München kontrolliert Frankfurt – MH
Bayern München gewinnt in Frankfurt mit 3:0. Dabei kontrollieren die Bayern das Spiel weitestgehend problemlos. Diese Analyse untersucht, wie die Münchner Kontrolle des Spiels entsteht.
Bayern München startete wie gewohnt aus einem nominellen 4-2-3-1 mit Boey und Laimer auf den Außenverteidigerpositionen, Gnabry als 10ner und Diaz sowie Olise als Flügelspieler. Im Spiel mit dem Ball wird allerdings nicht aus einem starren 4-2-3-1 aufgebaut. Stattdessen erfüllt jeder Spieler eine gewisse Rolle in spezifischen Räumen mit unterschiedlichen Aufgaben, die das zugrunde liegende 4-2-3-1 kaum erkennen lassen. Im Laufe des Artikels wird das Ballbesitzspiel detaillierter beschrieben.
Frankfurt startete ebenfalls aus einem nominellen 4-2-3-1. Mit Larsson für Chaibi nahm Toppmöller eine entscheidende Änderung in der Startaufstellung vor. So befand sich Frankfurt aufgrund der individuellen stärke Münchens in absehbarer Weise häufiger im Spiel gegen den Ball. Um das Zentrum aus dem 4-4-2 Block gegen den Ball besser verdichten zu können, startete die Doppelsechs um Larsson und Skhiri.
München ging bereits nach knapp 15 Sekunden in Folge des eigenen Anstoßes in Führung. Dem Tor zugrunde lag eine Variante des Anstoßes, die von etlichen Profimannschaften inzwischen durchgeführt wird. So wird direkt bei Anstoß eine Seite überladen und der Ball kurz vor das Strafraumeck einer Seite auf einen Zielspieler geschlagen, der den Ball auf einen tieflaufenden Spieler verlängert. Alternativ wird der Ball von manchen Mannschaften direkt ins Seitenaus geschlagen, um den folgenden Einwurf zuzustellen.
Der Vorteil dieser Variante liegt unter anderem darin, dass direkt zu Beginn eine für die Angreifer leicht pressbare Aktion hergestellt wird. Der Fokus liegt auf dem Gewinnen des zweiten Balles und der Besetzung des Raumes vor dem Zielspieler. Zum einen erfordert diese Aktion von dem verteidigenden Team direkt zu Spielbeginn jede Menge Kommunikation untereinander, zum anderen kann die angreifende Mannschaft direkt mit einem gewonnenen Zweikampf ins Spiel starten. Zusätzlich verlagert sich das Spielgeschehen sofort in die gegnerische Hälfte, von wo aus direkt ins Angriffspressing übergegangen werden kann.
Frankfurter Probleme im Mittelfeldpressing
Um die Probleme des Frankfurter Mittelfeldpressings erklären zu können, muss zunächst die Veränderung des Frankfurter Offensivspiels thematisiert werden. Nach den Abgängen von Marmoush und Ekitiké hat Frankfurt das Offensivspiel äußerst erfolgreich angepasst. Statt wie zuvor vor allem über Umschaltmomente die Stärken von den beiden inzwischen gewechselten Stürmern auszunutzen, setzt Frankfurt nun mit unter anderem Uzun, Chaibi und Doan auf Spieler, die ihre Stärken in Ballbesitzphasen haben.
Entsprechend versucht Frankfurt vermehrt, längere Ballbesitzphasen zu gestalten, die neuen eigenen Stärken gezielter einzusetzen und dadurch Torchancen zu kreieren. Während das Team im letzten Jahr aufgrund der Ausrichtung auf Umschaltsituationen Schwierigkeiten hatte, gegen tief stehende Gegner nach Rückstand Chancen aus dem eigenen Ballbesitz zu kreieren, gelingt das inzwischen deutlich besser, auch dank eines verbesserten Gegenpressings im Rahmen der angepassten Ballbesitzphasen. Der Erfolg der Spielweise ließ sich unter anderem am zwischenzeitlichen 6:0 gegen das tief verteidigende Gladbach beobachten.
