Del Bosques Denkmal zerbröckelt gegen die Dreierkette
Manndeckung und Dreierkette knacken Spanien – schon wieder. Italien liefert eine brillante Pressingpartie.
Spätestens jetzt ist eine phänomenale Geschichte in der Historie der Fußballtaktik: Eine Mannschaft dominiert jahrelang den Weltfußball, gewinnt drei große Turniere in Folge und dann wird die Erfolgsformel geknackt.
Es ist das passiert, was ewig heraufbeschworen wurde, in zahllosen Diskussionen und Artikeln darüber, wie man es „knackt“, was das „Rezept“ ist gegen den Ballbesitzfußball der spanischen Nationalelf oder wahlweise des FC Barcelona. Zwischendurch galt das banale „Bus parken und Nadelstiche setzen“ als die große Idee, selbst wenn dieser Ansatz im Wochenrhythmus von Barcelona auseinandergenommen wurde – immer wenn es mal mit Glück klappte, jubelten alle den Tod des Tiqi-tacas herbei.
Jetzt haben wir aber tatsächlich die Situation, dass zumindest die eine, die nationale Tiqi-taca-Mannschaft mit einer bestimten Taktik und Strategie schlichtweg nicht zurechtkommt. Ein Mal wurde Del Bosque gewarnt, zwei mal wurde er geschlagen und auch das dritte Mal konnte er nicht verhindern. Und das Rezept ist nicht „abwarten und beten“, sondern: Dreierkette, aggressives Pressing, Mannorientierungen, Konter abbrechen und mit Verlagerungen ausspielen, bei eigenem Ballbesitz weiträumig zirkulieren, Spanien nach vorne locken und nach langen Bällen aggressiv die zweiten Bälle holen. Auch das funktionierte aber nur, weil die Niederlande, Chile und Italien es zum einen hervorragend umsetzten und weil andererseits die Spanier nachgelassen haben.
Klug organisierte und balancierte Mannorientierungen
Die Organisation der Manndeckungen im hohen Pressing war wohl das überraschendste und gewissermaßen cleverste Element der Squadra Azzurra. Aus ihrem nominellen 3-5-2-System ließ sich Pellè konsequent zurückfallen, um Busquets in Manndeckung zu nehmen – der Herr weiß, warum das nicht spätestens seit 2013 alle Trainer so machen lassen.
- Auch Eder fiel häufig zur Unterstützung ins Mittelfeld zurück; ansonsten versperrte er Ramos und erschwerte den Passweg auf Alba. Pique war nominell frei, doch wurde aus der Tiefe von Giaccherini angelaufen. Das hatte gegenüber einer regulären Manndeckung auf Pique ein paar Vorteil:
- Dynamischer Deckungsschatten über Giaccherinis Grundposition
- Die Möglichkeit bei einem Querpass auf Juanfran „abzubiegen“…
- …oder bei einem Rückpass auf de Gea durchzulaufen
- Eine kompaktere Grundstellung zum Beispiel bei Einwürfen, Freistößen oder direkten langen Bällen
- Niemand schläft ein, weil das Spiel so fürchterlich banal ist und Giaccherinis Pferdelunge langweilt sich nicht so arg
- Potential für eine überschtliche Liste in einer Taktikanalyse
Hinter den drei vorderen Pressingspielern hielten sich Parolo und De Rossi an Iniesta und Fabregas, wobei sie die Enge der Manndeckung je nach Distanz zum Ball zumindest ein wenig anpassten und in der Rückwärtsbewegung dann schnell in ihre Räume zurückkamen. Besonders Parolo spielte das ziemlich balanciert.
Die Flügelläufer und Innenverteidiger passten sich an die Situation vor ihnen an und rückten balancierend in Räume oder auf Gegenspieler heraus. De Sciglio und Florenzi rückten vereinzelt extrem weit heraus, um die spanischen Außenverteidiger unter Druck zu setzen. Dahinter ergaben sich dann Vierer- oder Dreierketten – vereinzelt sogar Zweierketten wie bei der Szene aus der 30. Minute zu sehen. Das hätte Spanien mit Schnellangriffen sogar bestrafen können, da sie oft in der letzten Linie 3-gegen-3 standen, doch bekamen sie lange Bälle zu langsam unter Kontrolle. Morata war gegen Bonucci im Luftduell klar unterlegen und das italienische Mittelfeld zog sich dann schnell wieder zurück, um hinten wieder Überzahl herzustellen.
Brutale Überzahlbildung – vor allem in die Halbräume
Viel beeindruckender als die clevere Sortierung der Manndeckungen war aber, wie es Italien gelang aus die kollektive Mannorientierung äußerst ballorientiert umzusetzen. Im höheren Pressing war das vereinzelt zu sehen, in der zweiten Hälfte und der tieferen Position war es noch viel extremer. Die Italiener erzeugten immer wieder eine extremst massive, kompakte Überzahl; besonders um die Halbräume herum, wenn Spanien versuchte aus den Flügelzonen diagonal anzugreifen.
Dieser Aspekt resultierte wohl aus einer Überlagerung mehrerer taktischer Faktoren: Zum einen spielen die Italiener natürlich schon ballorientiert – vor allem im Mittelfeld – und waren durch den Gegner zu einer noch stärkeren Laufleistung aufgerufen. Die Kompaktheit des Fünferblocks kann dann schnell dafür sorgen, dass sich viele Spieler im Halbraum wiederfinden; zudem es auch ein recht konstanter, dichter Fünferblock war wegen Pellès tieferer Rolle und wegen der sehr guten Defensivarbeit Eders.
Zudem erlaubte die Breite der Fünferkette dem Mittelfeld ein massiveres Verschieben. Gegen Verlagerungen konnte der ballferne Flügelläufer den gegnerischen Angriff noch halbwegs kontrollieren und in den ballfernen Halbraum konnte notfalls auch jemand herausrücken; dadurch war die Entblösung der ballfernen Räume weniger dramatisch als zum Beispiel im 4-4-2.
Spanien im alten Trott
Das ganze wurde noch durch die Struktur und den Rhythmus der Spanier begünstigt: Zum einen schoben die Außenverteidiger nicht sonderlich hoch; wenn sie es doch taten öffneten sie Konterräume für die Achter. Das galt besonders für Juanfran, der auf den explosiven Giaccherini ein Auge hatte. Auf seiner Seite wurde zudem die Breite nicht vom Außenstürmer besetzt, da Silva sich wie gewohnt im Zentrum herumtrieb. Dadurch konnte Italien vor allem die linke Seite der Spanier bedenkenlos zuschieben.
Diese Seite war bisher Dreh- und Angelpunkt des attraktiven spanischen Offensivspiels. Iniesta kurbelte die Spielzüge immer wieder vom linken Halbraum an. Fabregas und Silva überluden davor Zentrum und Zwischenlinienraum, während Nolito und Alba schnell den Flügel nutzen konnten. So wurden die Angriffe der Spanier ungewohnt kleinräumig aufgebaut. Es gab selten weite Verlagerungen und es waren nicht wie im Juego de posicion alle Zonen nutzbar, sondern stattdessen wurde versucht, aus einer Zone heraus Vorteile zu erarbeiten und dann kreativ durch die Abwehr zu kommen; das wurde gegen das 4-5-1 der Tschechen angedeutet und gegen das 4-5-1 der Türken perfektioniert. War aber eben jeweils 4-5-1, was bedeutet: Die Flügel waren eh zu, der tiefe Halbraum war auf, die Achter waren nicht so leicht zu unterstützen. Gegen diese Struktur machte das eher verlagerungsarme Überladungsspiel viel Sinn.
Gegen das 3-5-2 führte es jedoch dazu, dass der Fünferblock mehr Zeit bekam in die Überladungszone zu verschieben. So gelang es Spanien schlichtweg nicht, dort zu Überladen, sondern sie waren ständig in massiver Unterzahl eingekesselt. Die diagonalen Wege waren zu. Die horizontalen wurden nicht genutzt.
Das führte dann auch dazu, dass die Spanier sich ein bisschen davor drückten, in die Zwischenräume zu gehen. Häufig zogen sie sich im Mittelfeld etwas zurück, um außerhalb des italienischen Blocks Räume zu finden. Vereinzelt konnten Iniesta oder Silva dieses Muster durchbrechen, aber vor allem im Zehnerraum gab es kaum Präsenz. Fabregas bekam überhaupt keinen Fuß in die Tür, denn seine Füße sind eher nicht für enge Situationen gemacht; er versuchte Räume zu finden, die es nicht gab, und stand eher Silva im Weg, anstatt das Spie ankurbeln zu können.
Ballbesitzspiel bei Italien und altbekannte Zugriffsproblematik gegen das 3-5-2
Indes bekamen die Spanier vorerst auch wenig Gelegenheit, diese Probleme zu ändern und ihren Rhythmus anzupassen, weil sie zu wenig Ballbesitzphasen hatten. Zum einen lag das natürlich am hohen Pressing der Italiener, zum anderen an Problemen im eigenen Pressing. Wie bereits 2012 verlegten sich die Italiener nämlich keineswegs nur auf die Defensive, sondern ließen selber den Ball fokussiert und sehr weiträumig laufen.
Gegen hohes spanisches Pressing zogen sich Barzagli und Chiellini sogar mehrfach neben Buffon in eine Torwartkette zurück. Vor der Dreierkette boten sich die Mittelfeldspieler immer wieder zurückfallend an und verlagerten dann schnell gegen das Herausrücken und Verschieben der Spanier. Dabei zeigte sich ein Problem, welches sich schon 2012 gut analysieren ließ: Die Zugriffsmöglichkeiten und Deckungsaufgaben im spanischen System schließen sich gegen ein 3-5-2 gegenseitig aus; besonders das Attackieren der Flügelläufer sorgt für Probleme, wie Xavi auch jüngst erst in einem Interview beschrieb.
In manchen Szenen – vor allem im besseren zweiten Durchgang – gelang es Spanien, dieses Problem zu beheben, indem die Achter hinter die Flügelstürmer nach außen schoben und – ein bisschen wie in Tuchels 4-1-2-2-1 – dadurch massive Überzahl hergestellt werden konnte, wenn auch die ballfernen Spieler und Busquets nachschoben. Dieser Pressingplan wirkte aber eher wacklig und ungewohnt, die Abstimmung passte nicht immer.
Man merkte den Spaniern in der Summe schon an, dass sie schlichtweg eine schwächere Pressingmannschaft sind als früher. Das liegt sicherlich auch damit zusammen, dass eben auch der FC Barcelona seit Guardiolas Abgang sukzessive passiv und weniger intensiv gegen den Ball geworden ist. Der Ballbesitz kann dadurch nicht mehr so schnell wiedererlangt werden; Barcelona kompensiert das mit brutalen Kontern, die der Nationalelf allerdings völlig abgehen.
