerhalb des Sechserraums auch mal enger, die Verfolgung aufnahm. So ergab sich häufiger ein 5-2-1-2.
Der tiefere Sechser konnte auch bewusst frei gelassen werden – jedoch so, dass er sich wiederum im Zugriffsradius dreier Karlsruher befand. Hierzu passte Stoppelkamp seine Höhe an und staffelte sich idealerweise zwischen Sechser und Innenverteidiger, während der Außenverteidiger weiterhin in seinem Deckungsschatten blieb.

Pressing im 5-2-3-0 und mögliche Anlaufbewegungen.

Pressing im 5-2-3-0 und mögliche Anlaufbewegungen.

Die Rolle Stoppelkamps gestaltete sich gegen den Ball allgemein aggressiver als jene von Mehlem und Hoffer. Er fand sich in einem situativen (verschobenen) 5-1-3-1/5-2-2-1 häufiger einmal als höchster Spieler wieder und lief vor allem Correia von außen nach innen an. Es wirkte so, als solle Decarli bewusst freigelassen werden.

Die Wingbacks agierten demgegenüber eher zurückhaltend, um gegen die hohe Präsenz der Braunschweiger in der letzten Linie eine Überzahl zu wahren. Jedoch konnten auch sie etwas aggressiver vorrücken, wenn das Pressing mit Chipbällen auf die Braunschweiger Außenverteidiger überspielt werden sollte, vor allem über die rechte Seite der Gäste.

Auf links suchten sie eher die Bindung zwischen Mehlem und Hoffer zu kappen und eine Lücke zu reißen, durch die der direkte Pass zu Reichel gespielt werden konnte, der sich aus dem Deckungsschatten heraus bewegte. Dies konnte gerade zum Ende der ersten Halbzeit das Pressing häufiger einmal brechen und im Zusammenspiel mit kleineren Überladungen für etwas Gefahr sorgen.

Vorrücken von Stoppelkamp und Abdecken möglicher Passoptionen.

Vorrücken von Stoppelkamp und Abdecken möglicher Passoptionen.

Ansonsten reagierten die Karlsruher durchaus anpassungsfähig und nahmen immer mal wieder Mannorientierungen auf, wenn es nötig war. Mehlem konnte vor allem ballfern stärker einrücken, sich tiefer fallen lassen und Zuspiele des Sechsers in den Zehnerraum verhindern, ehe er sich um den eigenen Sechszehner herum endgültig ins Mittelfeld einreihte. Stoppelkamp blieb auf der gegenüberliegenden Seite, ebenso wie der teils stark rückwärtspressende Hoffer, eine Reihe davor. Zur linken Außenlinie hin machte eher Yamada zusätzlich Druck auf den Ballführenden. Was das dynamische Anlaufen und Versperren von Passoptionen angeht, ähnelt er durchaus Shinji Kagawa, vermutlich auch aufgrund physiologischer Ähnlichkeiten im Zuge der Bewegungsabläufe.

Ballbesitzspiel: Ein bisschen wie Conte

Gleichzeitig ist Yamada ebenfalls ein guter Nadelspieler, der gerne Kombinationen vorantreibt und weiträumig agiert. Wenig verwunderlich also, dass er der Schlüsselakteur im Ballbesitzspiel des KSC sein sollte. Dabei spielte er eine ziemlich verrückte Hybridrolle aus Sechser, Achter und Zehner, war praktisch an jeder Überladung beteiligt. Vor allem stellten seine Tiefenläufe die mannorientierten Sechser Braunschweigs vor teilweise erhebliche Zuordnungsprobleme.

Dabei staffelten sich die Gastgeber in Ballbesitz zunächst mit Fokus auf Stabilität, was man als Kellerkind gegen den Spitzenreiter schon mal machen kann (eher jedenfalls, als sich blind hinten reinzustellen). Die Wingbacks blieben sehr tief, während die Dreierkette weit auffächerte und Prömel sich davor positionierte. Er band entweder einen der Braunschweiger Stürmer oder machte sich hinter den beiden anspielbar, entweder direkt oder nach vorherigem Zuspiel auf den Wingback. In der Positionsfindung zeigte er bereits ein gutes Gespür und weiß auch durchaus unter Druck zu überzeugen. Allerdings sind weder Orientierung noch Ballverarbeitung konstant sauber, was immer wieder zu Schwierigkeiten führen kann.

