Paris St. Germain – Olympique Marseille 2:1

PSGs Kontrolle im Mittelfeld triumphierte über Marseilles Flankensturm – auch, weil der Plan der Heimmannschaft ambitionierter war.

Grundformationen

Nachdem Konkurrent Montpellier mit einem Sieg gegen Sochaux vorgelegt hatte, mussten die Hauptstädter im Kampf um die Meisterschaft nachziehen. Dabei traf man auf das gegen Bayern ausgeschiedene und in der Liga mit zuletzt zehn sieglosen Spielen ebenso enttäuschende Marseille.

PSGs Mittelfelddominanz und Marseilles Probleme mit dem 4-2-3-1 als defensiver Grundformation

Vom Start weg übernahm die Heimmannschaft von Trainer Carlo Ancelotti die Initiative, dominierte die ersten Minuten mit fast 90 % Ballbesitz und wurde bereits nach sechs Minuten mit der frühen Führung durch Menez belohnt. Durch den im Winter von Inter verpflichteten Thiago Motta als umsichtigen Ballverteiler auf der Sechs sowie drei sehr bewegliche, eng spielende und immer wieder zurückfallende Stürmer konnte man das Mittelfeldzentrum kontrollieren und damit eine derartige Dominanz aufbauen.

Hier sieht man – fast ohne alle Pfeile – in rot angedeutet die Freiräume neben den Sechsern Marseilles, in die die PSG-Achter aufrückten. Die Linien der Defensivformation der Gäste sind dabei zur Verdeutlichung ebenso hervorgehoben.

Interessant waren zudem die Auswirkungen der defensiven Grundformation der Gäste aus Marseille. Ihr nominelles 4-2-3-1 wurde nicht – wie normalerweise üblich – in der Defensive durch das Zurückweichen der beiden Außenspieler zu einem 4-4-1-1, dessen zwei Viererketten mehr Kompaktheit versprechen. Stattdessen attackierte man relativ früh und behielt dabei die 4-2-3-1-Grundformation bei. Somit entstand in den Halbräumen – hinter der offensiven Dreierreihe OMs und damit „neben“ ihren beiden Sechsern – freier Platz, der durch die Halbspieler PSGs genutzt werden konnte. Hier bewegten sich Sissoko und Matuidi immer wieder in die Breite und in diese Räume, so dass Motta und die Abwehrkette somit fast immer zwei Anspielposten hatten, über die man das Spiel schnell nach vorne tragen konnte.

Das einzige Problem war, dass man aus dieser starken Dominanz, die man somit erzeugte, keine wirkliche Durchschlagskraft erzielen konnte. Zum einen lag dies daran, dass die Stürmer keine konsequenten Läufe in den Strafraum hinein wagten bzw. auch aufgrund einer etwas ungenau definierten Formation, die teilweise zwei und teilweise drei Spitzen zu haben schien, die nötige Abstimmung fehlte. Zum anderen agierten die beiden Außenverteidiger relativ eng – durch die große Spielstärke in der Mitte hätte man bei richtiger Abstimmung (die es eben nicht gab) eventuell gar auf Breite verzichten können, doch vielmehr lag das Problem darin, dass sich das komplette Spiel in den Halbräumen ballte. Diese hatte man in der Vertikale praktisch dreifach besetzt und blockte sich damit gewissermaßen selbst die Wege nach vorne. Es war fast schon wie eine Ironie, dass das frühe 1:0 nur deshalb ermöglicht wurde, weil Jallet auf rechts sehr eng aufrückte und nahe des 16ers einen Volleyschuss abfeuerte, den Menez im Tor unterbringen konnte.

Marseille nach Rückstand mit der Initiative: Ein klarer, aber wenig kreativer Plan wird nicht belohnt

Nach dieser Führung ging man das Spiel natürlich merklich defensiver an und ließ nun den Gegner erst einmal machen. Doch die Kontrolle des Zentrums, welche vor allem stark auch auf einer numerischen Komponente durch die enge Formation basierte, gab man nicht aus der Hand und diese sorgte maßgeblich für defensive Stabilität. Der für Marseille so wichtige Spielmacher Valbuena wurde dabei bis zu einem gewissen Punkt konsequent von Thiago Motta gedeckt und sollte dabei mit der nötigen Härte sowie einigen absichtlichen Fouls eingeschüchtert werden. Unterstützt wurde Motta dabei von seinen beiden Achtern, welche es entweder erlaubten, bei horizontalen Läufen Valbuena zu übernehmen oder bei vertikalen Läufe, die Motta eventuell aus seinem Verantwortungsbereich ziehen könnten, diese Lücken zu schließen, so dass die nach innen kommenden Amalfitano und besonders Ayéw sie nicht nutzen könnten. Indem sich die massierte und zentral orientierte Defensive der Pariser an Valbuena ausrichtete, war bereits ein wichtiger defensiver Schritt getan. Zwar versuchte Valbuena, auf die Außen zu rochieren und dort zu überladen, doch hatte man ihn gut im Griff.

