Deutschlands U21: Die Analyse zum Finaleinzug – MH
Die deutsche U21 setzt sich gegen Frankreich mit 3:0 durch und zieht damit ins Finale der Europameisterschaft 2025 gegen England ein. Hier findet ihr die Analyse zum Halbfinalsieg.
Die deutsche U21-Nationalmannschaft konnte bislang alle Partien der Europameisterschaft gewinnen. Trainer Antonio Di Salvo vertraute dabei über weite Strecken des Turniers auf eine eingespielte Startelf. Lediglich im sportlich weniger bedeutenden letzten Gruppenspiel gegen England nahm er umfassende Änderungen vor und wechselte die gesamte Anfangsformation, inklusive des Torhüters.
Im Vergleich zum Viertelfinalsieg gegen Italien rotierte Di Salvo nun auf zwei Positionen. Weiper ersetzte positions- und rollengetreu Stürmer Tresoldi. Zudem spielte der schnelle Knauff für den technisch versierten Gruda. Knauff, dessen Stärken im Umschalten liegen, sollte gegen das individuell stark besetzte Frankreich immer wieder mit Tempo hinter die letzte Kette kommen.
Auch aufgrund des Spielverlaufs mit früher Führung befand sich Deutschland häufig in der Defensive. Gegen den Ball agierte Deutschland hauptsächlich im Abwehrpressing aus einer 4-4-2 Staffelung mit den beiden Stürmern Woltemade und Weiper sowie den Außenspielern Knauff und Nebel. Im Zentrum kamen wie gewohnt der Kölner Martel sowie der Gladbacher Reitz zum Einsatz, deren Rollen sich insbesondere im selteneren Angriffspressing sowie im Spielaufbau unterschieden.
Frankreich wiederum agierte aus einem nominellen 4-2-3-1 mit dem aus der Bundesliga bekannten Tel im Sturm sowie dem in Nantes spielenden Lepenant als Verbindungsspieler auf der nominellen 10er Position. In Ballbesitz kippte gegen Deutschlands Abwehrpressing häufig Sechser Doukouré in die entstehende 3er Aufbaukette. Gleichzeitig schoben die Außenverteidiger Frankreichs hoch und 10er Lepenant agierte als Verbindungsspieler im rechten Halbraum immer wieder entgegenkommend.
Dadurch entstand häufig eine 3-2-5 Staffelung, aus der Frankreich Deutschlands Abwehrpressing knacken wollte. Mit Millot und Ekitiké fehlten Frankreich zwei Spieler, die auf engem zentralen Raum für Gefahr sorgen können. Beide mussten im Vorfeld der Europameisterschaft aus Verletzungs-/ Wechsel(?)Gründen abreisen.
Frankreichs Aufbauspiel gegen Deutschlands Abwehr-/Mittelfeldpressing
Insbesondere zu Beginn des Spiels in den ersten 20 Minuten hatte Deutschland sehr guten Zugriff auf den Spielaufbau Frankreichs. Folglich konnte Deutschland auch im Mittelfeldpressing höher anlaufen und schaffte es, Frankreich aus den gefährlichen Zonen rauszuhalten.
Im tieferen Aufbauspiel setzte Frankreich auf einen 1-4-2 Aufbau mit breiten Innenverteidigern, einem hohen Torwart und etwas hochschiebenden Außenverteidigern. Die beiden Sechser ließen sich weit fallen, womit im Endeffekt ein 3-2 Aufbau mit dem Torhüter entstand. Dadurch, dass sich die Sechser weit fallen ließen, beinahe auf Höhe der Innenverteidiger, sollte Deutschlands Mittelfeld gelockt werden und der Zwischenkettenraum zwischen Mittelfeld und Abwehr Deutschlands aufgezogen werden.
