U17-EM-Finale: Frankreich läuft und dribbelt sich gegen deutsche Pressingschwächen zum Titel
Gegen die französischen Einzelspieler gewährt die deutsche Mannschaft zu viele offene, direkte Situationen. Vor allem die geringe Pressingkohärenz und die Sechserrollen sind problematisch. Letzteres gehört auch offensiv zu den Schwachpunkten.
Nach dem Halbfinalerfolg gegen Russland stellte Trainer Christian Wück sein Team in der 4-2-3-1-haften Grundformation um und brachte vier neue Spieler: Karakas, Abu Hanna, Schmidt und Eggestein kehrten zurück. Wie schon in vielen der bisherigen Partien gab es eine eher defensiv besetzte Mittelfeldzentrale, während Kapitän Passlack auf dem offensiven Flügel spielen musste. Das französische Team unter Jean-Claude Guintini hingegen trat mit der gleichen Aufstellung an, die auch bei der vorigen Partie gegen Belgien gestartet hatte.
Die Geschichte des Spiels war, dass die bisher gegentorlose deutsche Defensive aufgrund einer merkwürdigen Orientierung im Pressing dem französischen Fokus auf die offensiven Einzelspieler zu viele Freiheiten gewährte, sich aber gleichzeitig ein flottes, eher simples Spiel zwischen zwei insgesamt strukturell nicht unähnlichen Teams entwickelte. Beide Kontrahenten pressten in einem etwas laschen 4-4-2-haften Schema, agierten gerade auf den Außen mit vielen losen Mannorientierungen, ließen aber auch die beiden Sechser immer wieder frühzeitig weiter mit aufrücken.
DFB-Team offenbart Pressingschwächen
Die deutsche Mannschaft hatte in ihrer Organisation dabei zu wenige natürliche Anbindungen zwischen dem Mittelfeld und der Abwehrreihe, die sich dadurch immer mal wieder isoliert und ungeschützt bewegte. Das war wiederum mit bedingt durch die innerhalb des vorderen Blocks etwas zu unbewusst-kollektive Anlage und die Zuordnungen der Sechser: Wenn beispielsweise Makengo etwas in den Halbraum zurückfiel und dort am Ball von Schmidt gepresst werden konnte, rückte Gül trotzdem bis einige Meter zu diesem heraus, deckte damit aber nur den Raum um seinen Mitspieler, ohne dort effektiv eingreifen zu können.
Die Folge war stattdessen, dass die kompakten Anbindungen nach hinten verloren gingen: Letztlich konnten sich die beiden Sechser durch diese verschiedenen, zu unflexiblen Orientierungen an den Gegnern nicht konstant sauber in das mannschaftliche Verschieben gegen die französische Zirkulation einbringen, sondern verschoben teilweise einfach für sich irgendwie durch die Räume. Das führte auch zu einer Fortsetzung dieser fehlenden Kohärenz nach hinten und in Verbindung mit den eher simplen Rollen der Außenspieler sowie dem nicht immer ganz konsequenten seitlichen Nachschieben der beiden Stürmer zu kleineren Löchern und schwankenden Zugriffsproblemen.
In einem anfangs somit etwas unstrukturierten, aber doch recht flotten Match nutzte Frankreich dies mit der Zeit immer besser aus und sorgte in der ersten Halbzeit letztlich für ein deutliches Chancenübergewicht. Sie agierten keinesfalls überragend, brachten aber doch ein ordentliches Aufbausystem auf den Platz und hatten auf dieser Basis vor allem genügend individuelle Stärke, um einfach die deutschen Schwachstellen zu attackieren. Im Aufbau fächerten sie recht konsequent auf und nutzten die häufige Einbindung des recht sauber und komplett mitmachenden Luca Zidane sowie die strategischen Ansätze von Upamecano für eine sichere Zirkulation in den tiefen Bereichen.
