Schneller, schöner, erfolgreicher – Der Start in die Saison (Spieltage 1-7)

Der Saisonstart war geglückt. Trotz des großen personellen Umbruchs grüßte der VfL Bochum regelmäßig von der Tabellenspitze. Beeindruckende Erfolge auf fremden Plätzen und im DFB-Pokal wechselten sich mit einer unglaublichen Serie von 1:1-Unentschieden in den Liga-Heimspielen ab. Das Pressing- und Umschaltspiel funktionierte, doch es gab auch bereits Anzeichen für die später folgenden Probleme.

Grundformation und Einbindung der Spielertypen

Das Stammpersonal hat sich bereits deutlich herauskristallisiert. Während zwölf Spieler mindestens sechs der ersten acht Pflichtspiele mitgemacht haben, kommt der Rest auf maximal drei Einsätze. Mit den nachträglichen Neuzugängen Malcom Cacutalua (drei Einsätze), Mikael Forssell und Tobias Weis (jeweils zwei Einsätze), die zwischen dem 3. und 4. Spieltag anheuerten und seit dem 5. Spieltag regelmäßig eingesetzt werden, wurde dieser Kreis um drei weitere Spieler erweitert.

Protokoll der bisher eingesetzten Spieler und Formationen

Protokoll der bisher eingesetzten Spieler und Formationen

Mit Ausnahme des Spiels gegen Karlsruhe setzte Neururer zu Beginn stets auf eine 4-4-2/4-2-2-2-Grundformation, die aufgrund der unterschiedlichen Spielertypen leicht asymmetrisch interpretiert wurde. Hierbei zeigte sich wie in der Vorsaison, dass die formativen Strukturen mehr aus der Interaktion der Spieler resultieren, als dass sie vom Trainer vorgegeben werden.

Positionen und Bewegungen in der Standardformation 4-4-2/4-2-2-2 (Alternativen in Klammern). Die Pfeile beziehen sich jeweils auf die bevorzugten Bewegungen des Stammpersonals.

Positionen und Bewegungen in der Standardformation 4-4-2/4-2-2-2 (Alternativen in Klammern). Die Pfeile beziehen sich jeweils auf die bevorzugten Bewegungen des Stammpersonals.

Die beiden Innenverteidiger Patrick Fabian und Jan Šimůnek sind sich relativ ähnlich. Beide rücken sehr aktiv heraus und stoßen auch gern mit dem Ball in Lücken der gegnerischen Defensivformation vor. Die Intensität mit der diese Mannorientierungen verfolgt werden ist bei Šimůnek jedoch noch etwas ausgeprägter als bei Fabian, was teilweise zu großen Lücken im Abwehrzentrum führt. Seit der Verletzung des Tschechen im Spiel gegen Karlsruhe (5. Spieltag) verteidigt Neuzugang Malcom Cacutalua neben Fabian. Dieser agiert etwas zurückhaltender und strategischer, so dass dieses Pärchen von der Balance sogar stärker zu bewerten ist. Dem U20-Nationalspieler fehlt dabei jedoch die Präsenz und Intensität Šimůneks, die das intensive, mannorientierte Bochumer Spiel sehr stark prägt.

Die eigentliche Asymmetrie beginnt bei den beiden Außenverteidigern Timo Perthel und Stefano Celozzi. Zwar agieren beide im frühen Aufbau zurückhaltender, die Aufrückbewegungen bei höherem Ballbesitz sind jedoch von unterschiedlicher Natur. Perthel neigt dazu, Freiräume mit seiner Dynamik durch Vertikalsprints und anschließende Flanken zu attackieren. Celozzi hingegen ist etwas balancierter ausgerichtet und beschränkt sich meist auf das strategische Geben von Breite im zweiten Drittel, die Konterabsicherung und das Aufrechterhalten von Kombinationsverbindungen. Seine Bewegungen gehen dabei gelegentlich auch diagonal ins Zentrum, wobei er im Anschluss aufgrund unpassender Reaktionen der Mitspieler oft unglücklich agiert.

