Benfica Lissabon – Juventus Turin 2:1

Benfica Lissabon spielt zwar nicht mehr ganz so innovativ wie vergangene Saison, aber dennoch sehenswert und taktisch hochwertig – und gewannen zuhause etwas unverdient gegen keineswegs schwache Turiner.

Benfica irgendwo zwischen 4-2-3-1, 4-4-2 und 4-1-3-2

Schon in der vergangenen Saison haben wir die Mannschaft von Jorge Jesus in unseren Analysen gelobt. Insbesondere der leider zu Chelsea abgewanderte Nemanja Matic, der unerklärlicherweise nicht aufgestellte Nicolas Gaitan und Enzo Perez hatten es uns angetan – und natürlich die Taktik. Benfica spielte in der vergangenen Saison eine Art 4-1-3-2/4-1-3-1-1/4-1-1-3-1, welches in Europa wohl seinesgleichen sucht. Die Unorthodoxie dieser Staffelungen wurde ein kleines Bisschen entschärft, sind aber von der Rollenverteilung nach wie vor gegeben.

Defensiv wurden sie meistens zu einer Art 4-4-2, Perez agierte nahe am Sechser Gomes und spielte sehr oft auf einer Höhe beziehungsweise nur wenige Meter horizontal höher versetzt zu ihm, meistens wirkte es wie ein relativ klassisches 4-4-2 in der Grundstellung. Interessant waren aber die Bewegungen aus dieser Staffelung heraus.

Grundformationen

Grundformationen

Die Flügelstürmer versuchten öfters nach vorne zu rücken und auf die Halbverteidiger Juventus‘ zu pressen. Sie schoben dann aus dem 4-4-2 nach vorne und bildeten kurzzeitig ein 4-3-3 oder gar ein 4-3-1-2, wo der ballferne Flügelstürmer in den Halbraum einrückte. Ähnliches gab es bei den Außenverteidigern. Wie die Bayern in der vergangenen CL-Saison gegen Juventus schoben die Außenverteidiger ballnah immer wieder weit aus der Viererkette heraus, rückten nach vorne und bedrängten teilweise in der gegnerischen Hälfte und auf Höhe des eigenen Mittelfelds die gegnerischen Flügelverteidiger.

Dies öffnete allerdings natürlich Räume auf den Flügeln neben der verbliebenen Dreierkette. Das wurde durch das weite ballorientierte Verschieben kompensiert, wo die ballfernen Außenspieler bis in die Mitte einrückten und die Innenverteidiger sich auch kurzzeitig mannorientiert verhielten. Zusätzlich füllte Sechser Gomes die geöffneten Räume der weit herausgerückten Außenverteidiger. Teilweise sprintete er dann diagonal kurzzeitig in Richtung der nominellen Position des Außenverteidigers oder ließ sich vertikal zurückfallen, damit der ballnahe Innenverteidiger die Außenverteidigerräume abgesichert abdecken konnte.

Gab es diese herausrückenden Flügelbewegungen nicht, dann blieben sie im 4-1-3-2/4-4-2, in welchem die beiden Mittelstürmer sich zwischen den Schnittstellen der drei gegnerischen Verteidiger positionierten und diese besetzten. Auch Pirlo sollte dadurch im Zentrum abgedeckt werden, zusätzlich gab es dynamisches Herausrücken auf ihn von Perez mit Unterstützung der Flügelstürmer auf Juventus‘ Achter, um das zu balancieren. Später sollte Pirlo auch vermehrt auf die Seiten und Halbräume gehen, um dort Bälle zu erobern.

Im Aufbauspiel war Benfica ebenfalls taktisch interessant. Sie probierten es zwar bisweilen zu sehr mit Flügel- und Halbraumüberladungen, hatten aber in Ballbesitz sehr starke Bewegungen, die auch situativ intelligent ausgelegt waren. Gomes kippte zum Beispiel recht intelligent ab und machte dies nicht durchgängig, sondern je nach Laufwegen der gegnerischen Stürmer. Linksaußen Sulejmani gab manchmal die Breite in sehr hohen Zonen, kam aber auch zurück in den defensiven Halbraum und unterstützte dort; ähnliches Spiel auf rechts, wobei Markovic das seltener und in höheren Zonen tat (47% der Angriffe gingen über links mit Sulejmani).