Frankreichs Offensivleute und ihre Ausrichtung
Gelegentlich ließ sich auch Kapitän Cognat fallen, der mit seiner koordinativ ungewöhnlichen Ballsicherheit und Pressingresistenz glänzte, einige Male die Strukturen balancierte, aber doch etwas instabil mit einigen tollpatschig fehlerhaften Aktionen agierte. Sein Nebenmann Makengo war strategisch weniger balanciert, aber machte dennoch einen geschickten Eindruck und zeigte einige beeindruckende Dribblings, mit denen er aus tiefsten Positionen ballschleppend ganze Angriffe alleine aufs Gleis setzte. Neben seiner technischen Sauberkeit und der passenden Druckwahl in der Ballführung bei diesen Szenen war bis auf wenige Ausnahmen die Entscheidungsfindung für den Einsatz der Dribblings positiv hervorzuheben.
In der Offensive suchten die Franzosen letztlich ihren Fokus auf der rechten Seite, wo mit Ikoné, Boutobba und Edouard drei Akteure häufig rochierten. Letztgenannter, der Torjäger des Teams, lieferte neben seiner Effektivität in Richtung Tor auch die eine oder andere sehr geschmeidige Weiterleitung. Gegenüber ihm und dem definierten Dribbler Ikoné agierte Boutobba weniger präsent, zeigte in unscheinbarer Art zuarbeitende Ansätze und versuchte seine Kollegen mit weiträumigen Bewegungen zu befreien. Auch er tat sich überdies in dribbelnder Manier hervor und überzeugte dabei vor allem mit wirkungsvoller Raumwahl für den Start solcher Aktionen halbrechts.
Nach vielen Anläufen per Flügeldurchbruch zum 1:0
In diesen Bereichen wollten die Franzosen einzelne Spieler gegen lose Mannorientierungen oder kleinere unkompakte Löcher des DFB-Teams in Freiräume bringen und dann mit schnellen Spielzügen oder individuellen Läufen zur Grundlinie durchbrechen. Die problematische Ausrichtung der deutschen Sechser und die Inkonsequenz im Pressing sorgten dafür, dass die Viererkette nicht genug unterstützt wurde und solche direkten Duelle gegen die französischen Athleten mehrmals vorkamen. Wenn Cognat bei Frankreich zurückfiel, reagierte Deutschland darauf manchmal mit einer einschiebenden Rolle Passlacks und einem frühzeitigen Herausrücken von Karakas, was aber nicht optimal getimt war und daher die Lücken hinter diesem auf der Seite weiter verstärkte.
Auch über links gab es vergleichbare Szenen, in denen Reine-Adélaïde immer mal wieder in Dribblings mit Busam gehen durfte und sich zur Grundlinie durchsetzte. Manchmal kam auch der sehr unorthodoxe, etwas tollpatschige Linksverteidiger Maouassa hinzu, der einige verrückt ungewohnte, in dieser Ungewöhnlichkeit fast kreative und trotz einer gewissen instabilen Unbewusstheit immer sehr effektive Aktionen mit Ball zeigte, und unterstützte Reine-Adélaïde bei den Durchbrüchen. Zwar verhielt sich die deutsche Restverteidigung grundsätzlich noch geschickt, lenkte einige Sprints etwas weiter nach außen ab und verhielt sich auch gegen die anschließend stets folgenden Rückgaben recht gut, aber lange konnte das nicht gut gehen.
Frankreich erhielt über die erste Halbzeit hinweg zahlreiche Möglichkeiten und es war fast ein Wunder, dass sie erst in deren letzter Minute in Führung gingen. Die Entstehung jenes Treffers stand dabei beispielhaft für die erwähnten Schwierigkeiten und fasste diese exemplarisch zusammen. Als Frankreich im Aufbau von links wieder nach rechts zirkulierte, war Gül zu weit Richtung Makengo herausgerückt, auch die horizontale Grundkompaktheit nicht gut und die Sturmlinie aufgerissen, so dass Upamecano mit seinem Vorstoß die Szene einleiten durfte. Das insgesamt mannorientierte Mittelfeld konnte nicht rechtzeitig anschließen und Frankreich spielte über das dortige Tandem aus dem druckvollen Georgen und Ikoné am Flügel durch und legte in den Rückraum.