Allerdings ließen sich die beiden deutschen Sechser Martel und Reitz nicht locken. Stattdessen pressten die beiden deutschen Stürmer ausgehend unmittelbar vor den beiden französischen Sechsern, um einen Deckungsschatten auf diese zu erzeugen. Gleichzeitig positionierten sich die deutschen Flügelspieler zwischen den Außenverteidigern und Sechsern, um auf beide Zugriff zu haben. Sobald der Ball auf eine Seite gespielt wurde, ließ sich der ballferne Stürmer etwas zurückfallen sowie der ballferne Flügel rückte ein. Dadurch konnte Deutschland in den ersten Minuten trotz -2 Unterzahl im Anlaufen Druck ausüben.

Deutschland presst die sich fallenlassenden französischen Sechser mit den Flügelspielern und Stürmern, sodass im tiefen Zentrum Überzahl besteht.
Deutschlands Fokus im Abwehr- und Mittelfeldpressing lag gegen die schnellen Franzosen auf der Tiefenverteidigung. Dadurch, dass die beiden Sechser nicht rausrücken mussten, konnten sie die Innenverteidiger unterstützen, welche somit immer +1 auf der letzten Linie standen und die Tiefe absichern konnten. Gleichzeitig konnte Frankreich aufgrund des engen Zwischenkettenraums kaum durch das Zentrum kombinieren sondern musste auf Außen ausweichen.
Im höheren Aufbau in Richtung der Mittellinie entwickelte sich das in der Einleitung bereits beschriebene 3-2-5 mit dem meist auf die linke Halbverteidigerposition abkippendem Sechser Doukouré und dem als Achter entgegenkommenden Lepenant. Auch hier ließen sich die Sechser weit fallen, um Raum für die einrückenden Flügelspieler und Stürmer Tel freizuziehen. Da Doukouré sich zumeist auf die linke Verteidigerposition in der Dreierkette fallen ließ, schob auf der linken Seite der französische Außenverteidiger Sildilla an der Außenlinie weiter hoch und schaffte Platz für den häufig im Halbraum auf der linken Seite entgegenkommenden Lepenant.
Der deutsche Flügelspieler Nebel presste im Abwehrpressing häufig auf den sich fallenlassenden Sechser. Gleichzeitig nahm Reitz Frankreichs Schlüsselspieler im Aufbau, Lepenant, in diesen Situationen in Manndeckung und Martel sicherte daneben in tieferer Position ab, wodurch Deutschland auch weiterhin im +1 auf bzw. unmittelbar vor der letzten Kette verteidigen konnte. Zusätzlich rückten die Außenverteidiger Deutschlands weit ein, um die einrückenden französischen Flügelspieler in zentraleren Positionen zu covern. Reitz schaffte es durch seine enge Manndeckung und die Absicherung der Mitspieler häufig den Ball gegen Lepenant zu gewinnen. So entstand das 1:0 für Deutschland zwar aus einer Gegenpressing Situation, dennoch zeigten sich hier ähnliche Abläufe mit Reitz, der sehr aggressiv verteidigend den Ball gegen Lepenant gewinnen konnte und die entsprechende Umschaltsituation einleitete.

Deutschland stellt gegen den 3-2-5 Aufbau Frankreichs Überzahl im Zwischenkettenraum vor der Abwehr her.
Durch die deutschen Defensivabläufe blieb Frankreich meist lediglich der Long-Line Ball von den Halbraumverteidigern zu den aufgerückten Außenverteidigern. Diese konnte Deutschland dann an der Seitenlinie zulaufen. Insbesondere Außenverteidiger Collins gewann auf der rechten Seite die meisten defensiven 1gg1 Duelle gegen den französischen Außenverteidiger Merlin oder Flügelspieler Abline. Der französische Plan, Raum und Überzahl vor der letzten Verteidigungskette zu schaffen, funktionierte somit nicht. Natürlich machte sich hier das Fehlen von Millot und Ekitiké bemerkbar, die solche Situationen auf engem Raum im 1gg1 sehr gut lösen können.