Die Unterschiede in der Rollenverteilung der Außenverteidiger werden von den Bewegungen der Sechser Danny Latza und Anthony Losilla unterstützt. Die beiden bilden das Herzstück – nicht nur der Bochumer Formation. Latza ist relativ vertikal auf den linken Halbraum fokussiert, aus welchem er das Spiel mit diagonalen Pässen lenkt und mithilfe seiner Bewegungen und Weiterleitungen Kombinationen aufrechterhält. Er ist auch zumeist für das Abkippen zwischen die Innenverteidiger zur Unterstützung des tiefen Spielaufbaus zuständig, wodurch er Perthel mehr Freiräume für Vorstöße gibt. Losilla hingegen pendelt zwischen dem Zentrum und dem rechten Flügel, wodurch er Latzas Vorstöße absichern, als zentrale Anspielstationen dienen oder situativ (besonders in Umschaltsituationen) auf dem Flügel Raumgewinn erzielen kann. Letzteres erlaubt Celozzi sein eher balancierendes Spiel.

Die Rolle von Yūsuke Tasaka ist wahrscheinlich die anspruchsvollste im Bochumer System. Im Grunde soll er zwei Positionen einnehmen. Als Rechtsaußen muss er im Spielaufbau die Breite und Tiefe geben, indem er weit aufrückt, um den gegnerischen Außenverteidiger zurückzudrängen, ein kompaktes Einrücken zu verhindern und für Durchbrüche nach direkten Weiterleitungen parat zu stehen. Im Laufe der Ballzirkulation verlässt er jedoch diese breite und tiefe Position und schaltet sich wie ein Achter aktiv in den Spielaufbau ein. Dabei nutzt er den rechten Halbraum im zweiten Drittel, den er sich selbst durch seine Ausgangsposition freigeräumt hat. Unterstützt wird er von Losilla, dessen Verschieben in eine zentralere Position ihm ebenfalls Räume öffnet. Aus dem Halbraum kann er Tempo aufnehmen und diagonal zurück Richtung Flügel ziehen. Sein starkes Tempodribbling erlaubt ihm, mit der aufgebauten Dynamik Durchbrüche für Rücklagen oder Flanken zu erzielen. Neben diesen diagonalen Bewegungen zwischen Flügel und Halbraum rückt er auch gern ein, um den formativ verwaisten Zehnerraum zu besetzen. Dabei bevorzugt er jedoch die Räume im zweiten Drittel vor der Doppelsechs, so dass er Latza und Losilla dort unterstützt, wenn einer der beiden zwischen die Innenverteidiger abkippt. Wie diese beiden, hilft er, die Engen im Zentrum aufzulösen, wobei er jedoch deutlich ballhaltender und im Dribbling weiträumiger agiert.

Die linke Außenbahn wurde bisher von Leihgabe Michael Gregoritsch besetzt. Der junge Österreicher ist der Wackelkandidat im Team. Eine ordentliche Durchschlagskraft durch gute Dribblings, Durchbrüche und Flanken nach gelungenen kleinräumigen Kombinationen mit Latza, Losilla und Šesták sowie zeitlich gut abgestimmtes Einrücken in Abschlusspositionen am langen Pfosten wechselt sich mit überhasteten Aktionen, schlechter Positionsfindung und mangelhaftem Anlaufen im Defensivspiel ab. Die zuletzt genannten Punkte im Defensivspiel machen ihn zu einem Instabilitätsfaktor, vor allem da er aufgrund der vertikalen Rollen von Perthel und Latza häufiger balancierend agieren müsste. Dies gelingt ihm jedoch nur sehr selten. Die Alternative zu Gregoritsch ist Marco Terrazzino. Dieser konnte jedoch nach der starken Vorbereitung in den Pflichtspielen bisher nicht überzeugen. Dessen Bewegungen vom Flügel sind eher zentrums- statt durchbruch- oder tororientiert, so dass er räumlich mit Šesták und Tasaka kollidiert, ohne mit diesen Synergien zu schaffen. Dazu ist sein Spiel, ähnlich wie das von Tasaka, zu sehr auf Dribblings, Abschlüsse oder finale Pässe fokussiert. Für Letztere fehlen ihm jedoch ohne einen weiteren durchbruchorientierten Akteur die Adressaten. Außerdem ist er nicht der Schnellste, was die Einbindung in den Tempofußball der Bochumer erschwert. Da auch sein Defensivspiel von Unsicherheiten in der Positionsfindung geprägt ist, konnte er sich bisher nicht als echte Alternative zu Gregoritsch aufdrängen.

