Hertha BSC – 1899 Hoffenheim 3:1
Abstiegsduell, Teil 1: Hertha BSC sichert sich mit einem 3:1 über 1899 Hoffenheim am letzten Spieltag den Relegationsplatz. Sie überzeugten vor allem kämpferisch.
Hertha hochmotiviert und bissig
Trotz nur 8 Punkten in der Rückrunde und zuletzt schwachen Leistungen hatte Hertha BSC am letzten Spieltag noch die Chance, den Relegationsplatz zu erreichen, dem 1. FC Köln sei Dank. Beide Teams lieferten sich seit Wochen ein Schneckenrennen um den 16. Platz. Rehhagel baute die Anfangself erneut gehörig um, fünf neue Spieler standen in der Startformation. Er baute ebenso wie sein Gegenüber Markus Babbel auf die erprobte 4-2-3-1/4-4-1-1 Mischformation.
Es war dem Spiel in dieser Anfangsphase anzumerken, dass es für ein Team um sehr viel und für das andere um gar nichts ging. Was auch immer Rehhagel in seiner Ansprache vor dem Spiel gesagt hat – es hat offensichtlich gewirkt. Die Herthaner waren heiß wie noch nie in dieser Saison. Zu Beginn jagten sie ihre Gegenspieler über das ganze Feld. Von Verteidiger Hubnik bis Sturmspitze Lasogga wurde jeder Zweikampf gesucht. Sie entfachten einen unheimlichen Druck auf den Ballführenden, auch im gegnerischen Drittel. So kam Hoffenheim kaum zur Entfaltung.
Hertha konnte in der Anfangsviertelstunde einige Male ins letzte Drittel vorstoßen. Dort hatten sie jedoch mit mangelhafter Passgenauigkeit und fehlender Unterstützung für den Ballführenden zu kämpfen. König Otto wollte offenbar kein Gegentor fangen, weshalb die Sechser und Außenverteidiger nur selten nach vorne vorstießen. Es war daher keine Überraschung, dass sie aus dem Spiel nicht zu Chancen kamen – Kombinationen in Tornähe waren Mangelware. Erst, als sie sich bei einem Standard mit mehr als vier Mann nach vorne wagten, fiel der Führungstreffer. Ben-Hatiras Flanke segelte an Freund und Feind vorbei ins Tor (14.).
Mehr Spielanteile für 1899 nach dem Rückstand
Nach dem Treffer zogen sich die Herthaner weiter zurück und überließen den Kraichgauern zunächst den Ball. Sie ordneten sich in einem 4-1-3-1-1 an. Kobiashvili und Perdedaj ließen sich abwechselnd etwas fallen, wodurch sie Lücken zwischen Abwehr und Mittelfeld schloss. Salihovic, der sich in den Räumen zwischen den Ketten anbot, wurde vom aggressiven Perdedaj so aus dem Spiel genommen. Insgesamt war das Zentrum der Berliner sehr dicht, auch weil Raffael gut mit nach hinten arbeitete.
Hoffenheim blieb einzig der Weg über die Außen. Doch bei ihren Angriffsversuchen war ihnen jederzeit anzumerken, dass sie nicht 100% bei der Sache waren. Sie spielten mehr Fehlpässe als die Herthaner (Passgenauigkeit 87% zu 84%), und das, obwohl sie wesentlich öfters den Quer- oder Rückpass wählten. Auch das Laufverhalten war nicht optimal, ein Hinterlaufen der Außenstürmer durch die Flügelverteidiger gab es beispielsweise nicht. Zu Torchancen kamen die Gäste demnach nur selten, auch weil Hertha besonders in den letzten Minuten am eigenen Sechszehner verteidigte. Durch das tiefe Stehen kam 1899 fast nie mit Schnittstellenpässen hinter die Abwehr. Große Ausnahme war Schipplocks größte Chance in der 34. Minute, bei der Kraft umkurvte und aus spitzem Winkel nicht traf.
Zur Hoffenheimer Offensivschwäche trugen auch die schwachen Standards bei. Es war ja nicht so, dass die Herthaner keine Freistoßmöglichkeiten zuließen: Zur Halbzeitpause hatten sie 19 Fouls verübt, was ein extrem hoher Wert ist. Hoffenheim nutzte diese Chancen jedoch nicht. Hertha hatte dabei etwas Glück, dass Schiedsrichter Kinhöfer nur wenige Karten vergab. Etwas überraschend verließ er jedoch seine Linie in der 41. Minute: Hoffenheims Babel flog nach einer undurchsichtigen Aktion mit gelb-rot vom Platz. Kandidat Nummer Eins für einen Platzverweis war eigentlich Perdedaj. Er hätte sich bei seinen wiederholt rüden Fouls nicht über eine gelb-rote Karte beschweren müssen. Rehhagel wechselte ihn folgerichtig noch vor der Pause aus (44., Ronny kam).