Parallel dazu presst Frankfurt seit dieser Saison noch häufiger in einem manndeckenden Angriffspressing, um durch schnelle Ballgewinne längere Ballbesitzphasen zu erzeugen. Gegen das individuell stark besetzte München ließen sich die Frankfurter Innenverteidiger allerdings nicht durch die häufig entgegenkommenden Kane und Gnabry rauslocken, sondern verteidigten stattdessen raumorientiert die Tiefe, um eine Absicherung zu garantieren. Einerseits ging Frankfurt dadurch weniger Risiko ein, durch einen langen Ball oder ein verlorenes Duell überspielt zu werden, andererseits hatte München daher auch keine so großen Probleme, sich aus dem Druck des Angriffspressings zu lösen. Insofern verteidigte Frankfurt aufgrund der individuellen Stärke Münchens große Teile des Spiels aus einem 4-4-2 Mittelfeldpressing, bzw. insbesondere in der zweiten Hälfte aus einem etwas tieferen 4-4-2 Block.
Im 4-4-2 Mittelfeldpressing gegen den Ball schiebt die letzte Kette Frankfurts sehr weit hoch, um die Zwischenkettenräume zu verdichten. Gleichzeitig presst die erste Pressingreihe, bestehend aus den beiden Stürmern, selten aktiv sondern bleibt sehr passiv im Blocking-Verhalten, um Deckungsschatten ins Zentrum zu kreieren und lediglich das Andribbeln der Münchner zu unterbinden. Die Außenspieler der 4er Reihe des Mittelfelds schieben zusätzlich für mehr Kompaktheit in den Halbraum ein.
So ist das Ziel des mid-blocks eine Balleroberung durch einen Fehlpass aufgrund der schwierigen Progression durch das Zentrum. Die Art des Verteidigens in einem sehr engen und passiven 4-4-2 Block nutzt Frankfurt bereits seit der letzten Saison, um möglichst gute Umschaltmomente zu kreieren. So ist eine Balleroberung nach einem Fehlpass durchs Zentrum leichter in eine gute Umschaltmöglichkeit umzuwandeln, da ein Ballgewinn nach einem Fehlpass besser zu kontrollieren ist.
Allerdings hat sich das Frankfurter Offensivspiel, wie bereits erwähnt, stark gewandelt. Da Umschaltsituationen nach Ballgewinnen im Mittelfeldpressing nicht mehr so gefährlich sind wie in der Vorsaison, können Gegner mutiger agieren und die Tiefe wie auch das Zentrum häufiger bespielen. Ballverluste werden für sie nicht mehr unmittelbar bestraft, da Frankfurt mit Uzun, Chaibi und Doan weniger Konterspieler auf dem Feld hat.
Diese veränderte Dynamik schwächt die Wirkung des passiven Mittelfeldpressings. Während der Ansatz zuvor darauf ausgelegt war, riskante Pässe zu provozieren und anschließend über Umschaltmomente Gefahr zu erzeugen, fehlt nun die frühere „Abschreckung“ für den Gegner. Es entstehen mehr gefährliche Situationen gegen Frankfurt. Die hohe Abwehrkette wird anfälliger, sobald kein ausreichender Druck auf den Ballführenden entsteht und gut getimte Tiefenpässe lassen sich kaum verteidigen.

Der passive Frankfurter 4-4-2 mid-block mit hoher Abwehrkette und Fokus auf Balleroberungen in Folge fehlgeschlagener Progression des Gegners übt keinen Druck auf den Ballführenden aus. Äußerst selten erfolgt das Umschalten ins aktive Pressing.
Probleme des 4-4-2 Mittelfeldpressings zeigten sich bereits gegen Atlético Madrid am Spieltag zuvor in der Champions League. Auch das individuell stark besetzte Atlético schaffte häufige Ballbesitzphasen gegen den beschriebenen Frankfurter mid-block. Eine hohe Abwehrkette ohne Druck auf den Ballführenden ist aufgrund des Stellungsvorteils der Stürmer, dem großen Raum hinter der Kette und dem häufigen Geschwindigkeitsvorteil der Stürmer sowie der zwangsweisen Reaktivität von Verteidigern gegen Tiefenlaufwege von Stürmern schwer zu verteidigen.
