Kein zweites Numancia: Erfolgreiches England-Debüt für Pep
Lange dominierten die Citizens das klassische Premier League-Team aus Sunderland bei Guardiolas Premiere – und siegten am Ende doch irgendwie glücklich.
Für sein erstes Spiel auf der Bank von Manchester City hatte sich Pep Guardiola sogleich einiges einfallen lassen. Joe Hart blieb draußen. Für ihn hütete Willy Caballero das Tor. John Stones kam direkt zu seinem ersten Einsatz und verteidigte an der Seite vom eigentlichen Linksverteidiger Alexander Kolarov. Nominelle Außenverteidiger waren Bacary Sagna und Gael Clichy, während Fernandinho den Part des Sechsers vor der Abwehr einnahm. David Silva und Kevin de Bruyne gestalteten davor das Spiel und wurden von Neuzugang Nolito sowie Raheem Sterling flankiert. Währenddessen trieb Sergio Agüero in vorderster Front sein Unwesen.
Moyes muss bei Peps Formationsspielen passen
Wie schon im letzten Test gegen Arsenal gestalteten sich vor allem die Rollen der Außenverteidiger besonders. Beide rückten, noch etwas extremer als man es aus der Zeit bei Bayern München kennt, ins Zentrum ein, während die beiden vorderen Flügelspieler zunächst die Breite hielten.
Daraus ergab sich in der ersten Phase des Spiels meist eine 2-3-4-1-hafte Ausgangsstaffelung bei eigenem Ballbesitz. Die in einer üblichen 4-3-3-Ausrichtung offenen Räume um Sechser Fernandinho waren somit besetzt und konnten nicht direkt für Konter genutzt werden. Die Mannschaft stand eng zusammen, wodurch mit einfachen Mitteln schneller Zugriff im Gegenpressing möglich war.
Doch nicht nur in dieser Hinsicht erschien das Spiel mit „falschen“ Außenverteidigern sinnvoll. Auch für das eigene Ballbesitzspiel ergaben sich durch die erhöhte Anzahl von Zentrumsspielern so direkt mehr Verbindungen in Ballnähe, besonders horizontal. Es konnten schnell Dreiecke und Rauten gebildet werden. Der Ball zirkulierte nach dem früh per Elfmeter erzielten Führungstreffer durch die eigenen Reihen.
Zudem passten die Bewegungsmöglichkeiten aus der jeweiligen Position gut zu den einzelnen Spielertypen. Gerade Sagna konnte aus der eingerückten Position immer wieder dynamisch im Halbraum vorstoßen. De Bruyne und Silva wichen auf die jeweils näher zu ihnen gelegene Seite aus, während Nolito und Sterling von außen in Richtung Tor dribbeln konnten oder den Flügeldurchbruch im 1 gegen 1 suchten. Zudem bewegte sich Agüero immer wieder unterstützend in ballnahe Bereiche und konnte das Spiel mit antreiben.
Mit so viel Bewegung war der AFC Sunderland unter dem neuen Trainer David Moyes schlichtweg überfordert. Das Team aus dem Nordosten Englands verteidigte grundsätzlich in einer Art 4-4-1-1 mit dem eigentlichen Innenverteidiger O’Shea als Sechser. Durch Zurückfallen Borinis am linken Flügel oder im Zentrum ergab sich auch immer wieder ein 4-1-4-1.
Diesem mangelte es einerseits an Intensität sowie Kompaktheit, aber auch an gruppen- und mannschaftstaktischer Abstimmung. Vielfach sah es so aus, als gäbe es überhaupt keinen Plan bei den Black Cats. Außer eben, dass der vorne verbliebene und dort immer mal wieder ausweicheichende Jermain Defoe mit langen Bällen gefüttert werden sollte, möglicherweise auch über den Umweg Borini zwischen zwei Verteidigungslinien.
Wie jedoch Ballgewinne genau erzielt werden sollten, blieb unklar. Auf ausweichende oder zurückfallende Bewegungen von Achtern und Flügelspielern wurde einerseits zu simpel mannorientiert reagiert, während dadurch geöffnete Räume kaum einmal zugeschoben wurden.