Obwohl Valbuena seinen Außenspielern nicht so effektiv helfen konnte wie sonst,  blieben den Hausherren als maßgebliches Mittel dennoch ihre typischen Flanken. Wer sich den Spielstil Marseilles in brutaler Reinform ansehen möchte, dem sei das Champions League-Achtelfinal-Hinspiel gegen Inter ans Herz gelegt. Diesmal schoben gerade die beiden Außenverteidiger  sehr aggressiv mit nach vorne und sorgten letztlich für 39 Flanken. Dabei schaffte es Marseille, dass dieses sehr einfache taktische Mittel sogar mehrere sehr gefährliche Situationen heraufbeschwören konnte – schließlich spielt man diese Strategie sehr oft und so verhielten sich Remy und Ayéw  als Abnehmer sehr geschickt und brachten auch den konsequent nachrückenden Cheyrou mehrfach in gute Abschlusspositionen. Es waren dann auch Remy und Ayéw, die zusammen für den Ausgleich nach einer Stunde sorgten, doch mehr als ein Tor hatte diese Strategie trotz ihrer Effektivität aus ästhetischen Gründen wohl nicht verdient. Stattdessen traf Alex im Gegenzug ausgerechnet nach einer Ecke zur erneuten Führung für PSG (61.), während Marseille seine weiteren Chancen nicht nutzte.

Fazit

Für Marseille ist die Saison eigentlich schon gelaufen, denn als Neunter kann man in das Rennen um die Plätze Europas nicht mehr eingreifen. Allerdings legen die schwachen und enttäuschenden Ergebnisse nahe, dass der aktuelle Spielstil möglicherweise zu eindimensional und zu wenig ambitioniert und kreativ ist. Eigentlich kann es nicht das Ziel einer Mannschaft sein, einzig und allein durch einen nach außen rochierenden offensiven Mittelfeldspieler günstige Situationen für Flanken in den 16er zu erzeugen. Zwar machte man dies in der Box dann bei der Verarbeitung relativ geschickt, doch ist diese Strategie doch nicht durchgehend erfolgsversprechend. Mehrfach sah man zudem, wie ein Außenspieler völlig alleine auf dem Flügel war und mit aller Kraft versuchte, die Flanke in die Mitte spielen zu können – zu wenig und enttäuschend anzusehen, dass viele solcher Szenen entstehen mussten.

Für Paris St. Germain ist nach den vielen Investitionen in die Mannschaft die Meisterschaft weiterhin absolut realistisch. Aktuell ist man punktgleich mit Montpellier, welche unter der Woche allerdings ein noch ausstehendes Spiel ausgerechnet gegen Marseille zu bestreiten haben. Eventuell würde dem sehr spielstarken Team von Carlo Ancelotti ein wenig mehr Breite durch die Außenverteidiger gut tun, um im Titelrennen beste Chancen zu haben. Mit Motta als Ballverteiler, athletischen Achtern und sehr kreativen Spielern, wobei Pastore diesmal nicht seinen besten Tag hatte, sind viele Aspekte bereits sehr positiv, wenn man auch die Abstimmung und genaue Ausrichtung des Offensivtrios noch etwas balancieren müsste. Dieser Sieg war trotz ein wenig Glück am Ende wohl doch ein verdienter, da einfach die ambitionierte Mannschaft trotz ihrer Makel gewann.

simon 11. April 2012 um 02:36

Danke für die Erklärung!

Wie wäre mal mit einem Taktikartikel zum 4-2-3-1?
In dem genau das erläutert wird? 🙂

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MR 11. April 2012 um 03:23

Solche Artikel sind quasi immer zu allen Themen geplant. Ist eben eine Frage der Zeit, wann mal jemand von uns dazu kommt.

Wenn sich jemand findet, der uns einen siebenstelligen Eurobetrag spendet, dann verspreche ich, dass derartige Artikel im Tagesrythmus kommen! 😉

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simon 10. April 2012 um 09:20

Ist ein 4-4-1-1 als Defensivformation denn wirklich so passend? Lässt sich mit einem Stürmer überhaupt Druck ausüben und Passwege ins Zentrum zustellen? Wäre hier ein 4-4-2 nicht besser geeignet?

Antworten

Zirkeltraining 10. April 2012 um 15:55

Eine beliebte Möglichkeit bei Ballbesitz des Gegners ist:
1. Bei Ball im Zentrum (Innenverteidiger) => 4-4-2: Beide Stürmer erzeugen Druck auf die IV’s, um diese an gefährlichen Vertikalpässen zu hindern. Die Innenverteidiger werden somit „gezwungen“, den Ball zu ihren Außenverteidigern zu spielen. Dann tritt ein:
2. Bei Ball auf dem Flügel (Außenverteidiger) => 4-4-1-1: Der ballnahe Stürmer läuft den Außenverteidiger (je nach Philosophie möglichst so, dass dieser an sicheren Pässen zurück zum IV gehindert wird) an. Der ballferne Stürmer lässt sich zurück fallen, um das Zentrum kompakt zu halten und im Laufe des eventuellen gegnerischen Angriffs dort nicht in Unterzahl zu geraten.

Dies wird meist von Mannschaften, die den Ball vorne recht aktiv gewinnen wollen, angewendet.

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TR 10. April 2012 um 18:40

Genau, normalerweise nehmen sich die beiden nicht viel und sind fast schon dasselbe System in der Defensive. Sehr gut sah man das ja bei dem fluiden Defensivsturmduo Lewandowski/Kagawa in der Hinrunde bei Bayern-Dortmund. Hier habe ich es 4-4-1-1 genannt, damit die Ähnlichkeit und das Entstehen aus dem Ur-4-2-3-1 deutlicher rauskommt. 😉

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