Das Sturmduo bilden Stanislav Šesták und Simon Terodde. Dabei entsprechen die beiden viel weniger dem Klischee von Zielspieler und Dribbelstürmer als es der staksige 1,92-Sturmtank Terodde und der wuselige Slowake Šesták vermuten lassen. Ersterer ist ebenfalls ins Kombinationsspiel eingebunden und weicht häufig für Ablagen und Durchbrüche in den rechten Halbraum oder auf den rechten Flügel aus. Damit kompensiert er die fehlende Breite und attackiert die offenen Räume, die durch Tasakas zurückfallende und einrückende Bewegungen entstehen. Šesták gibt in diese Situationen die Tiefe. Ansonsten fällt er immer wieder in den zentralen Zwischenlinienraum zurück, wo er im Spielaufbau Ablagen spielt und kombiniert sowie bei Flanken und Rücklagen auf Abschlüsse aus der zweiten Reihe lauert. Durch raumschaffende Läufe bereitet er das Ausweichen von Terodde sowie die Durchbrüche von Tasaka und Gregoritsch vor. Nicht umsonst wird der Slowake von Terodde als einer der Hauptgründe für seine Torflut gefeiert.

„Beim VfL setzen mich „Stani“ oder andere Kollegen gut ein und so kann ich befreit spielen und meine Tore schießen.“
Simon Terodde

Strategische Schwerpunkte und Stärken

Das erhöhte Tempo im Kader wird insbesondere über Rhythmuswechsel forciert. Diese treten sowohl im Pressing als auch als Mittel der Tempoverschärfung im eigenen Ballbesitz auf. Zumeist legt der VfL sein Spiel gegen dem Ball in einem hohen Mittelfeldpressing an. Die Stürmer agieren nah an den Innenverteidigern, ohne sie direkt mannorientiert zuzustellen. Dahinter bauen sich zwei horizontal und vertikal kompakte Viererketten auf. Dazu steht die Abwehrreihe häufig sehr hoch. Die Außenspieler spielen eng eingerückt und etwas vorgeschoben, sie bieten die Außenbahnen an. Kommt ein Pass zum Flügel wird extrem verschoben. Auf diese Weise wird das Zentrum zumeist kontrolliert.

Entstehung des 1:0 gegen den VfB Stuttgart: Latza erkennt das schlechte Sichtfeld von Romeu und läuft ihn im Rücken an. Sestak und Terodde erhöhen blitzartig die Intensität und setzen Romeu ebenfalls unter Druck. Der Befreiungsversuch über Schwaab wird von Terodde abgefangen, der anschließend das Führungstor erzielt.

Bietet sich die Möglichkeit, den Gegner zu überraschen, verfolgt einer der beiden Sechser (meist Latza) mit langen Sprints zurückfallende Bewegungen der gegnerischen Spieler, so dass ein 4-1-3-2/4-3-1-2/4-3-3 entsteht. Dabei wird gezielt versucht, das schlechte, spielfeldabgewandte Sichtfeld auszunutzen, um durch einen Intensitätswechsel, einen hohen Ballgewinn zu erzielen. Dabei spielen auch die Stürmer eine wichtige Rolle, da sie hellwach sein müssen, um die ballnahen Anspielstationen direkt zuzustellen oder zu attackieren. Dies gelang zu Saisonbeginn insbesondere bei Einwürfen und Abstößen und leitete die wichtigen Führungstreffer gegen Fürth und Stuttgart ein.

Die Kombination aus zentralen Ballgewinnen und blitzartigem Umschaltspiel war auch über die Intensitätsverschärfungen im Pressing hinaus ein wichtiges Mittel. Dabei taten sich insbesondere Latza und Losilla als Motor und Schmieröl hervor. Sie können mit ihrer hervorragenden Ballkontrolle und Technik das Gegenpressing auflösen, mit ihrer Dynamik die Mittelfeldräume überbrücken und die finalen Kombinationen und Durchbrüche unterstützen. Die vier Offensiven schaffen gleichzeitig die Tiefe und besetzen die wichtigen Zonen, wobei Šesták die umgebende Dynamik ausnutzt, um Freiheiten im Zwischenlinienraum zu bekommen.

