Die Hertha festigt Platz 3 gegen Schalke
Hertha gegen Schalke war das Spitzenspiel an diesem Spieltag. Mit einem Sieg konnte sich die drittplatzierte Hertha von Schalke absetzen und befindet sich somit weiterhin auf bestem Wege zur direkten CL-Qualifikation. Mit nunmehr drei Punkten bzw. fünf Punkten Vorsprung auf Platz 4 und Platz 5 geht der Erfolgslauf in dieser Saison weiter. Dabei gewannen die Herthaner dieses Mal gegen eine eigentlich stark aufgestellte Schalker Mannschaft.
Schalkes 4-4-2/4-4-2-0
Wie schon in der Analyse zur Partie Leverkusen gegen Hamburg geschrieben, ist das 4-4-2 im Spiel ohne Ball zur bevorzugten Formation im deutschen Fußball geworden – mit leichten systemischen Abweichungen je nach Spielermaterial und Trainer. Auch bei Schalke konnte man das in diesem Spiel beobachten. Mit Meyer und Huntelaar formierten sich die zwei vorderen Spieler meistens in einer Linie und positionierten sich einige Meter vor der Mittellinie.
Meyer und Huntelaar sollten allerdings nicht die gegnerischen Innenverteidiger konstant anlaufen. Stattdessen stellten sie den Sechserraum Herthas zu. Die zwei spielten eng vor den gegnerischen Sechsern und wollten aus dieser Position die Innenverteidiger situativ anlaufen, um sie zu isolieren und das aggressivere Pressing zu starten.
Dahinter gab es einige Mannorientierungen. Geis und Höjbjerg gingen immer wieder mit Skjelbred, Cigerci oder auch Darida mit, um deren Freilaufverhalten zu neutralisieren und bei Pässen ins Mittelfeld sofort Zugriff zu haben. Ähnliches gab es auch bei den Verteidigern und Außenverteidigern zu sehen. Die Hertha hatte darum insbesondere in den ersten zwanzig Minuten deutlich mehr Ballbesitz. Über 60% waren es anfangs, weil die Berliner immer wieder über die offenen Innenverteidiger und relativ tiefen Außenverteidiger den Ball zirkulieren ließen.
Schalke hatte in dieser Phase allerdings nicht einen Abschluss. Neben der sicheren Ballzirkulation der Hertha über die Innen- und Außenverteidiger konnte Schalke außerdem das höhere Pressing nie erfolgreich initiieren. Dies lag an einer unterschätzten und wichtigen Stärke der Hertha.
Gutes Freilaufverhalten dominiert Herthas Spielaufbau
Was die Berliner unter Dardai enorm gut im Spielaufbau machen, ist die Bewegung im Zentrum, um sich freizulaufen und anspielbar zu werden. In diesem Spiel war dies z.B. eine sehr schwierige Aufgabe, welche von den Spielern gut gelöst wurde. Wegen der Mannorientierungen der Schalker Sechser, der relativ engen Positionierung der Außenstürmer und der tiefen Ausrichtung der Stürmer, die ebenfalls einzelne Mannorientierungen auf die Sechser zeigten, gab es nur sehr wenig Raum für die Sechser. Dennoch schafften sie es, sich häufig freizulaufen.
So gab es zahlreiche Staffelungen mit nur einem Sechser; Skjelbred oder Cigerci schoben häufiger nach vorne und versuchten Räume für den jeweils anderen Sechser zu öffnen. Dazu bewegten sie sich sehr schnell und viel. Sie wechselten die Zonen in der Vertikale und in der Horizontale. Dies ist schwierig zu verteidigen. Fast durchgehend gab es einen Lauf nach vorne von einem der Sechser, der andere bewegte sich horizontal und jemand anders ließ sich wieder zurückfallen – meist Darida, gelegentlich auch Kalou von links und seltener Haraguchi von rechts.
Schalkes Spieler taten sich schwer den Überblick zu behalten und ihre Aktionen erfolgreich umzusetzen. Sobald einer der Schalker seinen Gegenspieler mannorientiert beim Anbieten verfolgte, drehte dieser ab und lief wieder nach vorne. Ein anderer Spieler ließ sich wiederum in einer anderen Zone zurückfallen und musste von einem der anderen Schalker Spieler übernommen werden. Das ist allerdings nicht einfach: Irgendwann öffnen sich Räume oder es werden Läufe der Herthaner übersehen. Diese laufen sich nicht nur viel frei, sondern taten dies auch positionell recht gut. Das Timing war nicht schlecht und die Positionsfindung gut; selten bewegte sich wer zu weit nach hinten und man positionierte sich geschickt in den Schnittstellen der ersten Schalker Pressinglinie.
