Glücklicher Conte kontert sich gegen Guardiola zum Sieg
Manchester City gelingt es als erstem Team seit langem, Chelsea über lange Strecken zu dominieren und in Schwierigkeiten zu bringen. Doch ungenutzte Chancen rächen sich – vor allem auch aufgrund der individuellen Klasse von Diego Costa.
Die Aufstellungen
Im durchaus hochklassigen und dramatischen Duell zweier absoluter Spitzenmannschaften der Premier League kam es zum, an dieser Stelle bereits zaghaft angekündigten, Aufeinandertreffen zweier Ausrichtungen mit Dreier-/ bzw. Fünferkette.
Pep Guardiola nahm dabei im Vergleich zum knappen 2:1 bei Burnley nicht nur formativ, sondern auch personell einige Veränderungen vor. Im Tor blieb Claudio Bravo, während sich die Abwehrreihe davor aus Kolarov, Stones und Otamendi rekrutierte. Fernandinho und Gündogan bildeten die Doppelsechs. Silva und de Bruyne agierten davor, Sané links und Navas rechts auf der Außenbahn. Agüero lief in vorderster Front auf.
Bei Chelsea verzichtete Antonio Conte hingegen auf freiwillige Wechsel. Nemanja Matic fehlte allerdings verletzungsbedingt und wurde ausgerechnet durch La Masia-Schüler Cesc Fabregas im zentralen Mittelfeld ersetzt.
Wege gegen Chelseas Pressing
Seine Mannschaft verteidigte wie gewohnt in einer Mischform aus tieferem 5-4-1 und einem 5-2-3 im höheren Pressing. In der Anfangsphase lief die Mannschaft die Hausherren bereits am und in deren Strafraum relativ mannorientiert an. Nachdem die Citizens dies ein paar Mal mit Chipbällen in den Rücken der Flügel- oder Halbverteidiger umspielten und direkt für Gefahr sorgten, zog sich die Mannschaft aus London zunehmend tiefer zurück. Die beiden Ketten agierten teilweise horizontal extrem kompakt, Lücken ergaben sich durch situative Mannorientierungen und auf den Flügeln.
Das Herausrücken der hintersten Linie gegen vertikale Zuspiele zwischen die Linien war dabei häufig recht zaghaft, während nach Verlagerungen und Ballverlusten teilweise schon in übertriebenem Maße attackiert wurde. Diesen Umstand sollte sich der Gegner im Laufe des Spiels zunutze machen – ebenso wie die inkonstante Arbeit Hazards gegen den Ball und die insgesamt deutlich durchlässigere linke Abwehrseite Chelseas, auf der es eben keinen N’Golo Kanté zum Füllen von Lücken gab.
Hierfür ergab sich vor allem über weite Teile der ersten Halbzeit ein deutlicher Rechtsfokus bei Manchester City. Die nominelle Doppelzehn war klar auf diese Seite verschoben, de Bruyne spielte praktisch wie ein zusätzlicher äußerer Mittelfeldspieler. Auch Silva zog es als kombinative Unterstützung weit mit herüber, in der zweiten Halbzeit wurden diagonale Zuspiele in den Halbraum auf ihn fokussiert. Zusätzlich konnten sowohl die zentralen Mittelfeldspieler als auch Otamendi und Agüero unterstützend eingreifen. Letzterer setzte sich erst in Strafraumnähe vermehrt zur ballfernen Seite hin ab.
Formativ entstand also im mittleren bis hohen linken Halbraum häufig eine Lücke in der Formation Manchester Citys, wenn der rechte Flügel überladen wurde. Diese wurde vermehrt für ein Andribbeln genutzt, nachdem der Ball zumeist zu Kolarov verlagert wurde. Als Reaktion darauf zog sich Chelsea dann dort erneut eng zusammen und stellte das Zentrum zu, womit wiederum Platz zum Vorrücken am Flügel oder für 1 gegen 1-Situationen aufkam. Situativ wurde im weiteren Verlauf wiederum die linke Seite überladen, wobei de Bruyne hier vermehrt ballfern blieb und Silva seinerseits unterstützte. Gleichzeitig konnte durch die Ballung im Zentrum schnell wieder nach rechts gespielt werden, wo Navas dann relativ frei agieren konnte. Entweder brachte er, wie beim Führungstreffer, selbst eine Hereingabe an oder Manchester City lockte Chelsea wiederum zum Verschieben, um in die entgegengesetzte Richtung auf den gut besetzten Bereich um den zweiten Pfosten zu lupfen oder flanken.
Mannorientierungen gegen Chelseas Aufbau und Konter – Tore auf der anderen Seite
Den ersten Ausgangspunkt dieser Angriffsverläufe bildete häufig das Aufbauspiel über eine asymmetrisch nach links verschobene Dreierkette mit höherem Kolarov. Halbrechts gab es so Raum zum Andribbeln.