Mechanismen und Anpassungen
Manchester City erzeugte in der Anfangsphase gerade auf links Überladungen, in deren Folge das Spiel entweder direkt oder über einzelne Stationen auf die andere Seite gebracht werden sollte. Agüero und De Bruyne, durch die Außenverteidigerrollen von einigen ballfernen Verbindungsaufgaben befreit, rückten teilweise weit mit herüber. Eingeleitet wurde dies häufig von den andribbelnden Innenverteidigern.
In ihren Bewegungen war zudem, gerade im Anschluss an Spielverlagerungen, klar erkennbar, wie sich Außenverteidiger, Achter und Flügelspieler aneinander orientierten, Sie waren darauf bedacht, möglichst auf unterschiedlichen Bahnen zu agieren und auch horizontal höchstens zu zweit auf einer Linie zu sein. Zog etwa Sterling dribbelnd auf die innerste der drei gedachten Bahnen, konnte De Bruyne ganz nach Außen gehen, während Sagna sich zwischen ihnen positionierte.
Etwa ab Mitte der ersten Halbzeit ließ sich Fernandinho, der zuvor in angedeuteten 2-1-2-Staffelungen als Anker diente, immer konsequenter zwischen die Innenverteidiger fallen, wodurch Sagna und Clichy ihre Grundpositionen jeweils noch weiter nach innen verlegten und die Angriffe der Citizens aus einem 3-2-4-1 eingeleitet wurden.
Von seiner Position in der Mitte der Aufbaudreierkette konnte der Brasilianer fokussierter Pässe zwischen die Linien anbringen, wo sich die zentralen Akteure in offene Passwege orientierten. Zwei Gegenspieler nahmen Sagna und Clichy etwa in eine situative Manndeckung. Dazwischen wurde ein Weg frei, den O’Shea nicht verteidigen konnte, weil er sich seinerseits mannorientiert wegziehen ließ.
Das Zurückfallen wurde zudem durch Tiefenläufe, die meist diagonal angesetzt waren, unterstützt, die Abwehrspieler Sunderlands dadurch beschäftigt und die Kompaktheitsprobleme weiter verschärft. Für etwaige Ablagen positionierten sich nach gespieltem Pass zudem vor allem die Außenverteidiger. Das Spiel konnte direkt mit optimalem Blickfeld nach vorn fortgeführt und in eine andere, geöffnete Zone getragen werden.
Immer wieder ergaben sich Positionswechsel und die Orientierung an Räumen sowie der Struktur untereinander wurde ein ums andere Mal deutlich. Bis zur Halbzeit hatten die Mannen aus Manchester so ihre dominanteste und insgesamt vielversprechendste Phase.
Wandel und Kontinuität
Was dabei auch auffiel, war ein gewisser stilistischer Wandel im Vergleich zu Guardiolas Zeit in Deutschland. Es wurde im letzten Drittel weniger brachial und mit Flanken beziehungsweise über zweite Bälle der Weg zum Tor gesucht. Vielmehr galt der Fokus nach einem möglichen Durchbruch, der idealerweise im oder zum Halbraum hin und nicht so sehr am Flügel erfolgen sollte, über flache Zuspiele Agüero zu finden oder anderweitig den Rückraum anzuvisieren.
Hier zeichnet sich, auch angesichts des Kaders, eine Entwicklung zu noch mehr Variabilität an. Sofern dies so früh überhaupt in irgendeiner Form gesagt werden kann: Vielleicht wird Manchester City unter Pep eine Mischung aus seinen Mannschaften bei Bayern und Barcelona.
Im Pressing wiederum zeigten sich ähnliche Elemente wie auf den vorherigen Stationen. Der ohnehin wenig ambitionierte Gegner sollte den Ball gar nicht erst lange in seinen Reihen halten können. Kurz ließ man ihn aus der Ausgangsposition im 4-1-4-1 gewähren, ehe Pässe nach außen und vor allem Rückpässe aggressiv angelaufen wurden.