Unangenehme lange Bälle
Wenn Spanien dann doch mal Zugriff hatte, konnten die Italiener aber ohne Risiko mit einem Plan B Raumgewinn erzielen: Sie schlugen die Bälle lang auf Eder und Pellè, die in der Ballbehauptung beide sehr stark sind. Ramos und Pique verteidigten dagegen etwas zu plump und mannorientiert; dadurch öffneten sich Lücken in der Kette, Italien kam zu Freistößen und die zweiten Bälle gingen meistens an die Italiener.
Die zeigten sich in diesen Momenten erneut sehr balanciert und laufstark. Die Achter und Flügelläufer rückten sehr gut in die ballnahen Räume, um die zweiten Bälle zu erobern, liefen in die Spitze durch oder besetzten die Flügelräume für Verlagerungen, wenn die spanischen Außenverteidiger absichernd einrücken mussten.
Das größte Lob für die Umsetzung der italienischen langen Bälle ist vielleicht, dass Busquets in diesen Situationen kaum Einfluss nehmen konnte, obwohl sie sich direkt in seinem Rücken abspielten. Die Folgeaktionen gingen jedoch meistens seitlich weg oder die Stürmer konnten den Ball sogar kontrollieren. Das weitere Ausspielen der Angriffe lief sehr schnell oder die Flügel. So wurde Busquets ziemlich effektiv überspielt und hing häufig ein bisschen in der Luft.
Das lag im Übrigen auch daran, dass Spanien die langen Bälle meistens in Tornähe verteidigen musste, weil Italien sie aus höheren Räumen und weiter in die Tiefe schlug. Die langen Befreiungsschläge Spaniens kamen meist kurz hinter der Mittellinie herunter, was vor allem bei Fouls deutlich weniger gefährlich für den Gegner ist.
Spaniens Gegenpressing und Konterverteidigung
Das entscheidende Tor entstand jedoch nicht durch Ballbesitz oder einen langen Ball, sondern nach einer Balleroberung – aber nur bedingt nach einem Konter. Die Italiener befreiten sich in dieser Szene schnell vertikal, brachen den Angriff dann aber ab, sortierten sich und bespielten Spanien mit einer Verlagerung. Die folgende Überzahlsituation brachte einen Pass in den Zwischenlinienraum – hierbei sahen Busquets und Iniesta tatsächlich mal nicht gut aus – und ein Foul von Ramos an Pellè. Der Freistoß führte zum Tor.
Hier zeigte sich Spaniens mangelnde Organisation und Kompaktheit nach Überspielen des Gegenpressing – beziehungsweise der Stil der Rückzugsverteidigung, die psychologisch gut, aber taktisch nicht ganz so gut ist: Die Spanier fokussieren sich dabei extrem darauf, den direkten Weg zum Tor zu schließen. Sie rechnen damit, dass der müde gespielte Gegner versucht, die wenigen Angriffe so direkt wie möglich durchzudrücken. Dabei öffnen sie aber große Räume im Rückraum und bei Verlagerungen, wenn doch mal ein Gegner die Eier hat, vernünftig weiterzuspielen.
Die Italiener ließen sich nicht von ihrer Außenseiter-Rolle beirren, sondern waren konsequent. Sie brachen die Angriffe nicht nur ab, sondern rückten auch extrem mutig und konsequent nach. Wie in der Grafik zu sehen, standen sie vor dem Tor gar in einer Art 1-3-6 oder 1-3-4-2-Staffelung mit beiden Halbverteidigern weit in der spanischen Hälfte.
Del Bosque erneut planlos
Auch dieses – potentielle – spanische Defizit ist übrigens länger bekannt. Hier ein Zitat aus unserer WM-Vorschau 2014 in einem Artikel darüber, wie man Spanien schlägt:
„Der hohe Ballfokus in der Rückzugsbewegung zeigt sich nicht nur in der Horizontalen, sondern auch in der Tiefenstaffelung und der gruppentaktischen Ausrichtung gegen den Ballführenden. Sprich: Die Spanier lassen gerne den Rückpass offen. Wenn ein Gegner auf den vertikalen Konter ausgerichtet ist, ist das kein Problem bzw. sogar ziemlich klug. Insofern konnte es interessant sein, Konter bewusst nur auszulösen, um sie später abzubrechen. So kann man leichter in die Ballzirkulation kommen als gegen das gut organisierte Angriffspressing der Spanier und auf diese Weise auch die Ballbesitzdominanz attackieren. Eventuell kann man dann aus der Ballzirkulation die Reorganisierung der spanischen Defensive mit plötzlichen Rhythmuswechseln bespielen. Andernfalls hat man zumindest gute Chancen, mit Ball etwas weiter aufrücken zu dürfen und die Spanier in eine ungewohnte Position zu drücken. Auf diesem Fundament man auch leichter und gezielter die Individualisten des Teams in den Mittelpunkt rücken und Standardsituationen in gefahrlichen Positionen herausholen.“
Der reality check zu dieser Prognose ist in Grafik zum italienischen Führungstreffer weiter oben zu finden.
Jahre sind es mittlerweile, seit denen Spaniens Anfälligkeiten bekannt sind. Das flankenlastigere Spiel bei dieser EM sollte vielleicht die Antwort darauf sein; doch das war es nicht. Auch das Konterspiel war kaum verbessert und vor allem: Del Bosque hatte keine taktischen Varianten im Gepäck. Die Wechsel waren uninspiriert und einigermaßen wirkungslos, eine Systemumstellung gab es nicht, kleinere strukturelle Anpassungen mit Wirkung gab es auch nicht. Spanien rannte an und prallte meistens ab.
Das Pressing wurde in der Halbzeit allerdings wie gesagt leicht angepasst und wegen des italienischen Kräfteverschleißes hatten die Spanier dann auch den gewünschten Ballbesitz. So kamen sie auch zu vermehrten Strafraumszenen, allerdings kaum klaren Chancen. Eine ernsthafte Druckphase bekamen sie nicht zustande.
Fazit
Man muss hier aufpassen, wie man Spaniens erneutes Scheitern einordnet: Vor allem diese Analyse mag den Eindruck erwecken, dass Italien hier klar überlegen war und den deutlich besseren Plan hatte; vielleicht sogar, dass ihre Strategie grundsätzlich die bessere war. Der Kontext davon ist aber der, dass Spanien das Potential hat, die beste Mannschaft der Welt zu sein und auch in diesem Turnier gegen die Türkei das schon unterstrich. Auch in dieser Partie war es so, dass Italien die virtuelle Dominanz der Spanier bekämpfen und eindämmen konnte – aber nicht wirklich umdrehen. Das Schussverhältnis war am Ende ausgeglichen, der Ballbesitz auf spanischer Seite. Italien war besser, aber nicht drückend überlegen.
Wenn man also sieht, dass die italienische Strategie bei einer fast perfekten Umsetzung gegen die spanische Strategie bei einer eher schwachen Umsetzung gerade mal ein bisschen besser ist, dann spricht das grundsätzlich ja eher für das Spiel der Spanier. Also kein „Tiqi-taca ist tot“. Es bleibt dabei: Auf jede Mannschaft, die in Schönheit stirbt, kommen hundert, die in Hässlichkeit sterben – kein Grund also, sich auf Hässlichkeit zu fokussieren. Eine Niederlage ist nur immer ein bisschen spektakulärer, wenn sie sich anfühlt, als sei man spielerisch überlegen gewesen. Zum Sieg gehört aber auch zielstrebige Kreativität, konsequente Arbeit gegen den Ball und eine gewisse Anpassungsfähigkeit, die den Spaniern hier abging.
In dem Kontext kann man vielleicht auch noch mal unterstreichen, wie wenig selbstverständlich ist, dass eine überragende Mannschaft absolut konstant und stabil Ergebnisse einfährt. Die Stabilität der deutschen Mannschaft oder die Leistungen Pep Guardiolas werden ja gerne mal als Selbstverständnis relativiert; das sind sie nicht. Dominanz ist harte Arbeit und das konstante Umsetzen dieser Dominanz in Ergebnisse erfordert von Spiel zu Spiel neue Lösungen. Gegen die Dreierkette hat Spanien unter Del Bosque keine Lösung gefunden.
73 Kommentare Alle anzeigen
Gh 16. Juli 2016 um 08:01
Ziemlich off-topic habe ich diese Doku über Andres Iniesta im katalanischen Fernsehen gesehen… als Beweis, dass bei Iniesta die Attitüde real ist. Besonderen Spaß machen Iniestas Frau beim Fliegenpatschen und natürlich sein Opa, der die alte Dorfkneipe, die er betrieben hatte, in ein Andres Iniesta-Museum umgewandelt hat. Als Highlight Iniestas empörter Blick als seine Frau sagt, er sei ja nicht wie jeder andere Fußballer. „Wie meinst du das jetzt??“. Das handtuchschmale Schwimmbad, die Kunstrasen-Veranda und und und… um den Kreis zu schließen: so was kann man nicht ausbilden. Iniesta ist in seiner Art einmalig wie am anderen Ende des Regenbogens Maradona. Der Reporter und Andres Frau sprechen catalan, Andres und seine Familie castellano.
https://www.youtube.com/watch?v=20etYUh1TpY
CHR4 3. Juli 2016 um 03:52
#GERITA – Fazit:
Punkt 1: Bubis? Herzchen in die Hose rutschen? schockfrosten? abkochen? – ja nee, is klar ne?