Deutschlands Aufbau über Direktpässe
Nun wies Frankreichs defensive Spielweise mit im 4-4-2 durchaus mannorientiert auftretenden Sechsern einige Ähnlichkeiten zum deutschen Ansatz – daneben beispielsweise das situative Abkippen oder die defensiven Spielweisen der Flügel – auf, doch waren diese Akteure besser mit den Stürmern vor ihnen abgestimmt, die zudem untereinander etwas kohärenter auftraten. Das Herausrücken selbst praktizierten deren Sechser konsequenter, aber gaben die Zuordnungen auch kurzzeitig mal auf, wenn es gerade nicht sinnvoll war, die Orientierung am Gegenspieler beizubehalten. Das alles funktionierte auch deshalb besser, weil Gül und Janelt in ihrer eher zurückhaltenden Ausrichtung mit einer solchen Spielweise besser zu verteidigen waren.
Erstgenannter fiel zwischendurch mal in eine Aufbaudreierkette zurück, doch insgesamt gab es nur wenige Synergien nach vorne und gerade Janelt wurde über weite Phasen bloß passiv ballfern ein- bzw. „aus“-gebunden. So nutzte Deutschland den eigenen Sechserraum im Aufbau kaum. Vielmehr waren es aufrückende Läufe der Innenverteidiger oder auch mal des zurückgefallenen Güls nach außen in die Halbräume, die zur Eröffnung gesucht wurden. Anschließend sollten mit langen Bällen oder scharfen Direktzuspielen in diesen Bereichen die Angriffe eingeleitet werden.
Deutschland bringt Ansätze nicht durch, Frankreich trifft
Die wenig komplexen und teilweise ebenfalls simpel mannorientierten Franzosen riss dieses Mittel auch einige Male auf, wenn die soliden Bewegungen des Offensivquartetts hinzukamen. Gerade auf rechts unternahm Köhlert diagonale Läufe in die Spitze oder zum Raumschaffen, während sich Eggestein ablegend und Schmidt dort ballnah einschalteten. Als sich der zuvor mit einigen Direktkombinationsansätzen halblinks auffallende Passlack auch in jenem Bereich verstärkt einbrachte und diese Muster etwas an Flexibilität gewannen, gab es Ende des ersten Durchgangs auch einige Chancen und Abschlüssen für das Team von Christian Wück.
Ansonsten fehlte aber der ganz große Durchbruch in diesen Szenen, die trotz der Ansätze vorne nicht präsent genug gegen Frankreichs verbleibende Defensivsicherung waren, zumal deren Mittelfeld stets noch einen gewissen Zugriff in der Nähe hielt und damit effektiver helfen konnte. Wegen der geringen Sechserraumpräsenz und der auch dadurch fehlenden Zirkulationsmöglichkeit im zweiten Drittel litten die deutschen Ansätze zudem unter einer etwas unsouveränen Vorbereitung und hatten keine stets sicheren Ausweichmöglichkeiten. Gerade Ersteres mussten die Franzosen zwar manchmal auch beklagen, doch konnten sie sich daraus häufiger noch durch die Dribblings ihrer Einzelspieler befreien – nicht zuletzt von Makengo, der dann in mutiger Besetzung jener Position einfach mal alleine loszog und das Leder durch mehrere Gegner nach vorne brachte.
Man kann sicher die physische Überlegenheit der Franzosen anführen, aber die deutsche Mannschaft ließ zu viele zu leichte Möglichkeiten zu, in denen die Les Blues diese Qualitäten auf den Platz bekamen und ihre Spieler in offene Szenen bringen konnten, aus denen sie dann gegen Deutschlands Defensive durchgingen und früher oder später die Tore machten. Direkt nach Wiederbeginn legte Edouard, als Deutschland nach einem fahrigen französischen Angriff den Ball eigentlich schon gewonnen hatte, aber Upamecano ihn wiederholte, das 2:0 nach – etwas unglücklich entstanden, aber auch individuell und als Gruppe eher schwach verteidigt am Strafraum. Mit dem schnellen Anschlusstreffer nach einer Standardsituation kehrte jedoch wieder etwas Hoffnung zurück.
