Stevens´ Pläne greifen nicht
Wieder ein 0:0 für Huub Stevens´ Hoffenheimer. Der strukturell klare Fokus der TSG auf den rechten Halbraum fand letztlich nicht die erhoffte Effektivität. Gegen den Ball offenbarte das Team diesmal etwas größere Schwächen. Mit der Zeit nutzten die insgesamt soliden und simplen Frankfurter das gezielter aus und verbuchten am Ende die besseren Chancen.
Es stand das zweite Spiel für Huub Stevens als Coach von Hoffenheim an, diesmal gegen die Frankfurter Eintracht. Vor heimischem Publikum suchten die Kraichgauer von Beginn an häufiger den Ballbesitz und die Aufbauszenen.
Fokus auf halbrechts: guter Plan, aber ohne Wirkung
Sehr schnell zeigte sich der Plan, den Stevens gegen das Defensiv-4-4-2 der Hessen zu verfolgen schien: den rechten Halbraum klar zu fokussieren. Dort ballte sich die offensive Viererabteilung der TSG, indem Schmid weiter herüberrückte, Vargas sehr umtriebig agierte und Volland die Schnittstellen der gegnerischen Mittelfeldreihe suchte, sich situativ auch mal zurückfallen ließ. Solche Bewegungen wurden auf Frankfurter Seite vereinzelt durch Herausrücken Reinartz´ verfolgt. Von der Hoffenheimer Doppel-Sechs ging Schwegler fast durchgehend zu den beiden Innenverteidigern zurück, während Rudy den Sechserraum hielt. Das Grundkonzept der Hausherren war also klar und prinzipiell klug fokussiert, verfügte über eine passable Grundstruktur, aber es gab – teilweise an diesem Punkt schon beginnend – andererseits klare Schwachstellen, die letztlich nur selten Effektivität erlaubten.
Die Abwehrreihe fächerte bei Schweglers Zurückfallen kaum auf, Rudys Aktionsraum war lange zu klein festgelegt und damit auch seine Rolle als lockende Anspielstation zu undynamisch nutzbar, der fokussierte Bereich halbrechts wurde in den tieferen Zonen nur inkonsequent ausgeschöpft. Vor den Eröffnungen in die Offensivabteilung besetzte Hoffenheim die seitlichen Freiräume – nur vereinzelt durch diagonale Bewegungen Schweglers mit Ball angelaufen oder weiträumiger von Rudy unterstützt – nicht konstant genug. Neben diesem Verbesserungsbedarf, den es damit schon in der Grundstruktur gab, machten vor allem die offensiven Bewegungen Sorgen. Im Zwischenlinienraum waren diese ungeduldig und unsauber, mit der Zeit immer mehr in die Spitze orientiert. Schon bald agierten die vier dortigen Akteure zunehmend höher nahe der letzten Linie, Schmid zudem breiter.
Das sehr weiträumige, raumsuchende, flexible Herumdriften von Vargas schwächte die Präsenz, während der intendierte Positiveffekt in alternativen Umgebungen ausblieb, da diese Läufe in die weniger fokussierten Zonen an Timingproblemen litten. Zudem streuten die Kraichgauer vereinzelt die schon in Köln vorhandenen langen Bälle, zumeist nun in Richtung Kuranyi, ein, was zwar den einen oder anderen Ansatz brachte, letztlich aber insgesamt ebenfalls verpuffte, da die Abpraller in der Regel durch die flachen Staffelungen und die abwartenden Sechser nicht zu den Hoffenheimer Offensivbeteiligten zurücksprangen. Auch wenn die Anzahl der Abschlüsse des Teams gar nicht mal so niedrig lag, gab es kaum klare Chancen oder überzeugende Spielzüge, sondern einen Großteil der Abschlüsse aus der Distanz oder nach einzelnen Schnellangriffen.
Raumfinden gegen das 4-4-2
Vergangene Woche in Köln wusste die Hoffenheimer Ausrichtung im Pressing durch einen kleinen Kniff, das Herausrücken Kaderábeks, zu gefallen. Nachdem der tschechische Neuzugang für diese Partie auf der Rechtsverteidigerposition von Strobl ersetzt wurde, ließ Stevens die Maßnahme nicht fortführen. So gestaltete sich die Arbeit seines Teams in einem klaren, unspektakulären 4-4-2, ohne besondere Vorkommnisse, mit phasenweise etwas engeren, passiven Außen und einigen losen Mannorientierungen im hinteren Teil der Formation. Dieses Konstrukt rückte im Verlauf der ersten Halbzeit mehr in den Mittelpunkt, nachdem die zunächst noch abwartenden, zurückgezogenen Frankfurter mehr Ballbesitzinitiative übernahmen und die sogenannten Spielanteile auf etwa ausgeglichenes Niveau beförderten.