Punkt 2: Löw hat genügend Eier in der Hose, um entgegen der Meinung vieler auf Plan B (3/5er-Kette) umzustellen, um die Konter abzusichern und das Pressing im ersten Drittel zu umspielen – und es funktioniert (ich bezweifle stark, dass wir mit einem Offensivspieler mehr gegen diese Abwehr wesentlich mehr Chancen herausgespielt hätten – auch wenn ich diesem Wunschdenken selbst prinzipiell nicht abgeneigt bin)
Punkt 3: allen Unkenrufen zum Trotz hält der Fußballgott (UNAUFGEWÄRMT!) nicht nur 90 sondern 105 min. stand 🙂
Ich halte es wie Walter Röhrl: Manche finden es geil und emontional viel toller, wenn man knapp gewinnt – ich nicht! Ich will die anderen deutlich schlagen …
Von daher ärgert mich trotz gerade noch gutem Ausgang die Dummheit von Boateng natürlich (dafür hat er aber sonst wieder eine hervorragende Leistung gebracht) und auch, dass wir leider kein geniales Gomez-Hackentor bewundern durften 🙁 Ich denke ein 2:0 wäre dem Spiel durchaus auch angemessen gewesen. (Klar mit Pech kann man so ein Duell auch verlieren …) Andererseits war es an der Zeit und vielleicht wollte der Fußballgott (nein, nicht der auf dem Platz), dass diese „Serie“ genau so endet …
bin jetz ob der gebotenen Spannung eher mehr platt als glücklich (am ehesten noch darüber, dass jetzt noch mehr Spannung kommt)
und ich werde in Zukunft Kommentare von eindeutig negativ denkenden Leuten hier wieder weder kommetieren noch lesen 😛 – und empfehle das natürlich auch allen anderen 😀
CHR4 3. Juli 2016 um 04:12
PS: Wo ist die Kreativität bei den Standards der WM geblieben? Hat Wales oder Island etwa da unsere Skriptabteilung abgeworben? Wenn ich sehe welche kreativen, lustigen/erheiternden/erfrischenden und funktionierenden Varianten die anbieten, schäme ich mich für unser bisher gezeigtes Repertoire …
GatlingJ 3. Juli 2016 um 14:00
Punkt 1: teilweise, im Spiel leider nicht immer, so zumindest HZ1 bei Angriffen auf Kimmich’s Seite;
in der Elferlotterie in der Tat sehr nervenstark, die Bubis
Punkt 2: kann ich ungefähr mitgehen, es hat funktioniert insofern die ITAs nur eine Großchance hatten (ca. 30-40min); die Begründung meiner und anderer Kritik an der Umstellung auf 3er ist aber letztlich nur auf den „unwahrscheinlichen“ Teil ausgewichen. Wir wollten die Umstellung nicht wegen des Systems an sich, sondern weil die D11 dieses System selten spielt und in diesem Turnier noch gar nicht. Die Wahrscheinlichkeit sagt bei sowas, dass immer irgendwelche Stockfehler vorkommen. Positiv überraschend war diesbezüglich, dass dies kaum der Fall war – am ehesten noch in den ersten 30 min. Danach sind sie aber mit dem 3er System ziemlich souverän umgegangen.
Ebenfalls d’accord bin ich mit der Boateng Dummheit – eine individuell dämliche Situation die mit jedem Kettensystem passieren kann. Die D11 hätte höchstwahrscheinlich mit 1:0 nach 90 min gewonnen, wenn nicht dieser dämliche Elfer gewesen wäre.
Punkt 3: nun, hier ist deine Feststellung ebenfalls eine Überraschung. Aber in der Tat eine schöne, ich und viele andere haben ihm kaum mehr als eine HZ zugetraut. Überragend von Schweinsteiger, dass er bis zum Ende auf dem Feld war und offenbar ohne eine einzige Muskelkrampf Pause soweit ich gesehen habe.
Es ist gut möglich, dass Schw. jetzt für Khedira in der Startelf kommt und er für uns – vlt. in Anlehnung an Löw’s Vorhersage – noch sehr wichtig werden.
Zum Duell gegen FR (da kommt nichts anderes weiter):
Ironischer Weise hat er jetzt die Qual der Wahl, nach dem 4-2-3-1 und hat nun auch das 3-5-2 einen Härtetest in der D11 bestanden.
Würde mir hier gerne eine Vorschau wünschen DE vs. FR 🙂
Die spielen natürlich anders als ITA, aber streng genommen könnte Löw auch wieder auf Giroud und Griezman schauen und dann 3-5-2 spielen weil der Gegner zwei Stürmer hat. Tatsächlich ist die Situation wie wir alle wissen ja etwas anders, da nur Giroud einen Mittelstürmer abgibt, während Griezman meist aus der Bewegung in den Strafraum kommt.
Ein weitere Faktor ist auch definitiv die Hummels-Sperre. Leitet das mehr auf eine Vierer-Kette oder mehr auf eine Dreier-Kette oder hat dies möglicherweise keinen entscheidenden Einfluss auf das System?
HW 3. Juli 2016 um 16:07
Ich habe die Kritik von der ein oder anderen Seite auch nicht verstanden. Was wird denn erwartet? Ein 5:0 gegen Italien. Man muss sich mal davon verabschieden, dass Titelträger jedes Spiel mit Leichtigkeit gewinnen. Spanien hat auch oft 1:0 gespielt. Und das 7:1 gegen Brasilien war ein Zusammenbruch der Brasilianer.
Wenn dann Scholl aus seinem Loch gekrochen kommt oder ein Michael Cox meint Löw hätte immer Probleme mit der Implementierung seiner Ideen….
Bla, bla, bla. Erwartet man etwa einen Sturmlauf und dann zwei Kontergegentore?
Irgendwo habe ich gelesen: Gegen Italien gewinnt man nicht, man überlebt.
Job erledigt. Das ist es was zählt. Die Abwehr hat zwei Stunden gehalten (bis auf den Aussetzer von Boateng). Dazu musste man zwei Verletzungen im Spiel kompensieren, personell und taktisch. Ich würde gerne Scholl in einer ähnlichen Situation sehen in der er als Trainer Entscheidungen treffen muss. Tja, wird wohl nie so weit kommen.
Man kann ja gerne kritisieren, aber man sollte die Kirche schon im Dorf lassen.
JayJay 2. Juli 2016 um 12:59
Danke MR für dieses Fazit. Gibt mir ein Stück Glauben an guten Fußball wieder, der bei dieser EM doch zu oft stark erschüttert wurde.
Noch eine Frage: Wie bewertet ihr denn die Leistungen von Nolito? Auf mich wirkte er eher schlecht eingebunden, sucht zu oft die voreilige Flanke. Hätte Koke oder Pedro auf dieser Position lieber gesehen.
TobiT 2. Juli 2016 um 13:51
Koke wäre halt ein komplett anderer Spielertyp, eher noch ein Spielmacher, weniger einer, der die Abwehr nach hinten drückt und durch Schnelligkeit und Dribbling 1vs1-Situationen für Durchbrüche nutzt. Man hätte Koke mal für Fabregas oder Silva bringen können, da er in sehr starker Form (anders als Fabregas) ist, und sich in engen Räumen besser zurecht findet. Gegenüber Silva hat er den Vorteil, dass er auch mal den Flügel halten kann und defensiv deutlich stärker agiert. Pedro scheint nicht mehr das Vertrauen des Trainers zu haben und war bei Chealsea auch nicht gerade herausragend, anders als Nolito phasenweise.
Guten Fussball habe ich durchaus gesehen. Er war halt anders – eher auf taktischer Ebene gut – aber hat mir gefallen, zu sehen, dass auch Nationaltrainer klare Taktiken einstudieren können und damit individuell besser besetzte Teams schlagen (Danke Wales, Danke Island). Normalerweise bin ich auch ein Verfechter von offensiven/ballbesitzlastigen Ausrichtungen, habe aber bei der EM Island und Wales (und auch andere) bewundern gelernt, da sie eben nicht nur mauern, sondern auch offensiv einen – zwar simplen, aber deutlich erkennbaren – Plan, der sehr gut auf die vorhandenen Spieler abgestimmt ist.
Wales verteidigt sehr diszipliniert und kann vorne durch die laufstarken Bale und Ramsey Druck ausüben, ohne deren offensiven Output oder die Kompaktheit des Mittelfelds sonderlich zu beeinträchtigen. Offensiv nutzen sie wieder die Lauf-, Schuss- und Flankenqualitäten der beiden Stars um schnell Raumgewinn und Abschlüsse im Konter zu generieren, sowie die Pressingresistenz von Allen, um auch mal länger am Ball zu bleiben und auf die richtige Situation zu warten oder mehr Spielern ein Nachrücken zu ermöglichen.
Island verteidigt mit Mann und Maus im vertikal herausragend kompakten 442/4420 und erzeugt mit Kontern über die engen Flügelstürmer, Einwürfe von Gunnarson und Standards Gefahr für das gegnerische Tor. Dabei können sie im zweiten und letzten Drittel erstaunlich kombinativen Fussball zeigen, ohne die Zielstrebigkeit in Richtung Strafraum zu verlieren.
Ungarn war für mich ein guter Österreich-Ersatz in der Gruppenphase, die dann im Achtelfinale auf den falschen Gegner trafen.
Insgesamt haben mich die Kleinen mehr überzeugt als die (Geheim-)Favoriten. Bei (fast) allen Favoriten/Großen sieht man eine starke Abhängigkeit von ihren Einzelkönnern, die den überhöhten Erwartungen nicht gerecht werden können, oder ihr Team sogar behindern (Zlatan I’m looking at you).
Die WM2014 und die jetzige EM deuten für mich auf einen Trend zu mehr kollektivem Fussball auch bei Nationalteams hin, was ich sehr begrüße.
Koom 2. Juli 2016 um 14:01
Die Defensivqualität fast aller Teams ist auf einem sehr guten Niveau. Mal abgesehen von vielleicht Portugal zudem auch eine moderne Defensive, kein passives Hinten-rum-stehen. Das sitzt scheinbar mittlerweile bei Fußballern aller Preisklassen sehr gut.
Und ansonsten: Es gewinnen die Teams, die als Mannschaft agieren. Auch hier ist Portugal ein wenig das Gegenbeispiel, ansonsten finde ich es beeindruckend, wie selbst große Stars wie Bale, Özil, Kroos und andere sich in der Mannschaft voll einbringen und nicht den Star rauskehren.
tobit 2. Juli 2016 um 16:14
Viele Defensivreihen sind einfach gut eingespielt und auf den jeweiligen Gegner vorbereitet. Gerade die kleinen Teams spielen häufig in der selben Zusammensetzung und verwenden Zeit darauf die defensiven Abläufe zu perfektionieren, da man damit sehr gut die individualistischen Offensivkonzepte der „Größeren“ ärgern kann. Wenn dann noch ein paar einstudierte offensive Spielzüge hinzukommen, kann das schnell zur Qualifikation (Ungarn) und zum Weiterkommen (Wales, Island) reichen.
Wir werden vielleicht aktuell Zeuge einer kleinen Revolution unter den Nationalmannschaften, wie wir sie Ende der 00er im Klubfussball durch Peps Barca und Klopps Dortmund erlebt haben – weg vom Heroenfussball hin zu verschiedenen kollektiven Ansätzen, in denen die „Stars“ nicht mehr alle Last allein schultern müssen. Beste Beispiele bei dieser EM sind für mich Bale und Hamsik, die den Idealtypus des „Supportstars“ verkörpern. Vereinzelt sah man auch bei Ronaldo solche Ansätze, während Ibrahimovic und Schweden in „alten“ Zeiten und Konzepten verharren.