Entstehung des Führungstors gegen Aue: Sestak lässt einen Vertikalpass aus der Abwehr auf Latza abtropfen. Dieser ist eigentlich von vier Leuten umstellt. Wenn ihn das doch nur interessieren würde. Er beschäftigt sie einfach so lange bis Gregoritsch auf Höhe der Abwehrlinie angekommen ist und Sestak den Raum freigelaufen hat, und dann steckt für ihn durch. Der Raum am Flügel und im Zentrum für Sestaks späteres Tor schafft er so ganz nebenbei.

Entstehung des Führungstors gegen Aue: Sestak lässt einen Vertikalpass aus der Abwehr auf Latza abtropfen. Dieser ist eigentlich von vier Leuten umstellt. Wenn ihn das doch nur interessieren würde. Er beschäftigt sie einfach so lange bis Gregoritsch auf Höhe der Abwehrlinie angekommen ist und Sestak den Raum freigelaufen hat, dann steckt er für ihn durch. Den Raum im Zentrum für Sestaks späteres Tor schafft er so ganz nebenbei.

Doch auch ohne Konter verstehen die Blau-Weißen es, durch plötzliche Tempoverschärfungen in konterähnliche Situationen zu kommen. Entweder wird aus einer tiefen Ballzirkulation durch plötzliche Vorstöße und Steilpässe der Innenverteidiger (insbesondere Šimůneks) in die Halbräume blitzartig beschleunigt oder Latza und Losilla nutzen ihre Fähigkeiten, um den Gegner durch kleinräumige Kombinationen oder Dribblings dazu zu veranlassen, sich um das Zentrum zusammenzuziehen, und anschließend die Freiräume auf den Außenbahnen mit Tempo zu attackieren. Die Dynamik von Perthel, Gregoritsch und Tasaka kann sich so ideal entfalten.

Von Intensität und Instabilität

Entstehung des 1:1 gegen Eintracht Braunschweig: Nach einem Seitenwechsel mit anschließendem langen Ball verschibt das Kollektiv zu langsam. Simunek muss einen weiten Raum sichern. Anstatt sich dieser Verantwortung bewusst zu sein, verfolgt er jedoch seinen Gegenspieler der in Celozzis Rücken durchbrechen möchte. Als er an der Seitenauslinie angekommen ist, überlegt sich, den Kopfball für Celozzi zu übernehmen.

Entstehung des 1:1 gegen Eintracht Braunschweig: Nach einem Seitenwechsel mit anschließendem langen Ball verschiebt das Bochumer Kollektiv zu langsam. Simunek muss einen weiten Raum sichern. Anstatt sich dieser Verantwortung bewusst zu sein, verfolgt er seinen Gegenspieler der in Celozzis Rücken durchbrechen möchte. Als er an der Seitenauslinie angekommen ist, überlegt er sich, den Kopfball für Celozzi zu übernehmen und diesen über den Haufen zu rennen. Linksaußen Boland nutzt das Missverständnis und den riesigen Freiraum für den Ausgleich. Losilla war wohl von Simuneks Aktion überrascht, sonst hätte er hoffentlich das entstehende Loch gesichert.

Viele der Stärken basieren auf der hohen Intensität der Bochumer Spielweise. Sie ist jedoch auch für die zentralen Schwächen verantwortlich. Sobald der Ball in die Nähe des aktuellen Gegenspielers kommt, wird dieser aggressiv angelaufen oder verfolgt. Dazu rücken beide Innenverteidiger und auch die Sechser und Flügelspieler aggressiv heraus. Dieses Herausrücken ist extrem intensiv, jedoch meist von den Laufwegen nicht besonders intelligent und gruppentaktisch schlecht balanciert. Gegen Union und Fürth gab es Gegentore nach einem missglückten Herausrücken von Losilla, gegen Braunschweig behinderte Šimůnek Rechtsverteidiger Celozzi, indem er seinen Gegenspieler bis zur Seitenauslinie verfolgte und dann noch für Celozzi ins Kopfduell ging. Aus diesem Grund werden häufig auch Fouls in den Halbräumen und in Strafraumnähe in Kauf genommen, um ein Bespielen der Räume durch den Gegner zu unterbinden. Tore (Aue) oder Chancen nach Standardsituationen sind die Folgen.

