Kurz ausgeführt: Gladbach bollwerkt sich zum Punkt
Erster Teilerfolg für die Fohlen in der Königsklasse: Borussia Mönchengladbach erkämpft ein torloses Remis bei Juventus. Nach dem Spiel sprach selbst Trainer André Schubert von „mangelnder Durchschlagskraft“, aber viele gefährliche Torchancen konnte sich der überlegene Gegner aus Turin nicht herausspielen.
Eigentlich steht bereits vieles in der Spieltags-Vorschau. Deshalb halten wir die Analyse hier kurz.
Juventus startete wie gewohnt in einer Mischung aus 3-5-2 und 4-4-2. Bei eigenem Ballbesitz hatten die Italiener mit Alex Sandro sowie Juan Cuadrado zwei echte Flügelläufer. Gegen den Ball zog sich Ersterer auf die Linksverteidigerposition zurück. Der eigentlich halbrechte Verteidiger Andrea Barzagli wurde zum rechten Glied der Viererkette.
Gladbach blieb derweil unverändert im Vergleich zum 5:1-Sieg bei Eintracht Frankfurt. Folglich vertraute Schubert wieder auf die Doppelsechs mit Granit Xhaka und Mahmoud Dahoud, die Fabian Johnson und Ibrahima Traoré flankierten. Lars Stindl performte erneute seine Version des Max Kruse in der Doppelspitze des Gladbacher 4-4-2.
Insgesamt hatte die Partie gerade in der ersten Halbzeit einen sehr gleichmäßigen Rhythmus. Beide Teams agierten ballsicher in der frühen und tiefen Ballzirkulation, konnten sich folglich gegen den Pressingdruck des Gegners meist gut wehren. Insgesamt war die Intensität im hohen Gladbacher Pressing recht schwankend, was Leonardo Bonucci und Co. nur in manchen Szenen vor erhebliche Probleme stellte.
Beide Mannschaften tendierten zudem zu eher steilen Anspielen, sofern sie die erste Aufbauphase beendet hatten – wobei Juventus mit ihrer ersten Zirkulation meist etwas tiefer als Gladbach auf der anderen Seite in die gegnerische Formation vordringen konnte. Hinzu kam Juves steigender Flügelfokus im Verlauf der ersten Halbzeit. Alex Sandro und Cuadrado wurden risikobereiter und „zockten“ gegen die tiefen Flügelspieler Gladbachs. Außerdem bewegte sich Álvaro Morata in gewohnter Morata-Manier von einem Halbraum zum anderen und zog zudem immer wieder an die kurze Außenseite des Strafraums, um von dort aus Dribblings zu starten.
Auf Seiten der Fohlen waren interessante Defensivmuster von Beginn an zu erkennen. Die Außenverteidiger tendierten zu einer mannorientierten Ausrichtung gegen die beiden Flügelläufer Juves. Insbesondere Oscar Wendt suchte oftmals den Kontakt mit Cuadrado, während Vordermann Johnson verstärkt an Sami Khedira orientiert war und nur in Juves früher Aufbauphase seinen Deckungsschatten nutzte, um den kurzen Passweg zu Cuadrado zu blockieren.
Halbrechts gestaltete sich die Angelegenheit zunächst flexibler, was an Dahoud lag. Der 19-Jährige unterstützte in der Regel Gladbachs Pressing, indem er sich vor Xhaka bewegte und als verkappter Zehner häufig kleine Lücken füllte oder den Druck durch eine gestaffelte Positionierung hinter einem der beiden Neuner erhöhte. Hin und wieder ging er aber auch direkt in eine enge Bewachung von Paul Pogba über. Der hochtalentierte Franzose spulte ein enormes Pensum ab und war im Gegensatz zum halbrechten Achter Khedira an beiden Strafräumen präsent. Das war aber auch der Ausrichtung von Trainer Max Allegri geschuldet.