Koom 2. Juli 2016 um 19:58
Ronaldo ist auf dem Platz etwas zu schulmeisterisch gegenüber seinen Mitspielern. Viele Gesten, egal ob konstruktiv oder destruktiv, wirken sehr, als ob er sich selbst für unglaublich viel besser und alle anderen für Blinde hält. Ich vermute mal, dass er gar nicht so empfindet, aber er weiss es nicht besser zu tun.
Bale als „Kopie“ von Ronaldo macht das wesentlich besser: Auf und neben dem Platz ist er betont ein Teamspieler, stellt die Mannschaft über alles.
Und ja, ich denke auch, dass wir zumindest beim europäischen Fußball jetzt den finalen Endpunkt des Heroesfußballs haben.Was natürlich im Umkehrschluss im Fußball heißt, dass er dann auch bald wieder erste Anfänge hat. 😉
tobit 3. Juli 2016 um 09:36
Deswegen sagte ich ja auch vereinzelt. Ronaldo könnte vielleicht ein noch größerer Spieler sein, wenn er seine läuferischen/physischen Qualitäten öfter defensiv – und sei es nur als passiver Raumblocker am Flügel – einsetzen würde.
Ob wir wirklich das Ende des Heroenfussballs schon erreicht haben, weiß ich nicht, aber er liegt definitiv im Sterben. Auch Brasilien, Belgien und Schweden werden in den nächsten Jahren einsehen, dass eine taktische Weiterentwicklung der einzige Weg zum Erfolg ist.
juwie 3. Juli 2016 um 10:44
Naja. CR7s gegenpressinghafte Aktion vor dem Tor gegen CRO fand ich schon bemerkenswert unronaldesk.
Aber Bale ist in der Hinsicht natürlich eine andere Liga.
Jay 1. Juli 2016 um 14:03
Nach vorne geblickt (Samstag): Klingt für mich, als würde z.B. ein Wechsel auf Weigl statt Khedira Italien vor eine große Aufgabe stellen, weil dann das Zustellen von Kroos (wie gegen Busquets) alleine nicht mehr reicht, denn dann würde Weigl die Bälle verteilen. Außerdem spricht wieder einiges für Draxler statt Götze, um den Außen mehr Breite zu geben. Die Aufgabe gegen Italien scheint schwer, aber lösbar.
fs984 1. Juli 2016 um 14:38
Es ist für mich kaum vorstellbar, dass Löw Khedira als Italienlegionär und etatmässigen Stammspieler aus der Startelf herausnimmt. Das Pressing der Italiener ist jedoch bärenstark. Wenn sie es in der gleichen Weise auf den Platz bringen ist es für die DFB Elf unglaublich schwer zu knacken. Mit einem dritten 6er, Schweinsteiger/Weigl, der im Aufbau sich tief fallen lässt, könnte man Kroos mehr frei Räume verschaffen. Ich vermute aber, dass Löw auf eine dreier Kette setzt und Boateng oder Hummels vermehrt im Aufbauspiel nach vorne schieben und sich so mehr in den Aufbau einbinden lassen.
GatlingJ 1. Juli 2016 um 15:00
ich weiß nicht, was das immer soll, wenn man ein System vorschlägt, dass die N11 relativ wenig gespielt hat, in den letzten sechs Spielen gar nicht und jetzt auf einmal gegen Italien.
Warum glauben einige eine 3/5er Kette gegen Italien wäre der heilige Gral?!? Man hat einmal damit in einem Testspiel diesen Gegner damit besiegt, allerdings war es ein Testspiel.
Italien spielt dieses System, weil es ihr Hauptsystem ist und sie es damit andauernd spielen – und die Juve-Abwehr auch.
Die D11 „kann“ dieses System schon, aber ist halt meilenweit davon entfernt, es perfektioniert oder bis ins Detail fein eingestellt zu haben.
Jogi hat heute in der Bild einen Satz gebracht (ja BILD, bitte Mistgabeln rausholen); vielleicht ist er nur allgemein für eine KO-Runde gemeint, vielleicht steckt aber auch was von seiner Denke für das morgige Spiel drin: „Ein kleiner Fehler – und Du packst die Koffer.“ Wenn er das Ernst nimmt, wird er im jetzigen 4-2-3-1 spielen, weil es schon lange das Hauptsystem ist und das einzige der D11 im Turnier bisher.
Wenn jetzt einer schreibt, „zu wenig Defensive“ o.ä., klar wird er diverse Defensivabsicherungen einbauen/verstärken. Hummels+Boateng z.B. standen die letzten zwei Spiele phasenweise locker in der gegnerischen Hälfte. Das wird so sicher nicht wieder regulär geschehen. Auch mit dem RV+LV wird er eine Feineinstellung vornehmen, sie generell oder situativ nicht so hoch einstellen.
Meine Sichtweise ist so: Wenn er denkt dass er mit der dt. Mannschaft ernsthaft gewinnen kann, spielt er auch mit dem vorherrschenden deutschen System. Wenn er damit verliert ist es halt so, und die Mannschaft war einfach schlechter als die von Italien.
Mit dem Hineinwerfen von 3er Kette, würde er 1) ein Harakiri-Risiko eingehen (wegen diverser „kleiner“ Fehlermöglichkeiten) und 2) der Mannschaft signalisieren: Das wichtigste in der Taktik – nämlich das Grundsystem – lassen wir uns vom Gegner aufzwingen. Womit wir wieder bei 2012 sind.
Ich sags immer wieder: Wenn schon untergehen dann bitte mit wehenden Fahnen im eigenen System.
luckyluke 1. Juli 2016 um 15:22
Also zumindest auf dieser Seite ist das sicherlich zu einem gewissen Teil auch Wunschdenken. Der Fokus liegt hier nunmal auf Taktik und deswegen wird auch auf einer taktischen Ebene, die dann die Grundformation miteinschließt, diskutiert. Im Prinzip musst du dir einfach vor jeden Satz oder Kommentar den Zusatz „Aus rein taktischer Sicht…“ dazudenken, dann ergibt es schon einen Sinn auf dieser Ebene zu diskutieren. Natürlich sind auch hierbei gewisse Prämissen falsch oder zumindest auf wackligen Beinen, wenn man einfach davon ausgeht, die Nationalmannschaft könnte ein solches System einfach umsetzen, was aber nur in Teilaspekten den Schwerpunkt dieser Seite trifft.
Abgesehen davon hat zumindest auch Tobi Escher, dem ich jetzt einfach mal keine komplette Ahnungslosigkeit unterstelle, immer wieder auf die positiven Aspekte der Dreier-/Fünferkette für dieses Spiel hingewiesen, natürlich auch aus hauptsächlich taktischer Perspektive.
P.s. zu 2): das kann man auch umdrehen und den Spielern durch die Umstellung Sicherheit vermitteln, da sie sich ideal auf den Gegner eingestellt fühlen, der ihnen evtl. aufgrund von Historie und bisherigem Turnierverlauf etwas Angst macht.
zu 1): das ist sicherlich ein valider Punkt und zielt eben darauf ab, ob ein eher konservatives Herangehen zum Erfolg führt oder ein progressives…und da stehe ich persönlich (immer) zu letzterem, was aber einfach eine persönliche Präferenz ist und nicht wirklich argumentativ untermauert werden kann
savona 1. Juli 2016 um 15:29
Dem kann ich folgen, und mit guten Gründen wird Löw vermutlich auch so vorgehen. Andererseits machen die Gedankenspiele um Alternativen natürlich auch Spaß, vor allem weil sie nicht auf ihre Realitätstauglichkeit hin überprüft werden müssen, was wohl allen klar ist. Löw selber ist ja – und das spricht für Deine Vermutung – im Laufe der Zeit immer pragmatischer, man könnte insofern auch sagen, „italienischer“ geworden. Irgendwelche ausgeklügelten Konzepte, die vorher gar nicht oder nur unzureichend einstudiert wurden, werden wir – und das ist der große Unterschied zu 2012 – morgen bestimmt nicht zu sehen bekommen. Ob das dann auch zum Erreichen des HF führt, steht auf einem anderen Blatt.
GatlingJ 1. Juli 2016 um 14:39
Weigl…äh, den bringt er eher (gemeint: sicher) nicht. Grund: keinen Einsatz im Turnier bisher, Harakiri-Risiko jetzt gegen Italien.
luckyluke 1. Juli 2016 um 14:50
Das reicht gegen Deutschland sowieso nicht, weil dahinter einfach nochmal zwei Spieler stehen, die im Spielaufbau nahezu gleichwertig sind. In einer „idealen“ Welt spricht natürlich immer alles dafür viele „Spielmachertypen“ zu bringen, leider funktioniert so der Fußball aber (anscheinend) nicht.
Draxler sehe ich allerdings etwas hinter Götze in diesem Duell. Breite würde ich durch Hector geben auf dieser Seite, um dann Götze im Halbraum zu haben, der in engen Räumen besser ist als Draxler. Außerdem dürften gegen die Juve Abwehr Flanken nicht sehr erfolgsversprechend sein, zumal Gomez kein Kopfballmonster ist, was auch eher für Götze spräche…aber wie oben erwähnt, funktioniert Fußball so (anscheinend) nicht und es sind natürlich noch andere Faktoren zu beachten (Form, Fitness, Einwechslungen,…)
Schorsch 1. Juli 2016 um 17:44
Ich weiß gar nicht, ob Draxler im Spiel gegen die Slowakei viel geflankt hat. Die Hereingaben von links oblagen nach meinem Eindruck Hector. Wobei von diesem nach meinem Eindruck eher flache Hereingaben als hohe Flanken zu sehen waren; mitunter waren es auch flache Rücklagen in den Rückraum. Gomez erzielte sein Tor nach einer kurzen, flachen Hereingabe von Draxler, nachdem dieser seinem Gegenspieler in einer 1:1-Situation Richtung Grundlinie / Fünfmeterraum davongezogen war. Von der rechten Seite waren die Hereingaben eher (aber nicht nur) hohe Flanken von Kimmich; die Anzahl der Hereingaben von rechts dürfte insgesamt niedriger gewesen sein. Nach meiner Wahrnehmung wird vor allem dann hoch in den Strafraum gespielt, wenn sich einer der kopfballstarken Defensivspieler vorne befindet. D.h. in der Regel bei Standardsituationen. Oder man sucht Müller, der auch mit dem Kopf schon diverse Treffer erzielt hat.
Wenn die Alternative Draxler oder Götze heißen sollte, dann sehe ich durchaus Draxler im Vorteil. Zurecht kann man dagegen einwenden, dass er kein Spieler für die engen Räume ist. Da hat Götze sicherlich seine Vorteile. Aber Draxler hat ein großes Plus: Seine Dynamik, seine Schnelligkeit. Klar, er braucht Raum, um diese ausspielen zu können. Und diesen Raum wird er wohl gegen Italien nicht so leicht bekommen. Aber es können durchaus 1:1-Situationen für ihn vorbereitet werden, in der er seine Dynamik ausnutzen kann. Und dann wird man in der italienischen Defensive Schwierigkeiten bekommen. Denn die Allerschnellsten sind dort auch nicht zu finden.
