in-depth-Analyse des FC Barcelona – am Beispiel des 8:0 gegen CA Osasuna
In einem denkwürdigen Spiel besiegte der FC Barcelona die Mannschaft Osasunas. Ein 8:0, welches noch deutlich höher hätte ausfallen können, bewies die Stärke der Katalanen mehr als eindrucksvoll. Doch es war mehr als nur ein Sieg.
Abermals spielte man mit einer Dreierkette, doch die Rolle Alves‘ scheint zunehmend offensiver zu werden, während Messi und Fabregas perfekt miteinander harmonieren. Osasuna bekam das mehr als deutlich zu spüren in einer weiteren Vorstellung, die an das Ideal des „totaalvoetbal“ aus den 70ern erinnert, einem ballbesitzorientierten Dominanzfußball mit vielen Positionswechseln und spektakulären Offensivaktionen.
Wechselwirkung der jeweiligen Formationen
Mit Puyol im und als Herz der Innenverteidigung bildete man das Fundament der Abwehr, flankiert wurde er von Abidal auf links und Mascherano auf rechts. Davor durfte Busquets auf seiner Stammposition im defensiven Mittelfeld beginnen, wo bislang Keita agieren durfte, neben ihm kamen Thiago Alcantara und Xavi zum Einsatz.
Rechts auf dem Flügel trat wie schon gegen Milan Dani Alves an und sorgte dadurch für das 3-4-3/3-3-4-System, welches nichts mit dem klassischen 4-3-3 der letzten Vorjahre gemein hatte. Links im Sturm spielte David Villa, zentral wirbelte Messi vor Cesc Fabregas.
Osasuna wollte mit einem 4-1-4-1/4-4-1-1 spielen, in welchem Lolo den tiefsten Mittelfeldspieler bildete und die Viererkette davor den Gegner im Zentrum hätte bedrängen sollen, doch daraus wurde nichts. Punal wurde von Villa nach hinten gedrängt, während Lamah und Damia sich im Mittelfeld der Zentrale Barcelonas erfolglos widmeten.
Aufgrund von nur 15% Ballbesitz im gesamten Spiel, konnte man keine wirkliche Strategie im Spiel Osasunas erkennen. Zu Beginn des Spiels versuchten sie noch relativ hoch zu agieren und Druck auszuüben, doch kaum einer ihrer Pressingversuche war von Erfolg gekrönt und darum wurden sie durch die Passstafetten Barcelonas nach hinten gedrängt. Einzig Gonzalez‘ Teilaufgabe, sich verstärkt um Messi zu kümmern, konnte von Osasuna noch realisiert werden, einen wirklich positiven Effekt gab es allerdings nicht.
So entwickelte sich trotz eines frühen Lattentreffers der Gäste ein extrem einseitiges Spiel, in welchem Barcelona bereits zur Halbzeit mit fünf Toren Vorsprung den Sieg in der Tasche hatte und deshalb im zweiten Durchgang etwas an Zielstrebigkeit vermissen ließ. Man presste nicht mehr aggressiv, sondern wartete auf Fehler, doch Osasuna schenkte ihnen diese oftmals viel zu einfach und konnte deshalb keinen Ehrentreffer erzielen – ganz im Gegensatz zu den Katalanen, welche selbst im Schongang drei Treffer markierten und den höchsten Saisonsieg dieser jungen Spielzeit feierten.
Barcelonas 3-4-3/3-3-4
Eine Frage, die sich an diesem Abend stellte, war die Definition der Formation Barcelonas. Während manch einer vielleicht sogar ein stark asymmetrisches 4-3-3 erkennen konnte, deuteten dennoch die meisten Anzeichen auf ein 3-3-4. Dani Alves agierte auf Höhe der Stürmer und war bei den durchschnittlichen Positionen nur hinter Leo Messi zu finden.
Desweiteren beteiligte er sich nicht nur stark in der Defensivarbeit, sondern in gleichem Ausmaß beim Angriffspressing und dem Offensivspiel generell. Villa auf links verkörperte ähnliche offensive Aufgaben, defensiv teilte er sich allerdings die Arbeit Alves‘ mit Abidal auf, da er nicht so laufstark wie der brasilianische Rechtsaußen ist.
Interessant ebenfalls die Rollen von Messi und Fabregas, welche bisweilen nebeneinander im Sturm oder im Mittelfeld agierten, nur um wenige Momente später wieder viel Raum zwischen einander zu lassen. Vermutlich kann man sagen, dass die beiden, ebenso wie die Außenstürmer, ähnliche Aufgaben unterschiedlich interpretierten.
Beide Spieler nutzten die Räume, welche ihre Mitspieler öffneten, zum letzten Stoß, ob Vorlage oder Torschuss. Messi kam allerdings nicht aus der Tiefe, sondern ließ sich von seiner Position als vorderster Stürmer zwischen die Linien fallen, während Fabregas umgekehrt handelte – er rückte von hinten nach vorne auf und hatte somit trotz anderer Spielweise die gleichen Aufgaben wie Messi auf eine sehr ähnliche Art und Weise erledigt.
Es wäre vielleicht unfair, das System der Katalanen auf eine Zahlenkombination zu reduzieren. Kaum ein Team in der Geschichte des Weltfußballs hat es sich so auf die Fahnen geschrieben, die modernen Positionsbezeichnungen ad absurdum zu führen und sich als Ziel gesetzt, die faktische Auflösung sämtlicher Spielpositionen umzusetzen. Pep Guardiola hat zwar eine sehr präzise und strenge Vorstellung, wie seine Mannschaft zu spielen hat, doch die Umsetzung des Einzelnem ist in diesem Korsett sehr frei.
