Die beste schlechte Mannschaft des Turniers?
Trotz ansprechender Leistung verlor Marokko gegen Portugal – und schied damit als erste Mannschaft aus dem Turnier aus. Dabei reichten den Portugiesen ein stabiler Defensivplan und ein Superstar im Sturmzentrum zum Sieg.
Nach seinen drei Treffern gegen Spanien dauerte es gegen Marokko keine fünf Minuten, ehe Christiano Ronaldo schon wieder jubeln durfte. Bereits in der vierten Minute fiel der Führungstreffer für Portugal durch den Star von Real Madrid nach einer Ecke von Moutinho, was auch gleichzeitig den Endstand bedeuten sollte. Dabei versetzte Ronaldo seinen direkten Gegenspieler mit einer einfachen Lauffinte. Dem folgte eine Partie, in der Marokko die bessere Mannschaft war. Am Ende stand das WM-Aus für Marokko, obwohl die Leistungen in beiden Partien des Turniers durchaus ansprechend waren.
Die wesentlichen Punkte dieses Spiels im Überblick:
- Nach dem schnellen Führungstreffer verlegte sich Portugal aufs Umschalten und fokussierte sich im Spiel gegen den Ball auf die eigene Stabilität.
- Marokko nutzte gegen die Spielweise Portugals einen ballbesitzorientierten Ansatz, über den die Afrikaner extrem viel Durchbruchsstärke über die Flügel zur Grundlinie erzeugen konnten.
- Weil Marokko die Portugiesen über die eigene Spielweise im Übergangsspiel aber nicht wirklich destabilisieren konnte, gab es wenige klare Torchancen aus dem Spiel – wenn dann waren die Afrikaner nach Standards gefährlich.
Portugal mit dem Ball: Warf der schnelle Führungstreffer das eigentliche Konzept über den Haufen?
Portugal agierte im Spiel mit Ball aus einer 4-2-2-2-Grundordnung heraus. Darin spielten Moutinho und Carvalho auf der Doppelsechs. Beide kippten im Aufbau häufig diametral gegeneinander ab, wobei Carvalho im Verlauf der ersten Halbzeit auch häufig extrem weit auf die linke Seite herauskippte. Gleichzeitig hielten sich die Außenverteidiger mit dem Aufrücken zunächst zurück und hielten die Bindung an die eigene Viererkette. Außerdem ließ sich Joao Mario im Aufbau weit nach hinten treiben und rückte teilweise sogar bis auf die Höhe des hohen Sechsers, hielt sich dabei aber vor allem auf der linken Seite oder im Halbraum auf. Auf der linken Seite waren im Aufbauspiel außerdem Kreisel zwischen Guerreiro und dem seitlich herauskippenden Carvalho sowie Joao Mario zu beobachten.
Ronaldo interpretierte seine Rolle als Stürmer im Übergangsspiel zunächst ausweichend, um sich gute Positionierungen für das Angriffsspiel in den Halbräumen zu suchen, aus denen er Durchschlagskraft erzeugen konnte. Guedes hatte in der Regel die Aufgabe Ronaldos Bewegungen auszubalancieren. Während Joao Mario wie bereits angesprochen relativ spielmachend agierte, rückte Silva auf dem rechten Flügel selten zur Mitte ein.
Nach dem schnellen Führungstreffer verlegte sich Portugal im Spiel mit Ball auf Umschaltkationen (um Durchschlagskraft zu erzeugen). Als weiteres Mittel nutzte Portugal – wie schon in der Partie gegen Spanien – viele lange Zuspiele in die letzte Linie auf der linken Seite. Dort wollte man anschließend zweite Bälle erobern und Angriffe diagonal in die Mitte tragen.
Portugal gegen den Ball: Mittelhohe und passive 4-4-2-/4-4-0-2-/4-3-1-2-Grundordnung als passende Wahl für die Stabilität am eigenen Strafraum
Im Spiel gegen den Ball behielten die Portugiesen die 4-2-2-2-Grundordnung aus dem Spiel mit Ball bei. Dabei orientierte sich Ronaldo neben Guedes, wobei beide als nominelle Gegenspieler der beiden marokkanischen Innenverteidiger agierten. Beide rückten häufig weit nach vorne, ohne dabei die Bindung an die eigene Mittelfeldkette zu halten, die sich wiederum an der eigenen Abwehrkette orientierte. Hinter den beiden Stürmern spielten Joao Mario und Bernardo Silva auf den Flügeln gerade dann teilweise losgelöst von den beiden Sechsern, die vermehrt im Zentrum verblieben, wenn Marokko den Übergang über die beiden Außenverteidiger vorbereitete. Im tiefen marokkanischen Aufbau orientierte sich zudem Moutinho nach vorne, um den tiefen El Ahmadi lose zuzustellen, während die beiden Flügelspieler dann zunächst tiefer agierten. Portugal gelang es auf diese Art und Weise weniger, Marokko im Aufbau aktiv unter Druck zu setzen, selber verlor man aber während des marokkanischen Übergangs- und Angriffsspiels selten die Stabilität.