Aufgrund des fehlenden Drucks können Passgeber mit optimalem Timing und Präzision sowie ohne Richtungseinschränkung die Stürmer tief einsetzen. Atlético konnte somit insbesondere über die schnellen Außenspieler immer wieder 1vs1 Situationen auf großem Raum gegen die Frankfurter Verteidigung kreieren. Umso bemerkenswerter war es, wie erfolgreich Brown im Spiel gegen München gegen Olise verteidigen konnte.
Frankfurt würde insofern ein aktiverer Pressingansatz in dieser Saison gut tun. Zu wenig häufig, zu wenig im Kollektiv, zu wenig intensiv und zu lose sind die Übergänge aus der Blocking-Phase in die Zugriffs- bzw. Pressingphase. Da Frankfurt gegen individuell unterlegene Mannschaften nicht so häufig auf den mid-block zurückgreifen muss, wurden die Probleme in diesem zuvor kaum sichtbar. Als Vorbild könnte unter anderem Crystal Palace unter Oliver Glasner, aber auch Atlético Madrid oder Schalke unter Muslic dienen. Alle diese Mannschaften schaffen es bemerkenswert gut aus der Blocking-Phase in die Pressingphase im Verteidigen aus einem Mittelfeldpressing umzuschalten. Insbesondere gegen individuell stärkere Gegner könnte dieser aktivere Ansatz damit für weniger Gegentore und zusätzlich mehr Ballbesitzphasen aufgrund früherer Ballgewinne sorgen.
Münchner Kontrolle im Spielaufbau
Das Münchner Ballbesitzspiel aus einem nominellen 4-2-3-1 fand dadurch einen großen Teil des Spiels gegen den kompakten 4-4-2 Block der Frankfurter statt. Der frühe Führungstreffer kam dabei dem auf Kontrolle ausgelegten Ballbesitzspiel der Bayern sehr entgegen. Während München unter Nagelsmann noch deutlich schneller die Tiefe attackierte und den Weg zum Tor suchte, sorgen die Münchner mit ihrer geduldigeren Art zu spielen in dieser Saison für eine große Gegnerkontrolle. Die Tiefe wird lediglich situativ in bestimmten Momenten gesucht. Auch deshalb kassierte Bayern in dieser Saison bislang auch deutlich weniger Gegentore.
Im Spielaufbau agieren die Außenverteidiger, Laimer und Boey, meist flach und eingerückt im Halbraum. Als Breitengeber agieren zumeist die beiden Flügelspieler Diaz auf der linken Seite und Olise auf der rechten Seite. Aufgrund von Rotationen kommt es ebenfalls vor, dass die Rollen getauscht werden. Zusätzlich kippt ein Sechser sehr häufig in die Aufbaukette ein und bildet dadurch einen 3er Aufbau. Um den Raum des abkippenden Sechsers zu füllen, lässt sich zumeist beobachten, wie Kane und Gnabry weit entgegenkommen und somit die Innenverteidiger vor das Dilemma zwischen Zentrum absichern und keine Unterzahl im Zentrum zulassen stellen.

Bayern Münchens grundlegende Staffelung in Ballbesitz ist sehr zentrumslastig. Die Außenverteidiger agieren im Halbraum, ein Sechser lässt sich fallen und Kane und Gnabry kommen immer wieder im Zentrum entgegen. Es entsteht ein hohes Maß an Spielkontrolle.
