England – Frankreich 1:1
England entschärft die französische Offensive durch extreme Passivität.
Die Formationen
In einem der unattraktiveren Spiele des ersten EM-Spieltags trennten sich Roy Hodgsons Engländer und Laurent Blancs Franzosen mit einem müden 1:1. Die im Vorfeld favorisierten Franzosen taten sich mit ihrer kombinationsstarken Offensive schwer gegen einen Gegner, der oft in einem Achterblock auf wenigen Quadratmetern am eigenen Strafraum stand.
Nominell war das englische System das erwartete 4-4-2; wie vermutet lief Ashley Young als etwas hängender Akteur auf, während Welbeck den vertikaleren Stürmer gab. Der junge Arsenal-Spieler Oxlade-Chamberlain trat auf dem linken Flügel auf, während der polyvalente Milner die andere Seite füllte – somit waren alle vier Offensivpositionen mit sehr schnellen, direkten Spielern besetzt. Parker spielte den etwas zurückhaltenderen Sechser neben Gerrard, welcher im Spielaufbau stets etwas höher agierte.
Die Franzosen agierten aus einer 4-1-4-1-Ordnung heraus, wobei Alou Diarra den Abräumer vor der Abwehr gab. Malouda spielte auf der rechten zentralen Position als vorwärtsgerichteter Achter, während Cabaye die Mannschaftssteile mit seiner Passstärke verbinden sollte. Die drei Offensivakteure Nasri, Ribery und Benzema spielten überaus fluid und suchten nach gemeinsamen Kombinationen. Um diese zu unterstützen rückte insbesondere Debuchy sehr weit auf, um für den sehr stark nach innen gehenden Nasri die Besetzung des Flügels zu übernehmen.
England mit Chelsea-eskem Abwehrverhalten
Das stilgebende Element des Spiels und vor allem der ersten Halbzeit war das englische Pressingverhalten. Typisch für Hodgson ist ein tiefes Mittelfeldpressing und so wirkte es auch zuerst; es wurde aber letztlich doch anders interpretiert. Zwar formierten sich die Engländer in der kompakten 4-4-2-Ordnung mit den Stürmern etwas oberhalb der Mittellinie, aber sobald Frankreich in die Nähe der Mittelfeldlinie kam, schalteten sie nicht konsequent auf Balleroberung.
Anstatt im Kollektiv auf den Ball zu pressen, ging meist nur ein vereinzelter Spieler in den Zweikampf und machte etwas Druck, um zu verhindern, dass der Gegner Ruhe am Ball bekam – ein „false Pressing“. Der restliche Verbund aus den zwei Viererketten rückte langsam nach hinten, um stets zwischen Ball und Tor zu sein. Die Stürmer blieben weit oben, damit es Abnehmer für Konter gab und Frankreich nicht zu leicht aufrücken konnte.
Ganz extrem praktizierten die Engländer dies, sobald sie einmal am eigenen Strafraum angekommen waren. Wenn Frankreich nun versuchte, sich durch den kompakten Block zu kombinieren, rückten sie noch ein paar Meter tiefer und zogen sich dabei extrem zusammen, auf eine Breite von wenigen Metern.
Diese Art der Verteidigung erinnerte stark an die K.o.-Strategien des amtierenden Champions League-Siegers Chelsea FC, die insbesondere gegen die Bayern einen ähnlichen Ansatz verfolgten: Diszipliniert torseitig bleiben, nur minimalen Druck auf den Ballführenden, dann mit zwei engen Viererketten den Strafraum verriegeln und Abschlüsse blocken. Im Viertelfinale bezeichnete ich diese Ausrichtung gegen Benfica als „Unpressing“ – ein kompakter Pressingverbund, der nie wirklich aktive Balleroberung betreibt.
Frankreich spielstark, aber in einem völlig falschem Rhythmus
Diese Strategie erwischte die Franzosen in Hälfte eins auf dem falschen Fuß, auch wenn es zuerst nicht dannach aussah. Durch ein gutes Auffächern gelang es ihnen, sich immer wieder in Strafraumnähe zu spielen: Rami ging weit nach außen, Debuchy rückte auf, Nasri ging zentraler, die Mittelfeldspieler bewegten sich gut. In dieser losen, meist gut gestaffelten 3-1-2-3-1-Ordnung hielten sie den Ball in der Breite und brachten ihn meist risikolos nach vorne.
Einmal in der Offensivreihe versuchten hauptsächlich Nasri, Ribery und Benzema sich durch Rochaden in den Zwischenräumen des englischen Blocks zu positionieren. Dies gelang gut, war aber ein völlig falscher Ansatz: Über dieses Dreieck versuchten die drei spielstarken Akteure nun, in schnellen Kombinationen durch die Enge des gegnerischen Verbundes zu spielen. Sobald sie diese Spielzüge aber ansetzten, zogen sich die Engländer so extrem zusammen, dass sie das Kräfteverhältnis in Ballnähe teilweise bis auf eine 8-gegen-3-Situation zusammenschrumpften – völlig aussichtslos, auch für Weltklasse-Kombinationsspieler. Im Rhythmus des schnellen Kurzpassangriffs gefangen, gelang es ihnen meist nicht, sich mit einer Verlagerung aus der Umklammerung zu lösen, um das Spiel wieder breit zu machen. Viele Angriffe verendeten kläglich in einem massigen Block robuster Britten.