Marokko mit dem Ball: Linksfokus aus dem Ballbesitz, Durchbrüche zur Grundlinie über rechts
Für das Spiel mit Ball wählte Marokko eine 4-1-4-1-/4-1-0-4-1-Grundorndung. Darin suchte Marokko im Übergangsspiel häufig die linke Seite, um von dort aus ins letzte Drittel nach vorne zu rücken. Gefahr erzeugten die Afrikaner dann aber eher nach Verlagerungen auf die rechte Seite.
El Ahmadi agierte als tiefster marokkanischer Sechser im Aufbau-, Übergangs- und Angriffsspiel. Belhanda spielte von der rechten und Boussoufa von der linken Achterposition. Boussoufa orientierte sich im Aufbau häufig in die formative Lücke der portugiesischen Defensivformation und kippte nach links heraus. Beide Achter wählten aber eine hohe Grundposition. Aus dieser zeigten sie nachstoßende Läufe in die letzte Linie aus dem Halbraum oder dem Zentrum, sodass Marokko viele Angriffe über die Flügel gut wieder an die Mitte angebunden bekam und häufige Durchbrüche zur Grundlinie hatte. Problematisch: Bis zum letzten Pass vor das Tor der Portugiesen konnte man so kaum einmal die portugiesische Ordnung aufbrechen, weshalb sich der Europameister mit dem Verteidigen diverser Hereingaben nicht wirklich schwertat.
Marokko gegen den Ball: Extreme Zerrissenheit im Pressing
Auch Marokko behielt seine 4-1-4-1-Grundordnung aus dem Spiel mit Ball in der Defensive bei, wobei das Mittelfeldband häufig weit nach vorne geschoben agierte und so ganz bewusst die Bindung an die eigene Abwehrkette verloren ging. Beide Achter orientierten sich in diesen Situationen zunächst lose an den Sechsern Portugals und verfolgten diese je nach Situation bis weit nach hinten oder orientierten sich zunächst eher im Raum, um bei Anspielen auf die portugiesischen Sechser nach vorne herauszustechen. Die beiden Außenspieler hielten sich an die tiefen portugiesischen Außenverteidiger. Auch wenn Marokko im Pressing etwas zerrissen agierte: In der Restverteidigung hatte man eine 5 gegen 2 Überzahl und im Aufbaudrittel konnte man unter Nutzung des Deckungsschattens des herausstechenden und teilweise durchpressenden Achters ins Angriffspressing übergehen.
Trotz des schnellen Gegentreffers stand die erste Halbzeit eher im Zeichen Marokkos. Während die Afrikaner längere Ballbesitzphasen verbuchen konnten, suchte Portugal das Heil in der Offensive nun eher in Umschaltaktionen und richtete dabei den Fokus stattdessen auf die Stabilität in der Defensive.
Zur Halbzeit gab es dann keine Wechsel auf beiden Seiten. Bei Portugal änderte sich jedoch die Grundordnung hin zu einem im 4-1-4-1 mit Guedes als linkem Flügelspieler und Joao Mario als linkem Achter. Ronaldo agierte im Sturmzentrum. In der 56. Minute hatte Marokko dann nach einem Freistoßkopfball die Riesenchance auf den Ausgleich, den Rui Patricio mit einer spektakulären Parade aber verhindern konnte. Ein generelles Problem Marokkos: Gefährlich wurde es für Portugal meist nur nach Standards. Daran änderte auch die Einwechslung von Kaabi für Boutaib nichts, die mit einem Seitentausch von Amrabat und Ziyech, sowie einer flankenlastigeren Spielweise einherging.
1 Kommentar Alle anzeigen
Peda 22. Juni 2018 um 08:19
Ich würde nur allzu gerne vor ihrer Abreise Marokko und Peru einmal gegeneinander spielen sehen. *snief*