Wichtig war hierbei auch die Spielweise der offensiven Dreierreihe. Kalou ging häufiger ballfordernd in tiefe Zonen und bot sich an. Sein Außenverteidiger verfolgte ihn aus Stabilitätsgründen nicht in Richtung Zentrum und so weit nach vorne, wodurch Kalou einige Male den Ball im linken Halbraum erhalten konnte. In einer Situation kippte er sogar zwischen Außen- und Innenverteidiger ab, welche gut auf die Bewegungen in der Mitte reagierten. Haraguchi, Darida und Kalou tauschten desweiteren öfters die Positionen. Darida konnte die Flügel übernehmen, Haraguchi und Kalou kamen ballfordernd in den Zwischenlinienraum, spielten insgesamt tororientiert und kreierten kleinräumige Überzahlsituationen.
So fiel das 1:0 nach einer Balleroberung nach einem zweiten Ball, wo sich Ibisevic, Darida, Haraguchi und Kalou sehr gut in engen Räumen bewegten und schnell kombinierten. Schon zuvor war die Hertha aber dank des Freilaufverhaltens und vielen Verlagerungen mit Vorstößen der Außenverteidiger attackierender geworden. Dies führte zu einem offeneren Spiel, welches nach dem 0:1 durch die starke Ausrichtung der Herthaner in der zweiten Halbzeit endete. Schalke fand gegen deren Defensive kaum adäquate Abschlusssituationen vor.
Verbindungsprobleme im letzten Drittel gegen Herthas flexibles Pressing
Trotz der Führung spielte die Hertha anfangs nicht tiefer. Sie setzten Schalke weiterhin im Spielaufbau unter Druck und nutzten grundsätzlich die gleichen Mechanismen wie in der ersten Halbzeit. Das Pressing startete etwas vor der Mittellinie und meistens in einem 4-4-1-1. Darida war als hängender Stürmer ungemein wichtig, weil er sich immer wieder mit Ibisevic in einer Linie positionierte und gemeinsam die Innenverteidiger attackierte, ohne dabei Passwege in den Sechserraum zu öffnen. Dies wurde – genau wie bei Schalke – durch einige Mannorientierungen der Sechser unterstützt.
Der Unterschied lag in den Details; Herthas Herausrückbewegungen in kleinräumigen Situationen sind sehr gut. Das Timing der Viererkette beim Attackieren im Zwischenlinienraum ist stark, ebenso wie die Absicherungsbewegungen der restlichen Spieler. Die Kompaktheit ist hoch und wird nach Ballverlusten schnell wieder hergestellt.
Dabei lassen sich die Herthaner auch schnell wieder hinter den Ball zurückfallen, wenn das Gegenpressing fehlschlägt oder nicht praktiziert wird. Dadurch verdichten sie die Räume, der Gegner muss häufig zurück- oder auf die Seite spielen. Konterangriffe gegen die Hertha durchzubringen oder kurzzeitige Desorganisation auszunutzen ist somit äußerst schwierig. Die Abstände sind gut und Löcher vorzufinden erweist sich als ein Ding der Unmöglichkeit – besonders, wenn die alte Dame in Führung ist. Situativ wurde auch ein 4-1-4-1 durch das Zurückfallen Daridas kreiert, am eigenen Strafraum wirkte es gar 4-5-1haft.
Schalke konnte dagegen kaum effektiv vorgehen. Viele Abschlüsse gab es unter Bedrängnis oder aus der Distanz. Die Bewegungen im ersten und zweiten Drittel waren dabei sogar noch vergleichsweise effektiv. Geis und Höjbjerg kippten im Wechsel zwischen die Innenverteidiger oder zwischen Innen- und Außenverteidiger ab. Die Außenverteidiger konnten dadurch nach vorne schieben, dazu bewegten sich Belhanda, Schöpf und Meyer geschickt in der Mitte. Die Pässe ins zweite Drittel waren somit selten ein Problem – im letzten Drittel wiederum konnte man kaum kombinieren.
Hier waren die Räume sehr eng und die Abstände passten oft nicht mehr. Vielfach stand Schalke in der letzten Linie zu flach und konnte sich den Ball nicht erfolgsstabil zuspielen. Schalkes Umstellungen in der zweiten Halbzeit änderten daran wenig. Di Santo kam über den linken Flügel, Belhanda und Sam besetzten die Mitte als sehr offensive Achter vor Sechser Höjbjerg und Sané kam über die rechte Außenbahn. Herthas Defensive konnte diesem 4-3-3 (eine Mischung aus 4-1-4-1 und 4-3-2-1,um genauer zu sein) allerdings trotzdem.