Im Fokus des Ballbesitzspiels liegt die Zentrumskontrolle. Die beschriebenen Mittel dienen zur Überladung des Zentrums und der eigenen Aufbauzone. Der Vorteil der Überladung der eigenen Aufbauzone liegt darin, dass Gegner nur schwer den Spielaufbau pressen können, ohne die Absicherung aufzugeben. Der Vorteil einer Überladung des Zentrums liegt in der strategischen Wichtigkeit der Zone:
„Das Zentrum gilt als die strategisch wichtigste Zone des Spielfeldes. Es verbindet alle Spielfeldbereiche, wodurch Spieler flexibler und schneller jeden Spielfeldbereich attackieren können. Offensiv beinhaltet das Zentrum den kürzesten Weg zum Tor und die torgefährlichsten Räume. Defensiv sind die tornahen Räume im Zentrum somit am wichtigsten zu schützen. In Umschaltmomenten bestimmt das Zentrum die Spielrichtung. Somit wird im Zentrum das Spieltempo und der Rhythmus bestimmt.“ – Überladungen in Ballbesitz
Ein weiterer Vorteil der Zentrumskontrolle liegt darin, deutlich effektiver gegenpressen zu können. Zum einen sind die Wege aus dem Zentrum in Richtung aller Spielfeldbereiche kürzer. Es kann kompakter und schneller in Ballnähe verschoben werden. Zum anderen sorgt die Zentrumskontrolle dafür, dass der Gegner nur schwieriger im Umschaltspiel auf die ballferne Seite über das Zentrum verlagern kann. Dementsprechend wäre es auch nicht verwunderlich, in den Statistiken der Bayern eine sehr hohe erfolgreiche Gegenpressingquote zu entdecken.
Um offensive Gefahr zu entwickeln hat Bayern München enorm starke 1gg1 Spieler auf den Außenbahnen. Insbesondere Luis Diaz kann aufgrund seiner Schnelligkeit immer wieder Tiefe im 1gg1 herstellen. Aufgrund der Zentrumsüberladung können die beiden Außenspieler immer wieder in isolierte 1gg1 Duelle mit den Außenverteidigern gehen. Bayern setzt zwar noch immer aus der genannten Staffelung auf Rotationen, um den Gegner vor Herausforderungen im Zugriff zu stellen, allerdings stehen diese weniger im Vordergrund, um Offensivgefahr herzustellen. Beispielsweise kommt es regelmäßig vor, dass Olise die Zentrale sucht, nachdem Kane abgekippt ist und Boey daher als Breitengeber auftritt, während Gnabry sich noch weiter fallenlässt.
Probleme bei der Überladung der eigenen Aufbauzone oder auch des Zentrums können sehr häufig zu einem schwierigeren Bespielen der Tiefe führen. Zwar lässt sich das Spiel sehr gut kontrollieren, jedoch fehlt häufig die Tiefe aufgrund fehlender Spieler in den tiefen Positionen. Äußerst bemerkenswert ist es, wie München dieses Problem löst und es immer wieder schafft, in torgefährliche Schusspositionen zu kommen. Das Offensivspiel von München wird besonders von freiziehenden Tiefenläufen mit einem unfassbar guten Timing geprägt.
Aufgrund der Tatsache, dass München mithilfe der Zentrumsüberladung das Spiel in der Vertikalen stark komprimierte, schob die Frankfurter Abwehrkette noch weiter raus. Es entstanden sehr geringe Abstände zwischen den Ballführenden Aufbauspieler und der letzten Kette Frankfurts. Aus diesen Situationen suchte München den Übergang aus der Kontrolle durch Ballbesitz in die Progression Richtung Tor. Durch unfassbar dynamische Tiefenläufe aus dem Mittelfeld wurde die letzte Kette zum Fallenlassen gebracht, um den Raum im Rücken der Kette verteidigen zu können. Nur selten suchte Bayern den direkten Weg von vor dem Block über bzw. hinter den Block.
Stattdessen dienten die Tiefenläufe dem Zweck, die Zwischenkettenräume aufzuziehen. Dazu folgte entweder ein zeitlich kurz verzögerte Tiefenlauf aus der zweiten Reihe kurz nach dem initialen Tiefenweg oder auch ein plötzliches Abstoppen im Zwischenkettenraum, welcher durch die Dynamik des Tiefenlaufs aufgezogen wurde. Dabei spielten die Außenverteidiger, insbesondere Laimer, eine enorm wichtige Rolle, um offensive, zentrale Anspielstationen zwischen den Ketten zu schaffen. Über diese kurz freigezogenen Zwischenkettenräume im Zentrum versuchte sich Bayern anschließend durch zu kombinieren.