Khedira verstärkte in erster Linie den Sechserraum und unterstützte Pirlo-Nachfolger Claudio Marchisio. Im Pressing Juves nahm der deutsche Nationalspieler wiederum eine Rolle ein, die zumindest in Ansätzen an jene von Dahoud erinnerte. Khedira schob im rechten Halbraum nach vorn, ungefähr auf die Höhe von Morata. Mario Mandžukić fungierte als Speerspitze. Somit wollte Juventus schnelle Pässe durch die Mitte ver- und den Spielaufbau insgesamt behindern, weil weder Gladbachs Innenverteidiger einfach vorrücken konnten, noch Xhaka genug Platz und freie Sicht hatte, um den Ball zu verteilen. Auch wenn er nach hinten abkippte, wurde der Schweizer stets eng bewacht, während sich der aufgerückte Dahoud unbehelligt aus der gegnerischen Formation zurückfallen lassen konnte. Ihm wurde von Seiten der Hausherren weniger Aufmerksamkeit geschenkt.
Alles in allem blieb Gladbach recht zurückhaltend. Gerade beide Außenverteidiger rückten nur sehr zögerlich nach. Bezeichnend war dafür eine Szene aus der 19. Minute: Johnson hatte mehr oder weniger freie Bahn in Richtung der gegnerischen Viererkette. Auf dem Weg zum Strafraum legte er blind nach außen ab, aber Wendt war noch fünfzehn oder zwanzig Meter hinter dem Geschehen.
So harmlos die Fohlen auch in der Offensive wirkten, defensiv standen sie in den meisten Situationen stabil. Bei einem fast ausgeglichenen Ballbesitz (53,5 Prozent für Juventus) gaben die Italiener zwölf Schüsse in der ersten Halbzeit ab. Davon kam aber kein einziger aufs Tor von Yann Sommer. (Lucien Favre gefällt das.)
Zur zweiten Halbzeit bleibt indes wenig zu sagen. Juventus übernahm immer mehr das Kommando. Zwischen der 33. und 81. Minute feuerten die Fohlen keinen Schuss ab. Aber das bedeutete nicht, dass nun der amtierende italienische Meister Chance auf Chance erspielte. Oftmals foulten die Gäste clever zur Unterbindung eines Angriffs oder sie verschoben sehr diszipliniert am Strafraum und ließen nur Versuche aus der zweiten Reihe zu. De facto kam Juventus während des zweiten Durchgangs dreimal im Gladbacher Strafraum zum Schuss. Zwei davon wurden geblockt, ein Versuch von Morata in der 63. Minute verfehlte sein Ziel.
Zum Schluss sei noch angemerkt, dass mit der Einwechslung von Roberto Pereyra für Cuadrado nach einer Stunde Allegri auf die gewohnte Zweitformation in Form eines 4-3-1-2 mit Pereyra auf der Zehnerposition umstellte.
Die Fohlen können mit dem Ergebnis und zumindest Teilen ihrer Leistung zufrieden sein. Ihnen wurde aber auch klar aufgezeigt, dass sie gegen einen stark besetzten Gegner wie Juventus nur sehr wenig im Umschaltspiel ausrichten können. Obwohl Schuberts Team durchweg zwischen 44 und 49 Prozent Ballbesitz hatte, kamen sie nur selten mit mehr als vier Akteuren ins letzte Drittel. Juventus verbuchte 20 abgefangene Pässe und hatte das Geschehen in der eigenen Hälfte unter Kontrolle. Und wenn sich beispielsweise Traoré anschickte, eine Flanke in den Strafraum zu schlagen, dann verschwanden Raffael und Stindl regelrecht zwischen den hoch aufgeschossenen Verteidigern.
Interessanterweise konstatierte Schubert nach der Partie: „Hier haben wir allerdings zu wenig Ballbesitz gehabt und dadurch zu wenig Entlastung. Da darf man mit dem Punkt ganz zufrieden sein.“
13 Kommentare Alle anzeigen
dc 24. Oktober 2015 um 10:18
Wo finde ich CL Laufkilometer Statistiken f. Mannschaften und Spieler?