Fazit
Ein gutes Spiel zweier konkurrierender Mannschaften, welches die Hertha dank etwas höherer Stabilität und Durchschlagskraft für sich entscheiden konnte. Dank des starken Pressings und extrem guten Freilaufverhaltens konnte man Schalkes Stärken neutralisieren und sich auf Platz drei festsetzen. Die Schalker schafften es hingegen nicht im letzten Drittel ihre Kombinationen durchzubringen, trotz so starker Einzelspieler wie Belhanda, Schöpf und Meyer hinter Huntelaar.
17 Kommentare Alle anzeigen
Schorsch 16. März 2016 um 14:35
Da könntest Du richtig liegen mit Deiner Einschätzung zu Cigerci. Ich habe auch den Eindruck, dass die Abstimmung zwischen Skjelbred und Cigerci gut funktioniert, mindestens so gut wie mit Lustenberger und Skjelbred. Aber mit einer ewas dynamischeren, etwas offensiveren Komponente versehen. Ich glaube aber nicht, dass Lustenberger seinen Platz verlieren wird. Dafür ist er für die Mannschaft zu wichtig und er hat ja durchaus auch ein gewisses standing bei Dárdai. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass Dárdai zukünftig Lustenberger oder Cigerci eventuell je nach Gegner den Vorzug geben könnte.
Wie auch immer, es ist doch sehr positiv, dass die Hertha mittlerweile personell gute Alternativen hat.
Vinnie 16. März 2016 um 16:15
Ja, genau so würde ich das auch sehen! Eine mögliche Entwicklung hin zu mehr Dominanz und Ballbesitz könnte einhergehen mit mehr Spielminuten für Cigerci – natürlich ohne dass Dardai dabei jetzt auf einmal seinen insbesondere defensiv ziemlich starken Kapitän ausbootet.
RoyalBlue 16. März 2016 um 10:53
Danke für die Analyse, zeigt sehr schön die grundsätzlichen Stärken (und Schwächen) beider Mannschaften in Bezug auf dieses konkrete Spiel. Und es zeigt auch, dass das die Leistung der Schalker bei weitem nicht so schlecht war wie sie in Fankreisen oft gemacht wurde.
Ganz allgemein kann man vielleicht sagen, dass die Hertha in ihren Abläufen etwas klarer und gefestigter ist als es die Schalker sind und deshalb auch verdient gewonnen hat bzw. in der Tabelle weiter oben steht. Die tiefe Ballzirkulation und die hier sehr schön beschriebenen Bewegungen im Zentrum sind in erster Linie dafür verantwortlich (und werden leider oft übersehen). Breitenreiter scheint in der Rückrunde eigentlich ähnliches im Sinn zu haben, setzt dies aber mit seiner Mannschaft nicht so gut um. Man sieht bei Schalke auch häufig flexible abkippende Bewegungen von Geis und Goretzka/hojbjerg zwischen oder neben die IV. Und auch Belhanda zeigt sich gerne und viel im linken Halbraum (ähnlich wie Kalou) und bietet von dort aus sogar oft kreative Ideen an. Nur reagiert das Kollektiv einfach nicht so gut auf die jeweiligen Bewegungen wie bei den Berlinern, es bleiben meist gute oder schlechte, aber immer isolierte Einzelaktionen. Die erzeugen aufgrund der hohen individuellen Qualität zwar hin und wieder Gefahr, sind aber nicht nachhaltig.
Dazu kommt, dass ich immer mehr das Gefühl habe, dass es für das Spiel im letzten Drittel keinen wirklich klaren Plan gibt. Im Artikel wird das auch ganz kurz angerissen. Man schafft es wirklich nur selten im letzten Drittel für eindeutige Gefahr/Chancen zu sorgen (mal von Kontern abgesehen). In den letzten Wochen gab es z.B. häufig etwas zurückfallende Bewegungen von Huntelaar zu sehen, der dann den eh schon (doppelt) besetzten 10er-Raum überladen hat. Es fehlten aber häufig Präsenz in der Tiefe bzw. Läufe in die Schnittstelle, die man hätte nutzen können. Einen klaren Flügelfokus wie noch in der Hinrunde gibt es aber auch nicht mehr. So bleibt am Ende, trotz teilweise verbesserter Strukturen im Aufbau, vieles Stückwerk.
Letztendlich ist das etwas frustrierend, wenn man sieht was Schalke momentan so auf den Platz bekommt. Eine grundsätzliche Basis ist vorhanden, das entsprechende Spielermaterial und die individuelle Qualität sowieso. Nur schafft es Breitenreiter nicht das zu 100% zu nutzen. Dazu kommt, dass auch gelungene Gegneranpassungen eine echte Seltenheit sind. Eigentlich traurig, wie viel Potenzial da momentan verschwendet wird…
ES 16. März 2016 um 18:36
Das ist für mich in Hinblick auf Schalke zu negativ gesehen und auch gar nicht die Aussage von RM.