Der erfolgreichste Trainer in der Geschichte Barcelonas vertraut auf seine Mannschaft und ihre Antizipation. Die zahlreichen Positionswechsel sind nicht nur von ihm geduldet, sie werden gefördert, gefordert und in vielen Trainingsstunden perfektioniert. Spieler wie Abidal tauchen an vorderster Front auf, während Leo Messi sich um die Spielgestaltung aus dem Mittelfeld heraus kümmert – ganz nach dem Ideal Michels‘, Van Gaals und Cruijffs. Deswegen ist es schwer eine vollkommen passende Systemsdeklaration für die katalanische Mannschaft zu finden, da es nicht darum geht, wer sich wo bewegt, sondern ob der Raum im richtigen Moment besetzt ist. Ob von dem einen oder anderen Spieler, spielt keine große Rolle.
Die groben Einteilungen in Positionen sorgen für eine Vereinfachung dieser komplexen Spielphilosophie, doch vielmehr geht es darum, dass innerhalb des Teams ein Verständnis und eine Verantwortung für die eigene Spielweise entwickelt wird, die in ihrem Entwicklungsprozess begleitet wird – eine weitere Stufe dieser Evolution sah man gegen Osasuna und ein paar der taktischen Kniffe werden nun näher beleuchtet.
Wieso Barcelona das gegnerische System bestimmt
Zu Beginn sollte man sich fragen, wie der Gegner auf die Spielweise der Katalanen reagieren sollte. Hierbei werden allerdings die makrotaktischen Aspekte wie Formationen und ähnliches stark überbewertet, da auf diese schnell reagiert werden kann und sie generell weiterhin fehleranfällig bleiben. Ein weiterer Grund, wieso sie nicht den von vielen erhofften Nutzen mit sich bringen, dürfte das kompakte Zentrum Barcelonas sein, welches bislang in fast jedem Spiel der letzten zwei Saisons beobachtet werden konnte.
Dadurch, dass Barcelona nicht nur viele Spieler zentral oder in Halbpositionen agieren lässt, sondern diese Spieler auch das Spieltempo ihrer Mannschaft und des Gegners bestimmen, muss man zwangsweise die eigenen Spieler ebenso zentral agieren lassen. Sei es Real Madrid mit Pepe und Co., Manchester United mit ihren eingerückten Außenspielern oder Arsenal mit ihrem zentriertem Mittelfeldpressing, sie alle hatten eines gemeinsam: erhöhtes Augenmerk auf die Mitte Barcelonas und seine direkte Auswirkung auf die eigene Formation.
Bei Osasuna zeigte sich dies ebenso wie bei Villareal zu Beginn dieser Saison: die Außenspieler rückten stark ins Zentrum und wurden dadurch gezwungen, Mann gegen Mann zu agieren. Problematisch wird es allerdings, wenn man für so ein Duell nicht gewappnet ist und eine Abkehr vom Matchplan festzustellen ist; die Spieler kommen zu spät, bringen nicht die nötige Härte in die Duelle und weichen zu oft in ihre angestammten Positionen ab.
Die Probleme gegen die Katalanen liegen also nicht im groben, sondern im feinen Bereich der Taktik, welche viel mit genauer Ausrichtung, akkurater Vorbereitung und Psychologie zu tun hat – es verwundert wenig, dass mit Mourinho exakt jener Trainer bislang am besten gegen Barcelona vorgegangen ist, der sich in diesen Bereichen wohl wie kaum ein anderer profiliert hat.
Dani Alves – der neue Mario Zagallo?
Eine besondere Rolle bei diesem sehr stark zentral orientierten System Barcelonas kommt Dani Alves zugute. Einerseits darf er nun eine offensivere Rolle einnehmen und seine athletischen Fähigkeiten noch stärker ins Spiel bringen, andererseits bringt er die nötige Breite ins zweite und letzte Spielfelddrittel.
Seine Diagonalläufe waren bereits als Außenverteidiger extrem gefährlich und bescherten ihm letzte Saison unglaubliche vierzehn Vorlagen in 35 Spielen der Primera Division. Weiter nach vorne gezogen und oftmals unbeachtet von der stark eingerückten gegnerischen Viererkette, die sich nun vier statt drei am Tor orientierten gegnerischen Offensivspielern ausgesetzt sieht, wird Alves diese Zahl womöglich überbieten können und seine gesamte Mannschaft profitiert davon.
Seine Spielweise erinnert dabei stark an einen ehemaligen brasilianischen Weltmeister, der ebenfalls auf dem Flügel eines Vierersturms agierte und für viele als einer der unterschätztesten Spieler gilt. Die Rede ist von Mario Zagallo, welcher als nominell als linker Außenstürmer spielte, aber nicht nur offensiv für Furore sorgte, sondern mit seiner Laufstärke und Spielintelligenz auch defensiv wichtige Arbeit leistete.
Im Laufe der Jahre rückte er etwas nach hinten und man wird sehen, ob sich Alves im Sturm oder im Mittelfeld bei dem neuen System Barcelonas festsetzen wird, doch wie bei Zagallo scheint er beide Positionen bespielen zu können. Mit seiner Athletik kann er sich offensiv beim Pressing ebenso effektiv wie in der klassischen Defensivarbeit beteiligen.
Dank seiner Spielintelligenz weiß er, wann er sich für welche dieser beiden Optionen entscheiden muss. Seine Offensivqualitäten werden durch diese neue Rolle und völlig moderne Interpretation eines Wingbacks gefördert und er ähnelt in der Tat immer mehr Mario Zagallo, dem zweifachen Weltmeister.
Wieso die Asymmetrie kein Problem darstellt
Bei der Frage, ob eine Dreierkette mit solchen unterschiedlich besetzten Flügelstürmerpositionen nicht zu asymmetrisch ist, fand Pep Guardiola abermals eine kreative und passende Antwort. Dadurch dass ein Außenverteidiger auf der Position des linken Innenverteidigers agiert, erhöht man nicht nur die Dynamik in diesem Raum, sondern bringt bei dieser Position gänzlich neue Facetten ins Spiel.