Möglichkeiten im Aufbauspiel: Flügelfokus, Tiefenläufe, Raum für Prömel, Mannorientierung auf Yamada, Zurückfallen Hoffer.

Möglichkeiten im Aufbauspiel: Flügelfokus, Tiefenläufe, Raum für Prömel, Mannorientierung auf Yamada, Zurückfallen Hoffer.

Teilweise wurden die Flügel in der Ausgangssituation dreifach besetzt und anschließend bewusst überladen, sodass die ballferne Seite fast schon verwaiste. Hier kam Yamada ins Spiel. Entweder nahm er an One-Touch-Kombinationen teil, die mit unterschiedlichen Bewegungen von Außenspielern und Wingbacks verknüpft wurden und in denen er beispielsweise Gegenspieler ein Stück weit mitziehen konnte. Oder aber er riss größere Löcher, indem er weiträumig vorstieß – in einer Szene gar von halblinks im Sechserraum bis nach rechts vorne an die Strafraumkante. Dies wurde häufig mit einem Zurückfallen Hoffers kombiniert, der im Wechsel mit Mehlem die halbrechte Position im Mittelfeld neben Yamada besetzte oder einfach in den Zehnerraum ging. Derlei Bewegungen nahm die Braunschweiger Kette nicht auf, sodass eine Überzahl im Mittelfeld für den KSC entstand.

Schnelle Kombination aus der Überladung heraus. Bader eingerückt.

Schnelle Kombination aus der Überladung heraus. Bader eingerückt.

Stoppelkamp blieb dabei häufig etwas höher, aber dennoch in der Breite. Auch Mehlem tat dies etwa ballfern im Halbraum. Beide konnten dann diagonale Sprints in die Tiefe starten, welche gerade für die Innenverteidiger mangels direktem Orientierungspunkt nicht ganz einfach zu verteidigen waren und sie zudem zusätzlich dazu zwangen, weit nach außen mitzugehen.

Die Hausherren sorgten über clevere Bewegungen immer wieder für gute Strukturen, die jedoch noch nicht so konstant bespielt wurden: Die individuelle Entscheidungsfindung konnte in zwei Wochen noch nicht in demselben Maße verbessert werden. Das kann man schlichtweg auch noch überhaupt nicht erwarten.
Dennoch gab es schon viele kleine Aspekte, die positiv auffielen und sich passend in das Gesamtbild einreihten. Die Halbverteidiger dribbelten zunehmend mehr und mutiger an. Torwart Vollath wurde teils aktiv mit Ansätzen zur Torwartkette eingebunden. Die Wingbacks, insbesondere Bader, blieben ballfern sehr eng und rückten teilweise weit ins Zentrum mit ein, was sich positiv auf das Gegenpressing auswirkte.

Angepasste Formation im zweiten Durchgang

Angepasste Formation im zweiten Durchgang.

Zweite Halbzeit mit noch mehr Dominanz

In der zweiten Halbzeit sollte ihre Rolle schließlich insgesamt offensiver werden. Dafür bildete sich mit der Zeit ein klares 3-1-4-2 heraus, bei dem Mehlem endgültig als rechter Achter spielte. Stoppelkamp konnte nach gutem Auftritt in der ersten Halbzeit aus zentraler Rolle mehr denn je glänzen. Die Spielanlage des KSC wurde insgesamt noch ein Stück flexibler, die Zahl an Rochaden nahm zu. Dies war neben der allgemein offensiveren Ausrichtung auch dadurch bedingt, dass die hohen Flügelpositionen nun dynamischer besetzt werden musste – auf links etwa abwechselnd von Stoppelkamp, Yamada und Bader. So waren die Gastgeber insgesamt noch unberechenbarer für die ohnehin reaktiven Braunschweiger.

Auch gegen den Ball wurde etwas angepasst: Mehlem orientierte sich gegen die Pässe auf Reichel etwas mehr an diesem, während Prömel nach halbrechts schob. Ein diagonales 5-2-3 also, beziehungsweise ein verschobenes 5-3-2. Teilweise auch ein 5-4-1. Häufig waren die Momente des geordneten Pressings jedoch nicht mehr. Braunschweig setzte eher auf Konterangriffe, die vom KSC nicht immer mit optimaler Struktur, aber mit viel Intensität und noch aggressiveren Halbverteidiger-Rollen in der Regel gestoppt wurden.

