Celtic F.C. – Rangers F.C. 3:0
Ein Abschied für immer?
Vielleicht war diese Begegnung, die insgesamt 399. Auflage des großen und legendären Glasgower Derbys, das allerletzte Duell der Geschichte. Schon vor dem letzten Match Ende März, als die Rangers mit einem 4:2 die vorzeitige Meisterschaft für Celtic verschoben, hatten diese große finanzielle Schwierigkeiten gehabt. Dies war auch der Grund gewesen, wieso Celtic so früh und so souverän den Titel fest machen konnte – die Rangers hatten aufgrund finanzieller Probleme einen dicken Punktabzug zu beklagen.
Nun spitzen sich allerdings die Probleme gewaltig zu: Wenn nicht bald (genauer gesagt bis zum 13. Mai) ein neuer Investor gefunden wird, dürfte die fast 140-jährige Geschichte des Kultvereins ein jähes Ende finden, denn es droht die Auflösung. Allerdings erschweren Geldstrafen und ein Transferverbot die Suche zusätzlich. Somit könnte dies das letzte Duell zwischen den beiden schottischen Giganten gewesen sein, was noch einmal für große Motivation sorgte, zumal Celtic endlich mit einem Sieg im direkten Duell beweisen wollte, den Meistertitel auch verdient zu haben.
Im Übrigen kommentierte Celtic die drohende Auflösung des Rivalen in Person von Klubchef Lawwell mit den Worten: „Wir brauchen die Rangers nicht“ Ohne diese könnte die schottische Liga allerdings endgültig ihren Reiz verlieren, weshalb man mit einem Wechsel in die englischen Premier League liebäugelte. In vielerlei Hinsicht könnte es also ein Spiel des Abschieds gewesen sein – ein Spiel, in dem Celtic seinen 100. Heimderby-Sieg perfekt machen wollte, und ein Spiel, in dem es um nichts anderes als die Ehre ging.
Wechselwirkung der Formationen
Die Hausherren liefen in einem ungewöhnlichen 3-4-1-2-System auf, während die Rangers ein asymmetrisches 4-3-3/4-4-2 spielten, wobei man im Verlauf der ersten Halbzeit immer mehr zu Letzterem überging.
In der Dreierkette Celtics spielten auf den Außenpositionen zwei gelernte Mittelfeldspieler, die ihre Rollen daher sehr offensiv interpretierten – ganz besonders traf dies auf der rechten Seite auf Wanyama zu. Allerdings agierte dieser nicht – wie oftmals die Innenverteidiger in Barcelonas 3-3-4 – in einer Halbposition, sondern schob weit über die Außenbahn mit nach vorne nach, wodurch die gegnerische linke Seite um Little und Wallace stark nach hinten gedrückt wurde. Insbesondere der gefährliche Wallace – mit seinen Vorstößen eine entscheidende Figur im letzten Derby – wurde somit hinten gebunden. Auf der anderen Seite spielte Mulgrew etwas gemäßigter als Wanyama, doch sorgte er mit einem Tor nach einer Ecke immerhin für die Führung (16.). Während ein Celtic-Verteidiger vorrückte, sicherten die anderen beiden gegen McCulloch ab, der aufgrund der höheren Verteidigungslinie Celtics seine Kopfballstärke diesmal nicht entscheidend ausspielen konnte.
Auf den Außenbahnen besaß Celtic in Matthews und insbesondere Izzaguirre auf links zwei sehr geeignete Spieler für die Rollen der Wing-Backs. Unermüdlich marschierten sie die Flanken auf und ab, sorgten für Breite im Angriffsspiel der Grünen und brachten diesen die Kontrolle des seitlichen Terrains ein. Besonders problematisch für die Rangers war hier die Asymmetrie der eigenen Formation: Aluko spielte eine Mischrolle aus Rechtsaußen und hängender Spitze, womit er aber Izzaguirre allein ließ und ihm zudem viel Raum vor sich gewährte – als einer der besten Spieler der Liga nutzte dieser das konsequent aus.
Zudem rochierten immer wieder der halblinke Stürmer Samaras, Zehner Kris Commons, der scheinbar sein Talent nun wieder unter Beweis zu stellen vermag, und der halblinke zentrale Mittelfeldspieler Ledley auf die Seite hinüber. Während Brown sie aus der Tiefe des Mittelfelds dirigierte und absicherte, stellten sie dort eine starke lokale Überzahlsituation her, welche zu einigen traumhaften Spielzügen mit off-the-ball-runs und Hackentricks führten, die allerdings nicht mit einem Tor belohnt wurden.
Die Rangers versuchten dagegen anzugehen, indem man Whittaker weiter auf die Seite zog und – da der zentrale Sechser McCabe, der erneut ein herausragendes Spiel zeigte, so gut wie möglich dagegen hielt, aber ausgerechnet bei zwei Gegentoren patzte, in der Mitte bleiben sollte – Maurice Edu die Läufe Ledleys auf die Seite verfolgte. Dies öffnete allerdings ein Loch in der eigenen Formation im halbrechten Angriffsraum für Celtic, welches entweder ebenso Commons, der auf beiden Seiten zu finden war, oder der zurückfallende Hooper besetzen konnten. Auf diese Weise gab es zu Beginn eine große Chance, ehe schließlich auf diesem Wege auch der Eckball zum 1:0 entstand.
