Javis Vorstoß knackt das 5-4-1
Guardiolas Bayern hatten einige Mühe mit der von Schalke aufgebotenen Fünferkette, setzten sich letztlich aber durch. Das wichtige 1:2 markierte ein nach vorne durch gerückter Innenverteidiger.
Interessante Personalien vor dem Abendtopspiel des Bundesliga-Samstags: Vor allem André Breitenreiter sorgte mit einigen Umstellungen für Aufsehen. Mit einem 4-3-3 hatte man angesichts der elf Namen ebenso rechnen können wie mit einer abwartenden 4-4-2-Besetzung, doch letztlich blieb Neustädter in der hintersten Linie und es gab ein 5-4-1 – auch schon in der vorigen Saison zweimal die Wahl des damaligen Paderborner Coaches gegen den FCB. Bei den Münchenern stellte sich prinzipiell ebenfalls die Frage zwischen Dreier- und Viererkette. Letztlich war die gewählte 4-2-3-1/4-4-1-1-hafte Variante mit vielseitiger Abwehrreihe und präsent besetzter Offensive, auf die Guardiola zuletzt oft vertraute, nicht so besonders spektakulär und teilweise gar zu klar ausgerichtet.
Aus dem defensiv positionierten 5-4-1 gab es bei Schalke verschiedene situative Herausrückbewegungen in Mittelfeld und Abwehr, die häufig mannorientiert angelegt waren, wenngleich nicht ausschließlich. Neustädter orientierte sich an Müller, die Flügelverteidiger an Robben und Douglas Costa, die offensiven Außen konnten Lahm und Alaba pressen. Daneben rückten aber beispielsweise die Sechser situativ gegen Bayerns Innenverteidiger im Halbraum heraus. Im Großen und Ganzen hatten die Münchener jedoch kaum Schwierigkeiten, das Leder um die ersten Schalker Linien laufen zu lassen, zumal die Außenverteidiger zur Zentrumsstärkung situativ einrückten. So entstand eine ähnlich dominante, wenngleich strukturell völlig andere Situation, wie sie man vor zwei Wochen im Revierderby von den Dortmundern gesehen hatte.
Vielversprechender Anfang der Bayern
Nach der ersten Viertelstunde schienen die Münchener, zumal nach dem glücklich abgefälschten Alaba-Treffer bereits in Führung liegend, ihrer klaren Favoritenrolle souverän gerecht werden zu können. Aus ihren Ballbesitzphasen heraus fanden sie mit schnellen Kurzweiterleitungen und einzelnen eigenen Aufrückbewegungen die Lücken, die in Schalkes Mittelfeldlinie seitlich oder mittig aufgingen, wenn sich einer der dortigen Akteure nach vorne schob. Dafür rückte Robben immer wieder ein, Vidal auf und auch Javi Martínez dribbelte bisweilen nach vorne. Gerade der Chilene überzeugte mit einigen schnellen Entscheidungen, Folgepässen oder Ballsicherungen.
In dieser Phase brachten die Münchener einen ansehnlichen Vortrag auf den Rasen, ließen den Ball durch Schalkes Lücken zirkulieren und nahmen Königsblau den Zugriff. Auf links gab es einige Überladungen mit Einbindung von Lewandowski und Aufrücken Vidals, während Xabi Alonso situativ einen gegnerischen Sechser herauslocken konnte. Dahinter schob sich Robben als Anspielstation in die Mitte, Müller arbeitete in die Spitze oder legte ab. Zunächst nutzten die Münchener die sich öffnenden Kanäle im zweiten Drittel gut und harmonierten in der Synchronisation von Pass- und Bewegungsspiel. Das brachte den einen oder anderen gefährlichen Ansatz.
Synergieprobleme zwischen den Zonen
Auch zu diesem Zeitpunkt gab es aber schon Probleme beim Ausspielen der Szenen und kleinere Dysbalancen. Das setzte sich speziell nach dem Schalker Ausgleich fort und prägte weite Teile der ersten Hälfte, in denen die Münchener nicht ihre beste Leistung ablieferten. In ähnlich klarer Grundstruktur hatten sie schon mit Frankfurts 5-4-1 Mühe. Ein erstes Problem betraf die geringe horizontale Verbundenheit und Interaktion in der Spielweise des Rekordmeisters. Zwar gab es an der letzten Linie einige Rochaden zwischen Müller und Robben sowie einzelne weitere horizontale Läufe des Niederländers über längere Distanzen. Ansonsten waren sie in ihren Angriffsmustern aber oft sehr frühzeitig klar auf einen horizontalen Kanal festgelegt und versuchten dort zu gezwungen durchzuspielen.