Genau zwischen dem 2:0 und 2:1 richtete Wück mit der Einwechslung von Özcan für Nesseler, wofür Gül in die Innenverteidigung zurückrückte, sein Team etwas spielstärker aus, was mehr Möglichkeiten und Zugriff auf das Mittelfeld brachte. Insgesamt änderte sich im Großen und Ganzen aber gar nicht mehr so viel in der zweiten Halbzeit, die Frankreich mit einer soliden Defensivleistung gestaltete. Das hohe mannorientierte Pressing in der Schlussphase im 4-4-2 und der Versuch, durch die schon kurz nach dem 2:1 folgende Einwechslung des großgewachsenen Mittelstürmers Serra auf lange Bälle spielen zu können, reichten den DFB-Junioren letztlich für die Wende nicht mehr. Mit dem dritten Treffer von Edouard, als er ballfernen einen diagonale Verlagerung bei einem Schnellangriff erhielt, war die Entscheidung zehn Minuten vor dem Ende gefallen, ehe Güls Eigentor das Endresultat besorgte.
Abschließendes Turnierfazit der SV-Autoren aus deutscher Sicht
Die U17-Europameisterschaft in Bulgarien sah ein deutsches Team, das gewiss gespickt mit hochtalentierten Kickern des Jahrgangs 1998 war. Der dynamische, teils wilde Passlack oder auch die beiden Angreifer Eggestein und Serra konnten ihr Potential unter Beweis stellen. Der frühe Ausfall von Mittelfeldstratege Dorsch schwächte das Team jedoch. In der Folge setzte Wück im Zuge seiner ständigen Rotation meist auf eine Doppelsechs mit vornehmlich defensiven Kompetenzen. Im Finale startete die DFB-Elf nicht zum ersten Mal mit nahezu fünf gelernten Innenverteidigern. Die insgesamt schwache Besetzung der Außenverteidigung, wo beispielsweise Karakas eher verschenkt wirkte, wurde gegen die physisch überlegenen Franzosen deutlich.
Die deutsche Mannschaft blieb bis zum Endspiel ohne Gegentor, was in erster Linie an einer in der Breite individuellen Überlegenheit lag. Wück konnte derweil nur selten mehr als ein Standard-Pressing nachweisen. Stattdessen gab es teils unkoordinierte Defensivabstimmung, unpassende Mannorientierungen und eine phasenweise merkwürdige Personalwahl. An dieser Stelle seien die geringen Einsatzzeiten von Dortmunds Burnic, der zudem stets auf der unpassenden offensiven Außenbahn spielte, und dem Kölner Özcan erwähnt, der nach seiner Einwechslung gegen Frankreich einmal mehr andeutete, wozu er im zentralen Mittelfeld im Stande ist.
Ein letzter kritischer Punkt dieser U17-EM bleibt die Nominierungspolitik des DFB. Kein Kaderspieler hat später als im Juli Geburtstag. Dies ist natürlich auch eine Folge der Selektion in den Vereinen. Zum Beispiel wurden von den drei bereits feststehenden Teilnehmern an der B-Junioren-Endrunde lediglich 13 (von knapp 70) Akteure(n) im August oder später geboren. Bei der Équipe Tricolore wurde zumindest ein Viertel des Kaders in der zweiten Jahreshälfte geboren – davon gehörten die meisten zum Stammpersonal, unter anderem der starke Rechtsverteidiger Georgen und der vielleicht baldige Manchester-United-Spieler Upamecano.
29 Kommentare Alle anzeigen
Cali 31. Mai 2015 um 12:47
Werden solche Analysen auch zur u20-WM erscheinen? Die Hobbyscouts unter uns wissen, dass dieses Turnier ein Honigtopf für zukünftige Weltklassespieler darstellt.