Ich weiß es natürlich nicht, aber ich glaube schon, dass es für die DFB-Auswahl wichtig sein wird, 1:1-Situationen zu suchen, in denen Dynamik und Schnelligkeit zum Tragen kommen. Dies scheint mir ein Schlüssel zu sein, die italienische Elf in die Bredouille zu bringen.
TobiT 1. Juli 2016 um 18:38
Wenn man es schafft Draxler konstant 1vs1-Situationen gegen Barzahlung zu verschaffen, sehe ich ihn wertvoller als Götze. Versucht man eher durch die Abwehr hindurchzuspielen, sehe ich beide ähnlich wertvoll, da sie beide den „tödlichen“ Pass spielen und empfangen können – jeder auf seine Weise.
Insgesamt könnte Draxler etwas besser passen, da er mehr Flügelspieler ist als Götze, und man dann Hector etwas tiefer und absichernder spielen lassen könnte.
Gibts eigentlich Infos ob Schweinsteiger fit genug für die Startelf ist? Wenn ja, könnte man auch 433-hafter spielen mit Kroos etwas höher und Khedira freier/vertikaler als bisher.
TobiT 1. Juli 2016 um 18:41
*Barzagli nicht Barzahlung
Schorsch 1. Juli 2016 um 19:51
Im italienischen Fußball weiß man nie… 😉
GatlingJ 1. Juli 2016 um 19:39
da gibt es keine „Sonderinfos“ zu Schweinsteiger. Bis auf die, dass er grundsätzlich „gesund“ ist. Das sagt aber eben nichts über die Ausdauer.
Ich hatte es ja schon von Anfang an geschrieben, man sollte es mal abschreiben, dass er irgendwann in der Startelf steht. Die Ausdauer ist sein Problem, und die muss schlicht gesagt ziemlich gering (oder „mies“) sein.
Wenn er in irgendeiner Weise „nahe dran“ an genügend Ausdauer für 90 Minuten gewesen wäre, hätte Löw das einzig logische gemacht. Von Spiel zu Spiel mehr Einsatzzeiten, also im 3. oder 4. Spiel deutlich mehr als eine Halbzeit spielen lassen.
Dies ist aber nicht geschehen -> ergo, Schweinsteiger bleibt ein Phantom, weil er nie in die Startelf kommen wird, allenfalls später Einwechselspieler bleibt.
rodeoclown 3. Juli 2016 um 12:58
Sind wir dich eigentlich nach dem SPiel wieder los? Oder zumindest nach der EM?
Koom 1. Juli 2016 um 22:05
Ich würde mit Draxler beginnen, Götze kann man dann für ihn einwechseln. Das nervt die italienische Abwehr sicherlich auch, weil die beiden sehr unterschiedlich agieren, trotzdem beide durchaus torgefährlich sind.
Kirmoar 1. Juli 2016 um 23:24
Man könnte ja auch Draxler drin lassen und Götze für Gomez bringen. Dann hätte man außen einen guten Dribbler und vorne einen zum kombinieren auf engem Raum. Weiß nicht ob sich Gomez gegen die starken ital. Verteidiger durchsetzen kann.
Allerdings hat diese Formation gegen Polen auch nicht sonderlich funktioniert.
Daniel 2. Juli 2016 um 11:12
Wenn Gomez sich nicht gegen die italienischen Verteidiger durchsetzen kann kann es niemand im deutschen Kader. Gomez wird sehr wichtig, da er die italienische Verteidigung nach hinten drückt und verhindert, dass sie Özil und Draxler/ Götze permanent auf den Füßen stehen. Gomez draußen zu lassen wäre für mich einer der größten denkbaren Fehler.
GatlingJ 1. Juli 2016 um 09:04
Hängepartie beendet. Del Bosque weg.
AP 30. Juni 2016 um 23:08
Boah. Geiler Stoff.
Bernhard 30. Juni 2016 um 22:42
Das Fazit ist genial, ich liebe es.
Max 1. Juli 2016 um 06:58
Aber Hallo! Fast schon ein wenig philosophisch 🙂
savona 1. Juli 2016 um 10:24
Ja. Aber gerade deswegen stolpere ich im letzten Absatz immer wieder über das „Selbstverständnis“ und würde es gerne durch „Selbstverständlichkeit“ ersetzen. Normalerweise lese ich über sowas hinweg, hier tut es mir irgendwie weh.
luckyluke 1. Juli 2016 um 11:38
Wahrscheinlich weil es so auch eine Bedeutung hat (nicht wie bei anderen Fehlern oftmals), die dann die Bedeutung des Satzes aber verändert?
savona 1. Juli 2016 um 13:12
Ja, aber vor allem weil es ein (kleiner) Makel in einem ansonsten von mir geschätzten Text ist. Allerdings lässt sich immerhin erkennen, was gemeint ist.
Harlekin 30. Juni 2016 um 18:56
Sehr schöne Analyse!
Jedoch eine Sache, die ich noch nirgendwo erwähnt gefunden habe: wo bleibt das Kurzpaßspiel? Das gab´s nur in Ansätzen, dagegen ziemlich viele lange und/oder hohe Bälle, die es früher bei den Spaniern kaum gab. Und meist gingen die ins Nirgends. Früher wären die Kurzpässe das Mittel der Wahl gegen das agressive Pressing gewesen.
Ich habe daher den Eindruck, daß die jetzige spanische Spielergeneration (in der Summe, mit Ausnahme natürlich von Iniesta) eben eine wesentliche Grundlage des „Tiki-taka“ nicht mehr ausreichend beherrscht: die kleinteilige Ball- und Raumbeherrschung.
Und damit einher ging die größte Stärke der Spanier: die Geduld beim Aufbauspiel. Wohingegen in diesem Spiel überall nur Ungeduld zu sehen war, daher die vielen Fehler ….
Correggio 1. Juli 2016 um 10:25
„Jedoch eine Sache, die ich noch nirgendwo erwähnt gefunden habe: wo bleibt das Kurzpaßspiel?“
Ich weiß, das ist ein Taktikblog, darum werd ich wahrscheinlich gleich gelyncht, aber mich wundert schon, dass hier mit keinem Wort erwähnt wird, wie sehr der starke Regen und die resultierende Platzbeschaffenheit Italien in die Hände gespielt haben.
Das schnelle und präzise Spiel mit flachen Bällen, wie Spanien es sonst praktiziert, war unter diesen Umständen nicht zu spielen. Die Spanier waren darüber sichtlich verunsichert und haben riskante Kurzpässe auf engem Raum konsequent vermieden. Sicherlich lag das auch an der guten Deckungsarbeit der Italiener, aber eben nicht nur. Ich halte es durchaus für möglich, dass die Spanier bei guten (=üblichen) Platzverhältnissen durchaus Chancen gehabt hätten, sich freizuspielen.
Das soll Italiens Leistung nicht schmälern, aber es gehört für mich ganz einfach zur Wahrheit dazu, dass Spanien hier in Bezug auf seinen Spielstil eindeutig vom Wetter benachteiligt war.
FAB 30. Juni 2016 um 09:47
„Also kein „Tiqi-taca ist tot“.“
Die Frage ist aber wer denn überhaupt noch das Tiqi-Taca aus der Zeit von Peps Barca und letztlich auch der spanischen Nationalmannschaft spielt. Barca hat unter Enrique seinen Spielstil schon ein wenig modifiziert und Konteraktionen eingebaut. Guardiola selbst hat mit Bayern auch nicht mehr dieses klassische Tiqi Taka gespielt. Del Bosque hat mit Spanien einfach versucht diesen Spielstil weiterzuspielen ohne Änderung, obwohl Xavi, der Hauptprotagonist dieses Spielstils nicht mehr dabei ist. Spanien ist nun 2 mal damit gescheitert und zwar heftig gescheitert!
Aus in der Vorrunde und jetzt im Achtelfinale, das ist Deutschland zuletzt 1998 und 2000 passiert und danach wurde der deutsche Fussball wegen Erfolglosigkeit komplett umgekrempelt.
D.h. viele Elemente des Tiqi Taca leben natürlich weiter und hbent den Fussball auf ewig beeinflusst. Aber der Tiqi Taka in Reinform ist tot … Er dient kaum mehr als Orientierung für die Mannschaften die sich erfolgreich weiterentwickeln wollen. Auch Löw hat ja schon längst nicht mehr auf Spanien geschaut, sondern eher auf Italien oder Chile, um die DFB Auswahl durch taktische Anreize (Dreierkette) weiterzuentwickeln.
Interessant wird nun sein, ob nach der Champions League, in der das Gegengift Atletico die Tiqi Taca nahen Mannschaften Barca und Bayern besiegen konnte, dies sich nun bei der EM fortsetzt, d.h. ob Italien nach Spanien auch noch Deutschland besiegen kann …
Ist also das Gegengift gegen Tiqi Taca (Atletico und Italien) immer noch im Vorteil oder gibt es dagegen bereits auch schon wieder Gegenmaßnahmen?
koom 30. Juni 2016 um 09:55
Jede Taktik/Spielweise hat ihren Zyklus mit Anfängen, Höhepunkt und Tod. Klopps Gegenpressing-Spielmacher wurde auch nur wenig modifiziert und am Ende ein gutes Stück entzaubert, dem klassischen Tiki-taka, das zuletzt die Spanier immer noch spielten, geht es genauso. Eine Taktik muss sich weiterentwickeln. Guardiola macht das ja durchaus immer noch, wobei er immer in seinem Kontrolldogma verbleibt, während Tuchel oder Enrique gewollt etwas das Ballbesitzdogma aufgeben und vertikaler agieren lassen (in beide Richtungen).
Als grundsätzliche Basis ist tiki-taka und sein Positionsspiel, Gegenpressing etc. natürlich nach wie vor gut, aber wie man es verteidigt ist mittlerweile bekannt (idR: Fünferkette mit Rausrücken) und senkt dadurch den großen Vorteil. Ergo: Spanien sollte das ruhig weiter beibehalten, aber um neue Elemente erweitern.
OttoKane 30. Juni 2016 um 12:35
Betrachtet man den unerhörten Erfolg des Tiki Taka Systems bei Spanien und Barcelona, stellt sich doch die Frage warum es eigentlich kaum jemand geschafft hat das zu imitieren. Kennt jemand andere Mannschaften die das System mal mit anderen Spielern umgesetzt haben?