Die kurzen Diagonalweiterleitungen gingen nach der Anfangsphase zurück, lange Zeit fehlte es an Halbraumverlagerungen. Auch die zu stur festgelegte, lineare Breitenrolle Douglas Costas war problematisch, da die Passwege zum Strafraum hin sehr klar wurden und das Herausrücken der Schalker Zentrumsverteidiger nicht attackier werden konnte. Sein gelegentliches Einrücken in den Zwischenraum wurde vom gegnerischen Mittelfeld oft verschluckt. Erst zur Endphase des ersten Durchgangs zeigte der Brasilianer mehr startende Dribblings aus tieferen Flügelzonen und vielversprechende Querlagen zur Mitte auf Müller und Lewandowski, die dadurch mal zu Freiheiten im Zwischenlinien- bzw. Rückraum kamen. Ansonsten war gerade Müller durch Neustädters Mannorientierung oft gut abgeschirmt.
Instabile Präsenzverteilung im Münchener Zentrum
Außerdem zeigten sich die Münchener bei ihrer Besetzung zentraler Verbindungsbereiche in der Offensive instabil. In dieser Hinsicht schienen gewisse Parallelen zum Auftritt der Dortmunder Borussia gegen Schalke auf. Trotz gelegentlicher Einrückbewegungen eines der beiden Außenstürmer fehlte es hier, gerade bei vermehrtem Herauskippen, an ausgewogener Präsenz in der zum 4-4-2 neigenden Grundstruktur. Das Duo aus Xabi Alonso und Vidal in dieser mannschaftlichen Umgebung wirkte erneut nicht ideal balanciert. Manchmal gab es zwar um Lewandowski und Müller nahe kleine lokale Ballungen am Zehnerraum, aber um die Gruppierungen herum fehlten die Anschlussverbindungen in den mittellangen Distanzen.
Daher gelang es nicht oft genug, die sehr weiträumig, oft riskanten und manchmal nicht so abgestimmt wirkenden Herausrückbewegungen aus dem Schalker Abwehrzentrum zu bestrafen, wo diese einige Male unbalancierte Abstände zwischen den Spielern oder andere Lücken ließen. Die einleitenden Vertikalzuspiele aus der Tiefe kamen zu oft in falschen Momenten, wenn die Passempfänger nicht gut genug unterstützt, abgesichert oder zu hoch positioniert waren. Bei schnell durchgelassenen Bällen, wie es Müller vereinzelt tat, gab es gegen die Schalker Lücken meist sofort größere Freiräume für einen der Offensivakteure, was die hohe Zahl an Bayern-Abschlüssen, speziell direkt aus dem Rückraum, bedingte und zeigte das Potential, das möglich gewesen wäre.
Plötzliche Konterchancen für Schalke
Einige Male wurden bei den Vertikalpässen nahe Verbindungen auch für unpassende attackierende Läufe aufgelöst oder zunächst angefangene Unterstützungsbewegungen nicht fortgeführt. So musste der zurückfallend in Ballbesitz gelangende Spieler vom Tor weg dribbeln, weit zurückspielen oder konnte in Unterzahl nur irgendwie den Ball sichern. In diesen Szenarien schwacher Präsenz – oder auch mal bei unbalanciert aufgerückten Aktionen Vidals – entstanden dann vereinzelt sehr plötzliche und überfallartig klare Schalker Ballgewinne – über die Kombination aus Sechser, herausgerücktem zentralen Defensivakteur und gegebenenfalls helfendem Außen – mit entsprechenden Kontermöglichkeiten.
Neben dem 1:1 durch Meyer gab es noch einige weitere Gelegenheiten solcher Art, in denen die Bereiche um Xabi Alonso noch offenerer waren als beim für Bayern etwas unglücklichen Gegentor. Den großen Raum spielte Schalke, obwohl hier zentrumsfokussiert mit einrückenden Außen, gegen einen kurz wankenden Gegner dann aber nicht gut aus. Das traf die Gelsenkirchener besonders hart, da ihr Offensivspiel ansonsten wenig zu bieten hatte. Obwohl die oft in zwei Viererketten verteidigenden Bayern mit kleineren Zugriffs- und Kompaktheitsschwächen durchaus Angebote machten, gab es fast nur simple Flügelangriffe der Hausherren zu sehen. Über die bevorzugte rechte Seite kamen sie damit manchmal zur Grundlinie durch, aber eben nur unsauber und seitlich.