Kempe spielte auch mit Ball nun deutlich offensiver und tat ein paar Mal das, was man vor einem Jahr bei jener U17 sah: Er rückte als Halbverteidiger ballfern in den Sechserraum.

Signature Move ins Zentrum, anschließendes Angebot außen. Yamada drückt Sechser in die eigene Hälfte (deshalb nicht im Bild).

Signature Move ins Zentrum, anschließendes Angebot außen. Yamada drückt Sechser in die eigene Hälfte (deshalb nicht im Bild).

Schlusswort: Warum nicht wie Stanislawski?

Auf einem abstrakten Level sind die Vergleiche mit Nagelsmann und Conte, angepasst auf das Niveau der zweiten Liga, inhaltlich noch durchaus logisch nachvollziehbar. Beide Trainer hatten innerhalb des vergangenen Jahres jeweils wenig Zeit, um ein ambitioniertes System zu implementieren, taten dies jedoch überaus erfolgreich und stilistisch mit der ein oder anderen Ähnlichkeit zu Kwasniok.

Doch was will ich jetzt mit Stanislawski? Der ist zwar auch ein interessanter Trainer und ein herausragender Typ, aber vor allem fehlte ihm in seiner Zeit bei St. Pauli irgendwann einmal die nötige Trainer-Lizenz. Selbiges gilt für Lukas Kwasniok. Die Lösung damals: André Trulsen wurde offiziell zum Cheftrainer, Stanislawski hielt inoffiziell alle Zügel in der Hand. Das hat Admira Wacker Mödling mit Oliver Lederer in Österreich übrigens auch mal so gehandhabt. Der Dorfverein landete zwischenzeitlich in der Europa League und spielt bis heute ansehnlichen Fußball.

Der KSC sollte den Mut haben und eine ähnliche Lösung anstreben. Weder taktisch noch emotional wird es wenige passendere Trainer auf dem Markt geben, als jenen Mann, der in lediglich zwei Wochen schon eine ganze Menge Hoffnung verbreitet hat.

Musiclover 22. Dezember 2016 um 14:11

Der KSC spielt attraktiven Fußball? Das scheint an mir vorbeigegangen zu sein. Naja, ich werde das mal in der Rückrunde beobachten. Ich hatte mich ja schon in der letzten Saison gewundert, dass man Oral verpflichtet hat. Ist das Spiel nach dem Trainerwechsel nun so viel besser geworden?

Gruß aus Berlin

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Musiclover 22. Dezember 2016 um 17:38

Jetzt also Slomka!? Naja, da kann ich mir die Beobachtung des KSC in der Rückrunde wohl doch sparen. ^^ Obwohl, die 3. Liga interessiert mich ja auch.

Gruß aus Berlin

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Musiclover 23. Dezember 2016 um 12:25

Was haltet ihr denn vom neuen KSC-Trainer Slomka? Welche Ausrichtung ist unter ihm zu erwarten?

Antworten

Christoph 24. Dezember 2016 um 16:18

Slomka gilt, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, als Verfechter des Umschalt-und Konterfußballs, er ist ja unter anderem für seine 10-Sekunden-Regel (nach Ballgewinn innerhalb von 10 Sek zum Abschluss kommen) bekannt geworden. Mit diesem Fußball war er sowohl bei Schalke als auch bei Hannover durchaus erfolgreich. Über das Pressing und Ballbesitzspiel unter ihm kann ich leider nichts sagen. Ich hoffe er kann diese beiden Aspekte mit seinem Umschaltfokus verbinden, dann kann ich mir schon vorstellen, dass seine Idee vom Fußball wieder erfolgreich sein kann. Außerdem mag ich seine besonnene und unaufgeregte Art (quasi das Gegenstück zu Oral). Auch wenn die ganz großen Innovationen eventuell ausbleiben werden, so denke (bzw. hoffe) ich, dass der KSC mit Slomka eine mindestens solide Rückrunde spielen wird.