Md10 28. Mai 2015 um 01:14
Spreche mal nun aus eigener Erfahrung und Beobachtungen. Mein Sohn spielt in einem NLZ eines Bundesligavereins in der U9, sprich F1. Was mir besonders auffällt, auch bei den anderen Mannschaften, dass die Kinder keine besonders große Kreativität aufweisen in ihrer Spielweise, was damit zu tun hat, dass die Trainer den Fokus auf stupides Hin- und Herpassen legen. Ich persönlich bin der Meinung, dass die Kinder in diesem Alter besonders technisch gefördert werden sollten, d.h. dass die individuelle Klasse und Kreativität gefördert werden soll. Natürlich, Fussball ist ein Mannschaftssport und man hat ja auch gesehen, dass eine geschlossene Mannschaftsleistung zum Erfolg führt bei unserer A-Nationalmannschaft. Jedoch hat man z.B. bei den Franzosen gesehen, dass die Spieler individuell viel stärker sind als unsere Deutschen. Einen Typen wie Edouard, wird man bei den deutschen U-Nationalmannschaften nicht so oft finden, Sane ausgeschlossen. Daher gefällt mir dieser Trend der NLZ in Deutschland nicht, da ich, wie bereits erwähnt, finde, dass die deutschen auch mal Typen wie einen Hazard, Messi oder Ronaldo ausbilden sollten. Hört sich jetzt hochgegriffen an, jedoch bei dem deutschen Ausbildungssystem möglich !
FAB 28. Mai 2015 um 10:34
Ich würde daraus aber keinen Trend ableiten. Spieler wie Messi und Ronaldo gab es im deutschen Fussball noch nie. Aber das durch die „gründliche“ Nachwuchsarbeit des DFB nun auch Typen wie Basler verloren gehen ist tatsächlich schade.
Insgesamt bin ich aber auch enttäuscht von diesem u17 Jahrgang, das war kein Vergleich zum 2011 Jahrgang mit Weiser, Can und Yesil die wirklich begeisternd (auch individuell) bei der WM in Mexiko aufgetreten sind, auch die 2012 Generation um Meyer und Goretzka fand ich wesentlicher beeindruckender.
Aus diesen Jahrgang ist mir neben Frommann am ehesten noch Özcan (auch wenn er nicht in der Startelf stand) aufgefallen. Passlack sehe ich nach dieser EM zumindest nicht als Offensivspieler, vielleicht wird aber ein guter Außenverteidiger aus ihm. Ansonsten war da nichts …!
Koom 28. Mai 2015 um 10:50
Naja, man kann Talente suchen und ausbilden. Aber es muss halt da sein. Ein wenig erinnert mich die Fußball-Ausbildung teilweise an den Satz von Rangnick einst: „Geben Sie mir 16 Mittelstreckenläufer und ich stelle eine gute Fußballmannschaft damit zusammen“ (irgendwie so). Laufen, Verschieben, Kettenbildung, Pressing – das kann man beibringen. Auch Technik, Paßen, Schießen. Aber manche Dinge wie Übersicht, Antizipation, Kreativität hast du entweder oder eben nicht.
Oder mal anders: „Schreiben“ kann theoretisch jeder. Im Grunde kann also jeder auch auf SV.de einen Artikel schreiben. Ob der inhaltlich taugen würde, kann man aber bezweifeln. Auch dafür braucht es Talent, bestimmte Dinge und Zusammenhänge zu sehen und beschreiben zu können.
vanGaalsNase 28. Mai 2015 um 11:07
Da möchte ich widersprechen: Spielübersicht, Antizipation und Kreativität kann man sehr wohl vermitteln und ist nicht nur vom reinen Talent abhängig. Ich kann da die Arbeit von Daniel Memmert (Prof. an der Sporthochschule Köln) wärmstens empfehlen, der sich genau mit diesen Themen auseinander gesetzt hat.
FAB 28. Mai 2015 um 11:37
Ich würde jedoch Md10 recht geben, dass mittlerweile Technik und Taktik zu schematisch trainiert werden und dabei die Kreativität zu kurz kommt. Das wurde wohl teilweise beim DFB auch schon erkannt, aber es ist sicherlich nicht so einfach einen optimalen Weg zwischen Individualität und Gruppendynamik zu finden.
