FC Schalke 04 – SC Freiburg 2:0

Die Bundesligapartie am Sonntagnachmittag zwischen dem FC Schalke 04 und dem SC Freiburg sollte der Vergleich einer mit Ballbesitz dominierenden sowie einer auf defensive Kompaktheit bedachten Mannschaft werden. Allerdings durchkreuzten die Gastgeber zeitweise ihren eigenen Plan und fanden selten wirksame Ansätze in der eigenen Spielaufbaustruktur. 

Grundformationen

Jens Keller stellte seine Mannschaft in einer 4-2-3-1-Grundformation auf und brachte dieses Mal Adam Szalai als Neuner. Max Meyer sollte einerseits in dessen Schatten agieren und andererseits tiefere Zuspiele aufnehmen sowie präzise weiterleiten. Kevin-Prince Boateng nahm nominell den Platz neben Roman Neustädter ein. Letztgenannter war als abkippender Sechser für den Aufbau zuständig, übernahm aber gleichzeitig durch seinen natürlich großen Aktionsradius auch vertikal nach vorn Aufgaben.

Typischer Schalker Spielaufbau in der ersten Halbzeit

Typischer Schalker Spielaufbau in der ersten Halbzeit

Kellers Pendant Christian Streich vertraute wieder seinem Konzept mit einem eher semipassiven 4-4-2 gegen den Ball. Dabei wirkte der Neunerblock, dieses Mal bestehend aus Karim Guede und Admir Mehmedi, etwas isolierter und höher stehend. Bei eigenem Ballbesitz rückten dafür die nominellen Außenspieler Gelson Fernandes und Vladimir Darida stärker auf und situativ auch ein. Auf der Doppelsechs setzte Streich erneut auf Matthias Ginter als stabilen Spieler, der häufiger durch Mannorientierungen Aktionen des Gegners im Raum vor der eigenen letzten Reihe zerstören sollte. Neben ihm spielte Nicolas Höfler als vertikalerer Sechser, der zum einen partiell in den Spielaufbau eingebunden wurde, zugleich aber auch weiter aufrückte und in diesem Spiel vor allem den linken Halbraum unterstützte.

Schalke mit Höhenproblemen

Der Spielaufbau der Gastgeber rief im ersten Durchgang nicht nur bei den Zuschauern im Stadion Unverständnis hervor. Kollege TE twitterte während der ersten Halbzeit: „Neustädter und die Innenverteidiger tun mir Leid. Schalke im Aufbau praktisch im 3-0-4-3, keiner bietet sich in der zweiten Linie an.“ Und genau so stellte es sich auch dar. Neustädter kippte zwischen die beiden Innenverteidiger oder positionierte sich vor ihnen, wurde dabei aber von Mehmedi und Guede umstellt. Ließ er sich in die letzte Linie fallen, verharrten die beiden Freiburger Neuner als kleine Einheit davor. Dahinter klaffte eine große Lücke zur Viererkette. Die Distanz war zuweilen doppelt so groß wie zwischen beiden Viererreihen. Entweder ließen sich die Schalker Außenverteidiger sowie Boateng davon leiten oder sie kamen an sich mit der horizontalen Orientierung nicht klar. Zumindest standen sie viel zu hoch. Der Raum zwischen Freiburger Neunerlinie und Viererreihe wurde nicht besetzt, die Außen waren häufig abgedeckt und so gingen auch Neustädter sehr schnell die Ideen für einen vernünftigen ersten Pass aus. Viele Zuspiele erfolgten zwischen den drei hinteren Spielern und Torwart Ralf Fährmann. Die ersten risikoreicheren Vertikalzuspiele blieben häufiger im Freiburger Netz hängen, obwohl die Gastgeber in der ersten Halbzeit nicht einmal unüberwindbar wirkten. Bei der Schalker Mannschaft vermisste man aber in vielen Phasen intelligente ausweichende und zurückweichende Bewegungen fernab des Balls. Durch die mangelhaften Optionen beim Spielaufbau wurden die Gastgeber auch zuweilen ungeduldig. In der 28. Minute unternahm beispielsweise Santana einen kurzen Vorstoß aus der hinteren Kette heraus und wurde sofort von den ab der Mittellinie intensiver pressenden Freiburgern abgefangen.

Freiburgs Raumverdichtung

Grundformation

Grundformation zu Spielbeginn

Die Gäste aus dem Breisgau waren wie zuletzt im Auswärtsspiel gegen Borussia Mönchengladbach in erster Linie auf Stabilität bedacht. Die erwähnte Freiburger Linienkompaktheit war dabei eines der wichtigen Werkzeuge von Christian Streich. In höheren Räumen prägten aggressive Pressingaktionen das Spiel nicht. Vielmehr ging es den Freiburgern wieder darum mit dem Positionsspiel möglichst viele Zonen gut abzudecken und nicht unnötig dem Gegner Umschaltaktionen zu ermöglichen. Während die erste Linie vor allem vor dem spielaufbauenden Trio stand und nicht intensiv angriff oder anlief, ergab sich bei Zuspielen zu Schalkern in den Halbräumen situativ ein Freiburger Dreieck, das den neuen Ballführenden umkreiste. Das Defensivkonzept von Streich ist aktuell von großer Laufbereitschaft geprägt und verlangt ein hohes Maß an Aufmerksamkeit bei allen Akteuren. Oftmals sind es eher individuelle Aussetzer, die die Mannschaft auf die Verliererstraße bringen.