War es zu Beginn des Spiels noch Abidal, so rückte Adriano nach der Halbzeit auf diese eigentlich unpassende Position – und füllte sie dennoch adäquat aus; ob er in Zukunft öfter als Halb- bzw. Innenverteidiger auflaufen wird?
Der Hintergrund seiner Versetzung liegt aber auch darin, dass bei der hohen schematischen Position und der extremen Überhand an Ballbesitz nicht die klassischen Anforderungen eines Innenverteidigers wichtig sind, sondern viel stärker die Betonung auf den Bereichen Athletik, Technik und Spielintelligenz liegt, welche im Normalfall bei Außenverteidigern in stärkerer Ausprägung vorhanden sind. Da auf der rechten Seite Alves sehr offensiv agiert und defensiv stark mithilft, zeigt sich die Asymmetrie auf links durch ein Loch zwischen Villa und der Verteidigung, die im Mittelfeld keiner füllen kann, da die drei Spieler eher im zentralen Mittelfeld beheimatet sind.
Die Lösung des Problems kann somit nur ein Außenverteidiger sein, der eine höhere Position und mehr Antizipation und Risikobereitschaft gewohnt ist.
Die defensiven Aufgaben Alves‘ auf rechts teilen sich somit links David Villa und der linke Außenverteidiger. Das Loch, welches dadurch in der zentralen Innenverteidigung entstehen könnte, wird durch die Rolle des gelernten defensiven Mittelfeldspielers Mascherano und einen kleinen taktischen Kniff Pep Guardiolas ausgefüllt.
Mascherano als geübter Abräumer sichert den Raum hinter Alves ab, während Puyol zentral viel Sicherheit und Stabilität bringt. Busquets füllt die Löcher im Mittelfeld, während den Rest Guardiola erledigt: durch eine leichte Verwaisung der Außen und gelenktes Attackieren sorgt man bewusst dafür, dass der Gegner nicht nur mehr Platz auf den Seiten vorfindet, sondern durch intelligentes Pressing in diese Richtung gelenkt wird.
Dadurch dass man an der Seitenlinie etwas Raum aufgibt, steht das Zentrum besser und der Gegner hat zwar auf den Flügeln etwas leichteres Spiel, doch ist deshalb viel weiter vom Tor entfernt.
Barcelona gibt sich somit selbst Zeit, um nachzurücken und das Pressing ausnahmsweise in die eigene Hälfte zu verlagern. Neben dem aufgegebenen Raum ist der Faktor Zeit somit das einzige, was man verliert, während man in puncto Sicherheit deutlich dazu gewinnt, da die gegnerischen Angriffe langsamer und ungefährlicher werden.
Messi und Cesc – das moderne Sturmduo?
Während der Großteil der Trainer heutzutage auf das 4-2-3-1 schwört, da man mehr Präsenz im Mittelfeld besitzt und über eine geregelte Bindung zum Sturm verfügt, gibt es weiterhin viele Trainer, die auf das 4-4-2 setzen. Der Grund hierfür liegt darin, dass man durch zwei zentrale Stürmer die Last des Torerfolgs auf mehrere Schultern verteilt und dadurch die Fixierung auf eine Person und seine Tagesform verringert, während man gleichzeitig die Chancen auf einen Torabschluss erhöht. Der Trend bei diesen 4-4-2-Befürwörtern geht allerdings dazu über, dass man das richtige Sturmduo findet – beide torgefährlich, doch einer eher hängend und als Anspielstation für das Mittelfeld, der andere vorne als Prellbock und Knipser.
Bei Barcelona scheint es fast so, als ob Pep Guardiola diese beiden Vorteile vereinigen möchte. Mit Fabregas‘ Laufwegen zwischen den Linien und ins Sturmzentrum hat man nicht nur ein Bindeglied zwischen Mittelfeld und Sturm, sondern in sehr vielen Situationen einen waschechten Stürmer.
Dies zeigt sich nicht nur in seiner eindrucksvollen Statistik (alle 76 Pflichtspielminuten ein Tor für Barcelona), sondern besonders darin, dass er im Spiel gegen Real Sociedad sogar die Position Messis als vorderster Stürmer einnahm. Dennoch ist diese Position eindeutig für den Argentinier prädestiniert, welcher als falsche Neun seine zahlreichen Stärken perfekt nutzen kann.
Er lässt sich nach Belieben ins Mittelfeld fallen und zieht dort die Strippen oder rauscht aus der Tiefe in den Strafraum und verwandelt. Die einzige Schwachstelle in diesem Plan, welcher Messi letzte Saison über 50 Pflichtspieltore einbrachte, dürfte sein, dass die vorderste Position bei Messis Ausflügen ins Mittelfeld unbesetzt bleibt und es dem Spel dadurch an Tiefe fehlt – mit Fabregas ist dies allerdings Geschichte.
Besetzt Messi die vorderste Position, so hält sich Fabregas im Normalfall im Mittelfeld oder „in the hole“ auf und hilft beim Aufbau des Offensivspiels, streift Messi auf den Flügeln oder im Zentrum umher, dann kümmert sich der ehemalige Arsenalspieler um die gefährlichen Aktionen im Sechzehner. Allerdings kann man diese Wechselspielchen trotzdem nicht als klassische Rochaden bezeichnen und exakt das könnte einer der Gründe sein, wieso sie so gefährlich sind.
Dadurch dass manchmal zwei Spieler an vorderster Front kämpfen und an anderen Momenten nur einer oder gar keiner, kann sich die gegnerische Defensive nie anpassen und wirkt orientierungslos, wer denn nun welchen der beiden wann übernehmen soll. Für Fabregas und Messi kein Problem: Sie haben nur noch mehr Raum für ihre technischen Feinheiten, die man bei diesem tollen 8:0 ein ums andere Mal bestaunen durfte.