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Christoph 19. Dezember 2016 um 22:16

Hallo zusammen 🙂 lange Zeit habe ich hier nur still mitgelesen, aber nach diesem Artikel möchte ich euch einfach mal Danke sagen für eure tolle Arbeit. Egal ob Trainings-/taktischtheoretische Beiträge oder konkrete Analysen von Spieler und Spielen, die Artikel sind inhaltlich und fachlich sehr interessant und dazu noch sehr unterhaltsam geschrieben, sodass sie beim Lesen viel Freude bereiten (gilt für alle Autoren). Auch die Beiträge in den Kommentaren sind oft wahnsinnig interessant und sprachlich gut, was keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist. Also bleibt so wie ihr seid (SV im allgemeinen, aber auch ES im speziellen), ihr macht das top! Und überredet bei Gelegenheit RM mal wieder was zu schreiben 😉
Noch vor wenigen Wochen hätte ich nie im Leben damit gerechnet Lukas Kwasniok als Trainer eines Zweitligisten zu sehen und noch weniger damit eine so ausführliche Analyse zu ihm auf SV lesen zu können. Kwasniok war bevor er in die Jugendabteilung des KSC wechselte Trainer der 1.Mannschaft bei meinem kleinen Dorfverein, dem TSV Reichenbach. Auch wenn ich leider nie unter ihm trainiert oder gespielt habe, so zeichnete sich seine Mannschaft schon damals durch einen mutigen, kreativen und offensiven Spielstil aus. Dies führte/führt er jetzt bei der Jugend bzw. den Profis des KSC fort. In seiner Arbeit als A-Jugend Trainer kam es so häufig zu spektakulären Spielen mit vielen Toren. In der aktuellen Saison hat die von ihm betreute A-Jugend zwar die meisten Gegentore der Liga kassiert, aber stellt auch einen der torreichsten Angriffe. So hat die auf Platz 12 liegende Mannschaft mehr Tore erzielt als der Tabellenführer aus Augsburg.
Die beiden Spiele als Cheftrainer waren vom Ergebnis (2 mal 0:0) zwar eher unspektakulär, wie ES aber toll erläutert spielerisch und taktisch ein Genuss (vor allem wenn man die Spiele unter der Leitung von Thomas Oral noch im Kopf hat). Neben interessanten Abläufen im Pressing, sticht hier vor allem das attraktive Spiel mit dem Ball heraus, was für viele Mannschaften in der 2. Liga (aber auch in der ersten Liga) untypisch ist. Während ein Großteil der Teams das eigene Umschaltspiel fokussiert und manchmal den Eindruck erweckt lieber ohne als mit Ball zu spielen (Martin Schmidt, der Mainzer Trainer, meinte nach dem Spiel gegen Leipzig: „Dadurch hatten wir den Ball mehr, als wir wollten. Plötzlich musst du kicken.“ http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/vereine/664105/artikel_schmidt_und-ploetzlich-musst-du-kicken.html), gefällt mir die proaktive Herangehensweise des KSC unter Kwasniok sehr gut.
Was Kwasniok meiner Meinung nach in seiner kurzen Amtszeit ebenfalls herrausragend gemacht hat, war für einzelne Spieler passende Rollen zu finden. Besonders Kempe als dynamisch vorstoßender Halbverteidiger, Figueras als zentraler IV einer 3er-Kette (hierzu äußerte sich Kwasniok auch explizit, dass er das System mit 3er-Kette unter anderem gewählt hatte, um für den antrittsschwachen Figueras die Räume zu verengen http://www.kicker.de/news/fussball/2bundesliga/startseite/666731/artikel_kwasniok-stellt-um—fotheringham-entlassen.html#omsearchresult) und auch Mavrias als Wingback. Ich erlaube mir mal an dieser Stelle kurz etwas zu Mavrias zu schreiben, auch wenn sich die Frage wohl eher an ES richtete (der mir gerne widersprechen darf, falls ich Unsinn erzähle): Mavrias ist in meinen Augen technisch limitiert, hat (auch dadurch) Probleme bei der Entscheidungsfindung und im Spiel in engen Räumen. Allerdings arbeitet er diszipliniert gegen den Ball und zeichnet sich durch Lauf- und Einsatzfreude aus. Oral setzte ihn zumeist als offensiven Mittelfeldspieler auf der Außenbahn im 442/ 4231 ein, was dazu führte, dass das Spiel über seine Seite extrem harmlos und wenig durchschlagskräftig war. Die Rolle als linearer Wingback passt auf Grund seiner Stärken und Schwächen jedoch sehr gut zu ihm und so wirkt er unter Kwasniok wesentlich besser eingebunden. Aufgrund seiner technischen Beschränktheit und seiner Schwäche im 1vs1 würde ich trotzdem lieber jemand anderes auf seiner Position sehen (den zur Zeit verletzten Valentini, aber auch Torres fände ich sehr spannend auf dieser Position). Sein Pendant auf links Bader gefällt mir trotz seines jungen Alters und der damit verbundenen mangelnden Erfahrung jetzt schon besser und spielt eine komplexere, nicht ausschließlich lineare Wingbackrolle. Auch die Einbindung von Yamada beschreibt ES sehr schön, der Japaner zählt für mich zu den interessantesten Spieler der Liga und war unter Oral völlig unverständlich zeitweise nicht einmal mehr im Kader. Yamada ist der individuell wohl stärkste Spieler der Mannschaft (zusammen mit Stoppelkamp) und so scheint dessen zentrale Rolle unter Kwasniok folgerichtig. Im Zentrum ist er oft am Ball oder zumindest in Ballnähe und wenn gute Spieler oft den Ball haben passiert auch oft etwas gutes. Ich hoffe der KSC kann ihn halten, auch wenn ich ihm die 1. Liga definitiv zutrauen.
Zum Schluss bleibt mir als KSC-Fan nur zu hoffen, dass Kwasniok dem KSC noch sehr lange erhalten bleibt und es in Zukunft noch mehr Analysen von ihm auf SV zu lesen gibt. Falls nicht würde ich mich auch sehr freuen, wenn ihr mal wieder eine Analyse den SC Freiburg macht, welcher zwar etwas unter dem Radar fliegt, aber eine für einen Aufsteiger grandiose Hinrunde mit ebenfalls konstruktivem Fußball gespielt hat. Außerdem sind ja auch einige sehr interessante junge Spieler in der Mannschaft (Philipp, grifo, söyüncü, Kempf, Stenzel) welche in Zukunft bestimmt noch mehr auf sich aufmerksam machen werden.