August Bebel 30. Juni 2016 um 12:55
Ich wollte noch mal auf Dr. Aculas Kommentar unten hinweisen, dass Tiqi-taca/Tiki-Taka nach Marti Perarnaus Buch über Guardiola das falsche Wort ist. Guardiola, der ja die prägende Figur dieses Systems in „moderner“ Ausführung ist, spricht anscheinend lieber vom Juego de Posicion und versteht unter Tiqi-taca eher Ballgeschiebe um die gegnerische Formation herum. Siehe auch: https://spielverlagerung.de/juegodeposicion/
koom 30. Juni 2016 um 13:16
Das mag richtig sein, die Realität hat sich aber dieses Wort ausgesucht, um es als beschreibenden Oberbegriff zu verwenden.
Es gibt auch kein „Holland“ als eigenständiges Land. Holland ist ein Gebiet in den Niederlanden. Das wäre so, als ob man von der Deutschen Nationalelf überall nur als „Bayern“ referieren würde. Trotzdem wird allenthalben von Holländern, ohne Holland fahrn wir zur EM etc. geredet. Oder Papiertaschentücher. Die meisten nennen sie einfach nur Tempos, dabei ist das nur ne Marke. Genauso „Pampers“ bei Windeln. Guardiolas geprägte Spielweise wird deswegen auch als „tiki taka“ in die Geschichte eingehen. 😉
FAB 30. Juni 2016 um 13:51
Sehe ich auch so. Tiqi Taca und Positionsspiel sind dasselbe. Ist aber natürlich auch eine Frage der Perspektive. Der oberflächliche Betrachter mag das als Tiqi Taca sehen, ewil er vermeintlich nur Ballgeschiebe sieht Der Trainer schaut aber auf die vielen Freilaufbewegungen, die er im Training einstudiert und nennt es dann lieber Positionsspiel.
Hängt also davon ab, ob du auf den Ball schaust (wie der Großteil der Fans) oder auf die Spieler und deren Verbindungen zueinander.
rayclaudio 30. Juni 2016 um 16:52
Also ich finde euer Verständnis von „Positionsspiel“ in diesem Falle sehr eng. Positionsspiel heisst doch einfach, dass ich abhängig von der Position „meines“ ballführenden Spielers vorschreibe, welche anderen Positionen (Zonen) mit „meinen“ Spielern besetzt sein müssen. WELCHE Positionen ich besetze, ist doch völlig frei. Besetze ich nur ballnahe Zonen, führt das tendenziell zu Tiqi Taca, d.h. Ein-Kontakt-Kurzpassspiel mit tendenziell sicherheitsbedachter (horizontaler) Ausrichtung. Tiqi Taca ist ein Spielstil, Positionsspiel eine Mittel für taktische Vorgaben. Nicht dasselbe. Ich kann ja auch sagen, dass der ballferne Flügel immer besetzt sein muss, weil ich schnell verlagern will…
Früher konnte man das übrigens auf dem SuperNintendo bei den Fifa-Games genauso machen: Das Spielfeld war in 9 Zonen unterteilt, und für jede Zone konnte man dann die offensiven und defensiven Formationen konfigurieren. Wenn mans versaut hat, rasten dann die eigenen Spieler im Match beim Übergang von einer Zone in die nächste chaotisch durcheinander :-P. Ach ja: Deswegen hat noch lange nicht jeder Spieler auf dem SuperNintendo Tiqi Taca gespielt…
TobiT 1. Juli 2016 um 09:34
Positionspapier ist in diesem Kontext nur die wörtliche Übersetzung von „Juego de posicion“, das bestimmte Vorgaben zur Raumbesetzung hat, die sich jedoch auch von Trainer zu Trainer unterscheiden (Guardiolas JdP hat sich während seiner Zeit bei Bayern deutlich verändert).
Das was du meinst ist allgemein Positionierungsverhalten in Abhängigkeit von der Ballposition. Das gibt es überall, aber im JdP/Positionsspiel mit speziellen Vorgaben. z.B. ließ Guardiola (besonders in der letzten Saison) den ballfernen Flügel konsequent besetzt um dann dorthin zu verlagern. Im JdP versuchen die meisten Trainer eben nicht einzelne Zonen vollzupacken, sondern möglichst viele Zonen miteinander verbunden zu besetzen und dann – mehr (Jemez) oder weniger (Guardiola) vertikal – durch diese zu zirkulieren.
FAB 30. Juni 2016 um 15:28
Was natürlich mal seitens der SV Experten interessant wäre ist, wie man das Spielsystem der Italiener nennen könnte, wie es sich vielleicht von Atletico Madrid unterscheidet oder wo Gemeinsamkeiten liegen.
Ich habe mal bei Atletico den Begriff defensives Positionsspiel gelesen. Bin mit aber nicht sicher ob dieser Begriff wirklich passt. Auch wäre interessant herauszuarbeiten, welche Rolle die Formation 3-5-2 der Italiener oder 4-4-2 von Atletico dabei spielt.
Ich finde beide Systeme sind sich im grundsätzlich sehr ähnlich: Es sind beides eher Defensivarianten, es wird in der Defensivstellung sehr viel Raum abgedeckt (deshalb vielleicht der Begriff defensives Positionsspiel) und trotz der Weiträumigkeit gibt es halt ständig Zugriffsmöglichkeiten auf den Ballführenden Gegenspieler. Auch das eigene Offensivspiel ist zwar simpel aber gut strukturiert, der Ball wird dabei nicht einfach nach vorne gebolzt, sondern zwar sehr schnell und vertikal aber relativ kontrolliert nach vorne getragen …
Gh 30. Juni 2016 um 07:12
Sehr gute Analyse. Was den Spaniern schon immer gefehlt hat war Messi. In den Titeljahren konnte es das Kollektiv noch ausgleichen, Xavi und Inieste waren in der Lage Tore auf dem Tablett zu servieren, trotzdem waren es meist enge Spiele. Ich hatte den Eindruck, dass Spanien nicht mehr das gewisse Risiko in der Offensive gehen konnte, weil einerseits die Abläufe im letzten Drittel nicht mehr so passten und sie andererseits wohl wussten, dass ihr Gegenpressing nicht mehr perfekt ist und die Kontergefahr immens geworden ist. Sampaioli for president!! Tiki Taka ist tot, es lebe Tiki Taka!
Onil 30. Juni 2016 um 06:58
Bitter für Spanien, wenn man als Zuschauer die Aspekte, die in dieser wunderbaren Analyse alle aufgelistet werden, schon so oder so ähnlich nach 20 Minuten wahrnimmt und es sich die restlichen 70 Minuten nix verändert ;-(
schafstall 30. Juni 2016 um 03:31
Italien stark, MR noch stärker – ganz, ganz toller Artikel!
Beim Schauen gestaunt, jetzt verstanden. Toll auch, dass die Graphik aus der 50. Minute in den Artikel eingebaut wurde, da ich die Iniesta-Situationen schon im Spiel besonders charakteristisch fand, denn der ist ja bekanntlich nicht um ein Unterzahldribbing verlegen, geriet aber in diesem Spiel des Öfteren in solche Situationen, in denen er schlichtweg nichts machen konnte.
Eine taktiktheoretische Verständnisfrage habe ich dann aber doch. Über das 4-5-1 (der tschechischen und türkischen Truppe) schreibst du: „[…] der tiefe Halbraum war auf,“
Ich habe es so verstanden, dass du damit nicht auf Besonderheiten der türkischen und tschechischen Interpretation abzieltest, sondern auf einen Nachteil der Formation 4-5-1 gegenüber einem 3-5-2 deutest (der Vorteil bessere Flügelabdeckung zu bieten, wird ja auch genannt). Dieser Punkt will mir noch nicht so richtig einleuchten, denn erstens hat man doch mit dem einen Stürmer weniger mehr Spieler in tiefen Zonen und zweitens dachte ich, dass dort normalerweise nicht Flügelverteidiger und -mittelfeldspieler auf einer vertikalen Höhe stehen, sondern einer einrücken kann (da ja zumeist nicht zwei gegnerische Spieler auf einer Seite breit stehen), wiegt das nicht Möglichkeit, dass bei 3 Innenverteidigern leichter einer (in den Halbraum) rausrücken kann, mehr als auf? Am zentralen Mittelfeld kann es ja eigentlich nicht liegen, da die Anordnung in den beiden Systemen dort doch für gewöhlich sehr ähnlich aussieht.
rayclaudio 30. Juni 2016 um 14:06
Da habe ich durchaus ähnliche Verständnisprobleme… Ich denke grundsätzlich, dass man auch mit einem 4-5-1 gegen die Spanier bestehen kann, wenn man die Halbräume dicht macht. Die Kroaten haben das ja auch mit 4-2-3-1 geschafft, welches mit defensiver Ausrichtung in meinen Augen nahe am 4-5-1 ist. Auch wenn man das 4-5-1 wohl eher mit einem 6er, statt mit doppel-6 spielt wie das 4-2-3-1, was dann zum „schliessen“ der Halbräume weniger geeignet ist. Aber grundsätzlich kommts dann ja immer auf die Laufwege der Spieler an.
Der Vorteil des 3-5-2 ist zudem die „2 in vorderster Reihe mit einer defensiven Ausrichtung“, sprich: Die Defensivarbeit von Eder. Nimm mal das Bild aus der 50. Min oben und denk dir den Eder weg. Stell ihn zwischen Juanfran und Aduriz, in Erwartung einer Spielverlagerung auf Juanfran. Das wäre dann wohl eine typische 4-5-1-Defensive. Iniesta wäre mit gutem Freilaufen – was er ja auch sehr gut kann – für vielleicht eine halbe Sekunde anspielbar – was genügt. Er kann dann weiterleiten, oder eben eines seiner Dribblings – hier gegen De Rossi, zeigen. Der Vorteil der 3-5-2-Variante ist also eher, das man den Spielaufbau des Gegners besser Unterbinden kann, als beim 4-5-1 und dass die Halbverteidiger eher schon „systembedingt“ bereits in der Vertikalen des Halbraums stehen… So hab ich das verstanden…
Isco 30. Juni 2016 um 01:02
Ein paar Fragen hätte ich noch:
Im Aufbau kam es mir so vor, als ob Busquets zu hoch positioniert gewesen wäre; ich kann mir aber nicht ganz erklären wieso. Würde Busquets stärker abkippen, würde er doch Pellè vor das Problem stellen, dass wenn er ihn verfolgt Räume hinter sich öffnet und wenn er ihn laufen lässt, Spanien mit situativer Dreierkette aufbauen kann.