Barcelonas Spielaufbau im zweiten Drittel, Part I: der Stern
Wie bereits erwähnt versuchen bzw. müssen die gegnerischen Teams viel Druck im Pressing ausüben, falls man den Katalanen das Spielfeld nicht kampflos überlassen möchte.
Da ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Pressing stimmt und selbst Barcelonas Maschinerie ins Stocken kommt, doch wie jede gute Maschine hat auch die katalanische einen Schutzmechanismus. Diesen Mechanismus könnte man als „Stern“ bezeichnen, da die Sicherheitslösungen im zentralen Spielaufbau in dieser Form formiert zu sein scheinen.
Nachdem die erste Phase des Spielaufbaus nach dem Abstoß bzw. generell im ersten Drittel überwunden ist, sammelt sich das Spiel Barcelonas im Mittelfeld. Neben Xavi, der aus seiner halblinken Position ins Zentrum strömt, ebenso wie Thiago von halbrechts und natürlich den beiden zentralen offensiven Messi und Fabregas, kümmert sich Busquets um den Spielaufbau.
Diese fünf Spieler bestimmen im 3-4-3 gemeinsam das Spieltempo und sorgen durch ihre schematische Nähe und ihr Fordern des Balles für ein sehr engmaschiges Netz.
Der Nachteil davon liegt auf der Hand: Der Gegner kann sich auf dieses Teilstück des Spielfeldes konzentrieren. Oftmals weichen die Spieler Barcelonas dann voneinander und bieten sich etwas breiter an, um sich aus der gegnerischen Umklammerung zu kombinieren, doch falls dies nicht funktioniert, sind in der Formation gewisse Automatismen und feste Anspielstationen implementiert, die entweder sicher oder bei einem Ballverlust nicht gefährlich sind.
Für die fünf Spielmacher öffnen sich in der Tiefe und in der Breite Räume, Mascherano und Abidal laufen sich im ersten Drittel frei und machen das Spiel breit, während Dani Alves und David Villa in der Offensive das Spiel in die Tiefe ziehen. Sie infiltrieren die Löcher der gegnerischen Kette und attackieren den Raum dahinter. Dadurch sind sie frei für tödliche Pässe und weite Bälle – kommen diese nicht an, kann man zumindest sofort gegenpressen und den Ball schnell zurückholen. Die beiden Anspielstationen in der Defensive sind relativ sicher und selbst bei einem möglichen Ballverlust hat man den zweiten Innenverteidiger sowie den zentralen Innenverteidiger, Puyol, welcher eben aufgrund seiner Zweikampfstärke und Abgeklärtheit zentral agiert. Weiter stellt er selbst die fünfte lange Anspielstation dar, er zieht das Spiel defensiv in die Tiefe und hat nach einem Pass entweder die Möglichkeit das Spiel über die Innenverteidigung breit oder über Antizipationstorhüter Valdes noch tiefer zu machen. Dadurch hat man mehr Zeit zum Sammeln und Formieren, was die Pressingbemühungen des Gegners psychologisch ins Leere laufen lässt, da man trotz guter Attacken den Ball nicht erobern konnte.
Barcelonas Spielaufbau im zweiten Drittel, Part II: der Kreisel
In oberem Abschnitt wurde bereits angedeutet, dass die Spieler Barcelonas bei ihrem Aufbauspiel im zweiten Drittel einen weiteren Sicherheitsmechanismus neben felderweiternden langen Bällen besitzen: der Kreisel. Damit sind die zahlreichen kurzen Anspielstationen in der Nähe gemeint, mit denen man sich spielerisch aus dem gegnerischen Forechecking durch schnelle Kombinationen auf engstem Raum befreien kann. Kaum eine Mannschaft beherrscht dies auf diesem Niveau, doch taktisch ist es kein Wunder, dass Barcelona hier gewisse Vorteile besitzt.
In der Grafik links erkennt man die zahlreichen Entwicklungsmöglichkeiten des Ballbesitzes und der Kombinationen im Zentrum. Die blau hinterlegten Anspielstationen stellen dabei die primären Anspielstationen dar, welche die fünf Spielmacher sind.
Oftmals gibt es auch dynamische Doppelpässe zwischen den Spielern, welche den Gegnern das Momentum und die Geschwindigkeit in Bewegungsrichtung nehmen, was das Pressing erschwert.
Werden nicht solche Doppelpässe ausgeführt, kann man den Ball immer auf die Seiten weiterleiten, wo man zahlreiche Anspielstationen findet. Der halbrechte Mittelfeldspieler kann nicht nur dem rechten Außenstürmer und dem rechten Innenverteidiger den Ball in die Füße spielen, sondern sie auf die oben bereits ausgeführte „weite Reise“ schicken.
Er hat somit zwei kurze und zwei lange Passmöglichkeiten, wozu eben die drei mittigen Anspielstationen kommen. Das gleiche Szenario kann man bei dem halblinken Mittelfeldspieler finden. Falls der Gegner extrem tief und hinter dem Ball verteidigt, kann man auch einen weiten Ball auf den zentralen Innenverteidiger riskieren.
Der defensive Mittelfeldspieler hat „nur“ sechs statt sieben Anspielmöglichkeiten, aber davon sind alle sechs kurz und relativ sicher. Auch bei ihm öffnen sich durch einen tiefen Gegner noch mehr Anspielstationen, er könnte dann die Innenverteidiger auf den Außen anspielen. Dennoch zeigt diese Grafik, wieso Busquets so eminent wichtig ist – attackiert der Gegner hoch, ist der Sechser bei Barcelona sehr gefordert und muss über herausragende Ruhe am Ball und Übersicht verfügen, um den Ball nicht zu verlieren. Dies ist die Ursache dafür, dass Guardiola Yaya Toure durch Busquets ersetzt hat und letzteren auch Javier Mascherano vorzieht, der nun vorrangig in der Innenverteidigung aktiv ist.