Eine an den französischen Ballbesitzstil angepasste Staffelung zur Bezwingung des deutschen Defensivblocks hätte beispielsweise wie folgt aussehen können. Durch eine höhere Torwartkette hätte ebenso aus einem 3er Aufbau (TW+IVs) aufgebaut werden können. Mithilfe eines konsequenten Hochschiebens der Außenverteidiger auf die letzte Kette und einem Spieler mehr im Zentrum hätte Lepenant in entscheidenden Situationen nicht so eng gedeckt werden können. Die beiden Sechser hätten schließlich einen Mann mehr im Zentrum zu verteidigen gehabt. Zudem wäre eine Zwickmühle für die Außenspieler Knauff und Weiper entstanden, die sich aufgrund der Länge des Laufwegs zwischen Druck auf den ballführenden Aufbauspieler bzw. Sechser oder die letzte Kette absichern, hätten entscheiden müssen. Aus einer solchen Staffelung ausgehend hätte Frankreich leichter Überzahl in bestimmten Zonen herstellen können.

Alternative Ausgangsstaffelung: Mithilfe der TW-Kette hätte Frankreich einfacher das Zentrum oder die letzte Linie überladen können.
Frankreichs Zustellen gegen Deutschen Spielaufbau
Deutschland baute bei Abstoß aus einer 1-4-2-4 Staffelung auf. Dabei sollte nach Möglichkeit einer der vorderen Spieler, insbesondere die beiden großen Stürmer Woltemade und Weiper eingesetzt werden, um den Ball festzumachen. Zudem suchte Knauff häufig die Tiefe, da Woltemade oder Weiper Spieler aus der letzten Kette binden sollten, was Raum hinter der letzten Kette schaffte.
Frankreich stellte aus einer 4-1-3-2 Staffelung mannorientiert zu mit +1 auf bzw. vor der letzten Linie. Dadurch, dass ein Sechser unmittelbar vor der letzten Kette blieb, hatte Frankreich im für Deutschland entscheidenden Zwischenkettenraum einen Spieler Überzahl. Dabei lenkte der rechte Stürmer Frankreichs Torwart Atubolu auf die linke Seite, wo offensichtlich Collins als eine Art Pressingopfer ausgemacht wurde. Dort kam Frankreich immer wieder in den Zugriff, erzwang zwar keine gefährlichen Ballgewinne, kam allerdings dennoch in Ballbesitz. Alternativ konnte Frankreich nach hohem Ball auf Weiper oder Woltemade die Überzahl ausspielen und entscheidend stören. Das gelang vor allem ab der 20. Minute immer häufiger, da Deutschland ebenso häufig von einem Abstoß ausgehend aufbauen musste durch die nach 0:2 Rückstand steigende französische Ballbesitzdominanz.

Frankreich stellt mannorientiert zu, wobei ein Sechser raumorientiert den Zwischenkettenraum unmittelbar vor den deutschen Zielspielern abdeckt.
Der ballferne Flügelspieler schob beim Zustellen auf den ballfernen Sechser. Das veranlasste Atubolu ab Mitte der ersten Hälfte dazu, nach kurzem diagonalen Andribbeln mit einem hohen Ball auf den ballfernen Außenverteidiger die +1 Überzahl ausspielen zu wollen, was allerdings aufgrund der Länge und der nötigen Höhe des Passweges selten funktionierte. Deutschland tat sich in diesem Spiel generell schwer mit dem französischen Zustellen bzw. Angriffspressing. Erst gegen Mitte der zweiten Hälfte schaffte es die deutsche Junioren Auswahl häufiger das +1 flach aufzulösen. Dazu später mehr.
Spielaufbau Deutschland gegen Mittelfeld-/ Angriffspressing Frankreich
Im etwas höheren Spielaufbau schaffte es Deutschland deutlich besser das französische Pressing auszuspielen. Reitz ließ sich flexibel als linker, teilweise auch als zentraler Aufbauspieler in die entstehende 3er Aufbaukette fallen. Es entwickelte sich aus dem 4-2 Aufbau teilweise ein 3-1 Aufbau mit Martel auf der Sechserposition und dazu leicht hochschiebende Außenverteidigern an der Außenlinie. Dadurch entstanden veränderte Verbindungen, Passwinkel und Passwege. Im 3er Aufbau ließ sich durch den entstandenen zentralen Raum nach Abkippen von Reitz auf der linken Seite immer wieder beobachten, wie die offensiven Spieler Woltemade, Nebel oder auch Gruda bzw. Knauff die Halbräume besetzten und zwischen den Linien entgegenkamen.