Zweite Halbzeit: Raffael rückt in den Fokus
Jene rote Karte bestimmte den Spielverlauf nach der Pause. Hoffenheim agierte fortan im 4-4-1, Salihovic ging auf den linken Flügel. Mit einem Mann in Unterzahl waren sie gegen die defensiv eingestellten Herthaner jedoch noch stärker unterlegen. Nachdem auf der Anzeigetafel das zwischenzeitliche 0:2 für die Bayern verkündet wurde, setzten sich die Herthaner noch einmal zu einer Zwischenoffensive an. Das hohe Pressing wurde begleitet von den Anfeuerungsrufen der Fans.
Größtes Problem der Herthaner Offensive war dabei wie so oft in dieser Spielzeit die hohe Abhängigkeit von Raffael. Der Brasilianer wird bei jeder Offensivaktion gesucht und ist Dreh- und Angelpunkt der Angriffsbemühungen. Durch die beschränkte Kreativität der anderen Mittelfeldspieler ist sein Team jedoch zu berechenbar. Viele seiner Aktionen waren außerdem zu eigensinnig.
Diese Eigensinnigkeit kann dem Brasilianer nur zum Teil angelastet werden: Oftmals hatte er aufgrund schwacher Läufe der Außenspieler keine Anspielstation. Exemplarisch war eine Szene in der zweiten Halbzeit, in der Ebert in die Schnittstelle zwischen Außen- und Innenverteidiger hätte laufen können. Stattdessen trabte er neben Raffael her, und so musste dieser ins Eins-gegen-Eins gehen, welche er verlor. Solche Situationen gibt es im Spiel der Herthaner zuhauf, gerade bei schnellen Kontern. Als Außenstehender stellt sich hier die Henne/Ei-Frage: Laufen die Mitspieler nicht mit, weil sie eh kein Abspiel von Raffael erwarten, oder spielt Raffael nicht ab, weil seine Kollegen nicht gut mitlaufen? So oder so, die Abhängigkeit von Raffael ist gravierend. Das 0:2 fiel in dieser Form nur, weil Raffael ein starkes Dribbling mit einem Glanzpass zum eingewechselten Ramos (61., für den verletzten Lasogga) abschloss. Dieser bediente Torschützen Ben-Hatira (78.).
In den letzten zehn Minuten wurde das Spiel noch einmal unruhig. Einer der insgesamt 29 Freistöße, die Hertha dem Gegner schenkte, führte zum 1:2 (85.). Babbel warf nun alles nach vorne und wechselte mit Mlapa (87., für Kaiser) eine weitere Offensivkraft ein, es war nun ein 4-3-1-1 erkennbar, die Viererkette stand an der Mittellinie. Kurz vor Schluss ging sogar Keeper Starke bei einer Ecke mit in den gegnerischen Strafraum, beim darauffolgenden Konter brauchte Raffael nur ins leere Tor einschieben (92.).
Fazit
Hertha rettet sich mit einem kämpferischen Kraftakt in die Relegation. Dabei überdecken sie mit ihrer leidenschaftlichen Leistung spielerische und taktische Defizite. So standen sie etwa lange Zeit recht tief, auch die Laufwege im letzten Drittel waren in vielen Situationen katastrophal. Im Hinblick auf die Relegation könnten diese Schwächen zu einem echten Problem werden. Gerade wenn sie auf ein konterstarkes Team wie den FC St. Pauli oder den SC Paderborn treffen und das Spiel machen müssen, dürften ihre mangelhafte Kreativität im Spielaufbau ein Problem werden. Im Moment zählt aber nur der Sieg über Hoffenheim, und den haben sich die Berliner mit einer ihrer stärksten Saisonleistungen redlich verdient.
3 Kommentare Alle anzeigen
Stehtribüne 5. Mai 2012 um 20:25
Eigentlich müssten die Kreise der Hoffenheimer neon orange sein 🙂 Unglaublich was sich das Merchandising immer wieder für Sachen ausdenkt….
TE 5. Mai 2012 um 20:34
Solange nicht die Niederlande oder Shakthar Donezk spielen, weigere ich mich, orangene Kreise zu nutzen! 😉
PP 5. Mai 2012 um 20:40
Sehe ich genauso!