Der offensive Mittelfeldspieler hingegen besitzt vier Anspielstationen, die extrem nahe an ihm sind und unter Bedrängnis könnten zwei weitere, riskantere Bälle auf die startenden Außenstürmer gespielt werden. Der vorderste der Spielmacher, die falsche Neun, besitzt fünf Anspielstationen, wovon zwei auf die Außenstürmer fallen.
Dadurch, dass dieser Spieler keine Passmöglichkeit vor sich hat, muss er nicht nur sehr dribbelstark, sondern auch hervorragend im Abschluss sein, um den Raum vor sich nutzen zu können – die Begründung für den Kauf Fabregas‘ und die Umfunktionierung Messis in den letzten zwei Jahren zu einem Mittelstürmer. Beide bringen sowohl die nötige Technik wie Kaltschnäuzigkeit für diese eminent wichtige Rolle mit.
Barcelonas neues Alternativsystem?: 4-3-3 mit defensiven Außenverteidigern
Im Laufe des Spiels gegen Osasuna wurde ein weiteres System ausprobiert, nämlich ein 4-3-3 mit defensiven Außenverteidigern. Während man in den letzten Saisons dieses System mit offensiven Außenverteidigern spielte, so konnte man gestern überraschend beobachten, wie sich Adriano und Maxwell in der letzten halben Stunde offensiv sehr zurückhielten und sich auf den Spielaufbau, das Verbreitern des Spielfeldes im ersten Drittel und taktische Disziplin konzentrierten.
Als Ausgleich für diese defensive Haltung rückte Busquet auf und gab einen ins Mittelfeld schiebenden Innenverteidiger, wie es unter anderem von Luis Van Gaal gefordert wird. Bei seinem großen Ajax-Team von 1995 übernahm Frank Rijkaard eine ähnliche Rolle. Durch das Aufrücken Busquets‘ ins Mittelfeld hat man mehr Anspielstationen, ohne an Defensivkraft zu verlieren.
Allerdings taucht nun die Frage auf, wieso Guardiola dann nicht gänzlich mit einer Dreierkette agieren ließ. Die Antwort dürfte etwas überraschend, aber in weiterer Folge relativ logisch sein: weil er seine Außenverteidiger umgewöhnen möchte.
Durch diese erhöhte defensive Disziplin gewöhnen sie sich an ihre künftige Rolle als Hybrid zwischen Innen- und Außenverteidiger, wie sie Mascherano, Abidal und eine Viertelstunde lang auch Adriano ausfüllten. Weitere Gründe für die Wechsel und die Viererkette waren die Auswechslung Puyols und die generelle Vorsicht Guardiolas, der trotz der hohen Führung nichts riskieren wollte und deshalb der noch nicht eingeübten Dreierkette einen weiteren Mann zur Hilfe stellte und daraus eine Viererkette formierte.
Fouls und die Psychologie dahinter
Ein oftmals unterschätzter Punkt im Spiel der Katalanen sind ihre taktischen Fouls. Da sie bei Ballverlusten oftmals hinten sehr offen sind, versuchen sie durch ihr extrem aggressives Pressing nicht nur den Ball möglichst zurückzuerobern, sondern riskieren bewusst ein Foulspiel.
Da das Foul dann in der gegnerischen Hälfte stattfindet, entsteht keine Gefahr durch Standards, aber die eigene Mannschaft kann sich im Defensivverbund ordnen. Ein weiterer Vorteil ist natürlich, dass kein Schiedsrichter eine Verwarnung oder gar rote Karte vergibt und sich diese „harmlosen Fouls“ nicht in das Gedächtnis prägen. Interessanterweise sei dazu gesagt, dass im hart umkämpften El Clásico des letzten Frühjahrs in der Champions League nicht Pepe oder ein anderer Spieler Reals der Spieler mit den meisten Fouls war, sondern Lionel Messi – der sogar ohne gelbe Karte blieb.
Die psychologische Ursache dafür liegt darin, dass der Schiedsrichter in absoluten Zahlen misst und nicht in relativen Zahlen. Barcelona foult weniger als der Gegner über 90 Minuten gesehen, doch sie haben ja auch schlichtweg keinen Grund dafür, wenn sie den Ball ohnehin fast ununterbrochen besitzen. Setzt man die Fouls allerdings in Relation zum Ballbesitz, so erhält man ganz andere Zahlen, welche das taktische Mittel der bewussten Inkaufnahme von Fouls beim Pressing beweisen.
Zwar hatte Osasuna mit 15 Fouls fast doppelt so viele wie Barcelona, doch da die Katalanen 82% des Ballbesitzes hatten, muss man die Zahl relativieren. Dividiert man die Zahl der Fouls, welche Barcelona beging (acht), durch den Ballbesitz Osasunas (achtzehn) und multipliziert man ihn mit 50, so erhält man einen theoretischen „Fouldurchschnittswert bei normalem Ballbesitz“ von knapp über 22 Fouls – Osasuna hingegen hätte nur neun Fouls; natürlich auch so niedrig, weil sie ihren Gegner kaum erwischen können.
Dies soll übrigens keine Kritik an Barcelona sein, sondern nur einen nahezu immer übersehenen Punkt darstellen, wieso das Pressing der Katalanen so effektiv und hilfreich für ihren schematisch hohen und dadurch risikobehafteten Spielstil ist.
Ballbesitz und qualitative Torchancen
Ein weiterer Punkt, der für diesen Spielstil spricht, ist die Geduld, mit welcher sich Torchancen herausgespielt werden. Da man nicht auf Distanzschüsse oder Abschlüsse unter Bedrängnis angewiesen ist, kann man viel effizienter mit seinen Chancen umgehen und bei der nötigen Routine mit wenigen Torversuchen hoch gewinnen.