In den letzten Spielen hatte sich insbesondere Woltemade im Zwischenkettenraum immer wieder als Lösungsoption gegen pressende Gegner angeboten. Durch sein Entgegenkommen als Stürmer zwischen den Linien war er schwer zu greifen, da viele U21 Nationalmannschaften bevorzugt mit +1 auf der letzten Linie spielen. So auch Frankreich und Deutschland. Woltemade glänzte dabei immer wieder durch seine Dribblingstärke und konnte sich häufig auch mit Gegner im Rücken aufdrehen. Ein besonderes Lob gilt hier dem Trainerteam, dass Woltemade nicht als alleinigen Stürmer sondern als Hybrid zwischen 10 und Sturm einsetzt, wodurch er seine Stärken bestmöglich, wie hier beschrieben, ausspielen kann.

Das Abkippen von Reitz schafft Raum für den sich in den Zwischenkettenraum orientierenden Woltemade und den dahinter einrückenden Nebel. Die Innenverteidiger Frankreichs schieben nicht mannorientiert nach, sondern sichern die Tiefe ab.
Frankreich hatte sich auf solche Aktionen allerdings vorbereitet. Nicht nur im Zustellen mit dem raumorientierten Sechser vor der Abwehr, sondern auch im Mittelfeld-/ respektive Übergang ins Angriffspressing wurde Woltemade unter Druck gesetzt. So verteidigte Doukouré, Frankreichs Sechser, vor allem zu Beginn des Spiels im Mittelfeldpressing sehr eng an Woltemade. Dadurch hatte Woltemade zunächst Schwierigkeiten ins Spiel zu finden und entzog sich regelmäßig, teilweise bis auf die rechte Außenlinie bzw. rotierte mit Weiper, von wo Woltemade weniger gut in Szene gesetzt werden konnte.
Dadurch, dass auch die Außenspieler Knauff und Nebel regelmäßig in den Halbraum einrückten, entstand Raum auf der Außenbahn, insbesondere für den schnellen Collins. Brown wiederum rückte weniger weit hoch, um seine technischen Stärken besser ausspielen zu können. Regelmäßig dribbelte er nach Anspiel diagonal ins Zentrum und konnte so die in die Tiefe startenden Angreifer einsetzen. Möglich wäre, Browns Stärken besser und vor allem häufiger auszuspielen, indem er regelmäßig mit dem im Halbraum agierenden Weiper oder Woltemade rotiert und dort direkt gefunden werden kann.
Aufgrund der Tatsache, dass Frankreich beim Übergang aus dem Mittelfeld- ins Angriffspressing lediglich mit einem Stürmer bzw. mit zwei Stürmern bei Abkippen von Reitz presste, konnte einer der ballführenden deutschen Innenverteidiger mit Gegner im Rücken andribbeln. Insbesondere der aufgrund der Verletzung von Rosenfelder eingewechselte Innenverteidiger Oermann traute sich häufig anzudribbeln und darüber das Pressing Frankreichs aufzulösen. Das zweite Tor entstand auch deshalb, weil Frankreich keinen Druck auf den andribbelnden Oermann ausübte, während sich die letzte Kette sowie die Sechser kaum fallenließen. Der anschließende Ball über die letzte Kette konnte durch Weiper im Nachsetzen behauptet werden und es fiel das 2:0.