Auch im Pressing schwingt der französische Taktstock falsch
In der eigenen Defensive, erzeugte man teilweise den umgekehrten Effekt. Die Franzosen rückten da weit auf, bis sie ihre nominellen Gegner frontal vor sich hatten. Das 4-1-4-1 begegnete dem 4-2-3-1 „von Angesicht zu Angesicht“, der Stürmer stand zwei Innenverteidigern gegenüber, die Innenverteidiger und der Sechser waren in Überzahl gegen die beiden gegnerischen Stürmer, ansonsten gab es meistens klare Zuordnungen – eine gute Situation für ein aggressives Pressing.
Allerdings pressten die Dreifarbigen nicht so recht. Meist warteten sie ab und ließen ihren Gegenspielern Zeit am Ball, liefen höchstens in geringer Intensität an.
Den ruhigsten Abend erlebten dabei Englands Innenverteidiger, die im Laufe der ersten Halbzeit die meisten Pässe bei den Engländern gespielt hatten. Möglicherweise bedingte ihr (allerdings nicht besonders extremes) Zurückweichen, dass Frankreich nur sehr gehemmt in die Zweikämpfe aufrückte.
England mit schnellen Vertikalangriffen über die offensiven Halbräume
Jedenfalls konnte England dadurch in Ruhe die Zwischenräume der gestreckten französischen Formation anspielen. Ihr wichtigstes Mittel waren dabei lange Flachpässe in die offenen Räume links und rechts von Diarra. Dort forderten vor allem Young, aber auch die beiden Flügelspieler immer wieder die Anspiele, um sie dann flott weiter nach vorn zu tragen. Hilfreich dabei war natürlich, dass alle vier Spieler sowohl mit wie ohne Ball sehr schnell auf den Beinen sind. Mit verschiedenen Kreuzbewegungen versuchten sie dann Frankreichs Defensive zu durchbrechen. Ähnlich gestalteten sich die Versuche bei Kontern, wobei dann nur Young und Welbeck involviert waren.
Die Gemeinsamkeit bei beiden Varianten war aber, dass England ein zentraler Offensivspieler fehlte, der Verbindungen und Dreiecke hätte herstellen können. Gleichzeitig war der aufmerksame Diarra stets zur Stelle und sorgte für Überzahl. Daher bekam Frankreich die meisten englischen Spielzüge verteidigt, denen das Überraschungsmoment einfach fehlte. Große Ausnahme war eine Riesenchance seitlich vor dem leeren Kasten, die Milner nach einem tollen Diagonallauf vergab. Somit musste eine der recht wenigen Standardsituationen für den etwas glücklichen Führungstreffer herhalten – letzlich resultierten auch ganze drei der lediglich fünf englischen Abschlüsse aus Standards.
Blanc justiert seine Defensive
Ein entscheidender Punkt für die niedrige Anzahl an Gelegenheiten der Engländer, war Blancs adäquate Reaktion auf die Defensivleistung seiner Mannschaft in der ersten Halbzeit. Nach dem Wiederanpfiff rückte Frankreich nicht mehr so weit auf, hielt kompakt die Formation in einem zurückgezogenen Mittelfeldpressing und schloss die Halbräume – oft entstand dabei gar eine flache Fünferkette im Mittelfeld, ein echtes 4-5-1.
Nebeneffekt war, dass man in dieser breiten Ordnung auch die Flügel gut geschlossen bekam und nicht anfällig für etwaige Flankenwechsel wurde. Denn dies war der naheliegende Plan B, den Hodgson haben musste, wenn der Gegner tiefer stand und die Konter(artigen)-Angriffe nicht mehr funktionieren konnten: Konsequentes Flügelspiel, ein weiteres klassisch englisches Stilmittel.
So zeigten dann die Engländer auch im Laufe der zweiten Halbzeit durchaus druckvolle Flügelkombinationen, hauptsächlich über den vorpreschenden Johnson, der dann mit Gerrard und Milner schnelle Pässe spielte. Diese Angriffe sind wegen ihres starken Vorwärtsganges unangenehm zu verteidigen, aber können kaum überraschen und so bekam Frankreichs Defensive nun fast alles in den Griff.
Das völlige Loch an Kreativität, welches in Englands Zehnerraum gähnte, demonstrierte währenddessen wunderbar, weshalb das 4-4-2 heutzutage quasi eine reine Defensiv- und Konterformation ist. Das völlige Fehlen an Dreiecken, die Kombinationen durch die Räume des Zentrums ermöglicht hätten, machte Englands Spiel eindimensional und vorhersehbar. Auch wenn sie die Positionen gut ausspielten, da Parker und Gerrard sichere Ballverteiler sind, fehlte es ihnen komplett an spielerischer Durchschlagskraft.
Das Bollwerk steht – auch gegen geduldige Franzosen
Im Laufe der zweiten Halbzeiten fanden die Franzosen auch nach vorne immer besser ins Spiel. Sie stürzten nicht mehr in gnadenlose Unterzahlsituationen, sondern warteten auf nachrückende Spieler, um dann geduldig gute Angriffssituationen zu erzeugen. Schön war, wie sie dabei zunehmend das falsche Pressing der Engländer konterten: Der Ballführende täuschte seinerseits eine riskante Offensivaktion an und im Moment der englischen Reaktion kam stattdessen ein simpler Querpass.
Auf diese Weise fanden sie etwas mehr Abschlüsse, konnten auch immer wieder Debuchy oder Evra bei ihren Vorstößen bedienen, aber dem Spiel in den Strafraum fehlte es an Entschlossenheit. Symptomatisch die Flankenbilanz: Von 16 Flanken der ersten Halbzeit kam nur eine einzige an. In der zweiten Halbzeit waren es zwei von zehn. Viele dieser Flanken konnten deshalb nicht ankommen, weil de facto kein potentieller Abnehmer in Tornähe war. Hier zeigt sich der Wert eines Spielertypen wie Gomez: Selbst wenn er über lange Perioden des Spieles nur vorne drinsteht, ist damit zumindest gesichert, dass eben jemand vorne drinsteht. Der sehr mitspielende Benzema ließ diesen Effekt oft vermissen.