Ein Paradebeispiel war eben dieses Spiel, wo man bei 18 Torversuchen insgesamt 14mal aufs Tor schoss (und dreimal das Aluminium traf), was eine exorbitant hohe Quote darstellt. Desweiteren sind acht Tore bei vierzehn Versuchen sehr viel und legen beeindruckend dar, welche Vorteile man durch ein geregeltes Angriffsspiel ebenfalls erhält.
Der Gegner aus Osasuna, welcher durch das Pressing Barcelonas und ihr eigenes Konterspiel immer unter Stress abschließen mussten, konnte nur einen einzigen seiner sieben Abschlussversuche auf den Kasten von Victor Valdes bringen – damit haben sie mehr Schüsse neben das Tor gehabt als ihr siegreicher Gegner.
Pässe als Kommunikationsmittel
Zuletzt möchte ich noch etwas höchst Spekulatives und vielleicht fast Anmaßendes ansprechen: Barcelonas Kommunikation im Angriffsspiel. Die Bewegungen wirken so koordiniert und gleichzeitig fortwährend neu, dass sie weder spontan noch einstudiert zu sein scheinen. Allerdings denke ich, dass diese Angriffe aller Unwahrscheinlichkeit zum Trotz wahrhaftig nicht eingeübt sind, sondern vielmehr die Pässe und die Bewegung des Kollektivs diese Angriffe planen.
Diese Zeichen scheinen hingegen wirklich einstudiert zu sein: Ein kurzer horizontaler Pass bspw. bedeutet, dass nun ein vertikaler in den Raum folgen soll, während eine weite horizontale Spielverlagerung Ruhe bedeutet. Eine diagonale Spielverlagerung nach vorne bedeutet, dass die Seiten für einen Angriff gewechselt werden sollen, der Angriff jedoch weitergeht, während ein diagonaler weiter Ball schräg nach hinten für eine neue Planung sorgt.
Eine Szene ist bezeichnend für meine Theorie: in der Mitte der zweiten Halbzeit kommt ein scharfer Pass auf Messi zu, welcher ihn jedoch durchlässt, allerdings im vollen Unwissen, ob jemand hinter ihm steht – ich habe mir die Szene mehrmals angesehen, er war vorher konzentriert auf den Ball, die gesamte Zeit. Allein durch die Härte des Passes schien er zu wissen, dass er nicht für ihn bestimmt sein könnte und ließ ihn durch.
Es scheint unmöglich, doch je öfter man sich in Erinnerung ruft, welche Aktion auf welchen Pass folgte, desto wahrscheinlicher scheint es zu sein. Auf einen kurzen diagonalen Pass nach hinten folgte nie ein Pass nach vorne, wie es beispielsweise Xabi Alonso gerne macht – der Ball wurde dann immer entweder gestoppt oder nach hinten gespielt, um keinen Ballverlust zu riskieren.
Fazit
In einem tollen Spiel, welches in der ersten Halbzeit wohl eine der stärksten Einzelleistungen einer Mannschaft jemals war, konnte Barcelona sich für die letzten zwei unglücklichen Unentschieden revanchieren und mit 8:0 gewinnen. Osasuna konnte dieser Macht nichts entgegensetzen und darf froh sein, dass es nicht zweistellig wurde.
20 Kommentare Alle anzeigen
Atütata 2. März 2017 um 13:25
http://lineupbuilder.com/?sk=dy3r6
Könnte man so die perfekte Mannschaft für dieses System machen? Ich denke das sind passende Spieler
Christoph 26. September 2011 um 19:06
Hallo zusammen,
ich habe ein Interview mit Xavi gelesen, das vielleicht den ein- oder anderen hier interessieren könnte:
http://www.tagesspiegel.de/sport/warum-der-fc-barcelona-den-weltfussball-beherrscht/4658244.html?p4658244=2
Beste Grüße und weiter so!
Bern 1989 21. September 2011 um 16:38
Sehr, sehr lesenswerte Analyse, vielen Dank!
@vastel: Bei einem hypothetischen Spiel „Barça vs. Barça“ würde mE die Qualität der einzelnen Spieler hinsichtlich Ballbeherrschung und Spielintelligenz den Ausschlag geben. So intelligent die Taktik ist und so sehr die häufig gelesene Behauptung Unsinn ist, Guardiola sei kein herausragender Trainer, da mit diesen Spielern jeder erfolgreich wäre – man braucht auch Spieler, die in der Lage sind, das Konzept umzusetzen. Und wenn zwei Teams mit dem gleichen Konzept gegeneinander antreten, wird der zu erwartende Kampf um die Ballkontrolle im Mittelfeld von den technisch besseren Spielern mit der größeren Spielübersicht gewonnen.
Übrigens fände ich bei Gelegenheit einen fundierten Vergleich von Barça und der spanischen Nationalmannschaft interessant. Mein Eindruck ist der, dass das Nationalteam eine wesentlich defensivere Variante desselben Grundprinzips anwendet. Der Fokus liegt noch stärker auf Ball- und Spielkontrolle und dafür weniger darin, das Tor zu suchen. Entsprechend gingen Spaniens WM-Spiele ja fast alle 1:0 aus. Es würde mich interessieren, was die Experten dieses Blogs dazu meinen.
Spannend fände ich daher auch ein Spiel Deutschland-Barça. Einerseits sähe sich Deutschland wohl einer wesentlich stärkeren Offensive gegenüber als in den bisherigen Begegnungen mit Spanien. Andererseits ist Barça mE hinten wesentlich anfälliger für schnelle Konter als Spanien, und gerade darin könnte die Chance für Deutschland liegen. Und schließlich könnten Özil und Khedira mal gegen Barça spielen, ohne sie auf Trainerbefehl prügeln zu müssen. 😉
Teefax 20. September 2011 um 14:39
Bin restlos begeistert von dieser Analyse. Eine Frage: Was passiert, wenn Iniesta zurück kommt, rückt dann einfach Xavi auf Thiagos Position oder ändert sich noch was?