Zunächst im Vergleich zu Hertha: Berlin ist klarer und gefestigter in dem, was sie machen. Das mag so sein, aber sie sind auch deutlich unambitionierter in ihrer ganzen Spielanlage, was aktuell auch deren Vorteil ist. Das bedeutet: Sie versuchen erst gar nicht als Tabellen-Dritter im Heimspiel dominant aufzutreten und damit Chancen zu erzwingen, sondern begnügen sich damit, risikoarm und letztlich wenig druckvoll mitzuspielen, warten aber auf den Fehler des Gegners und nutzen den im Umschaltspiel (und beim 2:0 im Standard) sehr stark und konsequent aus. Hertha wäre gerne und zufrieden mit einem 0:0 in die Pause gegangen, haben aber den einen entscheidenden Fehler im Aufbauspiel des Gegners gerne mitgenommen. So eine zwar saubere aber unambitionierte Spielweise wäre im Schalker Stadion vom Publikum nicht hingenommen worden (und das Anspruchsverhalten wird sich in Berlin mit dem Erfolg natürlich auch ändern).
Das Bewegungsspiel und das Aufbauspiel in den ersten beiden Reihen hat sich bei Schalke klar verbessert gegenüber den beiden dunklen Keller/RDM-Jahren, und noch einmal im Vergleich zur Hinrunde. Es wird nun konsequent und trotz Pressingdrucks gut bis in das vordere Drittel gespielt (Beispiel von Spiel zu Spiel verbesserte Beteiligung von Fährmann am sauberen Spielaufbau ohne lange Abschläge). Das MF ist dabei sehr bewglich (und gerade Geis hat sich hier gegenüber der Hinrunde sehr verbessert). Das mag nicht so konsequent umgesetzt sein, und von der Entwicklung nicht schnell genug. Aber es ist doch ein klarer Trend und eine klare Verbesserung zu einem wesentlich ansehnlicherem Spiel.
Zum Stückwerk des letzten Drittels: Zwei Schlüsselspieler bei Schalke im vorderen Drittel sind aktuell Schöpf und Belhanda. Die sind im Winter gekommen, und spielen in der Konstellation noch keine 10 Spiele zusammen. Die Saisonvorbereitung war klar auf Draxler zugeschnitten, für Durchschlagskraft ganz vorne hat bisher vor allen Dingen Choupo-Moting gesorgt, der aktuell verletzt fehlt. Natürlich ist da nicht alles Plan, und vieles Stückwerk. Aber eine andere Erwartung wäre da auch vermessen. Zudem war ein Schlüssel für das Ausschalten des Schalker Offensivspiels, dass Hertha Meyer sehr gut auch körperlich unter Druck gesetzt hat (und er nicht gerade seinen besten Tag erwischt hatte (einige unglückliche Entscheidungen, die er meist so nicht trifft).
Ich kann Deine Frustration nicht teilen. ich finde, dass auch so eine Niederlage wie gegen Berlin deutlich besser zu sehen ist als die meisten Siege unter Keller.
Und wenn wir schon mal vergleichen mit anderen Clubs: Warum mit Hertha vergleichen, die sicher wieder wie Augsburg oder wer auch immer sich mal da nach oben wagt, im nächsten Jahr wieder durchgereicht werden, wenn die Mehrfachbelastung plus Verlust des Underdog-Images plus höherer Erwartungshaltung des Umfelds kommt: Warum nicht mit Wolfsburg und Leverkusen, mit ähnlichem, von den Finanzen und dem Umfeld her sogar deutlich komfortablere Bedingungen, deren Trainer 1 bzw. 2 Jahre Vorsprung im Aufbau einer Mannschaft haben vor Breitenreiter, und die nun wahrlich nicht besser dastehen.
Please let the church in the village, wie der Engländer sagen würde 🙂
RoyalBlue 16. März 2016 um 19:32
Eigentlich möchte ich dir grundsätzlich gar nicht wirklich widersprechen, und ich glaube inhaltlich sind wir ja auch gar nicht soweit auseinander. Das Spiel gegen Berlin wollte ich auch gar nicht zu sehr kritisieren, das war in Bezug zur bisherigen Saison vollkommen okay (habe ich ganz oben ja auch angedeutet). Nur ist meine Erwartungshaltung bzw. Geduld gegenüber Breitenreiter wohl etwas anders. Mal abgesehen davon, ob das Publikum solch eine Spielweise wie die der Hertha, die ich übrigens für gar nicht so ambitionslos halte, akzeptieren würde (ich glaube das würde man bei selber Punkteausbeute), sehe ich einfach das große Potenzial. Da geht doch eigentlich viel mehr, sogar mit geringeren finanziellen Mitteln/individueller Qualität. Und genau das zeigt eben die Hertha. Dardai ist quasi ähnlich lange Cheftrainer dort und hat schon eine andere bzw. bessere Basis als Breitenreiter geschaffen. Schalke dagegen hat sich eine Halbserie lang auf uninspiriertes und ineffizientes Flügelspiel versteift. Klar, jetzt können wir natürlich über eine höhere Erwartungshaltung diskutieren, die die Entwicklung und Spielweise vielleicht beeinflusst hat, aber die hatte Tuchel beim BVB z.B. auch (klar, besserer Kader, trotzdem ist es beeindruckend was er dort bislang geschafft hat). Und deshalb würde ich mir einfach etwas mehr Entwicklung wünschen. Oder kurz gesagt: Ja, die bisherige Entwicklung geht mir zu langsam voran. Und das auch, weil ich nicht davon überzeugt bin, dass Breitenreiter das Ganze langfristig nochmal steigern kann und unser Niveau kontinuierlich erhöhen kann. Aber das ist zugegebenermaßen sehr subjektiv und hypothetisch.