War Silva im Pressing nicht sehr lasch? Mir kam es beim Spanischen Pressing oft so vor, als würden Nolito und Morata aggressiv auf Barzagli bzw. Bonucci rausschieben, Silva blieb da aber zu passiv, wodurch Italien problemlos über Chiellini aufbauen konnte. (Daher hat er mMn auch die mit Abstand meisten Ballberührungen bei den Italienern.)
Last but not least: Wieso Fabregas statt Thiago? WIESO? Ich verstehe es nicht…
Viktor Dünger 30. Juni 2016 um 08:06
Das gleiche habe ich mir bei Busquets auch gedacht. Vorallem da eine situative Dreierkette Piques Probleme im Aufbau behoben hätte. Durch seine veränderten Passwinkel, bei breiter Staffelung, hätte er doch viel besser verlagern oder ins Zentrum spielen können. Desweitern würden die Außenverteidiger automatisch höher stehen, woraufhin man in den Folgeaktionen besser positioniert wäre.
Aber wahrscheinlich ist das der fehlende Plan Del Bosques, den MR anspricht.
Onil 30. Juni 2016 um 09:52
So ist es! Gegen Kroatien ist er abgekippt ohne zu müssen und gegen Italien tat er es nicht, obwohl es notwendig war. Ein durchdachter Plan sieht anders aus…
Koom 30. Juni 2016 um 00:17
Spaniens (und auch Guardiolas) Ballbesitzspiel empfinde ich als zu rhytmuswechselarm. Man kann einen Gegner sehr gut dominieren, aber wenn der einen grundsätzlichen Defensivplan hat (der mittlerweile durchaus bekannt ist), dann ist man letztlich ein bisserl sehr von der individuellen Klasse abhängig.
Löws Interpretation davon, die auch starke Umschaltmomente beinhaltet, gefällt mir besser. Man dominiert den Gegner nicht so sehr, lädt auch mal zu einem Konter ein, die aber ganz ordentlich abgesichert sind und den Gegner etwas auflockern, da man dann selbst schnell umschaltet, während Guardiolas/Spaniens Team dann verstärkt quer spielt.
Kein Abgesang auf Ballbesitz, aber etwas modifizieren muss Spanien (und IMO auch Guardiola) seinen Plan. Ein klein wenig mehr kontrolliertes Chaos tut der Sache gut.
L 30. Juni 2016 um 01:57
Ich sehe das ähnlich. Das Barcelona unter Enrique spielt vielleicht nicht mehr so dominant und sauber im Positionsspiel wie Guardiolas Barca, aber sind flexibler in Angriffsmöglichkeiten. Das CL-Finale gegen Juve ist ein ganz gutes Beispiel: Das 1:0 fiel durch eine tolle Kombination durch die enge Abwehrreihe. Der erneute Führungstreffer war ein schneller Konter über Messi und Suarez staubt ab …
Deshalb freue ich mich auch ein bisschen auf Ancelotti. Der sieht das ganze nicht so dogmatisch und stellt sich den Gegebenheiten entsprechend an.
TobiT 30. Juni 2016 um 06:51
Dominant finde ich beide Ansätze. Guardiola/del Bosque lassen deutlich kontrollierter spielen als Enrique/Tuchel/Löw, die öfter etwas Kontrolle für Konterchancen opfern.
Das liegt für mich eindeutig auch am Spielermaterial: Barca, Deutschland und Dortmund haben vorne herausragende Konterspieler, während del Bosque da einzig Nolito (und Diego Costa) zur Verfügung hat. Guardiola setzte auf Flügeldurchbrüche mit hoher Absicherung und hatte mit Costa und Coman eher lineare Flügelstürmer, die bei Kontern zu oft isoliert worden wären.
koom 30. Juni 2016 um 09:59
Konterspieler dürfte auch Spanien drauf haben. Morata finde ich dabei sehr stark. Und auch ansonsten hat Spanien eine sehr große Spielerauswahl, da dürfte sich was finden lassen.
Ich denke eher, dass das wie bei Guardiola ist: Bestimmte Spielertypen möchte er nicht, bzw. will er sie umformen. Ein Thomas Müller ist IMO auch stärker, wenn er ein paar Räume findet und nicht nur den Gegner mit in den Strafraum einmauert. Lewandowski ist so stark, weil er eine unglaubliche Bandbreite hat.
luckyluke 30. Juni 2016 um 12:28
Ich glaube eher, dass das „kontrollierte Chaos“ in großen Teilen das Problem ist. Wahrscheinlich meinst du damit auch Barcelona, die sich in diese Richtung entwickelt haben? Gerade bei denen finde ich es aber auffällig, wie sie nur mit einer individuell brutal gut besetzten Offensivreihe dieses Chaos in die für sie günstige Richtung leiten können. Wenn nur einer dieser Spieler fehlt, gab es diese Saison oft große Probleme. Auch auf Nationalmannschaftsebene gibt es (in Europa) wohl gerade kein Team, das in der offensive individualtaktisch (also auf „Improvisation“ bezogen) so gut besetzt ist wie Deutschland (gerade Müller als Paradebeispiel, aber auch Özil, Gomez und eigentlich Götze). Daher funktioniert das bei diese Mannschaften.
Die wirkliche Problematik ist meiner Meinung nach, dass gegen die kompakten Zentren, wie sie jetzt Standard sind, auch bei Guardiola, Spanien die Antwort lautet, über die Flügel durchzubrechen, was aber schon allein aufgrund der dann folgenden Flanke/Hereingabe und auch der dazu erforderlichen Dribblings improvisiert ist, also das chaotische Element in den Mittelpunkt stellt. Das Chaos wird also von der verteidigenden Mannschaft erzwungen (Zentrum dicht –> auf Außen spielen –> Durchbrüche/Hereingaben immer relativ chaotisch) und die Lösung für dieses Problem kann nicht noch mehr Chaos sein (außer man hat eben brutalste Qualität), sondern sollte meiner Meinung nach noch mehr Kontrolle und damit einhergehend Angriffe durch die Mitte sein. Es geht im Allgemeinen also nicht um einen konkreten Plan, den ich Supertyp hab und Guardiola nicht findet, sondern eher um einen „philosophischen“ Ansatz, wie ein Problem zu bekämpfen ist.
Ich hoffe diese Ausführung ist nicht nur in meinem Kopf verständlich, sondern auch ausformuliert hier.
P.s. Gerade das Spielsystem Guardiolas war doch auch so erfolgreich, weil in der Zeit davor viel auf Einzelspieler zugeschnitten war (=Chaos) und er eine Antwort darauf hatte, die eben nicht noch mehr Chaos, sondern mehr Kontrolle war…
koom 30. Juni 2016 um 14:44
Klingt nach Missverständnis. Ich versuche mal, das etwas klarer zu formulieren:
Guardiolas Spielweise (und damit auch die von Spanien) empfinde ich so, dass das Ideal ist, 99% Ballbesitz zu haben – idealerweise natürlich auch mit eigenen Toren, aber wichtiger als das Tor scheint der Ballbesitz und -kontrolle zu sein. Versucht der Gegner einen Konter, schlägt ein sehr gutes Gegenpressing zu, dass aber sowohl bei Guardiolas Bayern als auch Spanien dann nicht in einen Gegenangriff mündet, sondern der Ball erst mal horizontal zirkuliert wird, bis man wieder handballähnlich am Strafraum des Gegners ist.
Tuchels Dortmunder und die N11 haben diese Zirkulation mit Seitenwechseln etc. auch drin. Schlägt deren Gegenpressing aber zu, dann wird auch gerne mal sehr schnörkellos direkt vertikal gespielt.
Mit kontrolliertem Chaos meine ich als eher das gewollte Nutzen einer Situation, wo der Gegner, aber auch die eigene Mannschaft nicht in einem vorgefertigten Schema steht, sondern spontan und individualtaktisch agiert. Anders ausgedrückt: Der Ballverlust vorne ist nicht nur Risiko, sondern auch Chance. Der Gegner will nach Ballgewinn kontern, rückt mit einigen Spielern raus (und generell etwas aus der Abwehr) um idealerweise in etwas tiefere Pressingfallen zu tappen (anstatt wie bei Guardiola schon vor der Mittellinie gestellt/Gestoppt zu werden), um dann widerum selbst „chaotisch“ direkt vertikal zu gehen.
Spaniens Erfolg kam auch daher, weil die Eingespieltheit und taktische Finesse der Nationalmannschaften lange nicht hinterher kam. Mittlerweile hat man sich von den Viererketten in der Abwehr als Dogma gelöst und findet per Dreier/Fünferkette ein gutes Gegenmittel. Das „tiki taka“ ist nicht schlecht, aber es benötigt mehr denn je starke Individualisten, um diese starren Situationen, die es immer heraufbeschwört, auflösen zu können. Deswegen sind die Bayern zahnloser, wenn Robben fehlt, dito auch Barca ohne Messi. Spanien für sich hat keinen so überragenden (torgefährlichen) Einzelkönner, also geschieht es mittlerweile schneller, dass man verliert.
luckyluke 1. Juli 2016 um 11:52
Wie gesagt, waren meine Ausführungen eher als „philosophische Grundgedanken“ (schreckliche Überhöhung, aber mir fällt nichts besseres ein :D) gemeint und nicht prinzipiell als konkrete taktische Vorgehensweise. Ich wollte einfach nur sagen, dass in diesem Fall, meiner Meinung nach, Kontrolle Chaos schlägt und nicht Chaos das Chaos.
Um auf deine Ausführung einzugehen: ich denke, dass ein großes Problem ist, dass gegen Bayern und Spanien oftmals sehr viele Spieler der gegnerischen Mannschaft hinter dem Ball und in der Formation bleiben, auch bei eigenem Ballbesitz. Gerade bei Dortmund und Bayern ist hier noch ein großer Unterschied zu erkennen (schon allein am „Abschenken“ des Spiels gegen die Bayern und den „wir schlagen dien großen BVB“ Floskeln vor den Spielen in der Bundesliga). Bei der deutschen Mannschaft sehe ich erhlich gesagt bis auf Kimmich in den letzten Spielen und teilweise Khedira (Gomez noch mit einer Art Rückwärtspressing) kein Gegenpressing, weswegen ich das nicht vergleichen kann.
Das Problem bei tieferen Pressingfallen, oder allgemein tieferen Ballgewinnen ist nunmal auch, dass du deren Funktionieren nicht garantieren kannst und wenn sie schiefgehen die Chancen des Gegners gefährliche Situationen heraufzubeschwören stark ansteigen und man selbst einen löängeren Weg hin zu gefährlichen Zonen hat. Es entsteht also Chaos auf beiden Seiten, das sich dann entweder neutralisiert oder durch individuelle Klasse aufgelöst wird…
Die Abhängigkeit der Einzelspieler sehe ich gerade bei diesem Grundgedanken der Kontrolle daher eigentlich weniger stark, als bei einem grundgedanken des Chaos. Wahrscheinlich wäre jede Mannschaft der Welt zahnloser ohne Robben oder Messi, egal mit welcher grundlegenden Strategie sie spielt. Aber gerade das Fazit oben zeigt doch, dass eine Mannschaft ohne diesen offensiv individuellen Einzelkönner einer mittelmäßigen Performance (Spanien) einer überperformende Mannschaft (Italien) fast ebenbürtig ist.