Somit wurde Frankreich hauptsächlich durch Distanzschüsse gefährlich. 16 der 21 Schussversuche wurden von außerhalb des Strafraums abgefeuert – eine konsequente Strategie gegen ein derartiges Bollwerk, die ja in Nasris Treffer auch bestätigt wurde. Hätte Frankreich 90 Minuten lang so konsequent angegriffen und verteidigt, wären die Chancen der Engländer auf einen Punktgewinn wohl deutlich niedriger gewesen.
Fazit
Ein langweiliges Spiel im Sinne der sehenswerten und gelungenen Aktionen, aufschlussreich aber im Bezug auf das Potential der beiden Teams. Die Franzosen demonstrierten, dass sie spielerisch eine deutlich reifere Mannschaft sind, die schwer zu pressen und auch anpassungsfähig sein kann. Ihre „totale Fluidität“ bekam aber einen Dämpfer – gegen ein zu enges Bollwerk steht sie sich selbst im Weg und bringt keinen Nutzen. Tore erzwingen zu können scheint zudem nicht die erste Qualität Frankreichs zu sein.
England hingegen bestätigte den Eindruck, dass sie alles andere als eine Kreativmannschaft sind. Man wird wohl von diesem Team wenig taktische oder spielerische Überraschungsmomente erleben. Schade eigentlich – polyvalente Spieler wie Milner, Young, Welbeck, Rooney oder Gerrard würden auf dem Papier wesentlich mehr Finesse erlauben. Der kurzfristige Trainerwechsel war keine schöne Entscheidung für den neutralen Zuschauer.
Allerdings zeigten die Engländer, dass sie sehr geschickt und abgeklärt sein können, bis zu einem bestimmten Grad können sie Ergebnisse erzwingen. Man wird sehen, wie ihnen das gegen Schweden und Ukraine helfen wird; zwei Teams, die den Engländern wohl kein Bunkern und Kontern erlauben werden.
Ein weiterer Punkt: Das „Unpressing“ wird in mehr oder minder starker Form nun schon mehrfach gespielt bei dieser EM. Russland agierte in dieser Variante sehr erfolgreich, Dänemark spielte es teilweise, ebenso wie ihr Gegner Holland. Der italienische Ansatz gestern hatte ebenfalls Ähnlichkeiten und selbst das deutsche Spiel besaß Elemente davon. Möglicherweise wird diese EM als das Turnier in die Historie eingehen, an dem man begann die Gegner zu schlechten Schüssen zu drängen, anstatt sie an Schüssen zu hindern. Es dürfte interessant werden, zu beobachten, welche Gegenkonzepte es darauf gibt.
29 Kommentare Alle anzeigen
ElPesco 12. Juni 2012 um 13:56
Zunächst mal: Super Analyse, wie gewohnt!! Vielen Dank an die Redakteure, die sich währrend der EM wirklich super viel Arbeit machen!! Echt klasse!!
Weil es im Artikel kurz angesprochen wurde: Könntet ihr evtl. mal nen kleinen Artikel zur ganzen Gomez vs. Klose (bzw. vs. Scholl 😉 ) Problematik machen? Oder eure Sichtweise hier mal darlegen? Fand die öffentliche Kritik am Siegtorschützen die letzten Tage doch etwas übertrieben, v.a. die Behauptung, er würde nichts für die Defensive arbeiten. Meiner Ansicht nach geht Gomez doch häufig recht weite Wege und agiert im Pressing meist tadellos. Wie es jetzt gegen Portugal speziell war, kann ich nicht sagen, darauf habe ich währrend des Spiels nicht so geachtet.
Klose und Gomez sind einfach völlig unterschiedliche Spielertypen – mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen. Vielleicht könnt ihr dazu ja mal einen kurzen Text bringen. Wäre super und stößt sicherlich, aufgrund der aktuellen Diskussion, auch auf großes Interesse!!
MR 12. Juni 2012 um 14:18
Da hab ich vorgestern nach dem Spiel schon angefangen einen Artikel drüber zu schreiben, hab dann aber so weit ausgeholt, dass es irgendwann drei Artikel geworden wären, einer davon über die Grundsatzfrage „Spielkunst vs Durchsetzungsfähigkeit, Kraft vs Beweglichkeit“. Ich muss mal sehen, was genau ich damit mache. Hab mir jedenfalls vorgenommen, in den nächsten zwei Wochen noch einen Gomez-Artikel zu bringen, ja.
MaxMerkel 12. Juni 2012 um 12:03
Ich fand das Spiel auch äußerst interessant und die Kommentare von Herrn Wark mit fortschreitende Spieldauer immer deplatzierter (aber das nur am Rande). Was mich bei den Franzosen etwas gestört hat war das Verhalten von Benzema bzw. das Zusammenspiel mit ihm. Fluide ist ja gut und schön, aber wenn er rausrückt und sich – wie häufiger geschehen – links außen oder hinter den beiden englischen Abwehrreihen bewegt, dann fehlte eine Anspielstation, die sich eher Richtung Tornähe bewegt. Zweitens ist mir aufgefallen, dass er sich – bei Standards oder wenn er nicht ins Kombinationsspiel ging – immer sehr passiv auf der extremen ballfernen Seite hinter dem AV der Engländer aufgehalten hat. Das war entweder schlecht oder man konnte aufgrund der Häufigkeit dieser Situationen fast an eine Vorgabe denken. Allerdings kann ich mir das nicht erklären, werden doch – zumal bei einer so kopfballstarken aber hüftsteifen Innenverteidigung – am kurzen Pfosten die Brötchen verdient.