Das 2:0 ist ein beeindruckendes Beispiel für das plötzliche Aufziehen des Zwischenkettenraums durch gut getimte Tiefenläufe, der plötzlichen Progression zum Tor und der zentralen Dominanz, die Bayern trotz des im Zentrum sehr kompakten 4-4-2 Blocks der Frankfurter entfalten kann. Im Übrigen entstehen durch diese zentrale Ballbesitzspielweise auch mehr Torchancen zentral zum Tor, die mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in einem Tor münden, wodurch die Spielweise sehr effektiv in der Chancenverwertung sein kann.
Die Szenenanalyse zum 2:0:
Aufgrund von Rotationen entstand zuvor eine etwas andere Zuordnung der Zonen. So befindet sich Goretzka im Aufbau anstelle von Kimmich, Gnabry auf Außen und Diaz zentral. Die Rollen in den jeweiligen Zonen bleiben sehr ähnlich, werden allerdings von anderen Spielern leicht unterschiedlich interpretiert, wodurch nach Rotationen unterschiedliche Situationen für den Gegner entstehen können.
Durch den Tiefenlauf Laimers wird der Passweg auf den Breitengeber Gnabry frei. Diese Laufwege der Außenverteidiger sind sehr typisch im Münchner Ballbesitzspiel.
Nach einem Doppelpass zwischen Laimer und Gnabry wird wieder zurück auf Goretzka verlagert, da aufgrund des Zurückarbeitens Doans keine isolierte 1gg1 Situation von Gnabry gegen Außenverteidiger Buta entstanden ist. Durch den Doppelpass und den Pass nach Außen sind Außenverteidiger Buta und Außenspieler Doan aus dem Zentrum herausgerückt in Richtung des Balles auf die Außenbahn.
Im Moment der Verlagerung von Goretzka auf Kimmich starten der ballferne Olise und der ballnahe Gnabry sehr dynamische Läufe in die Tiefe. Gleichzeitig kommen Kane und Laimer wenige Schritte entgegen, um eine gegenläufige Bewegung zu schaffen. Die Tiefenläufe bewirken, dass sich die letzte Kette fallenlassen muss, um defensive Absicherung herstellen zu können. Es öffnet sich der Zwischenkettenraum.
Mit Ballannahme Kimmichs haben die Tiefenläufe den Raum zwischen den Ketten geöffnet. Leicht zeitversetzt startet auch Diaz sehr dynamisch in die Tiefe, stoppt allerdings im geöffneten Zwischenkettenraum ab und wird angespielt. Dabei herrscht ein Dynamikvorteil, sowohl gegenüber den sich fallenlassenden Innenverteidigern, da diese aufgrund der Reaktivität zunächst die Richtung wechseln müssen, als auch gegenüber den mit dem Körper noch immer nach vorne ausgerichteten zentralen Mittelfeldspielern Larsson und Skhiri.
Die Frankfurter Spieler zeigen sich von der plötzlicher Tempoverschärfung und dem Spiel in die Tiefe überrascht. Das wird daran sichtbar, dass insbesondere die zentralen Spieler des Mittelfelds noch nicht die Dynamik des Gegners aufgenommen haben und weiterhin stehen.
Diaz kann sich nun aufdrehen, da er einen Richtungsvorteil, einen Dynamikvorteil und genügend Raum hat. Zwar kommt er nicht zum Abschluss, allerdings bindet er mit seinem Dribbling die beiden Innenverteidiger und kann auf den nachrückenden Kane ablegen, der zentral zum Abschluss kommt und das 2:0 erzielt.
Absichernde Manndeckungen im Angriffspressing der Münchner
Insbesondere in der zweiten Hälfte schaffte es Frankfurt nur selten, sich aus dem Angriffspressing der Münchner zu befreien. Grundsätzlich versuchte Frankfurt in der letzten Saison gegen Manndeckungen den Zwischenkettenraum zwischen Abwehr und Mittelfeld aufzuziehen. Dazu setzte Frankfurt auf 4 Tiefe gebende Spieler auf Höhe der Mittellinie sowie entgegenkommende Sechser. Frankfurt baute grundsätzlich aus einer 4-2-4 Struktur auf. Der aufgezogene Zwischenkettenraum wurde nach Auslösen des Pressings häufig durch lange Bälle auf einen entgegenkommenden Stürmer angespielt, von wo aus überlaufende bzw. in die Tiefe startende Frankfurter Spieler tiefe Optionen schaffen und aufrückende Spieler Ablageoptionen schaffen sollen.