DerEntlauber 29. Juni 2016 um 23:42
Ein bisschen off topic, aber man sieht auch wieder, wieviel vom Glück (das man auch erzwingen muss, ich weiß) abhängt. Wer weiß, wie lange die Italiener in der zweiten Halbzeit das brutal konditionsfordernde Anlaufen und Verschieben beibehalten hätten können, wenn sie eben nicht in Führung gegangen wären.
luckyluke 29. Juni 2016 um 23:06
Das 4-3-3 ist tot!!
(okay ich warte schon seit dem Spiel auf diesen Artikeln, nur um meine reißerische Überschrift loszuwerden).
Worauf ich aber hinaus will, ist, dass ich es auffällig finde, dass gerade auf dem Papier überlegene Mannschaften im 4-3-3 Schwierigkeiten gegen die defensiven Erscheinungen dieses Turniers haben (Kroatien-Portugal, Spanien-Italien, England-Island…). Und dabei scheint es egal zu sein, ob die Defensive als 4-4-2 oder mit einer Dreier-/Fünferkette organisiert wird. Ist das nur Zufall oder hat das 4-3-3 gegen die für dieses Turnier typischen Defensivmechanismen/-formationen strukturell klare Nachteile?
P.s. Mir ist schon klar, dass eine Mannschaft auch in einem 4-3-3 hätte gewinnen können und dass es immer auf die genaue Ausführung des Systems ankommt, aber vielleicht findet sich ja dennoch eine Erklärung für meine Beobachtung…
The Soulcollector 30. Juni 2016 um 00:06
Im 4-3-3 hat man eben „nur“ 3 Spieler in Tornähe. Die Mittelfeldreihe besetzt ja eher den Rückraum. Man hat vorne also entweder zu wenig Breite (Gegner kann zum Ball verschieben) oder die Spieler sind sehr isoliert. Bei einer 3-1 Ordnung kann der ballferne AS immer Breite geben und trotzdem hat man lokal 3 Spieler (Stichwort Dreieck) auf engem Raum. Deutschland könnte das aber trotzdem lösen weil die Breite ja von den sehr offensiven AVs kommt. Im Artikel steht es ja: Bei Spanien wurde Silvas Einrücken ja nicht von außen flankiert weswegen Italien halt sehr kompakt zum Ball verschieben konnte ohne die Gefahr einer Verlagerung. Sollten Kimmich und Hector spielen, sind bei Deutschland auf beiden Seiten Spieler für Verlagerungen anspielbar. Zwar könnten die Italienischen AV dann mannorientiert decken aber dann st wieder mehr Platz in der Mitte.
August Bebel 30. Juni 2016 um 12:48
Wer hat denn bei Kroatien – Portugal 4-3-3 gespielt? Kroatien (die nominell wohl leicht überlegene Mannschaft) hat für meine Begriffe 4-4-1-1 bzw. 4-2-3-1 gespielt, Portugal 4-4-2 und später 4-1-4-1. Ich glaube, man sollte diese Formationen nicht überbewerten, zumal sie ja immer flexibler mit Umstellungen im Spiel und Asymmetrien gehandhabt werden.
rayclaudio 30. Juni 2016 um 14:24
Ich finde aber schon, dass das 4-3-3 an diesem Turnier etwas „unter die Räder“ kam. Auch die Franzosen mussten es gegen Irland in der 2. Hälfte aufgeben. Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass dem 4-3-3 gegen gute Defensiven die Breite fehlt. Man kann gut Räume überladen und spielerisch kontrollieren. Aber oft fehlt den Mannschaften mit 4-3-3 etwas der Zug nach vorne („Vertikalität“). Die Schweizer machen das in Perfektion: Spielkontrolle ohne Gefahr… Ok, ob Dzemaili nun 10er ist oder 8er, darüber kann man jetzt lamentieren…
Grundsätzlich sehe ich eher einen Trend zu einer Art 4-2-4, oder wie es in der Analyse zu FRA – IRL steht: Das „vorwärtsgerichtete 4-2-3-1“. Naja, wenn die Flügel eine Art „inverted Winger“ Spielen (Payet/Coman) und der 10er als zurückhängende Spitze agiert (Griezmann), dann ist das für mich 4-2-4. 4 Stürmer eben… Auch wenn der Aufbau vorne ein Rhombus ist. Das „System“ hat man auch am Ende von SUI – POL gesehen von den Schweizern (Seferovic – Derdiyok – Shaqiri – Embolo in vorderster Reihe), bei Belgien gegen Ungarn (Hazard – Lukaku – De Bruyne – Mertens) und bei Deutschland (Draxler/Götze – Gomez – Özil – Müller).
Es schein, als wollten die spielstarken Mannschaften gegen die Defensiven Bollwerke aufrüsten :-). Wäre ich Hodgson, hätte ich Rooney auf die 10 beordert gegen Island, dann wärs auch dieses 4-2-4. Und natürlich Lallana oder Rashford für Sterling. Wetten, sie hätten gewonnen? Ok, unter der Annahme, dass Dier im Spielaufbau mit den isländischen Stürmern zurecht käme, aber da hätte er ja auch noch eine Partner…
luckyluke 1. Juli 2016 um 14:41
Du hast Recht, da habe ich mich wohl falsch erinnert.
Natürlich sollte man die Formationen nicht überbewerten und jedes 4-3-3 wird anders gespielt. Aber gerade in den Nationalmannschaften scheint mir die Orientierung an der grundsätzlichen Formation wichtig, da für die Asymetrien und Umstellungen Trainingszeit benötigt wird, die bei Nationalmannschaften eben oft fehlt. Gerade gegen die Defensivtaktiken dieser Europameisterschaft wäre vielleicht ein Zwischenraumspieler (10er) sinvvol, der schon durch seine Aufstellung die Linien der Gegner beschäftigt, da sie sich einigen müssen, wie mit diesem Spieler außerhalb ihrer eigenen Linien umgegangen wird. Vor allem im Verbund mit den Mannorientierungen wäre dies interessant, da diese entweder nicht durchgezogen werden könnten, um die Linie aufrechtzuerhalten oder die Linie wird nicht aurfrechterhalten, wodurch Raum entsteht. Natürlich ist das auch in einem 4-3-3 möglich (und in jedem anderen System auch), ist aber vielleicht einfacher, wenn die Abläufe hierfür nicht erst trainiert werden müssen, sondern durch die Aufstellung „automatisch“ vorhanden sind…
luckyluke 1. Juli 2016 um 14:42
Linie = Kette…keine Ahnung, was da in meinem Kopf los war 😀
August Bebel 2. Juli 2016 um 11:54
Dass die Nationalmannschaften weniger Trainingszeit haben und die Grundformation daher wichtiger ist, ist ein sehr guter Punkt. Und es stimmt, auch bei den Franzosen hat das 4-3-3 bislang eher mäßig funktioniert. Ich könnte mir vorstellen, dass sie gegen Island darauf verzichten, zumal Kanté ja gesperrt ist.
August Bebel 29. Juni 2016 um 22:26
Sehr gelungene Analyse. Super Leistung der italienischen Mannschaft, die so um die 30. Minute ja sogar mehr Ballbesitz hatte, was nicht zuletzt auch mit der sehr sicheren Juve-Gruppe hinten zu tun hatte. Ein öfter verwendetes Muster meine ich in diesem Turnier bei Italien erkannt zu haben: wenn Chiellini zum linken Flügelläufer passt und der direkt unter Druck gesetzt wird, spielt er (i.d.R. ein Rechtsfuß) den Ball mit rechts direkt scharf und (halb-)hoch in Richtung Mitte, in Richtung der Stürmer.
Ich war wirklich beeindruckt von Giaccherini (auch gegen Belgien) und de Sciglio, die ich bislang nicht für sonderlich hochklassig gehalten habe. Conte scheint da nicht nur taktisch, sondern auch hinsichtlich Einstellung, Motivation und Selbstbewusstsein usw. tolle Arbeit zu leisten.
Schorsch 29. Juni 2016 um 21:59
Erstklassige Analyse, einmal mehr. Chapeau!
Dass der Kräfteverschleiß der italienischen Spieler mitentscheidend für den höheren Ballbesitzanteil und auch für die höhere Anzahl an Chancen der Spanier in der zweiten im Vergleich zur ersten Halbzeit (gab es in der ersten überhaupt welche?) war, habe ich auch so wahrgenommen. MMn ein wichtiger Fingerzeig für Löw. Die Spanier haben es aber in dieser Phase des Spiels nicht verstanden, daraus tatsächlich Nutzen zu ziehen. Vielleicht liegt bei ihnen doch noch ewas mehr im Argen. Aber ob Italien gegen die DFB-Auswahl so spielen wird wie gegen Spanien oder eher so wie gegen Belgien oder wieder ein wenig anders, bleibt abzuwarten.
MR verweist u.a. auf das 1:1 im ersten Gruppenspiel beider Teams bei der EM vor vier Jahren. Damals zog Prandelli auch die Dreierkette aus dem Köcher (allerdings auch, weil ihm die Außenverteidiger fehlten) und landete zumindest einen Achtungserfolg. Die Frage, warum er im Finale mit der Viererkette (und somit mit den zwei eher langsamen Außenverteidigern) spielte und nicht wieder mit der Dreierkette, hat mich damals beschäftigt und sie tut es heute noch. Spanien hat genau dies damals brutal ausgenutzt.
Aber so ist das eben. Man sieht sich immer zweimal im Leben. Und im Fußball durchaus öfter… 😉
Stefan G 29. Juni 2016 um 21:25
Ganz starke Analyse. Und obendrein sehr angenehm zu lesen. Besten Dank!
Dr. Acula 29. Juni 2016 um 21:18
tolle analyse. gut angefangen, perfekt abgerundet. eigene thesen aufgenommen und in relation zum gesamtbild gesetzt. 10/10!
PS: einziger kleiner makel: das wort tiqi-taqa, das ja von guardiolas biograph zurecht gerückt wurde
Barry Weber 29. Juni 2016 um 21:00
Ein wenig halbgar – hat wohl ein wenig Überwindung gekostet, eine spanische Tikitaka-Niederlage zu beschreiben.