Selbst die Außenverteidiger waren beweglich und rückten vereinzelt ein, wobei dies natürlich wenig mit den „hineinkippenden Außenverteidigern“ der Bayern gemein hatte, sondern eher ein kurzes Anbieten in leicht näherer Position war. Dennoch sorgte es für schnellere Passmöglichkeiten und mehr Bewegung.

Generell war Benfica in diesen Schnellkombinationen am gefährlichsten und spektakulärsten, aber zentral mangelte es ihnen trotz einzelnem Zurückfallen der Stürmer und Verbindungsgeber Enzo Perez als Verbindungsgeber an der nötigen Präsenz gegen das gegnerische Dreifachmittelfeld. Die Anbindung von Perez und Rodrigo war schwach, auch Cardozo wurde nur über seitliche Anspiele im letzten Drittel eingebunden und insgesamt war es eher die Phase in der ersten Halbzeit mit vielen Umschaltmomenten, wo Benfica über das sehr gute Kombinationsspiel und Dribblingstärke gute Chancen hatte.

Diese Überlegenheit schwand aber mit der Zeit und auch mit der Führung im Rücken wurde Benfica dann circa nach 20-30 Minuten etwas zurückhaltender in der Arbeit gegen den Ball. Gleichzeitig wurden die Turiner stärker.

Juventus mit Problemen und Verbesserung

Nur zwei Abschlüsse in der ersten Spielhälfte – der erste erst nach einer Viertelstunde, dazu wurde einer der Schüsse geblockt und der andere kam von außerhalb des Strafraums – konnte der Tabellenführer der Serie A verbuchen.

Das Pressing Benficas mit dem beweglichen Perez im Zentrum und den herausrückenden Außenspielern sowie der grundlegenden Pressinghöhe in der gegnerischen Hälfte bereitete Juventus Probleme. Die alte Dame konnte sich kaum befreien, musste dann entweder lange Bälle spielen oder blieb tief in der eigenen Hälfte. Pogba, Marchisio und Pirlo wurden nicht gut eingebunden, wodurch die sich in Unterzahl befindlichen Seitenräume stärker bespielt werden mussten.

Juventus konnte zwar wie üblich mit den drei Innenverteidigern, dem 5-3-2/3-5-2, welches wir schon einmal ausführlich besprochen haben, und sehr guten kollektiven Bewegung (besonders der Achter) die Mitte versperren, war aber über die Flügel anfällig. Dies bekamen sie später besser unter Kontrolle, hatten auch etwas mehr vom Ball und profitierten jeweils vom tieferen Pressing Benficas.

Auch die Anpassungen funktionierten. Pogba als Ballbehaupter und leicht asymmetrisch höher zu Marchisio sowie etwas breiter (45% von Juventus‘ Angriffen gingen über rechts), mehr ausweichende Bewegungen Pirlos sowie stärkeres Bespielen der sich öffnenden Räume im Pressing Benficas durch tiefere Flügelverteidiger im Aufbauspiel und stärkeres Locken über die Halbverteidiger, welche dann dynamisch auf die andere Seite zirkulierten. Darum kann dann auch das Herausrücken der Flügelstürmer nicht wirklich zustande, da sie aus der eingerückten ballfernen Position nach einem schnellen Seitenwechsel nicht mit passendem Zugriff nach vorne gehen konnten.

Juventus wurde damit dominanter, hatte in der zweiten Halbzeit acht Abschlüsse (Benfica: vier) und glich aus. Interessant war hierbei die Einwechslung von Giovinco für den schwachen Vucinic, der vorne an vorderster Front komplett gegen Garay und Luisao unterging. Mit Giovinco und Tevez gab es nun zwei kleine Dribbelzwerge (der eine etwas stämmiger) als Mittelstürmer im 3-5-2, was allerdings nur logisch war. Tevez und Giovinco boten sich stärker für schnelle Ablagen und Drehungen an, für einzelne Sololäufe und auch für Lupfer in offene Räume, um mit ihrem Antritt und durch schnelle Ballmitnahmen Gefahr zu erzeugen. Letztlich verloren die Turiner knapp und eher unverdient trotz des Ausgleichs durch ein sehenswertes Tor Benficas in der Endphase.