Zu dem Vergleich mit Wolfsburg/Bayer: Stimmt schon, mit denen sollte man sich momentan am ehesten vergleichen. Nur spielen beide für ihre Verhältnisse wirklich eine extrem schwache Saison. Und Schalke steht grade mal ein paar Punkte über diesen beiden Clubs. Ich glaube, dass Breitenreiter die Schwächephase dieser beiden Clubs extrem in die Karten spielt und schwächere Leistungen sehr kaschiert. „Es besteht ja noch Anschluss an die vorderen Plätze“, sagt man dann so. Man stelle sich mal vor, die beiden würden ihrem Niveau entsprechend so viele Punkte holen wie im letzten Jahr. Dann würde man den, mMn bestenfalls mittelmäßigen, spielerischen Fortschritt unter Breitenreiter ganz anders bewerten.
ES 16. März 2016 um 21:17
Tuchel- und Guardiola-Vergleiche lasse ich grundsätzlich nicht zu. Das sind Ausnahme-Trainer. Ich unterschreibe gerne, dass Schalke unter Guardiola oder Tuchel mindestens 10 Punkte mehr geholt hätte bei attraktiveren Spiel. Aber das gilt für alle anderen Mannschaften der Bl ausser für Darmstadt, Hertha, Mainz und Ingolstadt.
Leider hatte Klopp seine Schwächephase just in dem Moment, als Tuchel zur Verfügung stand. Schade, sonst wäre der mit Sicherheit bei Schalke gelandet. Ok, kurz Träne wegdrücken und Mund abwischen und wieder auf die Realität schauen: Breitenreiter ist offenbar kein Übertrainer, aber unter den Verfügbaren doch kein schlechter. Dardai überrascht und macht vieles gut. Aber vielleicht hat Hertha auch insgesamt eine klasse-Mannschaft zusammen, und das Lob gebührt dem Manager, der an ein paar Punkten ein glückliches Händchen hatte. Nehmen wir beispielsweise den Sturm: Da ist im Vergleich zu Ibisevic der Hunter bei Schalke etwas in die Jahre gekommen und hat mittlerweile geringere Durchschlagskraft. Und im Vergleich ist doch offenbar ein Kalou um Längen besser als di Santos. Und auch das hat im Spiel letztlich den Unterschied gemacht, in der individuell besseren Qualität da wo es ganz wichtig ist, nämlich ganz vorne.
Die Entwicklung unter Breitenreiter ist deutlich da, gerade in den letzten Spielen. Ich plädiere nach wie vor dafür, etwas Geduld mitzubringen. Und mal eher das halb volle Glas zu sehen (gerne 5 € in’s Phrasenschwein)
RoyalBlue 18. März 2016 um 11:35
Wenn man bedenkt, dass Tuches wohl auch Schalkerer wäre, wenn man noch etwas länger an Keller festgehalten, und sich damit gleichzeitig RDM erspart hätte, muss ich als Fan (von Schalke und von Tuchel) im übertragenen Sinne doch mehr als ein Tränken verdrücken. Aber gut, ist nicht der Fall und damit jetzt auch abgehackt.
Ich sehe einfach nur immer das Optimum und möchte mich daran orientieren. Und das erreichen wir momentan bestimmt nicht. Aber vielleicht hast du Recht, ein bisschen mehr Geduld könnte von Vorteil sein. Ist zwar nicht die ganz große Stärke der Schalker, aber ich werde mich gleich mal heute Abend daran versuchen 😉
chroesi 14. März 2016 um 18:04
Schöne Analyse. Danke, dass Ihr Euch mal mit Herthas starker Saisonleistung auseinandersetzt. Ihr seid das erste Medium, dass mir den Erfolg mal aus taktischer Sicht und nicht nur mit „die haben halt Glück“ erklärt. Sehr gut.
blub 14. März 2016 um 14:57
Hey,
ich bin hier meistens nur als interessierter Leser dabei, aber dieses Mal kommt mir der Beginn der zweiten Hälfte doch etwas kurz. Schalke kam ja durchaus mit höherem Pressing und einer Druckphase aus der Halbzeit (in den Zeitraum fällt ja auch die Großchance von Aogo) und solche ziemlich hohen und agressiven Phasen hatte man zum teil ja auch in Köln gesehen. Eine Einschätzung wie stabil diese Ausrichtung (vor allem im Gegenpressing), hätte ich interessant gefunden.
