Newcastle United – Liverpool FC 2:0
Damit stecken die Reds nun endgültig in einer Krise – die 0:2-Niederlage beim direkten Konkurrenten Newcastle bedeutete einen herben Nackenschlag im Kampf um Europa.
Beide Trainer überraschten mit ihren Aufstellungen: Newcastle formierte sich zwar im bekannten 4-4-1-1, doch während Demba Ba auf dem linken Flügel ran musste, gab Yohan Cabaye einen offensiven Mittelfeldspieler. Auf der anderen Seite wählte Kenny Dalglish einmal mehr eine 4-4-2/4-3-3-Mischformation – diesmal spielte Gerrard als rechter Mittelfeldspieler neben zwei zentralen Akteuren, Bellamy als Rechtsaußen und Suárez als ein nomineller Linksaußen, der allerdings sehr stark im Zentrum unterwegs war.
Die Folgen der asymmetrischen Ausrichtung Liverpools
Damit wies die Formation des ehemaligen Rekordmeisters einen starken Rechtsdrang auf, was wohl ganz absichtlich und bewusst so gewählt worden war – 42 % der Angriffe wurden über diese Flanke vorgetragen. Die linke Defensiv-Seite der Magpies mit dem als Aushilfe agierenden Linksverteidiger Jonas und dem nominellen Stürmer Ba als äußerem Mittelfeldspieler davor hatte Dalglish als Schwachstelle des oftmals defensiv sehr souveränen Gegners ausgemacht und wollte hier besonders konzentriert und verstärkt attackieren. Dies funktionierte auch ganz gut – Bellamy, der entweder selbst zur Grundlinie geschickt und dabei zu schwach verteidigt wurde, und Gerrard, der von Ersterem die Räume freigezogen bekam, unterstützt von Flanagan und teilweise Suárez, spielten sich einige gute Flankenmöglichkeiten heraus, doch viele gefährliche Hereingaben (26 Flanken schlug man) konnten in der Mitte nicht verwertet werden. Dies lag auch daran, dass Carroll oftmals nach links tendierte, um für mehr Balance im Konstrukt zu sorgen, dann aber bei den Hereingaben nicht schnell und dynamisch genug war, um aus dem Rücken der Verteidiger kommend vor ihnen am Ball zu sein.
Weil man den eigenen Vorteil nicht ausnutzte, wurden der eigene Nachteil und damit die Kehrseite der Medaille relativ schnell auffällig. Da es an einem echten und konstant dort agierenden linken Mittelfeldspieler fehlte, hatte Liverpool große Schwierigkeiten, den sehr wendigen Ben Arfa zu doppeln, der José Enrique alleine einige Schwierigkeiten bereitete. Zusätzlich schaltete sich gelegentlich auch Simpson mit nach vorne ein und sorgte zwar nicht für brutale Sturmläufe á la Dani Alves oder Maicon, aber doch in den richtigen Situationen für wichtiges Hinterlaufen, was Liverpools Abwehr auseinanderzog und beschäftigte.
Am Ende war es kein Wunder, dass beide Tore für die Hausherren durch den quirligen Ben Arfa eingeleitet wurden. Beim ersten Treffer (19.) zog er von außen nach innen, konnte nicht gedoppelt und daher im Dribbling von Enrique nicht gestoppt werden, flankte dann auf den zweiten Pfosten, wo Skrtel gegen Papiss Cissé schlecht stand, so dass der Ex-Freiburger einnicken konnte. Auch beim zweiten Treffer (59.) war es ein solcher Lauf von Ben Arfa, wobei diesmal Liverpools halblinker zentraler Mittelfeldspieler Jonjo Shelvey die Doppelung übernahm. Allerdings wurde Enrique durch den Vorstoß von Simpson ein wenig von Ben Arfa weg gezogen, während Shelvey durch sein Herausrücken große Räume zwischen den Linien frei ließ, die Cabaye dankbar nutzen konnte – der Rest war klasse gemacht: Ba, der in dieser Situation mit Cissé die Position getauscht hatte, wich ein wenig zur Seite aus und legte den Ball quer, der – zum allerdings im Abseits stehenden – Cissé durchrutschte, welcher wiederum enorm cool verwandelte.
Löcher im Mittelfeld
Neben den angesprochenen Auswirkungen der Asymmetrie gab es noch einen weiteren großen Faktor, der das Spielgeschehen bestimmte und auch beim zweiten Tor gut zu erkennen war – der große Raum zwischen den Linien.
Newcastle erhielt viel Raum im Mittelfeld, was zum einen an Basisdingen und zum anderen an Feinheiten, die dieses Problem verstärkten, lag. Grundsätzlich ist zu sagen, dass Liverpool aufgrund der sehr langsamen und unbeweglichen Innenverteidigung erneut eine eher tiefe Abwehrlinie spielte, die natürlich ihre Kompaktheit schwächte, und außerdem viele lange Bälle nach vorne auf Carroll nutzte, die das aktive Spielfeld sehr weit streckten.