Ein Faktor in der Vorgehensweise der TSG ist die enge Staffelung ihrer beiden Spitzen und deren phasenweise passive, positionsorientierte Organisation. Sie suchen die vertikale, zentral angelegte Kompaktheit nach hinten, aber machen in der Horizontalen nur wenig Druck. Das geschieht eher in vereinzelten, punktuellen, explosiven Momenten, im Zuge kurzer Verfolgungen gegen Dribblings oder in konkreter Zusammenwirkung mit anderen Maßnahmen – wie in Köln zwischen Vargas´ Pressingbewegungen gegen Heintz und dem Herausrücken Kaderábeks. Wenn man es klug anstellt, wird man aber, zumindest irgendwann im Laufe einer geduldigen Zirkulation, Phasen haben, in denen neben den Angreifern von 1899 Raum im seitlichen Halbraum vor dem Mittelfeld aufgeht.
In dieser Partie kam es zum einen oder anderen derartigen Fall. Dadurch konnte Frankfurt zwischendurch recht einfach nach außen eröffnen, dort aufrücken und musste sich nur noch mit dem hinteren Achterblock des Gegners auseinandersetzen. Gerade auf links ließen sie sich allerdings gelegentlich noch simpel in Dribblings und Flügelläufen an der Seitenlinie isolieren. Überhaupt entstanden aus diesen Szenarien kaum Torchancen oder Annäherungen, sondern es handelte sich bloß um Andeutungen der Gemengelange. Denn zunächst schien es, als ob die Frankfurter – aufgrund ähnlicher Probleme wie in der ersten Halbzeit des Auswärtsmatches in Hannover – schon früh in ihren Versuchen hängen bleiben würden. Reinartz fiel zentral zurück, worauf die Bewegungen seiner vorderen Kollegen nicht gut genug abgestimmt waren:
Frankfurts Startprobleme und Verbesserungen über rechts
Im linken Halbraum gab es gelegentliche Rückstöße von Alex Meier oder – diesmal häufiger – Ignjovski, allerdings manchmal isoliert, oft auch in unharmonischer Ausführung oder mit suboptimalem Timing. Wenn Stendera sich tief die Bälle abholte, stand die Eintracht meist mit zwei Sechsern vor dem gegnerischen Block, wenn Reinartz tief blieb. Seine hohen Aufrückbewegungen zogen in Anbetracht der Situation schon etwas zu weit nach vorne, richteten sich teilweise zu sehr auf jenen Bereich und wurden nur inkonstant durch Umformungen des übrigen Mittelfelds ergänzt. Dass es den Frankfurtern mit der Zeit besser gelang, Angriffe auszulösen, war aber eng mit jener Zone um Stendera verbunden – da sie nun fokussiert wurde.
Schon in der Zirkulation ließ die Eintracht den Ball einige Male tief laufen, um auf kleine Lücken im Verschieben zu warten und in Ruhe aus dem Halbraum eröffnen zu können. Dafür übernahm Stendera eine Schlüsselrolle, trieb an und leitete die direkten Angriffe in die Spitze ein. Wichtig waren die aktiven Bewegungen von Hasebe und Aigner, die zwar klar angelegt, darin aber situativ flexibel ausgeführt wurden, um gegen ihre mannorientierten Gegner Raum zu öffnen. Wenn Stendera aus den Freiräumen die Szenen startete, wurden dadurch Herausrückbewegungen des ballnahen Sechsers oder Schmids provoziert – die aber unsauber abliefen, aus ungünstigen Ausgangslagen starteten oder durch einfache gruppentaktische Bewegung aufgelöst wurden. So gelang es den Hessen zunehmend, beispielsweise Raum für direkte Pässe auf Seferovic zu öffnen oder Aigner freizubringen.
