Taktischer Rückblick auf die Vorbereitung des VfL Bochum für die Saison 2014/15
Leider war es mir nicht möglich, ein Vorbereitungsspiel persönlich zu besuchen. Der VfL Bochum stellt jedoch auf seinem YouTube-Channel Zusammenfassungen der Testspiele gegen den SV Zweckel (7:0), den VfB Homberg (5:0), den VfL Wolfsburg (3:1), KAS Eupen (1:0) sowie Terek Grosny (1:2) zur Verfügung. Ich möchte deshalb Szenen aus diesen Videos nutzen, um die schon jetzt erkennbaren taktischen Grundprinzipien zu erläutern.
Kompakte Defensive
Ein großes Problem des VfL Bochum zu Beginn der letzten Saison war die Kompaktheit um die Halbräume und den Zwischenlinienraum. Im Laufe der Spielzeit wurden die Probleme zwar teilweise behoben, doch in den Testspielen wurde in dieser Hinsicht weiterer Fortschritt erzielt.
Die Außenverteidiger orientieren sich nun stärker an den Innenverteidigern und lassen den gegnerischen Außenstürmern teilweise sogar etwas Freiraum. Die Außenspieler in der mittleren Linie des 4-4-2, das tief als 4-4-1-1 interpretiert wird, fallen nicht mannorientiert zurück, sondern versuchen, bei zentralem Ballbesitz die Außenspieler des Gegners in den Deckungsschatten zu stellen. Somit wird eine gute horizontale Kompaktheit erreicht. Auch der vertikale Abstand zwischen den Ketten beträgt meist weniger als 10 Meter. Davor orientiert sich die hängende Spitze (im Bild Sestak) am tiefsten Sechser des Gegners, während sich der Mittelstürmer hoch als Umschaltspieler für schnellen Raumgewinn bereithält.
Wird der Ball auf die offenen Flügel gespielt, so verschiebt das ganze Team auf die Seite. Die ballfernen Spieler werden komplett freigelassen, während die ballnahen Spieler zonal in Manndeckung genommen werden.
Durch das Karriereende von Marcel Maltritz und Paul Freier wurde die Antrittsschnelligkeit der Viererkette deutlich erhöht. Diesen Vorteil nutzt das Trainerteam, um die Abwehrkette im Pressing hoch aufzustellen, was auch in der gegnerischen Hälfte eine hohe Kompaktheit und somit das Attackieren der Innenverteidiger erlaubt. Die enge Stellung der Außenverteidiger und die Mischung aus ballnahen, zonalen Manndeckungen und dem Isolieren ballferner Räume über den Deckungsschatten sind auch hier zu erkennen.
Asymmetrie im Aufbauspiel
Die bereits in der Kaderanalyse angesprochene Asymmetrie auf den Außenpositionen des 4-4-2 für den Umbau ins 4-2-1-3 sorgte in den Testspielen teilweise für enorme Unordnung im gegnerischen Deckungsverbund. Selbst der VfL Wolfsburg ließ sich davon überraschen.
Durch das frühe Einschieben des spielmachenden Außenspielers (im Bild Tasaka) wird bei einem mannorientierten Verfolgen ein Kanal für den Außenverteidiger geöffnet. Diesen konnte Celozzi nach einem langen Ball aus der Abwehr direkt zur Vorbereitung des 2:0 gegen Wolfsburg nutzen.
Wenn zeitgleich die beiden defensiven Mittelfeldspieler sowie die Stürmer sich auf diese Seite orientieren und somit den Halbraum bzw. das Zentrum überladen, so entsteht oft selbst bei zentralem Ballbesitz ein Korridor, der durch die breiten und hohen Außenspieler besetzt werden kann. Mithilfe des Außenverteidigers können nach Spielverlagerungen oder Direktpässen aus der Abwehr direkt Überzahlsituationen gegen den gegnerischen Außenverteidiger kreiert werden. Durch Tiefensprints von der ballfernen Seite, können sich auch die Stürmer in diese Kombinationen eingliedern.
Raumschaffende Bewegungen
Durch die neuen Flügelstürmer und Außenverteidiger hat der VfL Bochum deutlich an Dynamik gewonnen. Diese Dynamik wurde in den Testspielen häufig eingesetzt, um Räume erst freizuräumen und später dynamisch zu besetzen. Der Trigger für diese Aktionen ist jeweils die Spielverlagerung auf den breit positionierten ballfernen Flügelspieler.
In der ersten Variante nutzen die Außenverteidiger das Hinterlaufen, um dem breit postierten Außenspieler, den Weg ins Zentrum freizumachen. Erfolgt der Antritt des Außenverteidigers, orientieren sich die beiden Stürmer bereits zum ballfernen Halbraum, um von dort für Lochpässe des einrückenden Flügelspielers einzulaufen oder als Abnehmer für Flanken aus dem Halbfeld bereitzustehen. In der zweiten Variante bleibt der eigene Außenverteidiger zurück und die Stürmer attackieren die Schnittstelle hinter dem gegnerischen Außenverteidiger, der auf den breiten Flügelspieler (in den Bildern Terrazzino) herausrückt. So können sie entweder die Aufmerksamkeit des Außenverteidigers auf sich lenken – analog zum Hinterlaufen – oder sich aber für einfache Weiterleitungen entlang der Linie positionieren. Falls sie den Innenverteidiger mitziehen, bietet sich für den Außenspieler nach Ablagen sogar die Möglichkeit, diagonal Richtung Tor zu ziehen.
Dribblings aus dem Sechserraum
Mit Latza, Tasaka und Gulden verfügt der VfL über drei Spieler, die Engen im Sechserraum mit Dribblings oder geschickten Körpertäuschungen auflösen können. Diese Fähigkeiten wurden in den Testspielen bereits erfolgreich eingebunden. Entweder wurde direkt durchs Zentrum gekontert (Beispiel Tasaka gegen Eupen) oder es wurden mithilfe von diagonalen Dribblings Gegenspieler gebunden, um die Außen weiter zu öffnen (Beispiel Latza gegen Homberg). Es wird interessant, ob der VfL diese Option auch gegen die Mannschaften der zweiten Liga versucht oder ob das Risiko eines Ballverlustes im Zentrum gescheut wird. Durch die beiden anderen, im Aufbauspiel zentral positionierten Spieler sollte bei entsprechenden Strukturen ausreichend Absicherung bestehen. Die damit zu schaffenden Möglichkeiten wären das Risiko durchaus wert.
Fazit
Höhere Kompaktheit im Pressing, interessante Möglichkeiten im Aufbauspiel und mehr Bewegung im Angriffsvortrag. Die ersten Szenen aus den Testspielen machen Hoffnung auf eine erfolgreichere Saison als in den letzten Jahren. Es ist jedoch offen, inwieweit Highlight-Videos gegen oft unterklassige Gegner geeignet sind, den tatsächlichen Stand des Teams zu beurteilen. Letztendlich liegt die Wahrheit auf dem Platz. Das erste Saisonspiel gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth wird zeigen, wie weit Peter Neururer und sein Team bereits sind.
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