Fazit

Jorge Jesus‘ Mannschaft kann sich eine respektable Ausgangsposition fürs Rückspiel verschaffen, obwohl sie nach einer sehr guten Anfangsphase nachließen und spätestens in der zweiten Halbzeit schwächer wurden als ihr Gegner. Juventus fand die richtigen Lösungen, aber in einer dynamischen und gleichzeitig chancenarmen Partie konnten sie zuerst nur ausgleichen und Benfica gewann doch noch mit 2:1. (Obwohl sie nur 17% der Angriffe über die Mitte hatten – sowas muss man mal verbieten!)

LM 25. April 2014 um 15:25

Alexis Sanchez zu Juve? Das klingt wirklich verdammt interessant.
Hab das Spiel gestern erst so ab der 40. Minute gesehen, hab also anscheinend leider Benficas beste Phase verpasst :/ War aber trotzdem noch beeindruckend, wie gut Juve in Einzelteile zerlegt wurde, sodass sogar Pirlo ein paar echt böse Fehlpässe gespielt hat. Besonders ist mir da ein Fehlpass in Erinnerung, als Pirlo aus dem DM einen klassischen verlagernden Pirlo-Ball mit ner schnellen Drehung in seinen eigenen Rücken gespielt hat (Schulterblick -> zum Passgeber drehen -> Pass aus dem eigenen Sichtfeld raus), den aber ein Benficaspieler großartig antizipiert und abgefangen hat. Ich hoffe es ist halbwegs klar, was ich meine 😉

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LM 25. April 2014 um 15:27

Verdammt, wollte unten antworten 😉

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woifmoa 25. April 2014 um 14:34

bei solchen spielen merkt man dann auch, dass juve auf der einen oder anderen position die qualität fehlt. lichtsteiner z.b. bekommt keine hereingabe hin. die alternative wäre isla, der die gleiche schwäche hat.
ein weiterer beleg für die qualitätsthese: vor dem spiel hatte juventus im gesamten wettbewerb 96 torversuche, davon 43 aufs tor, davon 9 tore und 3 stangenschüsse.
benfica hatte 67 torversuche, davon 34 aufs tor, davon 12 tore und 0 stangenschüsse.
juventus vergibt einfach zu viele torchancen. „unglücklich verloren“ stimmt schön langsam nicht mehr bei juve.

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king_cesc 25. April 2014 um 14:31

Gutes Spiel -> gute Analyse!
Was mich noch genauer interessieren würde, wären die Offensivbewegungen in Benficas Spiel. Teilweise unglaublich passend und dann fehlt aber jegliche Anbindung um weiter zu kommen. Aber als ob es ihnen egal wäre spielen sie auf die andere Seite um dort nen simplen Doppelpass auf dem Flügel zu versuchen.
Mir gefällt die Spielweise richtig gut.

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Mago 25. April 2014 um 13:56

Kleiner Hinweis zu Benficas Aufstellung: Gaitan ist verletzt, es wird jedoch mit seiner Rückkehr zum Rückspiel gerechnet.

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RM 25. April 2014 um 14:19

Danke für die Info! 🙂

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juventino 25. April 2014 um 10:27

Sehr gute Analyse! Ich denke Benefica hat sehr gut gezeigt, wie man Juves 3-5-2 erheblich schwächen kann. Nicht nur die zentralen Mittelfeldspieler waren schlecht eingebunden, auch die Flügelverteidiger wurde gut isoliert. Sie blieben zwar anspielbereit, fanden sich aber völlig auf sich selber gestellt, wenn sie den Ball erhielten. Benefica gelang es wirklich gut, die einzelnen Mannschaftsteile zu trennen. Wie sehr gut beschrieben, konnte sich Juve erst durch Pirlos intelligente Ausweich- und Fallbewegungen daraus lösen.