Allerdings kam es in dieser Saison ebenso vor, dass der ballferne Außenverteidiger weit ins Zentrum auf Höhe der Sechser einrückt, um bei Ballverlust das Zentrum zu sichern und den zweiten Ball zu gewinnen. Ebenfalls kam es bereits vor, dass einer der Sechser, meist Skhiri, in den Aufbau abkippt, um weiteren Raum zu schaffen für entgegenkommende Achter bzw. Zehner zu schaffen. In der ersten Halbzeit schob Brown etwas höher und sollte zentraler entgegenkommen. Allerdings lösten die Münchner das über die später aufgezeigten Mechanismen bestens, sodass Frankfurt den Aufbau im Verlaufe des Spiels häufiger veränderte, um neue Ausgangslagen zu schaffen.
Gegen Bayern München baute Frankfurt in der zweiten Halbzeit daher ebenfalls etwas anders auf. Mit Burkardt, Buta und Bahoya sollten 3 Spieler das Feld nun möglichst stark entzerren und die Abstände vergrößern, indem sie sich möglichst tief positionierten. Doan und Uzun agierten auf den Halbraumzehnerpositionen, während Brown (nun flach positioniert), Larsson und Skhiri Anspielstationen für das Auslösen des Pressings schaffen sollten.
Dieser asymmetrische Aufbau sollte auch weiterhin das Pressing auslösen, um im Anschluss die schnellen Tiefenspieler in die Tiefe einzusetzen und 1gg1 Situationen mit Dynamik Richtung gegnerisches Tor zu kreieren. Frankfurt tat sich allerdings sehr schwer dabei, diese Situationen herbeizuführen aufgrund gewisser Absicherungsmaßnahmen aus der Manndeckung. Diese führten dazu, dass Frankfurt nur selten nach Auslösen des Pressings, den tiefen Spieler finden konnte.
Bayern München zeigte sich auf den Frankfurter Aufbau bestens vorbereitet. Zwar presst auch München über eine Manndeckung auf dem ganzen Platz, allerdings haben die Münchner interessante Methoden, um aufgezogene Räume trotz Manndeckung zu sichern. Zunächst sorgt Bayern durch die Ausgangspositionen für eine gewisse Tiefen- und Zentrumssicherung. So wird nicht sofort die enge Manndeckung gesucht, sondern stattdessen startete gegen Frankfurt ein Sechser tiefer, die Außenspieler zentraler und ebenfalls tiefer. Dadurch kann aus einer kompakteren Staffelung in die Manndeckung übergegangen werden. Gleichzeitig sind die Laufwege in spätere Absicherungspositionen kürzer.

Der Frankfurter Aufbau veränderte sich mehrfach im Spiel, um unterschiedliche Ausgangslagen zu schaffen. Hier ist Brown flach positioniert und Buta schiebt hoch. Mit Doan und Uzun wird das Zentrum besetzt. Die Münchner Ausgangspositionen sind kompakter als es eine direkte enge Manndeckung wäre. Insbesondere Pavlovic und Kimmich bleiben weiter hinten.
Der Übergang in die engere Manndeckung bzw. in den Zugriff erfolgt aus dem Spiel heraus erst, sobald die Zuordnungen abgesprochen sind. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn der Gegner die Manndeckung direkt versucht zu manipulieren, sodass sich die Münchner Spieler noch vor Auslösen des Pressings etwaiger Gefahrenzonen bewusst werden können. Dementsprechend wird das Pressing von hinten „frei gegeben“. Die Auslösung erfolgt meist durch einen zentralen Spieler auf einen Verteidiger. Bemerkenswert ist hierbei das kollektive Verschieben in den Zugriff, welches aufgrund seiner Synchronität und Intensität das aufbauende Team vor eine zeitliche Herausforderung aufgrund des hohen Drucks stellt. Der Torwart wird zudem zumeist durch einen zentralen Spieler gepresst. Das hat den Vorteil, dass das klassische Spiel über den Dritten nicht möglich ist.