Besonders schlimm waren die beiden Aspekte diesmal, weil Liverpool durch den sehr zentral spielenden Suárez und den ebenfalls offensiven Gerrard in ein Dilemma geriet: Entweder ließ man auf links und halblinks viele Räume oder – was man letztlich auch tat – Shelvey würde sehr viel auf die linke Seite rochieren und dort die Löcher füllen müssen, womit er aber hinter sich, wie beispielsweise auch beim 1:0, einige Räume für Newcastle öffnete, denen auch entgegen kam, dass ihr Trio in der Zentrale erneut physisch sehr stark agierte und viele Bälle gewann, dabei allerdings auch spielerisch zu überzeugen wusste – symbolisch eine Szene, in der Tioté mit einem feinen Lupfer Jay Spearing überspielte und ganz schlecht aussehen ließ.
Auf der anderen Seite profitierte Shelvey gelegentlich von seiner Aufgabe, die Löcher schließen zu müssen, da er somit von halblinks kommend von niemandem aufgenommen wurde und in der Zentrale, die sich stark auf Suárez konzentrierte, einige Räume vorfand – auch bedingt sicherlich durch das insgesamt „große“ Spielfeld und den durchaus offenen Charakter des Spiels. Hier war allerdings problematisch, dass man anschließend den Ball wieder auf Bellamy nach außen spielte, dessen Hereingaben zwar für viel Unruhe und Wirbel, aber eben zu selten für konkrete Torchancen sorgten.
Schlussphase
Trotz des Rückstandes von 0:2 dauerte es bis zur 76. Minute, ehe Dalglish zum ersten Mal wechselte. Innerhalb kurzer Zeit kamen Downing, Henderson und Kuyt in die Partie, was zu einem klareren und offensiveren 4-4-1-1 mit Suárez als hängender Spitze und Gerrard als vorstoßendem zentralen Mittelfeldspieler führte.
Bevor diese Umstellung allerdings ihre Wirkung entfalten konnte, gab es den endgültigen Knockout für die Reds, nachdem Pepe Reina für einen angedeuteten Kopfstoß gegen Perch, der ihm zuvor ein Bein gestellt hatte, einen harten Platzverweis kassierte. Somit musste José Enrique für die letzten Minuten ins Tor und Liverpool stellte nun auf ein 4-4-1 um, welches allerdings kaum Verbindungen zwischen den Spielern zuließ – in einer Szene wurde Kuyt gegen vier Gegner auf dem Flügel völlig allein isoliert.
So blieben nur lange und weite Bälle, die Gerrard von der nun von ihm bekleideten Rechtsverteidiger-Position schlug, als einziges Mittel, doch selbst als Carroll noch auf dem Feld gewesen war, hatte es kaum funktioniert und war zu häufig eingesetzt worden – dies ist sicherlich ein großer Kritikpunkt an Dalglishs Team, das sich diesmal zu stark auf Flanken und lange Bälle stützte, die allerdings nur eine einzige große Chance in der Anfangsphase einbrachten, als Carroll einen Elfmeter schinden wollte, nachdem er bereits Keeper Krul umdribbelt hatte.
Fazit
Newcastle gewann am Ende verdient, weil Liverpool sich zu sehr auf ihre rechte Seite beschränkte und dabei von den Nachteilen konsequent defensiv getroffen wurde – Newcastle nutzte dies gut aus und setzt damit eine über weite Strecken hervorragende Saison fort. Liverpool hingegen liegt nun 11 Punkte hinter dem europäischen Rang sechs und wurde gar vom sich im Aufwind befindenden Lokalrivalen Everton überholt. Zu oft schon zeigte man dieselben Fehler – zu viele Flanken und lange Bälle, fehlende Durchschlagskraft und mangelnde Kompaktheit. Auch unter Dalglish gab es bereits sehr gute und teilweise fluide Spiele, doch aktuell ist man ein wenig zu wenig modern.
3 Kommentare Alle anzeigen
dandes 2. April 2012 um 03:00
Eine kurze, aber passende Analyse.
Man hätte vielleicht noch nebenbei erwähnen können, dass Simpsons den Ball einmal auf der Linie per Handspiel rettete, was zu einer roten Karte und einem Elfmeter hätte führen müssen.
Flowbama 1. April 2012 um 18:06
„die 0:2-Niederlage beim direkten Konkurrenten Newcastle bedeutete einen herben Nackenschlag im Kampf um Europa“
Wenn ich mich richtig erinnere, hat Liverpool den Carling Cup gewonnen und ist damit bereits für die Europa League qualifiziert. Von daher ist die Saison doch sowieso gelaufen, oder nicht? Auf einen Championsleagueplatz sind 13 Punkte Abstand, spielt also auch keine Rolle mehr.
TR 1. April 2012 um 18:12
Shit 🙁
Ich bin dumm.