Des Weiteren erwähnst du ja, dass Schalke in der ersten und 2. Linie trotz des starken Pressings von Hertha relativ wenig Probleme bekommen hat und erst im letzten Dritten wirkliche Verbindungsprobleme hatte. Könnt ihr dort eine Verbesserung von Geis feststellen? Er hatte ja anfangs der Saison ziemlich viel Kritik einstecken müssen und ich fand ihn in der Rückrunde da intelligenter und dosierter im Abkippen und seiner Einstreuung der langen Bälle.
Des Weiteren kann ich dem Absatz zu den Umstellungen von Breitenreiter nicht ganz zustimmen – seine Wechsel waren nicht nur effektlos in der Offensive, sie haben meines Erachtens auch die Stabilität im Aufbauspiel und die Ansätze des Gegenpressings geschwächt. Bin allgemein Breitenreiter nach Keller und Di Matteo nicht abgeneigt, sehe ihn aber vor allem im ingame-coaching relativ schwach (bringt bei Rückstand oft einen 2. Stürmer und es geht nur noch über die außen mit Verbindungs- und Absicherungsproblemen.)
Was haltet ihr eigentlich von den Spielern Kehrer/Friedrich und Reese (Schalker U19) ?
Hatte öfter schon überlegt, ob gegen spielstarke Gegner nicht Neustädter als Sechser, Goretzka und Højbjerg/Meyer als Achter Sinn machen könnte, nur dann müsste die Innenverteidigerposition von Neustädter von einem der beiden oben genannten übernommen werden. Reese könnte in meinen Überlegungen durch seine Geschwindigkeit mit Sane im Umschaltspiel sehr effektiv werden.
Entschuldigt bitte das off-topic am Ende, würde mich über Antworten sehr freuen – vielen Dank schonmal im Voraus 🙂
Daniel 14. März 2016 um 13:01
Guter Artikel, danke schön. Etwas kritischer als du sehe ich die Wechsel von Andre Breitenreiter: Er hat in meinen Augen uninspiriert Mittelfeldspieler aus- und einen Mittelstürmer und zwei Flügelspieler eingewechselt. Um dann halbwegs die Verbindungen aufrechtzuerhalten mussten dann Spieler für sie unpassende Rollen wahrnehmen (di Santo links, Huntelaar teilweise zurückfallend, Sam hat ein paar Mal versucht das Spiel aufzubauen). Vor den Wechseln war Schalke nur leicht unterlegen, danach hatten sie Glück, keine Packung zu bekommen.
Anderes Thema: was wird Hertha hier im Forum zugetraut? In den letzten Jahren war es oftmals ein Problem, wenn ein vermeintlicher Abstiegskandidat nach starker Saison wie die Jungfrau zum Kinde zur Qualifikation für Europa gekommen ist. Andererseits erscheint mir die Hertha schon stabiler und gefestigter als frühere Sensationsmannschaften wie letztes Jahr Augsburg.
Wenn ich mich an den Podcast zum Rückrundenauftakt richtig erinnere war damals der Tenor, dass die Hertha überperformt und noch einige Mannschaft wird passieren lassen müssen. Jetzt haben sie aber schon einen veritablen Vorsprung (insbesondere auf die nominell wohl stärksten Verfolger Leverkusen und Wolfsburg). Denkt ihr, dass die Hertha tatsächlich in die CL kommt? Was traut ihr ihnen in der EL/CL zu? Und wie werden sie mit der Dreifachbelastung zurecht kommen?
Daniel 16. März 2016 um 00:10
Sorry für den Doppelpost. Meine Kommentare wurden irgendwie erst so viel später angezeigt, dass ich dachte, der untere wäre irgendwie nicht angekommen. Den zweiten Kommentar könnt ihr gern löschen, aber das macht ihr ja glaub ich nicht… 😉
Koom 16. März 2016 um 09:26
Persönlich würde ich Hertha in der CL nicht viel zutrauen. Da ist dann der Qualitätssprung m.E. zu groß und die taktische Qualität der Gegner auch nicht so viel schlechter.