Wie seht ihr die Chancen fürs Rückspiel? Ich erwarte von Conte ja keine Riesenanpassungen, wobei das 4-3-3, das wir gegen Real ausgepackt haben, schon ziemlich cool war. Glaubt ihr das könnte effektiver sein? Man hätte dann halt auf den Flügeln zwei Spieler und natürlich zusätzlich die dynamischen Achter (und vor allem wieder Vidal). Ich denke das Rückspiel wird sehr intensiv, aber Juve hat gute Chancen. Mal schauen, was die nächste Saison bringt. Es scheint ja schon so, als ob Conte längerfristig auf ein 4-3-3 umbauen will.

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RM 25. April 2014 um 14:21

Danke für das Lob! 🙂 Die Isolation innerhalb der Spielrichtungen und zwischen den Mannschaftsteilen hätte ich noch erwähnen können/müssen, ebenso wie die Instabilität im hohen Pressing, welche nach hinten strahlte, aber durch die Höhe aufgefangen wurde. War irgendwie bei der Planung mein main point und kam dann gar nicht vor, ich Depp, haha.

4-3-3 kann ich mir gut vorstellen. Wäre durchaus interessant. Oder man verändert die Abläufe im 3-5-2. Nächste Saison mit Sanchez könnte man übrigens unglaublich interessant innerhalb dieser beiden Formationen variieren, wenn der Chilene kommt.

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juventino 25. April 2014 um 14:22

Mit Sanchez als Wing-Back?

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RM 25. April 2014 um 14:29

Rechtsverteidiger im 4-3-3, Flügelverteidiger im 3-5-2, Asymmetrischer höherer Flügelverteidiger im 3-5-2/3-4-3, Rechtsaußen im 4-3-3, verkappter Mittelstürmer im 4-3-3, klarer Mittelstürmer im 4-3-3, Mittelstürmer in einem 3-4-2-1 mit variabler „Zehner“besetzung (gab es ja auch letzte Saison, ne?). Alles möglich, alles interessant. 🙂

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juventino 25. April 2014 um 14:35

Du solltest Antonio mal einen Brief schreiben!
Aber ja hast Recht, alles sehr interessant. Aber falls Sanchez wirklich kommt, wird es denke ich schon auf den Rechtsaussen rauslaufen, allerdings könnte man diesen ja wirklich asymmetrisch aufstellen (also dann eben zum 3-4-3, mit Wingbacks Asamoah und Sanchez), wäre ziemlich geil. Aber ich hoffe lieber mal, dass er überhaupt kommt, man wartet ja schon länger auf den ominösen Top Player.

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Lino 26. April 2014 um 10:18

Als Barca-Fan muss ich Einspruch einlegen 😉 Sanchez ist momentan der konstanteste Stürmer bei uns und muss folglich bleiben. Also wenn der abgegeben wird, dann sprenge ich das Camp Nou eigenhändig in die Luft!

BTW: Anti-Spam Rechenaufgabe 1+1 = ???

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HD15 26. April 2014 um 00:50

Okay könnte mal jemand erklären wie so ein 4-3-3 bei Juve aussehen würde für das Rückspiel? Habe das gegen Real nicht mitbekommen…

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blub 26. April 2014 um 06:13

Lorente als MS, auf den seiten haben damals Tevez und Marchisio gespielt(zentrale is ja klar).
Insgesamt hat Juve da vielvältige möglichkeiten. Asamoah war damsls LV, da könnte auch Chiellini spielen, der war da gesperrt, da kann man ein wenig herumschieben ebenso beim RV, das war cacares, da ist auch Lichtsteiner möglich. Will man defensiv ne Seite besser absichern kann man die nominellen Flügelverteidiger auch als Aussenstürmer nehmen. Um das zu sagen wie gut das passt kenn ich Juve aber zu wenig.

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juventino 26. April 2014 um 12:48

Gab einen guten Artikel auf so einer Seite namens spielverlagerung.de 😉

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