Art des Herauskippens und lange Diagonalbälle suboptimal
Zwischendurch gab es, gerade zur Mitte des ersten Durchgangs, bei den Gästen Phasen mit intensivierten, schematischen Herauskippbewegungen der Sechser, teilweise ansatzweise gleichzeitig, und klar strukturierten Folgebewegungen. Das erwies sich gegen die Schalker Spielweise aber eher als kontraproduktiv und hemmte die bayerischen Bemühungen. In diesen Szenen wurden ohnehin mitschwingende Strukturen besonders betont. Das 5-4-1 der Hausherren konnte mit den diagonalen Herausrückbewegungen des ballnahen Sechsers sauber darauf antworten und mit Zurückweichen der offensiven Flügelspieler verbinden.
Diese schoben leicht nach hinten, sicherten versetzt die Passwege zur Mitte ab und die bei den Bayern dann stärker aufrückenden Außenverteidiger konnten von der breiten letzten Linie mit übernommen werden. Tendenziell entstand in diesen Momenten ein breites 5-3-1-1 in einer Art U-Form, das Bayerns Spiel nach außen wegleitete, aus dem Block heraus. Günstiger waren für den FCB demgegenüber jene Phasen mit stärker vertikal gestuften Mittelfeldstaffelungen, vielseitigerem Vidal oder engen Abständen zwischen den Sechsern, mit denen sie um sich herum Raum für die Kollegen schaffen konnten.
Wenn die Münchener in solchen schwächeren Phasen nicht so effektiv nach vorne kamen, versuchten sie diese verschiedenen kleinen Offensivschwierigkeiten häufig mit längeren Diagonalbällen zu beantworten. Diese Zuspiele kamen jedoch dann zu oft, nicht immer mit passendem Timing und auch technisch nicht optimal. Zudem war die Schalker Fünferkette mit ihrer naturgemäß starken Breitensicherung keine ideale Voraussetzung dafür, ebenso wenig wie für die gelegentlichen direkten Flügelangriffe oder versuchten Durchbrüche zur Grundlinie, beispielsweise von Douglas Costa nach kurz nach außen gelegten Bällen. Auch hier war es wieder nicht katastrophal, was die Bayern machten, aber auch nicht so richtig gut.
Zweite Halbzeit
Die zweite Hälfte begann mit zwei kleinen Umstellungen Guardiolas innerhalb des bekannten Grundschemas der Partie. Zum einen tauchte Douglas Costa nun häufiger in den Bereichen halbrechts auf und Müller besetzte dafür den linken Flügel. Über die erstgenannte Zone wollten die Münchener mit kleinräumigen Rochaden um den Brasilianer, Robben und Lahm die losen Schalker Mannorientierungen aufreißen. Im Ansatz gelang das einige Male, so dass sie den Halbraum dynamisch öffneten, doch Schalke konnte mit Halbverteidiger oder Sechser die Aktionen oft gerade noch etwas wegleiten. Über Wechsel in den anderen Halbraum ergaben sich vielversprechende Momente, aber hätte Bayern die Anbindungen daran noch konsequenter gestalten müssen.
Zum anderen nahm das Aufrücken aus der Innenverteidigung zu, diesmal konstanter. Bei eigenem Ballbesitz rückte Javi Martínez oft über den tief bleibenden und quasi die Position seines Landsmannes sichernden Xabi Alonso hinaus, band sich kurz in die Ballzirkulation ein und rückte mehrmals bis an den Strafraum nach. Spielerisch kamen die vereinzelten damit verbundenen Ansätze zwar nicht durch, aber letztlich war dieses Element entscheidend am wichtigen 1:2 beteiligt, als Martínez vorne Robbens Flanke einköpfte. Ansonsten hatten die Münchener aber lange nicht so viel Durchschlagskraft in einer Begegnung gefunden, die immer offener und unstrukturierter wurde, sich nun in einigen umkämpften Ballwechseln aufrieb.