Frankreichs Dominanz
Vor allem ab der 25. Minute entwickelte Frankreich immer mehr Dominanz. Das hing zunächst mit einem leicht veränderten Ballbesitzspiel der Franzosen zusammen. Frankreich spielte weniger schnell durch den Block und verlagerte häufiger die Seite. Dadurch, dass mehr um den Block gespielt wurde, mussten die Deutschen im Abwehrpressing längere Wege gehen und konnten die Unterzahl im Aufbau der Franzosen weniger gut ausgleichen. Aufgrund der Fokussierung auf die zentrale Tiefenabsicherung konnte Deutschland keinen Druck mehr auf den Ballführenden ausüben und musste sich fallen lassen. Aus dem tief stehenden Block schaffte es Deutschland zwar das Zentrum zu verteidigen, hatte jedoch auch Glück, dass nach den Hereingaben von den freieren Außenspielern Frankreichs aufgrund der hohen Dichte im eigenen Strafraum die gegnerischen Schüsse häufig geblockt werden konnten.
Besonders auffällig war hier, dass vor allem Knauff und Nebel sich noch immer an den Sechsern orientierten, um auf diese draufschieben zu können. Diese Positionierung hatte natürlich gleichzeitig den Vorteil, den Tiefenpass auf die eingerückten Flügelspieler im Halbraum zuzustellen. Durch die Tiefe der beiden Außenverteidiger Frankreichs konnten die Aufbauspieler allerdings häufig die gesamte Tiefe der Deutschen durch einen Pass auf die hochstehenden Außenverteidiger überwinden. Aus diesen Positionen schaffte es Frankreich wiederum zu selten diagonal Richtung Tor ins Zentrum zu kommen. Stattdessen resultierten daraus die genannten Hereingaben. Wenn Frankreich wirklich gefährlich wurde, dann häufig aus Standardsituationen, wie Eckbällen oder auch einem Anstoß. 🙂
Besonders schwer taten sich die Deutschen aus dem tiefen Block nach Balleroberung wieder Ballbesitz zu sammeln oder offensiv umzuschalten. Dadurch, dass auch die beiden Stürmer vorrangig defensive Aufgaben erfüllten, fehlten die offensiven Anspielstationen. Vor allem der im Umschalten herausragende Knauff musste immer wieder bis zum eigenen Strafraum verteidigen, wodurch die Wege ins Umschalten zu lang wurden.
Eine Möglichkeit hätte in dieser Phase in einem erweiterten Restangriff bestanden. Beispielsweise hätten im tiefen 4-4-2 Block Weiper und Knauff die Rollen tauschen können. So hätte sich Knauff so breit wie nötig positioniert, um mit dem ersten Kontakt nach vorne zu kommen und so eng wie möglich, um einen direkteren Weg zum Tor zu haben. Woltemade hätte die gegnerischen Verteidiger binden können und Reitz als zentraler Verbindungsspieler zum Umschalten gedient. Dadurch hätte Deutschland entweder für offensive Entlastung durch das offensive Umschaltspiel oder für defensive Entlastung aufgrund der gebundenen Spieler sorgen können.

Der Restangriff: Eine mögliche Variante, angepasst auf die Spielerstärken, um für mehr Entlastung im tief stehenden Block zu sorgen.
Aufgrund des Tiefstehens der Deutschen resultierten die Angriffe Frankreichs auch zu Beginn der zweiten Hälfte häufiger in Abstößen. Das führte logischerweise auch zu mehr Aktionen Frankreichs, in denen sie zustellen konnten, womit sich die deutsche Mannschaft auch weiterhin, wie oben beschrieben, sehr schwer im Aufbau tat.
Deutschlands wiederkehrende Spielkontrolle
Ab etwa der 65. Minute drehte sich das Spiel vermehrt zugunsten der deutschen Mannschaft. Dadurch, dass Frankreich versuchte, schneller durch den Block zu spielen und das Spiel in die Tiefe weniger geduldig vorbereitete, entstanden auch umgekehrt mehr Ballgewinne, häufigere Umschaltsituationen und somit auch längere Ballbesitzphasen für Deutschland. Einen großen Anteil an den häufigeren Ballbesitzphasen hatte auch das deutsche Aufbauspiel gegen das französische Angriffspressing bzw. Zustellen. Viel häufiger versuchte die Juniorenauswahl die +2 (mit TW) Überzahl flach auszuspielen.