In der vordersten Reihe wurde, wie erwähnt, Guede das Vertrauen geschenkt. Er tendierte viele Male nach rechts und fokussierte auf den Santana-Kolasinac-Raum. Insgesamt war die Schalker linke Seite nicht ballsicher und wirkte defensiv instabiler. Hinzu kam der technisch versierte Darida, der in einigen wenigen Szenen mit klugen Entscheidungen Situationen sehr gut auflösen konnte. Die rechte Seite der Gäste war nicht so breit aufgefächert und intendierte mehr zu Kombinationen mit dem Zentrum und zu Aktionen in den Halbräumen.

Zweite Halbzeit: 4-4-2 gegen 4-4-2

Das Eigentor von Höfler brachte die Freiburger kurz vor der Pause in Rückstand. In der zweiten Halbzeit gelang es der Mannschaft von Streich infolgedessen nicht, gefährliche Offensivszenen zu initiieren. Der Gegner wurde im Gegenteil druckvoller und Keller stellte mit der Hereinnahme von Jermaine Jones für Christian Fuchs auch auf eine Mischung aus 4-4-1-1 und 4-4-2 um. Das Projekt mit Boateng auf der Sechs wurde an dieser Stelle beendet. Der 26-Jährige fand bis dahin selten das richtige Timing, stand, wie bereits beschrieben, häufig im Spielaufbau zu hoch und wurde nach rund einer Stunde Spielzeit in die vordere Linie neben Szalai beordert. Boateng agierte in der Folgezeit entweder direkt neben ihm oder ließ sich als variabler Zielspieler für längere Bälle fallen. Dabei konnte er seine gute Ballverarbeitung und Pressingresistenz besser einbringen. Insgesamt agierten die Schalker kompakter, verschoben in der zweiten Halbzeit kohärenter und hatten das Spiel besser im Griff. Der Elfmetertreffer in der 67. Minute entschied dann die Partie.

Beim SC Freiburg war wieder eine eminente Schwäche im letzten Drittel zu erkennen. Die Breisgauer fanden zum offensiven Drittel hin noch gute Kombinationen und Laufwege. Allerdings wurden die Spieler meist erfolgreich am Strafraum gestellt. Die Neuner wichen einige Male auf Höhe der Sechzehnmeterraumlinie nach außen aus, konnten dort auch Bälle aufnehmen, hatten aber keine Möglichkeiten weiterzuleiten. Bereits vor zwei Wochen gegen Gladbach war augenscheinlich, dass in der zweiten Halbzeit gegen eine selbstbewusstere Defensive wenig bis gar keine Mittel gefunden wurden. Streich beließ es auch lange Zeit bei seinen offensivtaktischen Einstellungen und nahm keine größeren Anpassungen vor.

Fazit

Die Mängel der ersten Halbzeit bei Schalke 04 können durch den Sieg in Gänze nicht kaschiert werden. Gerade in den ersten 45 Minuten mangelte es den Königsblauen am notwendigen Verständnis und einer erforderlichen Staffelung, um die ersten Freiburger Linien zu überspielen. Die eigentlich immer gefährlichen Max Meyer und Jefferson Farfan kamen nicht so in die Partie. Die linke Seite war in einigen Szenen ein Unsicherheitsfaktor. Zudem hatte Boateng mit seiner Positionierung Probleme. Der eher zufällige Führungstreffer gab natürlich mehr Sicherheit. Aber eigentlich hätte Keller im In-Game-Coaching bereits eher reagieren müssen, tat dies dann effektiv nach 60 Minuten.

Die defensiv sicherlich kompakte und engagierte, aber offensiv ungefährliche Vorstellung des SC Freiburg kam den Schalkern in dieser Hinsicht noch zugute. Einige Abspielfehler konnten in den darauffolgenden Umschaltsituationen von den Breisgauern nicht genutzt werden. Zudem ergaben sich im offensiven Drittel selten Kombinationen hin zu sinnvollen Torabschlüssen. In der Endkonsequenz wurden einige Flanken in den Strafraum geschossen, die aber konstant von der Schalker Defensive abgewehrt werden konnten.