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LM1895 20. Dezember 2016 um 09:46

Interessant, dass wir Mavrias‘ technische Fähigkeiten zum Teil so unterschiedlich einschätzen. Ich würde zustimmen, dass er Schwächen im 1gg1 hat. Aber eine allgemeine technische Beschränktheit sehe ich bei ihm nicht, ich fand z.B. insbesondere sein Passspiel immer sehr sauber.

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Christoph 20. Dezember 2016 um 12:16

Ich glaube so weit sind wir gar nicht auseinander mit unseren Einschätzungen, habe deinen zweiten Kommentar leider erst gelesen, als ich meinen schon abgeschickt hatte. Ich finde mit „wühlende Art“ beschreibt du Mavrias sehr passend. Auch sein gutes Aufrückverhalten und seine hohe defensive Arbeitsrate würde ich so sofort unterschreiben. Bei der Technik hätte ich vielleicht etwas präziser schreiben sollen, da Technik ja mehrere Dimensionen umfasst (Passtechnik, Ballverarbeitung, Dribbling etc.). Sein Passspiel würde ich grundsätzlich auch als solide einstufen, jedoch mit Ausschlägen in beide Richtungen. In der Schlussphase im Spiel gegen Braunschweig hat er beispielsweise eine äußerst vielversprechende Kontersituation durch einen katastrophal unpräzisen Pass zu Nichte gemacht. Seine Ballverarbeitung, Pressingresistenz und Dribblingfähigkeiten würde ich (v.a. für einen gelernten Offensivspieler) als unterdurchschnittlich bezeichnen. Würde ihn deshalb auch lieber nicht in einer zentralen Rolle sehen, dort würde er denke ich mit den engen Räumen und dem höheren Druck durch Zeit und Gegner Probleme bekommen. Die Wingback Rolle passt auch aufgrund der von dir beschriebenen Stärken und Schwächen meiner Meinung nach aber ganz gut zu ihm, außerdem könnte ich ihn mir auch sehr gut als AV in einer 4er Kette vorstellen (Hat er das schon mal gespielt?). Abschließend muss ich aber gestehen, dass meine Eindrücke auf den wenigen Einsätzen beim KSC beruhen, die ich von ihm gesehen habe. Für ein fundierteres Urteil müsste man ihn bestimmt etwas häufiger sehen, er kann ja auch nichts dafür dass er unglücklich aussieht, wenn Oral die gesamte Mannschaft seltsam aufstellt und ihn in eine für ihn unpassende Rolle drückt. 😉