CE 25. Oktober 2015 um 08:37
Zum Beispiel für diese Partie findet man die Laufleistungen der Teams hier: http://www.uefa.com/newsfiles/ucl/2016/2015711_ts.pdf
cali 22. Oktober 2015 um 18:48
Was haltet ihr von Marchisio auf der 6?
Ron 22. Oktober 2015 um 11:03
„(Lucien Favre gefällt das.)“ 🙂
Eine Frage zu Schuberts Statement an CE: Meinst Du, er meint wirklich nur den Ballbesitz mit wenig oder den strukturierten Ballbesitz, der in Kombinationen bis nach vorne läuft?
CE 22. Oktober 2015 um 11:09
Ich denke, dass er in erster Linie strukturierten Ballbesitz beziehungsweise einfach Ballbesitz in höheren Zonen meint. Sicherlich war Juventus‘ Anteil in der zweiten Halbzeit allgemein etwas zu hoch, aber Gladbach verteidigte selbst da nicht mit 20%.
MAW 22. Oktober 2015 um 09:22
Vorallem in der ersten HZ hatte ich eher das Gefühl, dass Dahouds Mannorientierung Marchisio galt und weniger Pogba.
FAB 22. Oktober 2015 um 09:45
… habe ich ähnlich gesehen, Pogba wurde tendenziell eher von Xhaka bewacht und Dahoud ist immer wieder auf Marchisio rausgerückt. Insgesamt ein sehr gutes Bewegungsspiel von Dahoud, der nicht nur versucht hat Juves Aufbauspiel zu stören, sondern auch die Löcher neben Xhaka gut ausgefüllt hat.
CE 22. Oktober 2015 um 12:24
Ich sage ja auch nur „hin und wieder“ 🙁
LM1895 22. Oktober 2015 um 15:33
A propos Dahoud, ich hab ihn gestern praktisch das erste mal diese Saison gesehen…und wie gut ist der Junge denn bitte? Wie er immer wieder Drucksituationen auch am eigenen Strafraum mit tollem Timing auflöst und das ganze mit einer Bierruhe ist für einen 19-jährigem schon außergewöhnlich. Sein Passspiel fand ich auch extrem sauber und konstant, gerade für einen so jungen Spieler. Ich hab da noch 2-3 Szenen aus der zweiten Halbzeit ein, in denen er in Kotersituationen perfekte Bälle aus der Mitte auf den rechten Flügel spielt und zwar flach und mit einem herausragenden Timing. Das hielt das Spiel sehr schnell und sieht man von vielen anderen Spielern häufig deutlich ungenauer, wie etwa in einigen schlampigen Umschaltaktionen von Juve (z.B. zweimal Zaza mit katastrophalen, unkonzentrierten Bällen).
Ron 22. Oktober 2015 um 16:54
Im Kontext von Dahoud sollte man sich auch immer Christensen anschauen. Der hat für einen 19jährigen eine unfassbare Ruhe am Ball. Das erste Spiel gegen Dortmund und ein verlorenes Laufduell gegen Aubameyang sind eben kein Maßstab für eine Bewertung.
S.T. 22. Oktober 2015 um 19:12
Ging mir genauso. Und zieht auch mal ein fieses Foul aus dem Ärmel 😉 Sprich, den Jungen juckt der ganze Zirkus ne Bohne. Wenn er körperlich noch ein wenig zulegen kann, dann ist da sicherlich einiges möglich. Super Ballkontrolle und auch gut die Situation im Auge. Für mich gestern die Entdeckung in dem Spiel. Deshalb die Frage: Hat der so konstant auf dem Niveau auch die anderen Spiele vorgetragen?
Ron 22. Oktober 2015 um 23:30
Gegen Köln, wo Dahoud das erste Mal in der Startelf stand, hab ich nicht gesehen, aber in restlichen Spielen: Ja.
dc 22. Oktober 2015 um 23:30
Ja. Christensen ist auch noch sauschnell. Seferovic zb wollte ein Laufduell gg Ihn gewinnen, hat dann aber aufgegeben und danach nur noch frustriert getreten und provoziert.