Für die Mannschaft von Christian Streich wird es in den nächsten Monaten nicht einfacher, sofern man sich weiterhin mit individuellen Aussetzern die eigene disziplinierte Defensivleistung zerstört und im Gegenzug in der Offensive keine Durchschlagskraft entwickelt.

king_cesc 27. Dezember 2013 um 13:41

Was wird hier eigentlich vom Wechsel Kirchhoffs nach Schalke gehalten?
Neustädter Kirchhoff vor der Abwehr klingt fürs Erste doch nicht schlecht. Die Aufgabenverteilung zum offensiveren Neustädter erscheint mir interessant…

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CE 27. Dezember 2013 um 14:16

Da stellt sich aber schon die Frage, wie die Aufteilung der beiden aussehen würde. Neustädter zieht das Spiel aus der Tiefe heraus auf, was durch einen Höger gut ergänzt wird. Kirchhoff hat in Mainz eher als Absicherer und zuweilen als alleinige Sechs in einem Dreiermittelfeld geglänzt. Er kann auch gute erste oder zweite Bälle im Aufbau spielen. Aber vertikale Läufe sind nicht sein Spezialgebiet. Defensiv kann das aber gut funktionieren, wobei eine Doppelsechs – Matip und Neustädter – eigentlich für Keller immer eine Überlegung wert sein muss.

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mrb 27. Dezember 2013 um 15:14

Matips vertikale Dribblings werden kaum systematisch eingebunden, eine Schande.

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blub 27. Dezember 2013 um 15:18

Kirchhoff/Neustädter finde ich ziemlich gut für Schalke.
Ich denke das Neustädter dann etwas höher und vertikaler spielen muss als mit den bisherigen Partnern. Kirchhoff ist ein guter ein guter Passspieler aber nicht besonders kreativ und ich denke das er(relativ zu Neustädter) in der absichernden Rolle besser und in der hohen schlechter ist.
Das muss ja bei Neustädter nicht so aussehen wie bei Höger, ich denke das er sich aus seinem Naturell heraus zentraler halten wird als Höger der immer wieder die rechte Seite überladen hat. Das wird die Spielbalance etwas verändern, aber nicht notwendiger weise zum schlechteren.
Sieht ehrlichgesagt ziemlich lekker aus mit Meyer/Neustädter die Halb- und Zehnerräume zu besetzen wenn der Ball an der Seite ist.

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king_cesc 27. Dezember 2013 um 17:02

Ja so stell ich mir das eigentlich auch vor.
Vielleicht kann man die Feststellung(so ungefähr hieß es doch mal) „je höher Busquets spielt, desto höher gewinnt Barca die Bälle“ auf Schalke mit Neustädter übertragen? Wäre zumindest genial.
(Einschränkung: Keller ist Trainer -> wer weiß welche Ideen der wieder hat)

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silvmademan 16. Dezember 2013 um 13:59

Sagt mal, seht Ihr einen plausiblen Grund, dass Keller so gut wie immer auf Goretzka verzichtet? Passt der nicht in Kellers System(als ob der ein durchgängiges System hätte) oder was is da los?

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TW 16. Dezember 2013 um 16:53

Der hatte wohl eine langfristigere bakterielle Erkrankung, mit der er einige Wochen nicht beim Training teilnehmen konnte. Er ist erst seit einer Woche wieder voll dabei und hat entsprechend noch Trainingsrückstand.

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splattercheffe 16. Dezember 2013 um 16:54

Wurde hier schon öfters thematisiert und nachgefragt, die gängigen Erklärungsmuster wären die ein oder andere Erkrankung und vor allem die Zusatzbelastung wg. Abitur (grad im vergleich zu Max Meyer etwa).

Trotzdem stimme ich zu, ich versteh’s auch nicht, zumal wenn ich Jones auf der Sechs sehe. Für Goretzka scheint das ein verlorenes Jahr zu sein, da hätte er lieber noch eine Saison in der zweiten Liga Spielpraxis sammeln sollen.
Und bei aller Zusatzbelastung durch die Schule, man hätte doch erwarten können, dass er ein paar mehr Einsätze bekommt, wie soll so ein veranlagter Spieler sonst reifen? Ich bleib dabei, was die Schalker Sechser spielen, kann Goretzka schon lang, aber im Gegensatz zu Jones/Höger/Neustädter wird der jedenfalls noch besser.

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Schlicke 16. Dezember 2013 um 18:58

Alles Spekulatius, aber Goretzka wurde letztes Jahr bekanntlich auch vom BVB umworben. Nach den Ausfällen auf der Doppelsechs hätte er wohl einige Minuten bekommen.

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ES 16. Dezember 2013 um 10:05

Keller coacht so schlecht, dass sogar ich nach 15 Minuten den entscheidenden Webfehler in der Schalker Positionierung erkannt habe. Gruselig.

Sag mal, wenn der Max Meyer mit seiner Spielweise nicht der ideale Spieler für Jogi Löw ist, dann habe ich wohl Einiges nicht mitbekommen. Zweikampfquote von über 50%, das ist für einen. Offensivspieler, der ständig von 2-3 Leuten nah umzingelt wird und der offensichtlich kleine körperliche Entwicklung noch nicht ganz abgeschlossen hat! mehr als ordentlich

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Karsten 16. Dezember 2013 um 08:03

Keller hat ja einen Faible für’s klassische 4-4-2 mit Flanken und Zielspielern. Dafür, dass der das ständig trainieren lässt, finde ich’s immer wieder erschreckend schlecht umgesetzt. Besonders ohne Fuchs.

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