Für die Schlussphase kehrten die Schalker in Rückstand zum zuletzt bevorzugten 4-4-2 zurück und brachten di Santo zusätzlich in die Spitze. Gegen lange Bälle auf ausweichende Angreifer oder nach weiterhin auftretenden Kontern wirkten die situativ ins 1gegen1 gedrängten Bayern oft unruhig, doch letztlich war die zu improvisierte und simple Ausrichtung der Hausherren nicht gut genug für klare Chancen, sondern eher anfällig. Der FCB spielte den Ballbesitz sehr konsequent aus und zirkulierte tief unter Druck, was sich durchaus auszahlte. Als Schalkes Nachrücken im Pressing ungeordneter wurde, ergaben sich Zwischenlücken hinter den offensiven Flügeln, in die Müller und Vidal seitlich hineinstießen. Das 1:3 war der Schlusspunkt auf eine kleine Serie von Schnellangriffen.
Fazit
Die ersten etwa 15 Minuten der Bayern waren sehr überzeugend, doch danach wurden ihre Probleme in der offensiven Verteilung deutlicher. Entsprechend taten sie sich lange Zeit gegen einen defensiven, von passender Grundstruktur getragenen und insgesamt unangenehm angeordneten Gegner schwer, mussten mit dem Remis zur Halbzeit zufrieden sein. Aufgrund der drückenden Überlegenheit, die sich klar im Abschlussverhältnis niederschlug und immer mal gefährliche Ansätze brachte, war es letztlich aber doch ein verdienter Erfolg. Diesmal traf Pep Guardiola mit seiner taktischen Einstellung nicht genau ins Schwarze, doch trotzdem war, mit etwas Glück, am Ende eine seiner kleineren Umstellungen – das Aufrücken von Javi Martínez – für den entscheidenden 1:2-Treffer mitverantwortlich.
5 Kommentare Alle anzeigen
Fragezeichen 23. November 2015 um 16:51
Hey Leute, sorry das hier schreibe: Gibts an diesem Spieltag denn mal wieder eine Spieltagskolumne oder gibts die in Zukunft nur noch sporadisch? Ich glaube letztes Mal gabs leider auch keine, dabei ist sie immer überragend 🙂
TE 28. November 2015 um 12:53
Ich sehe den Kommentar leider erst jetzt. Zur Info: Dass die Spieltagskolumne vor zwei Wochen ausgefallen ist, war eine einmalige Sache. Ich hatte eine wichtige Deadline, die drängte. Von nun an sollte sie aber wieder wie gewohnt montags oder dienstags erscheinen.
razor19911 23. November 2015 um 11:01
Finde Javis eingestreute vertikale Laufwege ziemlich interessant. Die hat er ja bereits öfter gezeigt und oftmals wirken diese relativ gut getimt und werden vom Team beinahe perfekt ausbalanciert. Ich persönlich frage mich, ob er das für sich selbst entscheidet und es in dem Moment ausbalanciert wird, oder ob es Peps Anweisungen sind, an denen er sich hält. Oder prinzipiell beinahe egal, solange die Positionen im Positionsspiel eingehalten werden?
C(H)R4 22. November 2015 um 20:22
auch wenn sich an der Formation nichts ändert, fällt sowas für mich nicht unter „kleine Umstellung“
wenn auf der selben Position ein Spieler mit anderen Fähigkeiten ist, ergeben sich eben andere taktische Optionen – und das sowohl vorne (+ an Kopfballstärke), als aber auch hinten (ich bete, dass bei Spielen z.B. gegen Real oder Barca, sollten Alsonso und Benatia mal die letzten zwei sein, kein langer Ball auf die schnellen Stürmer kommt)
Andreas E. 22. November 2015 um 16:10
Genau so wars wie oben beschrieben: Am Ende der 67 Minute wurde einmal extrem rochiert. Der lange Ball der Schalker der Richtung Neuer: Pep, Gerland und Torrent fuchteln wie wild herum. Während der Ballstafette rochiert Martinez zwei vor, Vidal und Alonso jeweils eins zurück . Martinez konnte somit (positionsgetreu) beim darauffolgenden Angriff mit in den 16er gehen und einnicken.
Nachdem Tor wurde wieder zurückgestellt: Martinez und Benatia als IV, Alonso als Verbindungsspieler und davor Vidal.