Dieses Verhalten verwundert umso mehr, da die Franzosen sich schon das ein oder andere mal flach auf außen durchspielen konnten – was ja wohl auch ein Ziel ihrer Spielweise ist – und die beste Option dann eine scharfe Hereingabe auf den kurzen Pfosten oder den Rückraum ist. Dort war aber nur selten ein Blauer zu finden.
Solid Snake 12. Juni 2012 um 13:25
Das Spiel war das mit abstand schlechteste des 1.Spieltages, da gibts absolut nichts dran zu deuteln.
England mal wieder typisch mit einem Tor nach einer Standart, hat mich echt total an Irland erinnert.Welche auch nicht im Stande war sich Chancen zu kreieren.Aber bei dem Spielermaterial das England(die stärkste Liga der Welt) hat find ich das echt sehr low was die zeigen.
Bei Frankreich war ich eigentlich sehr optimistisch hat mich aber auch sehr enttäuscht.Jemand der das Spiel mal aus der Mitte kontrolliert hat total gefehlt.
Ihr sprecht zwar von einer Fluidität der ersten 3 aber das bringt ja garnix wenn dahinter nichts passiert.Die beste Situation entstand doch als Benzema aus der Tiefe startet Ribery ablegt und er aus vollem Lauf in den 16er eindringt.
Davon war viel zu wenig zu sehen die beiden Sechser waren überhaupt nicht zu sehen,die Aussenverteidiger wurden nicht ins Boot geholt totale Katastrophe.
Tom 12. Juni 2012 um 11:05
Leider habe ich nicht viel sehen können, deshalb hinkt mein Bild von dem Spiel wahrscheinlich auch um einiges. Trotzdem war ich extrem enttäuscht von der Hilflosigkeit der Franzosen. Die waren so hilflos, dass sie gar nicht wussten wie sie sich bewegen sollen. Ribery kam das eine oder andere mal von links lief vor dem Strafraum fast unbedrängt (nur die eigenen Mitspieler standen im Weg) herüber nach rechts. Der Rest der Mannschaft verfiel dabei in Gangtempo. Keiner der in den Strafraum vorstieß. Das andere mal setzte sich ein Franzose (Debuchy?) rechts bis zur Grundlinie durch flankt nach Innen, wo aber kein Mitspieler war. Alle gingen nur in Nähe des Strafraums lustlos herum und schauten ihm zu. Sehr eigenartig. Das war extrem starr. Keine Bewegung und alles nur halbgare Versuche.
Flowbama 12. Juni 2012 um 11:43
Eklatant fand ich vor allem die Schwäche der Franzosen, das Spiel zu verlagern. Sie spielten sich häufig mehrere, kaum gewinnbringende Pässe auf einer Seite zu (vor allem auf der linken Seite), doch niemand sah, dass sich die engstehenden Viererketten der Engländer zu extrem in ihre Richtung verschoben hatten, dass die nahezu komplette rechte Seite des Spielfeldes als freier Raum zur Verfügung stand. Ein schneller Diagonalpass auf den auf rechts durchstartenden Dubuchy (oder Malouda, oder Nasri oder sonstwen) und eine potentiell gefährliche Situation mit viel Platz hätte entstehen können. Aber dafür muss man diesen freien Raum natürlich erstens sehen, und zweitens dann auch eine entsprechende Anspielstation dort haben.
Cmann 12. Juni 2012 um 12:07
Das ist mir auch sehr häufig aufgefallen, wirklich erschreckend fand ich aber die Monotonie im Tempo der Franzosen.
Alles wurde in der gleichen Geschwindigkeit gemacht. Das, wie von euch beschriebene, „gefährliche Situation antäuschen mit abschließedem Querpass“ war zwar ein Versuch diese Monotonie zu unterbrechen, aber die häufig von Nasri und Ribery gegebenen Impuse wurden durch die totale passivität, was das laufen ohne Ball betraf, ihrer Mitspieler immer wieder zunichte gemacht.
Und wenn man eine Seite schon so dermaßen überlädt, wie die Franzosen dies auf der linken gemacht haben, dann gibt es außer einer Verlagerung eigentlich nur einen plötzlichen Tempowechsel, der ein so dichtes Abwehr Bollwerk durchbrechen könnte.
Ziel müsste es also sein, da der Raum zwischen den zwei Ketten de facto nicht vorhanden war, direkt hinter die letzte Kette zu kommen, aber dafür bedarf es zusätzlich zur fluiden Rotation auch Tempo ohne Ball.
Wenn die Franzosen dieses Tempo bei gleichbleibender Passsicherheit noch gelegentlich einstreuen und in ihrem Überladen auch noch die rechte Seite oder den gefährlichen Raum in der Mitte nicht vergessen, dann sehe ich gute Chancen für sie…
Besonders die Numerische Überzahl bei Ballverlusten in der Überladenen Zone bietet noch die Möglichkeit zum Gegenpressing, was Schweden und die Ukraine, die bei weitem nicht so sicher am Ball wie die Engländer sind sicherlich merken werden.
Tom 12. Juni 2012 um 16:37
Es hätte ja schon gereicht, wenn der eine oder andere mal in den Strafraum reinsprintet. Erstens zieht das sicher den ein oder anderen Gegenspieler mit und zweitens ist ein Ribery fähig dazu einen genialen Pass dorthin zu spielen und wenn er den aus dem Fußgelenk über die Engländer lupft. Aber wenn sich die Mitspieler so gar nicht bewegen oder nicht einmal Ansätze von Antritten zeigen, ist das alles für die Katz.