Dabei entstanden mitunter Situationen enormer Kompaktheit und vielfach auch die bekannten 4-1-3-2-Staffelungen durch Vorrücken eines Achters. Bereits jetzt fällt dabei die häufig passende, leitende Körperhaltung der einzelnen Spieler beim Anlaufen auf.
Weiterer Verlauf: Das Glück der Dominanz
Problematischer wurde es für die Citizens nach gutem Start in die zweite Halbzeit, als Sunderland einerseits versuchte höher anzulaufen und sich andererseits bei Erfolglosigkeit dessen noch schneller an den eigenen Strafraum zurückzog. Gleichzeitig zeigte sich, dass individuell und im Verbund zueinander viele Details einer weiteren Verbesserung bedürfen. Die Vororientierungen waren beispielsweise nicht auf höchstem Level. Eigentlich gegnerbindende Läufe wurden bespielt statt neuer Räume et cetera.
Mit der Auswechslung von David Silva ging zudem einer der entscheidenden Taktgeber vom Feld. Manchester City verlor etwas die Kontrolle über den Spielrhythmus. Ein Tor von Sunderland deutete sich trotz allem zwar nicht gerade an, deckte aber Probleme bei der Endverteidigung der Citizens auf.
Als Reaktion darauf beschloss Guardiola auf erhöhte Präsenz im gegnerischen Strafraum zu setzen und damit ein höheres Risiko einzugehen. Iheanacho kam in der 80. Minute für Clichy, dessen Position Kolarov einnahm, während Fernandinho in die Innenverteidigung rückte, in Ballbesitz aber weiter aus dem Sechserraum heraus operierte. Es ergab sich nun praktisch ein 1-3-2-4.
Ein Durchbruch über den bereits früher eingewechselten Navas und dessen Hereingabe in den vollgestellten Strafraum führte schließlich zum Erfolg: Durch das Gedränge hindurch landete der Ball über den Umweg Mannone ausgerechnet beim kurz zuvor gekommenen Paddy McNair, der ihn ins eigene Tor bugsierte. Ausgerechnet jener McNair also, der gerade erst von Manchester United nach Sunderland gekommen war.
Fazit
77% Ballbesitz, 16 zu 7 Schüsse. Aber eben nur 4 zu 3 aufs Tor bei einem Expected Goals-Wert von 1,1 zu 0,9. Gegen einen äußerst dankbaren ersten Gegner konnten die Citizens das Spiel kontrollieren, jedoch noch ohne endgültig den Weg zum Tor zu finden. Bald werden wir wissen, was Mister Guardiola sich dazu einfallen lässt.
8 Kommentare Alle anzeigen
Peter Vincent 14. August 2016 um 13:02
Die einrückenden AVer sind mE einfacheine Folgerung aus den Spielertypen: de Bruyne und Silva sind im offensiven Halbraum stark, die OA sind auf den Flügeln stark (Durchbrüche). Also versucht man diese Spieler möglichst auf in diesen Räume zu haben. Die AVer müssen also nicht breite geben, sondern die ZM absichern.
Natürlich sind dann Spielertypen wie Lahm, Alaba und Rafa besser geeignet, aber man konnte von Sunderland nun wirklich nicht erwarten, dass sie diese Schwäche konsequent nutzen und z. B. konsequent hohen Druck auf die eingerückten AV aufbauen. Dann bleibt noch die Schwäche im Spielaufbau. Mit Stones hat Pep mE nur einen starken Aufbauspieler in der Defensive. Die einrückenden AVer sind da auch nicht auf dem Level von Lahm, Rafa oder Alaba.
Wäre ich Peps Gegner würde ich hier ansetzen und versuchen ManCity im Spielaufbau extrem unter Druck zu setzen. Wenn sie dort relativ in Ruhe gelassen werden und den Ball erstmal nach vorne getragen haben, ist die Qualität dort schon sehr stark, obgleich die Automatismen natürlich noch fehlen.
Mit Gündogan als 6er (kann ich mir durchaus vorstellen), hätte zumindest noch einen weiteren starken Aufbauspieler und Bravo ist fußballerisch auch kein schlechter.