In der Bundesliga halte ich Hertha unter den ganzen „Mittelklasse“-Klubs (sprich: Alles außer Bayern und Dortmund) schlichtweg für den Stabilsten. Gute Verteidigung, solides Offensiv- und Ballbesitzspiel und das ganze ziemlich konstant ohne verrückte Sachen. IMO wie Mainz, nur noch ein wenig stabiler, primär wegen dem besseren Ballbesitzspiel.
Schaut man sich die individuell stärkere Konkurrenz an, vor allem Schalke und Leverkusen, sind das taktisch mittlerweile vogelwild agierende Umschaltteams. Das ist IMO wenig erfolgsstabil und bringt die PS der Spieler nicht so wirklich auf die Fahrbahn. Und Wolfsburg fehlt vorne die Extraklasse, die es bei dem eher abwartend-verhaltenen System von Hecking braucht, damit es regelmässiger punktet.
ES 16. März 2016 um 19:32
Wenn du Schalke als vogelwildes Umschaltteam bezeichnest, kannst du kein einziges Spiel der Schalker in der Rückrunde gesehen haben (insbesondere nicht das Spiel, um das es hier geht), noch kannst du unmöglich den Artikel hier gelesen haben.
pb 19. März 2016 um 14:42
Herthas erste Elf könnte auf dem Niveau dieser Saison sicherlich in der EL gut mithalten, sogar in der CL in einer leichten Gruppe. Gent hat es in der laufenden Saison ja vorgemacht, wie man mit viel Stabilität und begrenzten spielerischen Mitteln weitaus reichere Vereine hinter sich lassen kann.
Für eine erfolgreiche Saison in Europa fehlt aber ganz klar die Kaderbreite. Selbst ohne Verletzungen hat man schon nur drei, vier ernsthafte Rotationsoptionen ( Stark, Cigerci, Pekarik…dann wird’s schon dünn ) und dazu kommen noch Olympia/EM im Sommer, zu denen man einige Spieler wird abstellen müssen. In den beiden englischen Wochen hat man gesehen, wie sich das auswirkt: Gegen Stuttgart und Hamburg war Hertha chancenlos, weil u.a. Skjelbred völlig platt war und man die hier im Artikel schön beschriebenen Mechanismen nicht mehr umsetzen konnte. Zwischen den Leistungsspitzen von Hertha und den Verfolgern liegen ja keine Welten, die Berliner können nur konstant näher an ihrem Maximum spielen. Mit regelmäßigen englischen Wochen und durch die internationalen Turniere im Sommer vorbelasteten Spielern würde das sicherlich nicht mehr so funktionieren.
Daran wird sich in der kommenden Transferperiode wohl nichts Grundlegendes ändern. Es muss ja schon besagter Substanzverlust durch EM/Olympia aufgefangen werden, dazu kommt sicherlich noch der eine oder andere Verkauf. Viel zusätzliche Substanz wird man da trotz der deutlich entspannten finanziellen Lage nicht aufbauen können.
Daniel 14. März 2016 um 12:51
Sehr gute Analyse, danke schön. Etwas kritischer als du sehe ich die Wechsel von André Breitenreiter: Er hat total uninspiriert Mittelfeldspieler aus- und einen Mittelstürmer und zwei Flügelspieler eingewechselt. Dadurch hat er seine Mannschaft defensiv destabilisiert und die offensive Durchschlagskraft zumindest nicht vergrößert. Um halbwegs die Verbindungen aufrechtzuerhalten mussten Spieler dann unpassende Rollen spielen (di Santo bringt links mMn gar nichts, Huntelaar ließ sich einige Male in den Zehnerraum fallen, Sam hat sich teilweise am Spielaufbau versucht). Bis dahin war Schalke nur knapp unterlegen, nach den Wechseln hatten sie hingegen Glück, keine Packung zu bekommen.
Anderer Punkt: was wird Hertha hier im Forum zugetraut? In den letzten Jahren war es oft problematisch, wenn ein ursprünglicher Abstiegskandidat nach einer starken Saison wie die Jungfrau zum Kinde in den Europapokal gekommen ist. Andererseits erscheint mir die Hertha schon gefestigter und stärker als letztes Jahr Augsburg oder mal Freiburg, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Wenn ich mich an den Podcast zum Rückrundenauftakt richtig erinnere war damals der Tenor, dass Hertha überperformt und noch einige andere vorbeiziehen werden. Denkt ihr, dass Hertha im Kampf um die CL- Plätze noch von Gladbach, Schalke oder vielleicht gar Leverkusen und/ oder Wolfsburg abgefangen wird (obwohl gerade letztere ja schon einen ordentlichen Rückstand haben)? Von Mainz glaub ich das nicht. Und was traut ihr ihnen in EL oder CL zu und würde sich das vielleicht negativ auf ihre Chancen in der Buli auswirken?
