Schalke 04 – VfB Stuttgart 3:1
Schalke 04 zelebriert typischen Stevens-Fußball und schickt den VfB Stuttgart mit 3:1 nach Hause. Die Stuttgarter Taktik war in der Offensive zu wenig variabel, um gegen die tiefstehenden Viererketten der Schalker bestehen zu können.
Sowohl beim VfB Stuttgart als auch beim FC Schalke 04 gab es keine taktischen Überraschungen. Das bedeutete im Falle von Stevens Mannschaft ein tiefstehendes 4-4-1-1 System und schnelle Konter. Dabei spielte den Königsblauen der frühe Führungstreffer in die Hände: Kaum war das Spiel angepfiffen, schon netzte Matip eine Kopfballvorlage Höwedes‘ nach einem Eckball ein (3.). Fortan konnten die Schalker vollends ihr tiefes Spiel mit den schnellen Gegenstößen forcieren. Zwischen Mittelfeld und Abwehr wurden die Abstände gering gehalten, so dass sich beide kurz vor dem eigenen 16er aufbauten.
Beeindruckend war dabei wieder die Zweikampfstärke im Zentrum: Mit Papadopoulos, Höwedes und Matip (diesmal im zentralen Mittelfeld für den gesperrten Jones) hatten die Schalker drei zweikampfstarke Ballgewinner auf diesen Positionen. Das geschickte Herausrücken der Innenverteidiger schaffte Überzahlsituationen, in denen sie den Stuttgarter im offensiven Zentrum den Ball abluchsten. Nicht umsonst gewannen die Hausherren fast 60% der Zweikämpfe in Halbzeit eins, bis zum Schluss hatten sie einen Zweikampfplus in den entscheidenden Bereichen in der Zentrale.
Stuttgart ohne Kombinationsfluss
Stuttgart durfte als Auswärtsmannschaft Ball und Initiative übernehmen. Wie bereits oft diese Saison versuchten die Schwaben, möglichst viele Anspielstationen an der gegnerischen Viererkette zu haben. Das nominelle 4-2-3-1 wurde so in manchen Situationen zu einem risikoreichen 2-3-5: Die beiden Außenstürmer Harnik und Cacau zog es in die Mitte, die Breite wurde von den beiden aufrückenden Außenverteidigern besetzt. Wenn letztere defensiv absicherten, rückten für sie die beiden nominellen Mittelfeldspieler Hajnal und Kuzmanovic vor.
Die Idee hinter dieser Taktik ist das Ermöglichen von Anspielen an oder hinter die gegnerische Viererkette durch eine Schaffung einer horizontalen Überzahl (fünf Spieler auf einer Linie parallel zum Tor). Gegen Schalke ist besonders letzteres erwartungsgemäß schwer, wartet die Verteidigung doch am eigenen Sechszehner. Zusammen mit der starken Dominanz im Zentrum wurde die Spielweise der Stuttgarter so zur schweren Hypothek: Sie kamen trotz 58% Ballbesitz praktisch nie zu einem fließenden Kombinationsspiel.
Im Zentrum fehlte den Gästen durch die eigene Formation eine intelligente Staffelung: Wenn ein Spieler dort angespielt wurde, konnte er entweder nur den riskanten Quer- oder Vertikalpass wagen (gegen Schalkes engmaschige Verteidigung keine gute Idee) oder einen Rückpass spielen. Da die nächstliegenden Anspielstationen im Rückraum aber meist die Spieler waren, von denen der Ball gerade kam, war der Raumgewinn nahe Null.
So blieben nur Angriffe über die Außen als Möglichkeit, die gegnerische Verteidigung zu überwinden. Aber hier arbeiteten Obasi und Baumjohann gut gegen Celozzi und Molinaro mit. Erschwerend hinzu kam die mangelnde Unterstützung durch Harnik und Cacau, die ihre Kollegen auf den Außen zu oft alleine ließen. Gegen diese Isolation von den Mitspielern hätten Spielverlagerungen auf die andere Flanke geholfen. Zwar wurden diese mit Unterstützung von Hajnal oft gespielt, allerdings ließen die Stuttgarter dabei jegliches Tempo vermissen. Schalke hatte längst ballorientiert verschoben, ehe die Spielverlagerung beendet war. So wurden schnelle Passstaffetten über mehr als zwei Stationen praktisch nicht gespielt.
Schalke stellt um und kontert klug
Schalkes Führung zur Halbzeitpause war daher nicht unverdient. In der Defensive wussten sie durch kluges Verschieben und sauber geführte Zweikämpfe zu überzeugen. Fairerweise muss man aber dagegenhalten, dass sie selber nach vorne wenig zustande brachten. Dabei hätte die offensive Rolle der gegnerischen Außenverteidiger ihnen durchaus Räume zum Kontern gelassen, jedoch zog insbesondere Baumjohann zu oft in die Mitte. Die Breite des Feldes, theoretisch die Achillesverse des Stuttgarter Systems, wurde von den Schalker Außenstürmern kaum genutzt. Auch Raul und Huntelaar zog es zu selten auf die Flanken. Einzig Obasi war bei den schnellen Gegenstößen ein kleiner Lichtblick, die Spritzigkeit des Neueinkaufes scheint gut zum Schalker Kontersystem zu passen. Kleiner Wermutstropfen waren seine Flanken: Von den sechs Hereingaben kam keine einzige zum Mitspieler.