Nolito—————-Agüero——————–Sané
———–de Bruyne—————Silva—————
——-LAV———Gündogan———-RAV———-
——–Kolarov——————Stones—————-
———————-Bravo——————————–
Gegen die meisten Mannschaften wird die AV/ZM-Schwäche wohl nicht ins Gewicht fallen,
aber gegen mutige Top-Mannschaften ist das mE schon die größte Schwachstelle im Kader. Wobei Pep natürlich seine Taktik dann auch entsprechend anpassen kann. Das wäre aber mE nur notgedrungen und nicht im seinen Sinne. Alaba und Kimmich wird er aber wohl nicht so schnell bekommen. 😉
Gh 14. August 2016 um 12:22
City scheint mir das richtige Pflaster für Pep. Dass er Nolito geholt hat ist für mich ein Indiz, dass er Bedarf in der Basisarbeit sieht: das Bestzen von Positionen mit taktisch guten, nicht überragenden, aber dafür sehr emsigen Spielern in fürs Gegenpressing wichtigen Positionen kennt man aus den ersten beiden Jahren aus Barca. Die fand ich sowieso für den Zuschauenden die interessanteste Zeit. Weiteres Indiz: Gündogan als Ballbesitz-Meister wurde schwer verletzt verpflichtet ohne dass er einen back up hat: man braucht ihn wohl erst später.Bei Bayern hat Pep mE einen fast schon zu hohen Standard vorgefunden um richtig hebeln zu können. Finde Pep gerade in der Arbeit mit Spielern, die auf den ersten Blick nicht so perfekt für ihn sind (Clichy, Sagna oder auch Etoo, Keita, Yaya im ersten Barcajahr) sehr gut. Leider tauscht er die dann öfter gegen Musterschüler aus und dann wirds weniger interessant…
HW 14. August 2016 um 11:04
Der Artikel auf sv.com hat mir gut gefallen. Leider konnte ich dort keine Kommentare posten. Die verschwanden einfach im Internet-Nirvana.
blub 14. August 2016 um 10:36
Schön das der Artikel kam, so kann ich Peps weg etwas verfolgen ohne das ich grade Spiele sehen kann.
Ich denke ja man sollte Adins Artikel in dem er erklärt wie man falsche AVs kaputt macht nochmal posten. Sonst dauert versteht das dort drüben keiner.
(Eigentlich sollte nach diesem Spiel ne kopie davon in jedem Trainerstab der PL liegen.)
tobit 14. August 2016 um 13:23
Wo finde ich diesen Artikel?
Bei SV.com ist er nicht und seine Website ist „under construction“.
Dr. Acula 14. August 2016 um 09:14
Danke für den tollen artikel! Prägnant, verständlich und super geschrieben.
tobit 14. August 2016 um 09:13
Passt diese krass einrückende Spielweise eigentlich wirklich gut zu Clichy und Sagna, oder macht er das, weil ihm ordentliche Mittelfeldspieler fehlen?
Kolarov als IV hätte man bei seiner Statur irgendwie drauf kommen können.
ES 14. August 2016 um 10:37
In seinem hier schon oft erwähnten Buch berichtet Marti Perarnau sinngemäß davon, dass Guardiola mit der Zeit eine Art „Werkzeugkasten“ aufbaut, aus dem er dann passende Lösungen für den jeweiligen Gegner wählen kann. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Die eingerückten Außenverteiidger sind dahingehend recht simpel und eben effektiv gegen ein Team wie Sunderland, das so was noch nie gesehen hat (und kaum merkt, was das passiert). Wenn aber erst mal andere Spieler (Ilkay!) hinzukommen und die grundsätzlichen Ideen des Positionsspiels verinnerlicht wurden, wird es ausgefeiltere Dinge zu sehen geben. Mehr Asymmetrien, andere Rollenverteilungen und so weiter. Sagna und Clichy waren eher für den Moment zweckmäßige als tatsächlich optimale Besetzungen für diese Rolle (ganz anders als Philipp Lahm).
Auch bei Kolarov kann ich mir kaum vorstellen, dass er dauerhaft als Innenverteiidger beziehungsweise überhaupt aufgeboten wird, zumal er gegenüber Stones gestern schon abfiel.