Englands Angriffe sahen dagegen sehr limitiert und unpräzise aus. Das war ja alles eher auf Glück ausgelegt. Irgendwann kommen mal zwei Pässe hintereinander zufällig zum richtigen Mann. Da denke ich gleich an unsere Mannschaft bei der WM 2002. Hoffen auf Standards und hinten gut stehen. Nur fehlt England ein Titan im Tor.
Lino 12. Juni 2012 um 10:43
Kann mir jemand den Unterschied zwischen „Unpressing“ und dem ballseitigem Verschieben einer sehr tief stehenden Abwehrreihe erklären oder soll das in etwas das Gleiche sein (Nur, um Begriffsunklarheiten vorzubeugen) ???
Toni 12. Juni 2012 um 09:55
Mich hat gewundert, dass Blanc nach der ersten Halbzeit das System nicht umgestellt hat. Es war klar zu sehen, dass die zwei englischen Viereketten dazu führten, dass sich Ribery, Benzema und Nasri die Bälle in Handball Manier um den Strafraum zupassten, ohne dabei in eine aussichtsreiche Schussposition zu kommen. Hätte man Giroud für Malouda gebracht und Benzema auf rechts oder auf die Zehn gezogen (wo er bei Real ja ab und an gespielt hat), hätte man eine zusätzliche Angriffsoption kreiert. So hätte Debuchy wie gegen Deutschland ein paar Flanken in den Strafraum schlagen können wo Giroud sie entweder verwertet oder abgelegt hätte.
Ich denke, dass dies den Engländern das Verteidigen deutlich schwerer gemacht hätte. Bei den Deutschen hat man ja in den letzten Spielen auch verstärkt den Hang dazu festgestellt, mehr über die Außen zu kommen, wenn spielerisch nicht viel geht.
Wird Monsieur Blanc aber meiner Ansicht nach gegen Schweden und die Ukraine nicht drauf zurückgreifen müssen. Aber sollte es im Viertelfinale gegen Italien gehen, wäre dies sicherlich eine Option. Wie man gegen Spanien gesehen hat, hatten die Italiener Problem, als das Spiel direkter wurde, also nach der Torres Einwechslung.
Jx 12. Juni 2012 um 09:46
Ich kann der Analyse in den meisten Punkten nur zustimmen und finde sehr interssant, was über Gomez gesagt wurde. Der wurde ja von fast allen Seiten nur mit Kritik überschüttet (Hr. Scholl lässt grüßen), wobei der Vorteil von seinem Typ für mich unverkennbar ist: Deutschland hat immer einen Abnehmer für Bälle, die nach ganz vorne kommen. Das fehlte Frankreich gestern häufig. Sicherlich haben diese Spielertypen a la Benzema und Klose wichtige Vorteile, aber gerade bei solchen kompakten Defensivverbünden (8 Mann im eigenen Strafraum) können Flanken auf Stoßstürmer in meinen Augen durchaus erfolgsversprechend sein.
HW 12. Juni 2012 um 15:22
Ich kann diese Diskussion eigentlich nicht verstehen. Gomez‘ Aufstellung war bei der Taktik und Kloses‘ Verletzungspause nur logisch. Er hat vielleicht nicht perfekt gespielt, aber auch nicht total schlecht.
Außerdem ist Klose auch kein Blinder im Strafraum und kann Kopfballtore usw. machen. Die beiden unterscheiden sich nicht wie Tag und Nacht.
Grundsätzlich bin ich ein Freund von Klose und denke, wenn er fit ist sollte er spielen, weil er einfach variabler als Gomez ist. Aber Gomez hat sich in den letzten Jahren schon gut entwickelt und wird es auch weiterhin tun (eine Sache die bei Klose toll ist, er hat nicht aufgehört an sich zu arbeiten).
Der Ball an dem er gegen Portugal vorbei rutscht, da kommt fast niemand ran. Und der Kopfball war eine unhaltbare Torchance. Das ist positiv, natürlich gab es auch Szenen in denen ich dachte: „eine Ablage wäre besser gewesen.“ Nur habe ich einen anderen Blick aufs Spiel, bin nicht im Zweikampf mit nem Verteidiger, muss nicht einen schwierigen Pass verarbeiten usw. wenn ich die Situation beobachte.
Totaalvoetball 12. Juni 2012 um 09:15
Da man ohne zu übertreiben sagen kann, dass Spielverlagerung der tonangebende deutsche Taktikblog ist, und sicherlich auch größeren Einfluss auf die übrige Medienwelt ausüben wird, wäre es ganz schön, wenn die Redakteure auch englische Begriffe, wie „Unpressing“ übersetzen würden, und damit auch eine deutsche Taktiksprache mitentwickeln würden.
Jx 12. Juni 2012 um 09:40
Hättest du nicht gesagt, dass „Unpressing“ kein deutscher Begriff ist, hätte ich das ehrlich gesagt gar nicht gemerkt. Für mich passt „Unpressing“ super in die deutsche Taktiksprache.
MR 12. Juni 2012 um 14:14
Wieso sollte das denn englisch sein? Un- ist doch auch eine deutsche Vorsilbe und Pressing ist auch eingedeutscht. Ich hatte das als deutschen Begriff im Kopf. Hab das Wort im Englischen auch noch nich gehört.
Jose Mourinho 12. Juni 2012 um 14:28
Kannst du dieses „Unpressing“ mal erklären? (Unpressing = False Pressing?)