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Einar der Axtschwinger 19. Dezember 2016 um 21:07

Danke für die Analyse. Als KSCler kommt man ja zurecht nicht mehr allzu häufig in den Genuss.
Und was das Spiel angeht… ich kann mich der Analyse nur anschließen. Das war um Welten besser als alles was der KSC in dieser Saison in irgendeinem Spiel überhaupt geboten hat. Und nicht nur das, es war ein Lichtblick in einer miserablen zweitligasaison. Ich hatte auf Korkuts Lautrer spekuliert (auch wenn als KSCler natürlich nicht gehofft…), aber das ist ja nur noch langweiliger Schemafußball. Natürlich war es auch beim KSC in diesem Spiel in gewisser Weise harmlos, aber das liegt in meinen Augen an der mangelnden individuellen Klasse und fehlenden Automatismen. Aber unter Oral gab es in zig Spielen nicht einen kreativen Spielzug…keine einzige Chance. Und dieses Mal hat man taktisch den Tabellenführer an die Wand gespielt. Das gilt was.
UND: Endlich hat mal einer die Eier, junge Leute wie Bader und Mehlem einzusetzen. Letzterer hat in meinen Augen übrigens ein verdammt gutes Debüt abgeliefert.
Ich hoffe sehr, dass die Verantwortlichen die Courage haben, dem Mann eine Chance zu geben… und ihm zur Not auch eine Marionette als Cheftrainer. Schon allein um dieses absurde DFB-Gedöns mit der Trainerlizenz zu unterlaufen. Ist das überhaupt arbeitsrechtlich in Ordnung? Kann man einem Verein Vorschriften machen, wie er seine Stellen besetzt?

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tobit 19. Dezember 2016 um 22:17

Der DFB hat seine eigenen Statuten doch eh schon immer selbst untergraben. Klinsmann war ja nie Bundestrainer, sondern nur Teamchef mit dem Trainer Löw an seiner Seite. Bei Völler und Beckenbauer war es mein ich ähnlich.
Das Problem ist, dass es wohl kaum Trainer mit entsprechender Lizenz gibt, die sich da bereitwillig für hergeben würden.

Gibt es in Rostov nicht eine Situation, in der ein Ex-Trainer immer noch die Strippen zieht, aber ein Strohmann auf der Bank sitzt?

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Schorsch 22. Dezember 2016 um 22:18

Die DFB-Statuten besagen, dass der Auswahltrainer die Fußballlehrerlizenz innehaben muss. Bei Beckenbauer und Völler war dies nicht der Fall, sie wurden dann ‚Teamchefs‘ und de facto – Bundestrainer, während die de jure – Bundestrainerfunktion von anderen wahrgenommen wurde.

Bei Klinsmann verhielt es sich anders. Er ist im Besitz der erforderlichen Trainerlizenz, die er um die Jahrtausendwende erworben hat. Er war Teilnehmer eines Trainerlehrgangs für ehemalige Nationalspieler mit besonderen Verdiensten, der vom DFB seinerzeit ins Leben gerufen worden war. Wenn ich mich nicht irre, dann hat z.B. Sammer seine Trainerlizenz auch auf diesem Wege erworben. Diese Sonderlehrgänge sind vor einiger Zeit vom DFB abgeschafft worden.

Jürgen Klinsmann war also tatsächlich Bundestrainer.

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Edo 19. Dezember 2016 um 19:22

Da sieht man mal wieder, wie dieses formidable kleine Blog Spiele überinterpretiert. Ich habe das Spiel im Stadion gesehen, es war nicht mal ansatzweise so glorreich, wie es diese Lobesrede hier glaubhaft machen will.