Stevens erkannte scheinbar dieses Problem und bereitete zur Pause seinen zweiten Wechsel vor (zuvor musste Metzelder den verletzten Höwedes ersetzen). Draxler kam für den blassen Baumjohann. Mit ihm gewannen die Schalker an Kreativität und Schnelligkeit bei den Kontern. Zudem rückte Raul nun öfters auf die Außen, sein Zusammenspiel mit Obasi wusste zu gefallen. Schalke fuhr so nach der Pause zielgerichteter Konter als noch in Halbzeit eins. So wurde Huntelaars Schusschance nach einem Draxler-Pass von Ulreich entschärft, den darauf folgende Eckball köpfte von Papadopoulos ins Tor(57.).
Stuttgart stärker, aber nicht stark genug
Für Stuttgart kam dieser Treffer ein wenig azyklisch, hatten sie doch nach der Pause besser ins Spiel gefunden. Dies lag speziell an der stärkeren Leistung von Spielmacher Hajnal: Hatte dieser bis zur Halbzeit noch eine Passgenauigkeit von vergleichsweise geringen 77%, spielte er in Halbzeit zwei nur noch zwei Fehlpässe bei 26 gelungenen Zuspielen. Zusammen mit Kuzmanovic agierte er nun etwas variabler, beide boten sich nun schematisch höher an und sorgten so für eine bessere Staffelung.Dennoch blieben Chancen bei den Stuttgarter Mangelware, durch das Zentrum kamen sie kaum durch, Flanken wurden zu wenige geschlagen. Schalkes 2:0-Führung ging durchaus in Ordnung.
Richtig Schwung brachten erst Labbadias Wechsel: Schieber (62. für Kvist) und besonders Okazaki (62. für Harnik) belebten das Angriffsspiel. Cacau ging nun endgültig in die Mitte, leicht hinter Pogrebnyak. Kuzmanovic und Hajnal brachten aus dem Zentrum mehr Zuspiele nach vorne. Bezeichnend: Okazaki hatte die meisten Torschüsse aller Stuttgarter (3). Zusammen mit Schieber überlud er die linke Flanke und kreierte einige Möglichkeiten.
Aber auch die Schalker blieben brandgefährlich. Ihre schnellen Gegenstöße sind ihre größte Stärke in dieser Saison. Den schnellen One-Touch-Fußball, der bei den Stuttgartern so schmerzlich vermisst wurde, zelebrierten sie in Reinkultur. Schon in der 67. Minute hatte Huntelaar im Eins gegen Eins die Möglichkeit, das Spiel zu entscheiden. Es war schlussendlich Draxler, der nach einem tollen Gegenstoß über die Stationen Raul und Huntelaar das entscheidende 3:0 besorgte (80.). Okazakis Anschlusstreffer(87.) war nur noch Ergebniskosmetik, obwohl man den Stuttgartern zugutehalten muss, dass sie trotz Drei-Tore-Rückstandes bis zum Schluss ordentlich mitspielten.
Fazit
Schalke bleibt mit dem 3:1-Erfolg oben dran. Diese Partie war (mal wieder) eine Blaupause für den typischen Stevens-Fußball: Tiefstehen, dem Gegner den Ballbesitz überlassen (43%:57%) und über Standards und schnelle Konter zum Erfolg kommen. Erneut überzeugten die Knappen durch ihre physische Präsenz bei hohen Bällen und die hohe Passgenauigkeit im risikoreichen, vertikalen Spiel (83% angekommene Pässe ist für eine Kontermannschaft ein starker Wert). Konterstärke scheint ein wesentlicher Eckpfeiler für Erfolg in dieser Bundesligasaison zu sein (siehe Gladbach) – getreu dem Motto „The trend is your friend“ kann Schalke von einer tollen Saison träumen.
Die Stuttgarter offenbarten auch im 4-1-4-1/4-3-3 System altbekannte Schwächen. Gerade die erste Halbzeit bezeugte das lahme Kombinationsspiel gegen gut verschiebende Gegner. Labbadias Elf hat noch große Probleme damit, die Initiative zu übernehmen und das Spiel zu machen. Lichtblicke waren die starken Leistungen von Hajnal und Okazaki in der zweiten Halbzeit. Dennoch ist Stuttgart noch weit davon entfernt, auf nationalem Top-Niveau zu agieren.
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1 Kommentar Alle anzeigen
Philipp 22. Januar 2012 um 13:05
Tolles Spiel der Schalker. Möglicherweise überwinden sie dieses Jahr den „Meisterfluch“.
Stuttgart ist echt ziemlich außer Form. Könnten wie letzte Saison Frankfurt noch unten reinrutschen… die vielen früh gewonnen Partien täuschen darüber hinweg. Mit Schieber allerdings ein offensiver Lichtblick.