MR 12. Juni 2012 um 15:04
„Ganz extrem praktizierten die Engländer dies, sobald sie einmal am eigenen Strafraum angekommen waren. Wenn Frankreich nun versuchte, sich durch den kompakten Block zu kombinieren, rückten sie noch ein paar Meter tiefer und zogen sich dabei extrem zusammen, auf eine Breite von wenigen Metern.
Diese Art der Verteidigung erinnerte stark an die K.o.-Strategien des amtierenden Champions League-Siegers Chelsea FC, die insbesondere gegen die Bayern einen ähnlichen Ansatz verfolgten: Diszipliniert torseitig bleiben, nur minimalen Druck auf den Ballführenden, dann mit zwei engen Viererketten den Strafraum verriegeln und Abschlüsse blocken. Im Viertelfinale bezeichnete ich diese Ausrichtung gegen Benfica als „Unpressing“ – ein kompakter Pressingverbund, der nie wirklich aktive Balleroberung betreibt.“
😉
Zusammenfassend: Der Verbund steht in einer relativ hohen Grundstellung, versucht aber keine Balleroberung in dieser Stellung, sondern weicht nur zurück, während einzelne Spieler false Pressing betreiben. Dadurch ergibt sich ein „kollektives false Pressing“.
Der Gegner bekommt dadurch den Eindruck, gegen ein Mittelfeldpressing zu spielen, hat es aber in Wirklichkeit mit einem Abwehrpressing zu tun. Das führt dann zu einem falschen Rhythmus der Angreifer.
HW 12. Juni 2012 um 15:12
Spricht man im Englischen nicht von „Druck aufnehmen“ o.ä. ?
„Unpressing“, hmm? Muss Mauertaktik jetzt über das Gegenteil definiert werden?
Ich würde unpressing nicht ständig verwenden, aber im richtigen Kontext ist es sicher zu verstehen. Finde dieses Wort aber nicht besonders elegant.
MR 12. Juni 2012 um 21:43
Klassische Mauertaktik ist ja dass man einfach eine überaus tiefe Grundstellung hat. Die höhere Grundstellung mit langsamen Zurückweichen und hoher Passivität selbst in Strafraumnähe meine ich mit „Unpressing“. Das ist für mich schon etwas anderes als das klassische Mauern.
kurt 12. Juni 2012 um 08:33
Unpressing ist gut … so spielten bis das 4-2-3-1 im Jahre 2009/2010 massenkompatibel wurde beinahe alle BL Mannschaften aus den zwei unteren Tabellendritteln. Damals wurde das noch als Mauern bezeichnet.
Ich finde auch, dass Frankreich das absolut falsch gemacht hat mit dem 4-3-3/4-1-4-1. Bei einem 4-2-3-1 hätte man viel bessere Möglichkeiten gehabt, allein schon von der Raumaufteilung (breiteres Spiel, bessere Chancen für Überladen wegen einem Offensivspieler mehr) her, aber auch vor allem durch einen 10er. Malouda war z.B. verschenkt, hätte mir da lieber auf rechts Valbuena gewünscht und Nasri auf der 10 im 4-2-3-1. Hätte mehr Weite gebracht und mit drei dribbelstarken Spielern hinter Benzema hätten die Engländer auch auf den Flügeln größere Probleme bekommen können …
PittiTrüffelschwein 12. Juni 2012 um 08:29
Für mich war bei den Außenverteidigern Debuchy und Evra ein ähnliches verhalten zu sehen, wie es AZ Alkmaar in einer älteren Analyse von euch gezeigt hat. Sofern ein Angriff über Rechts ging, bot sich Debuchy als zusätzliche Anspielstation auf dem Flügel an, ging er über Links konnte man auch Evra vereinzelt nahe des gegnerischen Strafraums finden, Debuchy blieb dann zur Absicherung hinten.
Alternativ ging Links aber eher noch Malouda mit hinter und neben die rochierenden Drei (Ribery, Benzema, Nasri), deren von euch erklärte Offensivfluiditat gestern durchaus zu sehen war, gegen konsequent statische Engländer aber zum einen recht wirkungslos erschien und zum anderen auch in meinen Augen nicht wirklich konsequent ausgespielt wurde. Das dann am Ende, wie von euch bereits prophezeit, die Energie für dieses Spiel fehlte, machte die Partie nicht ansehnlicher.
Ich muss VeryGaylord aber zustimmen, insgesamt haben die Engländer die beinahe sinnvollste Reaktion auf die französische Offensivfluidität gezeigt. Sie haben konsequent am eigenen Strafraum verteidigt (deutlich bessere Zweikampfwerte, sowohl am Boden, als auch in der Luft) und gleichsam vor allem in der ersten Hälfte die zahlreichen Konterchancen mitgenommen, auch wenn diese ebenfalls nicht sauber ausgespielt wurden.
Was ich mich allerdings frage ist, ob ein normales Pressing, statt eines ‚false Pressings‘, nicht mehr Konterchancen ermöglicht hätte? Natürlich waren in Donezk gestern 30°, auch abends noch, aber das statische Spiel der Engländer hätte sicherlich Luft für ein regelmäßiges und dauerhaftes Pressing gelassen, welches man mit den genannten schnellen Welbeck, Young oder möglicherweise etwas früher schon Walcott hätte ausnutzen können.