Chelsea baute ebenfalls zu dritt in der ersten Linie auf, tat dies jedoch deutlich konventioneller. Auch bei ihnen unterstützten die Sechser dabei immer wieder die Zirkulation. Nach Anspielen auf die Halbverteidiger sollte der Weg durch den Halbraum gesucht werden, wo Pedro und Hazard sich gerne zurückfallen ließen.
Manchester City presste dagegen in einem 5-2-2-1 und ließ die Halbverteidiger zunächst frei. Nach erfolgtem Anspiel wurden diese dann von Silva oder de Bruyne angelaufen. Der jeweils ballnahe Wingback schob im Sinne einer pendelnden Viererkette auf sein Pendant vor, während die Sechser sich wiederum an ihren Counterparts orientierten und der ballferne Zehner samt Wingback etwas nach hinten abfielen. Zudem wurden die Bewegungen der vorderen Akteure in Chelseas 3-4-3/3-4-2-1 mannorientiert verfolgt, insbesondere jene des ballnahen Halbspielers, dem somit der geplante Weg über ein Aufdrehen im Halbraum versperrt war.
Zudem wurden, besonders auffällig zu Beginn der zweiten Halbzeit, immer wieder andersartige Pressingfallen aufgebaut, etwa für Pässe von außen zu Kanté. Gemeinsam mit Ballgewinnen in der eigenen Hälfte, wo City eher in einem 5-1-3-1/5-4-1 agierte, sorgten diese Aktionen für eine ganze Reihe an bemerkenswert zielstrebig ausgespielten Konterchancen gegen nicht optimal abgesicherte und in der Restverteidigung wilde (Hallo, David Luiz!) Blues.
Dass diese dem Druck standhielten lag einerseits an Thibaut Courtois und der teils kläglichen Chancenverwertung der Citizens, andererseits an einzelnen Absicherungs- und Kompaktheitsproblemen bei diesen. Um dies auszunutzen gab es immer wieder lange Bälle zu sehen, die entweder von Diego Costa sehenswert verarbeitet wurden – siehe 1:1 – oder für das Nachrücken auf zweite Bälle genutzt werden konnten.
Dabei rächte sich auch die insgesamt mannorientierte Verteidigungswiese, bei der einzelne verlorene Duelle oder Orientierungsschwierigkeiten fatale Folgen haben konnten. In einer Szene schwankte Navas beispielsweise zwischen einer Deckung Alonsos und Hazards, letzterer entwischte in seinem Rücken und erzielte beinahe das 1:0 nach Zuspiel in den Lauf. Auch Gegenbewegungen von Costa und seinen eng stehenden Nebenleuten konnten Verwirrung stiften und die drei zentralen Verteidiger Citys zerstreuen. Diese enge Positionierung ermöglichte gleichzeitig häufiger einmal Überzahlsituationen am Flügel, wenn die Wingbacks nachschoben.
Mit Willian kam schließlich noch ein individuell hervorragender Konterspieler, der nach cleverem Durchlassen von Costa gegen den etwas umherirrenden Otamendi genau im Zuge eines solchen Umschaltmoments das 2:1 erzielte.
Chelsea zog sich in der Folge noch enger am eigenen Strafraum zusammen. Guardiola brachte Iheanacho und Touré für Stones und Gündogan, woraufhin die Formation sich zu einer Art 4-2-3-1 wandelte. Dabei erzeugten die Gastgeber durch teils enorm flache Staffelungen mehr Gefahr für sich selbst als für den Gegner. Chelsea kontrolliert die letzten 30 Minuten und erzielte am Ende (taktisch folgerichtig) auch noch das 3:1. Bei Manchester City sprangen demgegenüber nur noch zwei Platzverweise gegen Agüero und Fernandinho heraus, die einen zusätzlichen Ballast für die kommenden Spiele bedeuten.
Fazit
Eigentlich wollte ich dieses Mal auf das Ergebnis nach Expected Goals verzichten, doch zur Erklärung des tendenziellen Fokus auf Manchester City sei es an dieser Stelle erwähnt: 2,6 (+Eigentor) zu 1,6 für die Gastgeber, die in der Phase nach der Halbzeit das Spiel zu ihren Gunsten hätten entscheiden müssen. Stattdessen hat nun ein, betrachtet man die Konstanz über die letzten Wochen, beeindruckendes Chelsea vier Punkte Vorsprung auf den Verfolger aus dem Westen. Die Premier League verspricht weiterhin Spannung und Wutausbrüche an der Seitenlinie.