Besonders beim zweiten Tor zeigte sich dann die Wichtigkeit der Rolle Hoopers, der sich immer wieder in die Tiefe oder auf die Seiten fallen ließ, um Räume zu öffnen – in diesem Falle rochierte er auf die Außen, behauptete dort einen schwierigen langen Ball und kreierte dank hervorragender Weiterverarbeitung die Chance von Commons, der in den von ihm geöffneten Raum stieß und netzte (31.). Schon hier, aber spätestens mit dem 3:0 kurz nach der Pause durch Hooper war das Spiel dann erledigt und Celtic verbuchte einen komfortablen Derby-Sieg.
Fazit
Interessant wird sein, ob dieses System eine Zukunft für Celtic darstellt. Positiv zu bemerken ist, dass man in dieser Formation Platz für einen beweglichen Zehner und eine fluide Dreier-Offensive findet, während auch die beiden Wing-Backs in ihren Rollen aufgehen. Fragezeichen stehen hingegen noch hinter der defensiven Stabilität einer offensiv ausgerichteten Dreierkette, welche gegen einen besseren Gegner wohl mehr Probleme gehabt haben dürfte. Doch wenn man die eigene Kompaktheit mit einer weiterhin hohen Abwehr, den – wie beim 3:0 – mitarbeitenden Offensivspielern sowie einem dynamischen Pressing steigern kann, könnte dies eine durchaus moderne und kreative Taktik werden. Ein Kompliment an Trainer Neill Lennon ist daher in jedem Fall angebracht. Schon im Juli wird man in den Qualifikationsspielen zur Champions League einem Härtetest auf europäischer Ebene unterzogen werden und dort sicherlich wichtige Erkenntnisse gewinnen können.
3 Kommentare Alle anzeigen
Stehtribüne 1. Mai 2012 um 11:54
Ich muss da ein bisschen entgegensteuern. Die Fernsehrverträge (!) verhindern wahrscheinlich den Untergang der Rangers. In den Verträgen steht, dass in einer Saison 4 Glasgowderbys gezeigt werden müssen. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, aber ich finde es ziemlich merkwürdig, dass Fernsehverträge so eine Macht haben.
Tank 30. April 2012 um 13:54
Toll, dass ihr auch Spiele, die von der breiten Masse, mich eingeschlossen, wohl eher nicht gesehen bzw. gar nicht wahrgenommen wurden, analysiert. Dass Celtic mit einer Dreierkette plus wing-backs experimentiert, finde ich faszinierend. Schön, wenn schon fast ausgestorbene Formationen ihr Comeback feiern. Es macht den Fußball vielfältiger. Apropos vielfältiger: Schade um die Rangers. Allgemein ist das Ausscheiden dieser 1B-Mannschaften aus dem Fokus des Fußballs zu beklagen. Was waren das für abwechslungsreiche Zeiten, in denen Celtic, Rangers, Ajax, Roter Stern Belgrad und Co. auch für die ganz großen Topmannschaften eine ernsthafte Gefahr waren. Vielleicht können Regelungen wie Financial Fair Play oder eine Aufwertung der Europa League da wieder Akzente in die Gegenrichtung setzen.
respectfully disagree 1. Mai 2012 um 22:18
Ich verstehe nicht, weshalb das Ueberleben von Rangers in der SPL den Fussball vielfaeltiger machen sollte. Aus nicht-schottischer Perspektive, wenn man immer bloss die zwei Leuchttuerme Celtic/Rangers wahrnimmt: vielleicht, OK. Fuer den schottischen Fussball insgesamt dagegen waere es sicherlich ein Segen, gerade unter dem Gesichtspunkt der Vielfalt. Es wuerde erstens ermoeglichen, eine fairere Verteilung der TV-Gelder zu diskutieren (bislang sahnen da in erster Linie Celtic/Rangers ab). Zweitens wuerde es die Chancen fuer andere Teams aus der zweiten Reihe (Dundee Utd, Hearts, etc) erhoehen, auch mal europaeisch zu spielen. Beide Faktoren wuerden die Einnahmen der kleineren Teams erhoehen — zumindest relativ gegenueber Celtic/Rangers. Dass das Gesamtvolumen der Einnahmen durch Fernsehgelder voruebergehend leicht zurueckgehen koennte, traefe dann hauptsaechlich Celtic. Unter dem Gesichtspunkt der Vielfalt ist das wiederum nicht tragisch, da dann vielleicht deren raeuberisches Verhalten eingeschraenkt wuerde, den kleineren Clubs regelmaessig die guten Jugendspieler wegzuschnappen (sowohl von Celtic als auch Rangers an den Tag gelegt).
Und zu guter Letzt: Ohne Rangers muesste man auch nicht mehr diese unertraegliche Sektiererei beim Derby Celtic/Rangers miterleben. Dieser Fanatismus ist echt nicht witzig, und hat auch nichts mit guter Stimmung zu tun. Bei diesem Laden gibt es (leider) wirklich nichts zu romantisieren.