VeryGaylord 12. Juni 2012 um 04:17
Ich habe nur die erste Halbzeit gesehen und kann daher nicht das gesamte Spiel beurteilen und nehme dies auch nicht in Anspruch. Trotz des fehlenden endgültigen Zugs zum Tor kam mir die erste Hälfte aber doch recht flott und unterhaltsam vor. Die französische Offensive war zwar bisweilen etwas unkoordiniert und vor allem verzweifelt, aber mit hat die Fluidität weit besser gefallen als das stetige und inflexible Position-Halten des FC Bayern. Ich glaube nur, dass für ein Nationalteam eine solche komplexe Anlage von Rochaden nur schwer zu realisieren ist, besonders gegen tiefstehende Gegner, da fehlt einfach die Trainingszeit. Gleichzeitig haben die Engländer aus ihren Mitteln so ziemlich das beste gemacht. Sie waren in ihren Kontern und in ihrem Spillaufbau attraktiver als es Chelsea die letzte Saison war und haben durch intelligente Verlagerung der Abwehr- und defensiven Mittelfeldspieler die Franzosen gut kontrolliert. Teilweise standen sie unglaublich tief und haben so das auf in die Zentrale kommende fluide System intelligent gestört, bisweilen war bei den acht verteidigenden Engländern ein 3-5-2 zu erkennen, da die Franzosen auch die wirklichen Flanken sträflich ignoriert haben und durch ihre eher auf die Halbräume und die zentrale orientierten Rochaden den englischen Spielern die Verteidigung noch einfacher gemacht und gleichzeitig das Umschalten der Briten erleichtert. Aber unattraktiv fand ich die erste Halbzeit wirklich nicht: Vom Tempo her noch erträglich, taktisch spannend und trotzdem die ein oder andere Torchance. Ein mittelmäßiges Spiel im besten Sinne. Zweite Halbzeit leider wegen anderer Verpflichtungen verpasst, aber aufgrund des englischen Verhaltens in der späten Phase der ersten Hälfte habe ich es auch nicht zu sehr bedauert. die standen ja teilweise nicht mehr zu Anzahlen vor, sondern sogar im eigenen Sechzehner.
McK 12. Juni 2012 um 01:40
Hallo,
Kurz vorweg, ich bin schon seit knappen 15 Jahren ein Fan der Franzosen, und ich sah das Spiel als nicht so langweilig an, wie man es im deutschen Fernsehen machte, habe deshalb dann auch relativ schnell auf TF1 umgeschaltet wo Arsène Wenger und Lizarazu verhältnismäßig gute, wenn natürlich auch durch die französische Brille gefilterte Kommentare von sich gaben.
Natürlich wird mein Kommentar auch einseitiger aus obigen Gründen.
Ich wollte kurz dieses Antäuschen eines Dribblings der Franzosen als Gegenmittel gegen das „Unpressing“ ansprechen.
Dies ist mir auch aufgefallen ähnlich aufgefallen, als mein Vater meinte, die Bleus würden zu langsam den Ball weitergeben, woraufhin mir klar wurde, daß es eher wie ein Rauslocken des Abwehrspielers aussah.
Viel Kapital konnte man daraus aber nicht schlagen, die Engländer schienen sehr diszipliniert und erpicht darauf ihre Positionen zu halten.
Zudem fand ich das Pressing der Franzosen recht wechselhaft: Nicht selten war der Ballbesitz lange auf deren Seite und es wurde dann auch sehr aggressiv und konsequent bei Ballverlust gegengepresst, einem Druck, aus welchen die Engländer sich fast gar nicht befreien konnten oder vielleicht doch nur nicht wollten.
Dann wiederum waren Phasen wo die Tricolore eher untätig waren, was Pressing anging… War diese Art Rhythmuswechsel vom Trainer vorgeben, vielleicht nur undiszipliniert umgesetzt, eventuell Ausdauerprobleme in der brütenden Hitze, oder gar eine Reaktion auf das passive Spiel der Engländer?
Nun wollte ich noch ein wenig auf die in der Frankreichpreview angesprochene Fluidität eingehen.
Durch den Beitrag hab ich etwas mehr auf die Positionswechsel der 4 Angreifer geachtet, und man wirklich sagen, daß hier ein großes Maß an Rochaden präsentiert wird, was ich zumindest taktisch hoch interessant fand.
Jeder der 4 konnte man vor allem auf horizontaler Ebene überall finden, auch wenn jeder seine Präferenzen zu haben schien. Generell pendelte doch jeder zu seiner Ausgansposition zurück.
War das denn nun die angesprochene „totale“ Fluidität vorne oder wurden die Positionen (noch?) nicht ganz aufgelöst?
Generell war mein Eindruck jedenfalls daß de Franzosen die Three Lions eigentlich immer besser in den Griff bekamen, und es zumindest wohl für Frankreich ein ein wenig unglücklicher Punktverlust war.
Enttäuscht war ich sicherlich nicht, wie ein Herr Kahn das bezeichnete, denn man muss sich trotz allem vor Augen halten, wo der französiche Fußball vor 2 Jahren angekommen war, am absoluten Tiefpunkt, ohne taktische Konzepte, ohne Disziplin, ohne irgendwelchen Willen des einzelnen sich selbst zurückzunehmen und sich nicht profilieren zu wollen.
In zwei Jahren hat man in meinen Augen Riesenschritte gemacht, was erheblich kürzer ist, als jetzt die Zeit in der Löw nun mit der deutschen Mannschaft arbeiten konnte (was keine Kritik an Deutschland sein soll, auch die unterstütze ich, nur um eine kleine Verhälnismäßigkeit zu geben).
tactic_addicted 12. Juni 2012 um 00:29
Interessante Gegensätze auf dem Feld:
-einerseits die Engländer. Ein einfaches, klar aufgeteiltes 4-4-2 mit festen Positionen und größtmöglicher Kompaktheit durch äußerst enge Viererketten, häufig auf allerengstem Raum.