Bsp.:

„Teilweise wurden die Flügel in der Ausgangssituation dreifach besetzt und anschließend bewusst überladen, sodass die ballferne Seite fast schon verwaiste.“

Das ist kein taktischer Kniff, sondern ein Problem dass der KSC schon unter Oral hatte. Die ballferne Seite verweist, weil der ballferne Außen in die Mitte rücken muss, damit es überhaupt irgendeine Anspielstation vor dem Tor gibt. Es war schon bei Oral so dass irgendwie der Ball zu Stoppelkamp kam, der dann relativ unorthodox den Flügel rauf läuft, den besten Zeitpunkt zum Abspielen verpasst. Dann müssen ihm einer oder zwei Mitspieler panisch zu Hilfe eilen, bevor Stoppelkamp den Ball gegen drei Gegenspieler verliert. Deshalb sind da immer so viele Karlsruher auf dem Flügel wo der Ball ist.

„Die Wingbacks agierten demgegenüber eher zurückhaltend, um gegen die hohe Präsenz der Braunschweiger in der letzten Linie eine Überzahl zu wahren.“

Nein, da stehen immer fünf Leute hinten um die Wackelabwehr durch pure personelle Überzahl zu stabilisieren und dem läuferisch langsamen Figueras Laufduelle (die er alle verliert, das hat Kwasniok gleich richtig erkannt) zu ersparen.

Yamada rennt das ganze Spiel herum, in der Offensive kommt aber fast immer ein Fehlpass dabei heraus.

Es ist kein Zufall dass der KSC nur 11 Tore geschossen hat. Das sah zwar schon besser aus als unter Oral, aber was hier alles heraus gelesen wird aus diesen doch noch stets recht bescheidenen Angriffsbemühungen, ist schon sehr erstaunlich.

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rum 19. Dezember 2016 um 21:09

🙂 sehr schön! und dann habe ich jetzt auch noch was zu möglichen Triggermechanismen erfahren

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Vinnie 19. Dezember 2016 um 16:24

Lange kein BTSV-Spiel mehr gesehen, aber ich hatte sie unter Lieberknecht als taktisch ambitionierter in Erinnerung. Was ist da passiert?

Antworten

LM1895 19. Dezember 2016 um 19:17

Das was ich bisher diese Saison von ihnen gesehen habe, war tatsächlich wenig spannend. 4-2-3-1/4-4-1-1/4-4-2-artig, eher auf solide Defensive bedacht, nach vorne auch eher bieder, ich finde sie haben auch viele Spiele gefühlt glücklich gewonnen. Aber sie haben eben selten einen komplett verunglückten Tag. Die zum Teil recht interessanten 3er-Ketten sind auch verschwunden. Was da passiert ist, ist eine gute Frage. Aber noch funktioniert es ja ganz gut und die Defensive ist meist stabil.

Antworten

LM1895 19. Dezember 2016 um 14:19

Schön, mal wieder was aus der zweiten Liga zu lesen, als Düsseldorfer verfolge ich die recht gründlich, hab aber leider von Karlsruhe seit dem Trainerwechsel nichts gesehen. Es konnte da ja fast nur besser werden, unter Oral fand ich Karlsruhe meist grausam anzusehen. Wie kann man mit Stoppelkamp und Yamada so langweiligen Fußball spielen? Vll guck ich mir nachher mal das Braunschweig-Spiel an. Was hältst du von Mavrias? Im Artikel findet er ja recht wenig Erwähnung. Nachdem er letzte Rückrunde bei uns nach D’dorf verliehen war, wollten wir ihn ja eigentlich halten, aber Sunderland hat da auf eine Höhe Ablöse spekuliert, die für uns nicht drin war. Am Ende ging er dann nach einer Vertragsauflösung für lau nach Karlsruhe ????

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LM1895 19. Dezember 2016 um 19:43

Zu Mavrias von mir:
Ich hätte ihn gerne weiter in Düsseldorf gesehen. Mit etwas mehr Eingewöhnung wäre er meiner Meinung nach eine gute Verstärkung. Die Rolle als Wingback sehe ich für ihn sowohl positiv als auch negativ…da bin unentschlossen. Passend:
– Für einen eigentlich offensiven Flügelspieler hat er eine sehr hohe defensive Arbeitsrate
– sein Aufrückverhalten zum erschließen von freien, z.B. ballfernen Räumen ist klasse
Unpassend:
– eigentlich ist er außen verschenkt, grad so als hauptsächlicher Breitengeber im Übergang zum 2. Drittel, seine gute Technik und wühlende Art sehe ich zentraler besser aufgehoben :/

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