9 Kommentare Alle anzeigen
rookie 4. Dezember 2016 um 22:22
Ich hatte schon bei Bayern das Gefühl dass Peps MAnnschaften oft PEch haben. Wie kann es sein, dass trotz höheren expected goals seine Mannschaft wie gegen Atletico verliert? Zu verspielt? Zu viel Leidenschaft und Kunst? Fehlt der eiskalte Knipser wie ich fühle nicht , ich beiße (treffe ) wie Suarez. Lewi war mir da auch zu sensibel. Oder einfach ein Wahrnehmungsfehler, von 10 Spielen mit besserem expexted goal wird eins verloren ,was dann aber, wegen der Ungerechtigkeit haften bleibt? I ch hasse Chelsea!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Liverpool oder City sollen Meister werden
rookie 4. Dezember 2016 um 22:10
kommt es mir nur so vor oder versieben die Mannschaften Guardiolas immer so viele Chancen. Wieso ist Peps Mannschaft immer besser, die andere aber abgezockter? Zu viel Leidenschaft zu viel Kunst? Oder ist es ein Wahrnehmungsfehler, über viele SPiele gewinnt Peps Mannschaft dann doch und so fallen die unverdienten Niederlagen halt gefühlt ins Gewicht, relativieren sich aber mit der Zeit? Oder bräucht Pep halt auch immer einen eiskalten vorne , einen Suarez, der nichts fühlt sondern einfach trifft? Lewi war da irgendwie auch zu sensibel
Jay Jay 5. Dezember 2016 um 20:23
Mein Bester, wie viele Tore hat Lewy letzte Saison in allen Wettbewerben gemacht? Die Qouten von Messi bzw. CR7 werden eh für längere Zeit unerreichbar bleiben, also bleib bitte mal realistisch.
Felix 9. Dezember 2016 um 09:36
Trotzdem ist Lewandowski ein ziemlicher Chancentod. Was der in den vergangenen zwei Jahren an Chancen versiebt hat, war zum Haare raufen. Er hätte locker 1,5 mal so viele Tor schießen können. Ich weiß nicht wie oft ich ihn im Stadion deswegen verflucht habe.
Jay Jay 5. Dezember 2016 um 20:25
Es braucht Zeit bis ein neuer Trainer einer Mannschaft seinen Stempel aufgedruckt hat, normalerweise. Siehe Bayern und Ancelotti oder Klopp und Liverpool.
Dr. Acula 4. Dezember 2016 um 20:33
wow, überdurchschnittlich guter artikel. einerseits chronologisch alles interessante aufgezeigt, andererseits das pressing und spielszenen mit den grafiken fantastisch dargestellt. vielen dank!
fcb 4. Dezember 2016 um 18:40
Irgendwie kann ich das Spiel nicht richtig einordnen.
Ich habe es auf Sky UK geschaut. Die Nachanalyse fand ich irgendwie zu „Ergebnissorientiert“. Chelsea Meisterschaftsfavorit Nr. 1.
Sie haben fantastisch gespielt. Wieder gegen ein Top Team zurück gekommen. So effizient usw.
Klar sind sie der Favorit. Aber das sind sie vorallem weil sie keine internationalen Spiele haben. Eine tolle Mannschaft haben sie zusätzlich, ohne Frage.
Aber wenn eine Mannschaft so unfaßbar viele Torchancen hat wie City, kann man doch ein Team nicht so in den Himmel haben?!
Ja sie haben gewonnen. Aber Man City war halt trotzdem wesentlich besser.
Läuft das Spiel 10 oder 100 mal (Glück und Pech gleichen sich aus) gewinnt es City wesentlich öfter als es Chelsea tut.
Danke für das einfügen des expectedgoal wertes.
Wobei der ja auch noch etwas verzerrt ist. Da Hazards 3:1 so nicht gefallen wäre, wenn sie nicht hätten aufmachen müssen.
Noch eine Frage zum Wert.
2,6 (+Eigentor)
Bedeutet es, dass die Flanke die zum Eigentor geführt seperat geführt wird? Also nicht in den 2,6 enthalten ist? Ich habe nicht viel ahnung von dem Wert. Aber die Flanke sollte ja auch 0,xy expectedgoals erzeugen.
August Bebel 4. Dezember 2016 um 20:40
Ohne mich da auszukennen, würde ich behaupten, das Eigentor ist nicht in die 2,6 miteinberechnet. Ich glaube auch nicht, dass die Flanke einen ExG-Wert gehabt hätte, wenn Cahill zur Ecke klärt.
City hatte definitiv die besseren Chancen, Aguero und de Bruyne hätten jeweils das 2:0 machen können/müssen. Chelsea hatte nach der Anfangsviertelstunde bis zur Pause wenig zu melden. Danach fand ich sie verbessert, aber nicht besser. Die Tore kamen dann irgendwie aus dem Nichts, da hat Costa seine Klasse gezeigt.
August Bebel 3. Dezember 2016 um 23:54
Danke für die Analyse, es war ein sehr unterhaltsames Spiel. Aufgefallen ist mir, dass Chelsea ein Mittel Italiens bei der EM angewendet hat, nämlich dass die Flügelspieler bei hohem gegnerischen Pressing öfters mal direkt und mit dem schwachen Fuß gespielte, scharfe, (halb-)hohe Diagonalbälle in Richtung der Stürmer (nicht in die Tiefe) geschlagen haben. Das hat aber nicht wie bei Italien funktioniert, wo immer ein Rechtsfuß links spielte und Pelle diese Bälle oft hervorragend verarbeitet und/oder weitergeleitet hat.