RM 20. September 2011 um 16:31
Tja, das hängt von Guardiola ab, es wäre aber wohl die wahrscheinlichste Lösung.
Handkante 19. September 2011 um 20:34
Einer der besten Artikel zum Thema Fußball, die ich bisher lesen durfte.
Danke, einfach nur Danke
44² 19. September 2011 um 19:52
Überragender Artikel! Großes Kompliment.
ode 19. September 2011 um 01:52
Supertoller Artikel! Man merkt wirklich, wie Barca im Moment den Fußball wieder revolutioniert. Interessant zu betrachten finde ich, wie Barca sich gegen enorm spielstarke Mannschaften in der Defensive schlägt. Gegen ManU hats ja auch gereicht…
Ich denke, dass sich Barca es einfach nur deshalb leisten kann die Defensive so zu vernachlässigen, weil sie so unfassbar ballsicher sind. Wenn du Leute wie Xavi, Iniesta, Messi und Fabregas hast, dann kannst du dir so was erlauben.
Vermutlich wäre es gar nicht mal so schwer, Barca zu knacken. Wenn man einfach nur öfter am Ball wäre. Im Grunde hat Pato ja gezeigt, wie es geht: Ball lang nach vorne und hinterher rennen. Wenn du schnell genug bist (und der Platz ist ja da, wenn die Abwehrspieler so weit aufrücken), überläufst du die Abwehr halt. Aber, wenn du nur 20% des Spiels am Ball bist, dann kommst du einfach gar nicht oft genug in so eine Situation…
vastel 18. September 2011 um 20:04
Sehr interessante Analyse.
Mal sehen wie lange die Dominanz Barcas noch anhält. Jedes System findet früher oder später sein Anti-System und ich bin überzeugt davon, dass nicht nur Mourinho fieberhaft nach der Anti-Barca-Taktik sucht und sie finden wird.
Für mich wäre dies einmal einen Artikel wert:
Wie kann man das Barca-System, zumindest in der Theorie, gekonnt aushebeln?
vastel 18. September 2011 um 20:07
PS:
Weiterer Denkanstoß:
Wie würde (theoretisch) das Spiel Barca gegen Barca aussehen? Könnte sich Barca mit seiner eigenen Taktik aushebeln oder würde es in eine Mittelfeldschlacht ausarten, wo keiner der beiden wirklich Zugriff auf den gegnerischen Strafraum bekommt?
PM18 21. Juli 2012 um 19:59
@vastel:
Für mich wäre dies einmal einen Artikel wert:
Wie kann man das Barca-System, zumindest in der Theorie, gekonnt aushebeln?
Italien hat im ersten Spiel gegen Spanien gezeigt, wie eine mögliche Lösung aussehen könnte: Dreierkette, Fünfermittelfeld und zwei Mann im Sturm. Damit kann man das Zentrum massiert zustellen und hat nach einem Ballgewinn sofort zwei Leute, die man anspielen kann. Ein Kardinalfehler vieler Mannschaften gegen Barca ist, dass auch die Angreifer so sehr ins Verteidigen eingebunden sind, dass sie nach einem Ballgewinn selten angespielt werden können.
Natürlich geht das nur, wenn die Qualität der Mannschaft nicht gerade auf Gijon-Niveau ist (oder so), weil man individuell im Zweikampf stark und hoch (oder zumindest nicht all zu tief) verteidigen muss.
Dies ist auf jeden Fall das grobe Konzept, was gegen Barca helfen könnte (sehr, sehr viele Feinheiten gehören natürlich auch dazu). Ich persönlich liebe das 3-4-3 und würde das mal gerne von einer halbwegs ordentlichen Mannschaft gegen Barca sehen. Wäre spannend.
RM 21. Juli 2012 um 22:13
TR und ich haben vor zwei Jahren ein ziemlich absurd wirkendes System ausgedacht, welches in der Theorie das 4-3-3 des FC Barcelona aushebeln könnte. Eventuell gibt’s eines schönen Tages einen Artikel dazu …
HerrHAnnibal 22. Juli 2012 um 17:21
Italien hat gegen Spanien gespielt… Da gibt es nur bedingt Gemeinsamkeiten mit Barca? Das ist doch ein komplett anderes System.
Dreierkette gegen Barca funktioniert mMn nur wenn die Wing Backs im Mittelfeld sehr tief stehen sonst wird man auf den Flügeln gnadenlos ausgespielt. Und dann hat man effektiv eine Fünferkette. Das klappt nur wenn Barca eine Aufstellung hat wo im letzten Spielfelddrittel keiner den Flügel besetzt (also kein Alves rechts, kein Pedro, Cuenca etc)
Kommt natürlich sowieso auch immer darauf an wer bei Barca spielt.
Wenn Links Abidal (wenig Offensivdrang) und Iniesta (rückt sowieso ins Zentrum) spielten konnte man den Fokus auf die Spielfeldmitte und die rechte Barca Seite legen.
Auch wenn Keita auf dem Feld ist sieht man oft wie der Gegner seine Taktik daran ausrichtet und den technisch nicht ganz so sauberen Keita entweder unter Druck setzt oder total gewähren lässt um die anderen Spieler noch mehr zu bedrängen.
Ich denke nicht dass es eine optimale Taktik gibt. Es gibt Mannschaften die sich extrem zurückziehen und kontern und es gibt Teams die erfolgreich im Mittelfeld den Kampf aufnahmen…
Beides wurde oft kopiert und variiert und ich habe in all den Jahren unter Guardiola keine „Musterlösung“ gegen dieses System gesehen. Wie schon gesagt: Ist viel zu stark abhängig von Barcas Aufstellung und dem eigenen Spielermaterial.