Der Rechtsaußen der Eintracht hatte diesmal einen sehr guten, konstruktiven Auftritt und suchte in vielen Szenen den diagonalen Pass an die letzte Linie oder den weiträumigen Flankenlupfer hinter die Abwehr. In manchen der Aufbauszenen über halbrechts konnte Frankfurt auch die erste gegnerische Linie auseinanderziehen, auf den lokal helfenden Reinartz querlegen und diesen beispielsweise Halbraumverlagerungen spielen lassen. Diese Momente waren exemplarisch für gelegentliche Fälle, in denen die horizontale Kohärenz innerhalb des Mittelfelds mal besser war – und wie das direkt half. Was sich bei all diesen im Grundsatz ähnlichen Situationen andeutete und schon im Laufe des ersten Durchgangs Chancen für die Gäste brachte, wurde im weiteren Fortgang der Partie deutlicher und wirkungsmächtiger:
Zunahme an Dominanz und Chancen für die Eintracht – aber kein Tor
Hoffenheims vertikale Kompaktheit ließ später immer mehr nach und speziell die Lücke zwischen Mittelfeld und Sturm wurde, wie schon bei der Partie in Köln, größer. Dadurch konnte Frankfurt besser kontrollierten, verstärkte in der zweiten Halbzeit seine Dominanz und ließ den Ball zwischen den Flügeln laufen. In den Staffelungen zum Strafraum hin machte es Hoffenheims 4-4-Block dagegen eigentlich gut, achtete auf ausreichende Halbraumsicherungen und bildete einige recht stabile Diagonalanordnungen bei Ballbesitz am Flügel. Auf dem Weg zum Tor suchte Frankfurt diese Zonen aber letztlich nicht: Sie fokussierten Flügeldurchbrüche und flache Hereingaben oder spielten, auf diversen Wegen, über Dribblings, Improvisation oder vereinzelte Nutzung von Ablagen horizontal etwa an der Strafraumgrenze entlang.
In diesen Bereichen, quasi um die Formation herum, wich Hoffenheim naturgemäß zurück und vollzog nur „füllend“ die gegnerischen Bewegungen mit. Im Laufe der Dynamik war aber dadurch nicht durchgehend Zugriff möglich. So kamen die Frankfurter zu einigen Möglichkeiten aus dem Rückraum oder Verlagerungsoptionen, wenngleich nur wenige davon wirkliche Hochkaräter waren. In Szenen hinein, in denen Hoffenheim gerade den Zugriff verloren hatte, bestanden situativ Gelegenheiten zu schnellen, ansehnlichen Doppelpässen oder Dreiecksaktionen in Unterzahl, die auch bis in den Block hinein gezogen wurden. Alles in allem erarbeitete sich die Eintracht – nun auch mal höher pressend – in der Schlussphase ein Chancenübergewicht, wenngleich teilweise aus unsauberen Situationen, und hätte als die etwas bessere Mannschaft in einem mäßigen Duell den Siegtreffer erzielen können.
Fazit
Es war das zweite 0:0 im zweiten Match von Huub Stevens. Diesmal wirkte die gewöhnlicher angelegte Defensive nicht wirklich überzeugend, dafür gab es leichte Verbesserungen im Aufbau, der von einer klaren Rollenverteilung der veränderten Doppelsechs und dem Fokus auf halbrechts geprägt war. Diese Maßnahme versprach theoretisch Potential, das aufgrund der Probleme in der Ausführung aber nicht entfaltet werden und damit auch kaum Torchancen kreieren konnte. Frankfurt war im Laufe der Partie etwas gefährlicher, als sie Hoffenheims Kompaktheitsschwächen und die Eigenarten ihrer Pressinganlage mit direkten Attacken über rechts gezielter ansteuerten. In einigen Aspekten der Vorbereitung ihrer Abschlüsse deutete sich dabei auch eine klare Steigerung zu vorigen Auftritten an. Trotz der, auf beiden Seiten, insgesamt recht hohen Schusszahlen in der Statistik war es am Ende doch kein ganz unerwartetes, unpassendes, unberechtigtes 0:0-Ergebnis.
3 Kommentare Alle anzeigen
koom 9. November 2015 um 11:43
Stevens Vorgehensweise dürfte klar sein: Erst mal hinten dichtmachen, damit die Mannschaft Selbstvertrauen bekommt und vorne wieder mehr riskiert („weil hinten ja gut gearbeitet wird“). Quasi der umgekehrte Ansatz von Zorniger, der über die Offensive die Defensive sichern will.
Ob das nun gut und richtig ist, sei dahingestellt. Der Arbeitsauftrag von Stevens ist glasklar: Übergangstrainer bis zur neuen Saison, Sicherung des Klassenerhalts. Stuttgart hat er auch erst mal mauern lassen, bis er sie dann gegen Ende der Saison von der Leine gelassen hat. Vorstellbar, dass er das nach der Winterpause (und 1-2 Nachverpflichtungen) ähnlich handhabt.
Christian 9. November 2015 um 10:31
Warum ist Hoffenheim – Frankfurt interessanter als das Rheinderby mit einem schwächelnden Favouriten und einem aufstrebenden FC?
luckyluke 10. November 2015 um 10:11
Auch wenn Eigenwerbung stinkt:
https://spielverlagerung.de/forums/topic/der-letzte-bundesliga-spieltag-was-von-den-autoren-nicht-besprochen-wurde/