Entstehung des 0:1 gegen Union Berlin

Entstehung des 0:1 gegen Union Berlin: Latza und Losilla laufen beide zu unbedacht und ungestüm an. Ihre Dynamik wird genutzt, um sie zum umspielen (Latza) oder aussteigen zu lassen (Losilla). Celozzi und Simunek können die so entstehende Lücke nicht rechtzeitig schließen.

Der zwischenzeitliche Ausgleich des FSV Frankfurt folgt dem gleichen Prinzip: Losillas Dynamik wird gegen ihn genutzt.

Der zwischenzeitliche Ausgleich des FSV Frankfurt folgt dem gleichen Prinzip: Losillas Dynamik wird gegen ihn genutzt, in dem sich der FSV-Spieler um ihn herum dreht.

Wie viele Mannschaften in der zweiten Liga sind auch die Bochumer anfällig für intelligentes, hohes Pressing. Insbesondere der Weg vom ersten ins zweite Drittel stellt dann ein Problem dar. Im Normalfall versucht der VfL, über die vorstoßenden Innenverteidiger oder die Außenverteidiger in die offensiven Halbräume zu kommen. Alternativ werden Latza und Losilla im Zentrum gesucht. Steht der Gegner jedoch hoch, gibt es keine Räume für die Vorstöße und die Außenverteidiger können direkt isoliert werden. Bälle ins Zentrum sind durch hohe Präsenz des Gegners sehr gefährlich. Deswegen versucht Latza meist, den Engen durch ein Abkippen zu entkommen. In diesem Fall stehen Losilla (und situativ Tasaka) im Zentrum gegen eine noch größere Überzahl und Latza kann seine Fähigkeiten in kleinräumigen Kombinationen und Dribblings nicht ausspielen. Dazu kommt, dass Luthe aufgrund seiner eingeschränkten Fertigkeiten am Ball nicht ohne Risiko mit eingebunden werden kann, sondern auf Rückpässe, insbesondere nach dem Gegentor gegen Fürth, mit ungenauen langen Bällen reagiert. Da auch die Staffelung aufgrund der hohen Stellung der vier Offensivspieler zu flach ist, um zweite Bälle zu behaupten, verliert der VfL so häufig die Spielkontrolle. Der Gegnerdruck, die fehlende Bindung zwischen den Sechsern sowie den Stürmern durch das Ausweichen von Terodde als Addressat für die lange Bälle verhindern, dass geduldig die Asymmetrien hergestellt werden, um Freiräume zu schaffen. In diesen Phasen ist Bochum auch sehr anfällig für leitende Bewegungen und Pressingfallen des Gegners, da oft kopflos in vermeintliche Freiräume gepasst und gedribbelt wird. Die Gegentore gegen Fürth und Karlsruhe wurden dadurch quasi selbst vorbereitet.

In-game Coaching

Pep Guardiola hat vorgemacht, dass es zu den Grundtalenten eines Trainers gehören sollte, auf Missstände im Spiel reagieren zu können. Anders als der Bayern-Trainer setzt Peter Neururer weniger auf Variationen gruppentaktischer Abläufe, sondern vertraut auf Positionstausch, personelle Änderungen und zwei bis drei Alternativformationen. Diese Mittel wurden bisher erstaunlich erfolgsstabil eingesetzt.

Gegen Fürth führte die Einwechslung von Gündüz für Tasaka sowie die Umstellung von Gregoritsch ins Sturmzentrum zur Erhöhung der Durchschlagskraft der Stürmer und der offensiven Außenspieler. Damit konnte die Schlussphase wieder mit Vorteilen für den VfL gestaltet werden. Bereits zu Beginn des Spiels gegen Stuttgart wurden durch einen Seitenwechsel von Tasaka und Gregoritsch die Asymmetrien im Spielaufbau verschoben, um die Manndeckung des spielstärkeren Innenverteidigers Šimůnek zu kontern.

Positionen und Bewegungen in der Alternativformation 4-1-4-1/4-3-3 (Alternativen in Klammern). Die Pfeile beziehen sich jeweils auf die bevorzugten Bewegungen des Stammpersonals.