Besonders interessant ist, dass nach Überspielen der ersten Pressingreihe durch einen Tiefenball, auch entlang der Außenlinie, die Spieler, die sich nun vor dem Ball befinden, zurückschieben, um den Raum zu verengen. Zudem schieben auch ballferne Spieler, insbesondere Sechser Kimmich, ballnah ein, um wichtige Räume zu sichern und die Verteidiger nicht in isolierte 1gg1 Situationen zu lassen. Häufig konnten die Tiefenbälle dadurch bereits abgefangen werden.

In Folge des Tiefenpasses entlang der Außenbahn laufen die Spieler aus der ersten, überspielten Pressingreihe in Richtung Ball, um den Raum zu verknappen. Gleichzeitig sorgt die nächste Pressingreihe für maximalen Druck auf die Ballführenden. Kimmich lässt sich von seinem Gegner weg ins zentrum fallen, um dieses zu verdichten. Die Abläufe verhindern, dass isolierte 1gg1 Duelle im manndeckenden Pressing ohne Absicherung vorkommen und Räume komprimiert werden können.
Insofern werden die Manndeckungen mit Überspielen einer Kette wieder loser, um wichtige Räume zu sichern, während der Zugriff auf den Ballführenden Spieler und damit der Druck enorm hoch bleibt, da aus der tiefer stehenden Kette der die Manndeckung ausführende Spieler den Passempfänger direkt stören kann. Diese Maßnahmen führen insgesamt dazu, dass das Münchner Pressing deutlich weniger anfällig für Manipulationen der Manndeckung sowie für lange Bälle und isolierte 1gg1 Situationen ist, da beinahe jederzeit eine Absicherung hergestellt werden kann.
Mit den Einwechslungen von Knauff und Chaibi veränderte Frankfurt in der 65. Minute noch einmal die Struktur des eigenen Aufbaus. So interpretierte Chaibi seine Rolle weitaus näher am Aufbau, wodurch Kimmich weiter von der eigenen letzten Kette weggezogen wurde und weniger gut lange Bälle absichern konnte. Gleichzeitig positionierte sich Buta flacher, um eine Lücke auf der rechten Seite aufzureißen, in die der schnelle Knauff aus seiner Stürmer Position in die Tiefe starten konnte. Frankfurt schaffte es dadurch das Spiel noch einmal ausgeglichener zu gestalten.
Fazit
Bayern München kontrolliert aktuell die Liga. Es ist kein Zufall, dass die Münchner mit 10 Siegen in den ersten 10 Pflichtspielen einen neuen Startrekord aufstellen konnten. Bemerkenswert ist, wie Bayern es schafft durch gut getimte und sehr dynamische Tiefenläufe, sich über das Zentrum vor das Tor zu kombinieren. Von dort kann der abschlussstarke Kane zu noch besseren Torchancen kommen, die mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in einem Tor münden. Interessant wäre es zudem, ob sich in den Statistiken ein Wert wiederfinden lässt, der die intensiven Läufe der Bayern in Ballbesitz misst.
Frankfurt hat in dieser Saison große Teile der Spielanlage verändert und auf die Stärken der neuen Spieler ausgelegt. Diese Entwicklung, hin zu einer Ballbesitzmannschaft, ist besonders schwer aber auch sehr gewinnbringend. Insbesondere gegen tief stehende Gegner schaffen es die Frankfurter nun deutlich besser, das Spiel zu dominieren und sich Torchancen herauszuspielen. Probleme gegen individuell stärkere Gegner sollten durch ein mehr zugriffsorientiertes Pressing weitestgehend behoben werden können. Die taktische Entwicklung der Frankfurter ist in dieser Saison sehr spannend mit anzusehen.
Autor: MH ist Fußball-Aficionado von Herzen. Seine Wohnung gleicht einer Fußball-Bibliothek in deren Regalen Bücher über die großen Taktiker von Rinus Michels bis Pep Guardiola stehen. Das Buch von Spielverlagerung.de fehlt hier natürlich nicht. Für MH ist Fußball nicht nur ein Spiel. Es ist ein Lebensgefühl. Auf X ist er unter Mh_sv5 zu finden, auf LinkedIn ebenso.
Keine Kommentare vorhanden Alle anzeigen