Das gelang beispielsweise in der 66. Minute durch einen von Atubolu schnell ausgeführten Abstoß auf den linken Innenverteidiger entgegen der von Frankreich eigentlich erzwungenen Pressingrichtung. Dadurch konnte Deutschland das Pressing über die am Ball starken Reitz und Woltemade lösen und es entstand eine der besten Torchancen für die deutsche Nationalmannschaft. Vor allem Reitz machte nicht nur, wie bereits beschrieben, defensiv ein überragendes Spiel mit etlichen Ballgewinnen unter anderem gegen Lepenant vor dem 1:0, sondern auch offensiv durch seine Dribbelstärke ein sehr gutes Spiel. Immer wieder konnte Reitz den Gegner lesen und in der Zentrale durch gut getimte Bewegungen entgegen der Bewegungsrichtung der gegnerischen Spieler für Ballbesitz sorgen.

Durch Atubolus schnelle Ausführung entgegen der Pressingrichtung muss Doukouré die Überzahl vor der letzten Kette aufgeben, um Reitz zu pressen. Woltemade wird anschließend im rechten Halbraum gefunden. Der Angriff führt zu einer guten Tormöglichkeit für Deutschland.
Frankreich wiederum hätte in dieser Phase im Angriffspressing mehr Risiko eingehen und die +1 Überzahl auflösen müssen. Aus einem manndeckenden Angriffspressing mit Fokus auf zentralen Ausgangspositionen und Rückwärtsverteidigung der ballfernen Spieler hätten die Franzosen wahrscheinlich deutlich mehr Dominanz ausüben können und die Deutschen durch längere Ballbesitzphasen noch einmal zurückdrängen können.
Stattdessen sorgten die Wechsel Di Salvos dafür, dass Deutschland immer häufiger den Ball festmachen konnte. Mit Röhl für Weiper und Gruda für Knauff kamen zwei Spieler, die nur selten Ballverluste verursachen. Vor allem der ballsichere Gruda konnte im rechten Halbraum entgegenkommen und den Ball festmachen. So entstand ein Spiel, dass immer mehr von Umschaltmomenten beider Mannschaften geprägt wurde. Einer der Umschaltmomente führte dann zu dem 3:0 Endstand.
Fazit
Während Deutschland im Laufe des Turniers bereits mit tollem Offensivfußball auf sich aufmerksam machen konnte, wurde die Mannschaft in diesem Halbfinale in entscheidenden Phasen vor allem defensiv gefordert. Das lag durchaus auch an den beiden frühen Toren, die das Spiel entscheidend in diese Richtung lenkten.
Gewissermaßen enttäuschend war das französische Kombinationsspiel gegen das kompakte Deutschland. Offensivspiel durchs Zentrum oder die Halbräume fand kaum statt. Wünschenswert wäre beispielsweise ein größerer Fokus auf dynamische Rotationen oder Überladungen, die dafür sorgen können, Räume aufzuziehen und die Schnelligkeit der französischen Angreifer auszuspielen.
Deutschland steht verdientermaßen im Finale der Europameisterschaft. Auch wenn es in diesem Spiel weniger relevant war, so ist es doch bemerkenswert, wie viele technisch überlegene Spieler der deutsche Juniorenkader beinhaltet. Deutschland war bei dieser EM eines der wenigen Teams, das von Beginn an den eigenen Ballbesitz suchte und daraus auch gefährlich werden konnte.
Autor: MH ist Fußball-Aficionado von Herzen. Seine Wohnung gleicht einer Fußball-Bibliothek in deren Regalen Bücher über die großen Taktiker von Rinus Michels bis Pep Guardiola stehen. Das Buch von Spielverlagerung.de fehlt hier natürlich nicht. Für MH ist Fußball nicht nur ein Spiel. Es ist ein Lebensgefühl. Auf X ist er unter Mh_sv5 zu finden.
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