Positionen und Bewegungen in der Alternativformation 4-1-4-1/4-3-3 (Alternativen in Klammern). Die Pfeile beziehen sich jeweils auf die bevorzugten Bewegungen des Stammpersonals.

Als defensiv stabilisierende Variante wurde nach den Führungen gegen Aue, den VfB Stuttgart und den FSV Frankfurt auf ein 4-1-4-1 zurückgegriffen. Losilla und Latza blieben auf ihren Positionen im rechten und linken zentralen Mittelfeld, während die hängende Spitze durch Adnan Zahirović ersetzt wurde. Neururer installierte somit einen zusätzlichen Sechser, der das aggressive Herausrücken der nun als Achter agierenden bisherigen Sechser sowie der Innenverteidiger absicherte. Der zusätzliche Zugriff erlaubte die Absicherung riskanterer Dribblings oder kleinräumiger Kombinationen durchs Zentrum. Die hohen Ergebnisse in diesen Spielen wurden insbesondere durch die Freiheiten von Losilla und Latza im Umschaltmoment ermöglicht.

Die offensivere Variante der 4-1-4-1-Formation gab es in der zweiten Halbzeit gegen Eintracht Braunschweig zu sehen. Nach der Einwechslung von Rechtsaußen Ryu Seung-woo in der 60. Minute gewann Braunschweig das Übergewicht in Bochums linkem defensivem Halbraum. Es dauerte nur 6 Minuten, da reagierte das Bochumer Trainerteam. Piotr Ćwielong kam als rechter Flügelspieler für Šesták und Tasaka ging auf die rechte Achterposition. Losilla übernahm die Verantwortung für den kritischen Halbraum, während Latza den tiefer Sechser gab. Sofort gewann der VfL an Stabilität. Als Braunschweig jedoch auf Dreierkette umstellte und einen weiteren Offensivspieler brachte, reagierte Peter Neururer jedoch zu ängstlich. Er brachte mit Heiko Butscher einen dritten Innenverteidiger, wodurch der Zugriff im Mittelfeld wieder verloren ging, was zu einer Druckphase der Braunschweiger führte. Nur mit Glück konnten die Blau-Weißen den Dreier über die Zeit retten.

Positionen und Bewegungen in der Alternativformation 4-2-1-3.

Positionen und Bewegungen in der Alternativformation 4-2-1-3.

Eine ähnliche Herausforderung gab es im Spiel gegen Union Berlin, da auch die Eisernen zu Beginn der Saison mit verschiedenen Dreier-/Fünferkettenformationen aufliefen. Gegen Bochums 4-4-2 gingen sie mit einer sehr flügelorientierten 3-4-3-Formation vor, bei der sie Bochums Zentrumsfokus sowie die Positionsfindungsprobleme der Flügelspieler für Überladungen der Außenbahnen nutzten. In der Halbzeit stellten die Blau-Weißen deshalb auf die zweite Alternativformation um. Tasaka rückte vom Flügel ins Zentrum, Gregoritsch bzw. später Terrazzino orientierten sich höher und enger an der Dreierkette Unions und die Außenverteidiger rückten weiter auf. Bochum stellte im Spielaufbau damit auf ein 2-2-1-5 um, drückte die Berliner in die Defensive und konnte mit dem frei herumdriftenden Tasaka die Schnittstellen der entstandenen Fünferkette attackieren. Da alle Verteidiger durch Gegenspieler gebunden waren, konnten sie nicht nur auf den Japaner fokussieren, was zu einer Gala des Spielmachers und dem hochverdienten Ausgleich führte. Zwei Spieltage später zeigte der KSC jedoch die Grenzen dieser Formation deutlich auf.

Fazit

Der gute Start des VfL Bochum in die Saison machte Hoffnung, zeigte jedoch auch schon deutlich die Probleme im Defensivspiel und im Spielaufbau gegen ein intelligentes, hohes Pressing auf. Nichtsdestotrotz lassen allein die individuelle Qualität von Spielern wie Latza, Losilla und Tasaka sowie die gelungene Einbindung der Neuzugänge Perthel, Celozzi und Terodde eine weitere Seuchensaison unwahrscheinlich erscheinen. Es wird interessant, ob Neururer und sein Team neben der hohen Intensität auch die zugehörige Balance herstellen können.

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