-taktisch äußerst schwere Kost von den Franzosen. Permanente Wechsel zwischen 4-2-3-1 und 4-1-4-1. Total asymmetrisch stehende Außenverteidiger. Vollkommene Fluidität in der Offensive, z.B. Benzema hinter den restlichen Offensiven, Ribery im Zentrum, Nasri wirklich überall.
Problem der Franzosen:
Die Abstimmung bei den ganzen Offensivrochaden ist noch nicht ausgereift. Vielleicht entwickelt sich dieses noch im Laufe des Turniers.
Teilweise war der komplette Raum im französischen Zentrum im zweiten und dritten Spielfelddrittel total verwaist. Dort standen dann die Engländer mit zwei Viererketten gegen Benzema.
Trotzdem zählen die Franzosen nach diesem Spiel für mich zu den Favoriten. Die Engländer halte ich für zu limitiert.
geco87 11. Juni 2012 um 23:12
Wie schon vor einigen Monaten gegen Deutschland ist mir bei den Franzosen Debuchy taktisch aufgefallen. Für mich ist er fast schon ein Wingback auf rechts, so dass Frankreich im Spielaufbau eher ein 3-5-1-1 oder 3-4-2-1 spielt – Nasri (und gelegentlich Ribery) als freier offensiver Mittelfeldspieler hinter Benzema, der aber auch viel auf die Außen rochierte.
Debuchy agierte jedenfalls breiter und durchschnittlich eindeutig höher als sein Pendant Evra, gelegentlich stand er sogar ungefähr auf Höhe von Ribery. Nun der Unterschied zu Fraaaanck, wo zu sehen war, dass Debuchy ein vergleichsweise defensiv denkender Akteur und somit eher Außenverteidiger als Flügelstürmer ist: In einer Szene, in der Frankreich den Ball im Mittelfeld verlor, blieb der Bayernspieler stehen, während Debuchy zurücksprintete und sich wieder rechts neben Rami in die Viererkette einreihte. Im Aufbau war es aber eindeutig eine Dreierkette: Evras Verhalten erinnerte an Abidal in Barcas 3er-Kette. Er hielt seine Hybridposition zwischen halblinks und links auf Höhe der nominellen IVs und dosierte seine Vorstöße.
Mexes gab den zentralen Innenverteidiger und Rami rückte weit auf rechts raus. All dies ist mir schon gegen Deutschland aufgefallen, wo Abidal sogar anstelle von Evra auflief.
Debuchy rückte nun vor und beackerte Wingback- und Dani-Alves-like die komplette rechte Außenseite, auch weil Nasri immer wieder ins Zentrum oder gar auf links rückte. Insgesamt war das französische Spiel ja gerade in der 1. HZ sehr linkslastig, wohl zu linkslastig. Auch Benzema sah ich mehr auf dieser Seite.
Nun ist Debuchy kein brillanter oder besonders kreativer Spieler, aber mit seiner Dynamik, Pferdelunge, Spielintelligenz und Defensivdisziplin geboren für diese interessante Position, die im französischen Spiel eine Assymetrie herstellt. Wenn ich mich recht erinnere hat er auch gegen Deutschland mit einem schnellen Vorstoß das 1:0 vorbereitet. Gegen stärkere Linksaußen wie Ronaldo müsste er aber wohl wie ein konservativer Rechtsverteidiger auftreten.
Xanatos 12. Juni 2012 um 09:00
Sehe ich auch so, hätte man in der Analyse auch etwas mehr rausarbieten können. Desweiteren fand ich auffällig das Debuchy extrem wenig Bälle bekam, obwohl er oft sehr gut postiert war. Ribery und Nasri waren einfach zu ballverliebt und spielten viel zu langsam.
Chris 12. Juni 2012 um 13:57
Aber war Debuchy nicht auch das große Problem von Frankreich?
Es gab mehrere Situationen in der ersten Halbzeit in der die Franzosen den Angriff verschleppen mussten um auf ihn zu warten bis er aufgrückt war und dadurch die Chance vertan war. Eigentlich ging er erst in den letzten 20 Min nach vorne.
Insgesamt war die franz. rechte Angriffsseite unterbesetzt mit riesigen Lücken in der Offensive und ein Außenstürmer auf dieser Seite hätte die engl. Abwehr auseinandergezogen was für Ribery und Benzema enorm wichtig gewesen wäre damit diese ihre Läufe in die Lücken starten könnten.
Das war ja auch die Erfolgstaktik der Deutschen 2010 gg England.
Das hätte aber ein gewisses Risiko bedeutet und wenn beide Mannschaften eines gestern nicht wollten, so war es Risiko. Schade…
Xanatos 12. Juni 2012 um 14:41
Dann muss halt einer der offensiven da kurz aushelfen, bis Debuchy vorne ist. Er kann ja nicht einfach blind nach vorne laufen, sonst läufste in einen Konter. Benzema und Nasri waren doch eigentlich nie rechts zu finden, von Ribery oder Malouda ganz zu schweigen.
Henrik 12. Juni 2012 um 16:58
Ich hab die ganze Zeit auf Ben Arfa gewartet, leider kam er dann erst in der 85.Minute. Meiner Meinung nach, hat sich Debuchy nicht so weit nach vorne bewegt, wie man das von ihm gewohnt ist, sondern hat sich auf schnelle Vorstöße beschränkt, um nicht zu riskieren, dass Young und Welbeck in 1vs1 gegen die Innenverteidiger gehen konnten. Dadurch hat es Frankreich oft an Breite gefehlt und Englands 4erketten konnten sich eng zusammenziehen und weit auf ihre rechte Defensivseite verschieben, die Frankreich überladen wollte.