Schorsch 15. März 2016 um 23:11
Ich habe auch zunächst gedacht, dass die Hertha in der Rückrunde sukzessiv in der Tabelle zurückfallen könnte. Weil die anderen Teams sich auf die Spielweise der Hertha besser einstellen würden. Und so sah es ja auch durchaus zu Beginn der Rückrunde aus, als man längere Zeit auf einen Sieg warten musste. Aber einerseits haben die anderen CL-Aspiranten diese Chance durch fehlende eigene Konstanz nicht nutzen können. Und andererseits hat Pál Dárdai darauf reagiert und nach meinem Eindruck das Team noch einmal ein kleines Stück taktisch weiterentwickelt. War das Pressing in der Hinrunde noch eher ein Schwachpunkt oder vielleicht auch bewusst vernachlässigt, so hat das Team in diesem Punkt mMn mittlerweile Fortschritte erzielt. Man behält im Aufbau von hinten heraus das flache und sehr kontrollierte Spiel bei und ist auch weiterhin sehr strukturiert im Konterspiel. Auch das Rochieren der defensiven Mittelfeldpieler funktioniert weiterhin sehr gut. Im Spiel gegen den Ball meine ich nun öfters ein höheres und auch druckvolleres Pressing zu sehen, was in der Hinserie und zu Beginn der Rückrunde noch nicht praktiziert wurde. Und daran kann man die Stärke Hertha unter Dárdai mMn festmachen: Die Mannschaft entwickelt sich fast unmerklich, in kleinen Schritten immer etwas weiter. Wie weit diese Entwicklung noch gehen kann und wie limitiert dieser Prozess auch aufgrund vielleicht begrenzter individueller Qualität im Kader ist, kann niemand von außen so richtig einschätzen. Sicherlich kann es zu Rückschlägen kömmen, vor allem wenn zwei, drei Schlüsselspieler gleichzeitig mehrere Spiele ausfallen. Vor allem den von vielen unterschätzten Per Skjelbred möchte ich hier erwähnen. Aber mein Eindruck ist, dass die Hertha in dieser Saison insgesamt über eine große Stabilität verfügt. Auch wenn man ein Spiel verlieren wird, so wird man daraus eher Lehren ziehen als nervös werden. Dárdai hat vor der Saison 45 Punkte als realistisch angesehen und wurde darob etwas belächelt. Nun hat man diese 45 Punkte bereits nach dem 26. Spieltag erreicht und Dárdai bezeichnet alles was nun kommt als „Zugabe“, die man „genießen“ solle. Wie heißt es so schön: Der Druck liegt bei den anderen. Landet die Hertha am Ende auf Rang 3 oder 4, so würde mich persönlich das nicht mehr überraschen. Ich rechne allerdings eher mit einem EL-Platz.
Wie man sich dann in der EL (evtl. CL) schlagen würde, ist mMn für eine einigermaßen valide Einschätzung zu spekulativ. Zuviele Unbekannte (ungewohnter Spieltagsrhythmus, notwendige Kaderverstärkungen qualitativ und quantitativ, höhere Ausfallraten aufgrund höherer Belastung, etc.), welche auf die Hertha zukämen. Aber aufgrund der bislang gezeigten Stabilität hinsichtlich des eigenen Spiels, der Lern- und Entwicklungsfähigkeit des Teams, der (für Hertha-Verhältnisse) Ruhe im ‚Umfeld‘, des offensichtlich doch lernfähigen Managements und nicht zuletzt und vor allem aufgrund des Trainers würde ich der Hertha in der EL die Qualifikation für die K.O.-Runde zutrauen. In der CL würde man eine ‚Hammergruppe‘ bekommen. Aber sang- und klanglos würde man sich mMn auch nicht verabschieden und ein Rang 3 am Ende der Gruppenphase (und damit EL-Qualifikation) hielte ich für möglich. Aber Überraschungen gibt es immer wieder, siehe diese Saison Genk.
PS sv.de: Gibt es Probleme mit dem Server?
Vinnie 16. März 2016 um 10:59
Fantastische Analyse! Vielen Dank!
@Schorsch: Man muss sehen, ob die Hereinnahme von Cigerci anstatt von Lustenberger der Anfang einer weiteren positiven Entwicklung ist: Mein Eindruck ist, dass Cigerci mit seiner größeren Dynamik das hier gelobte Aufbauspiel mit den vielen Positionswechseln noch besser unterstützt. Am Anfang der Saison war er ja noch nicht richtig fit, und es galt vielleicht auch, erst einmal sicher zu stehen, weswegen Lustenberger den Vorzug bekam, und Cigerci nur gelegentlich auf dem Flügel eingesetzt wurde. Es würde mich aber nicht wundern, wenn wir von nun an Cigerci häufiger im zentralen Mittelfeld sehen.