Louis 18. September 2011 um 17:52
die These der Kommunikation durch Pässe ist übrigens nicht völlig neu: im Spiegel-Artikel „Der Barca Code“ schreibt Cordt Schnibben:
„Sie kommunizieren über ihre Pässe, jeder Pass spricht zu den Mitspielern. „Unsere Ordnung stimmt nicht“, sagt ein Ball, den ein angespielter Xavi sofort wieder zum Passgeber abprallen lässt. „Abwarten“, „Jetzt stehen wir richtig“, „Lauf zu in dieses Quadrat“, „Achtung, gleich stürmen wir los“, „Attacke!“ – so reden sie miteinander, wenn sie Querpässe spielen, Rückpässe, scharfe Pässe, diagonale Pässe, vertikale Pässe.“ (Spiegel-Online: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-78602583.html)
datschge 18. September 2011 um 19:50
Ist auch naheliegend, das zur Kommunikation herzunehmen sobald die Technik am Ball dazu ausreicht. Halte aber nichts von dem Andacht des Spiegelautors, diese Kommunikation in griffige Sätze zu „übersetzen“. Es impliziert einen Führungscharakter und verschleiert dem Leser dadurch etwas den Kern der Sache, gemeinsam spielerische Lösungen durch Informationsaustausch schon im und gerade durch einfachen Passspiel zu finden.
HerrHAnnibal 18. September 2011 um 17:18
Ich sehe seit mehreren Jahren so ziemlich jedes Barcelona Spiel und wundere mich aktuell wirklich wie in den Medien über das System bei Barca berichtet wird. Da wird so oft das klassische 4-3-3 Modell beschrieben obwohl es mit der Realität nicht viel zu tun hat.
Insofern gefallen mir die Artikel hier wobei ich auch sagen muss, dass sich bei Barca überhaupt nicht soviel geändert hat.
Letztendlich hat Guardiola mit der Ankunft von Fabregas wieder einige Dinger verändert und wie gegen Villareal auch mit einer klassischen nominellen Dreierkette experimentiert.
Dennoch spielte doch Alves schon in den letzten Jahren fast immer praktisch im Mittelfeld bzw als Winger während mit Abidal und den beiden Innenverteidigern hinten die Absicherung stand. In einzelnen Spitzenspielen agierte Alves dann auch mal als klassischer RV aber insgesamt sehe ich momentan eher kleinere Anpassungen und keine Systemrevolution.
In der Phase ohne Abidal hat sich das dann ein bisschen geändert und das System wurde symetrischer, da Busquets zwischen die IV rückte und dann Alves und beispielsweise Adriano das Spiel über die Außenbahnen ankurbelten.
Schön, dass auch mal jemand das bewusste taktische Foul erwähnt. Gerade die Offensivspieler sind da beim Pressing zu hoher Aggressivität angehalten um entweder den Ball zu erobern oder aber dann das Foul zu begehen. Da es hierbei dann meistens auch nur kleine Rempler und keine bösen Grätschen gibt, gehen die Spieler kaum ein Risiko im Bezug auf Verwarnungen. Wenn die Spieler bemerken, dass sich der Gegner gerade sehr gut aus dem Pressing befreit und die eigenen Defensive nicht gut steht folgt fast immer das Foul.
datschge 18. September 2011 um 19:59
Wenn etwas schon funktioniert, sind Änderungen und Verbesserungen zumeist gradueller Natur. Sie können aber dennoch große Wirkung haben und in Umsetzungen und Variationen von Systemen äußern, die es in dieser Form noch nicht gab und wenig beachtete Aspekte berühren. Solche Besprechungen sind besonders dahingehend sinnvoll, dass sie eine bessere Beurteilung erlauben, wie solche Systeme mit anderen Spielern umgesetzt werden könnten bzw. welche Spielertypen und bestimmte Spieltendenzen wo benötigt werden und eingesetzt werden können.
datschge 18. September 2011 um 15:39
Sehr schöne Analyse. Sehr gefallen hat mir die Erwähnung von Fouls im Pressing sowie (als passender Knaller zum Abschluss im eh schon umfassenden Artikel) das Mittel, über Passrichtung und -stärke intuitiv mit Mitspielern zu kommunizieren.
Alex 18. September 2011 um 15:12
Toller Beitrag, eine Frage habe ich aber noch an euch, was denkt ihr auf welcher Position wird sich ein fitter Pique wiederfinden?
Geht Puyol auf die rechte Position des Innenverteidigers und Mascherano raus, oder würde Pique auch einen guten Ersatz für Busquets abgeben?
Tank 18. September 2011 um 13:06
Grandiose Spiel- und Mannschaftsanalyse. Hab das Spiel gesehen und war völlig hin und weg. Barcelonas 3-4-3 scheint eine Fluidität auf dem Platz möglich zu machen, die in dieser extremen Form auch von den Katalanen unbekannt ist.
Wie ihr schon richtig angemerkt habt, ist es müßig zu versuchen Barcas System auf eine feste Zahlenkombination festnageln zu wollen. Aber wenn man es doch versucht würde ich gegen 3-3-4 und für 3-4-3 plädieren, da Fabregas meiner Ansicht nach häufig genug in tiefere Positionen rochiert ist, um ihn als Mittelfeldspieler zu bezeichnen. Die average position unterstreicht das.
Dass meine Wahrnehmung mich aber auch täuschen kann, zeigt die heatmap und eure Beobachtungen zu Dani Alves. Ich dachte er hätte heute einen genauso „reinen“ Außenstürmer gespielt wie David Villa und wäre nur sehr wenig bis nach weit hinten mitgegangen. Joa, hab ich mich vertan.
Zum Schluss, ohne zu sehr zu schleimen, nochmal ein ganz großes Lob. Es ist immer eine Freude eure Artikel zu lesen.
Bei 8 Toren findet man ja praktisch keine Highlights, die auch den Spielaufbau etc. zeigen, aber hier sind immerhin noch einige vergebene Chancen drauf:
http://www.totalbarca.com/2011/matches/the-highlights-fc-barcelona-8-0-ca-osasuna/#more-88907