Ich denke schon dass man es als durchschnittlicher begabter Kicker mit sehr gutem Training, ganz viel Ehrgeiz und dem Glück an die richtigen Leute zu geraten bis in die Bundesliga schaffen kann, aber für die Elite braucht es dann einfach noch Talent. Fälle wie Hans-Peter Briegel, der mit 17 vom Leichtathleten zum Fussballer umschult und dann noch Weltmeister wird sind wohl heutzutage nicht mehr möglich.
CE 28. Mai 2015 um 11:52
Weltmeister wurde er nie, obwohl er damals wie ein Berserker noch Burruchaga nachgejagt ist und sich anschließend heftigst über die Defensive beschwerte. Sorry für die unnötige Anmerkung. 😀
FAB 28. Mai 2015 um 12:38
Stimmt, nur Europameister (1980) .. und Fussballer des jahres (1985).
SuperMario33 28. Mai 2015 um 13:16
Angesichts der Tatsache, dass die wenigsten sog. Elite-Jugendspieler jemals Fußball als Beruf ausüben werden, es also de facto keine Berufsausbilduung ist, sondern allenfalls die Teilnahme an einer perversen Lotterie, wäre es aus rein humanitären Gründen sinnvoll, das Training auf Spielfreude und Kreativität auszurichten.
RM 28. Mai 2015 um 19:56
Briegel war doch taktisch und technisch ganz gut?
CE 29. Mai 2015 um 07:03
Ja, denke schon. Das Label „Walz aus der Pfalz“ wurde ihm nicht komplett gerecht.
FAB 29. Mai 2015 um 08:35
Ich glaube am Anfang seiner Karriere hatte er schon fussballerische Defizite, aber er hat sich halt während seiner Karriere unglaublich weiterentwickelt.
SuperMario33 29. Mai 2015 um 08:53
Briegel hat erst mit 17 im Verein gespielt, davor aber immer intensiv auf dem Bolzplatz gekickt. Letzten Endes kein schlechter Sonderweg: Athletik und Fußball komplett getrennt trainiert.
HK 29. Mai 2015 um 10:44
Ganz gut ist gut.
So richtig kam das erst in Italien zum Bewusstsein. Sein erstes Jahr und Meisterschaft mit Verona war unglaublich. Er wurde nicht nur in Deutschland Fußballer des Jahres, sondern belegte auch in Italien nach einem gewissen Diego Sowieso den zweiten Platz.
Kny 28. Mai 2015 um 13:25
Das sehe ich genauso. Da sich gerade im modernen Fußball die Mannschaften taktisch nicht mehr so viel geben, machen gerade die Spieler, die sich auch mal gegen zwei oder drei Spieler offensiv durchsetzen können, den Unterschied, der eine Mannschaft erfolgreich macht. Wie viele Titel hätte Guardiola mit Barcelona wohl ohne die Dribblings von Messi gewonnen? Ohne Robben, der zwei- bis dreifach gedeckt werden muss, hätte Bayern vor zwei Jahren niemals das Triple geholt. Dasselbe gilt wohl für Chelsea mit Hazard. Ein großer Schwerpunkt des Hin- und Herschiebens des Balles liegt doch darin, die um Überzahl in Ballnähe bemühte Defensive des Gegners derart hin- und herzuschicken, dass durch eine Spielverlagerung ein Dribbelkünstler auf der ballfernen Seite ins offensive Eins gegen Eins gehen kann. Wer die also nicht ausbildet und fördert, hat eine Ballbesitzmannschaft, die nirgends einfach „durchbrechen“ kann, wenn der Gegner gut verschiebt.
Koom 29. Mai 2015 um 07:58
Sieht man ja gut an den Bayern in den letzten Wochen…
CleverK 29. Mai 2015 um 09:57
Ich denke man sollte das Abschneiden der U17 nicht übermäßig kritisieren, immerhin hat man ins Finale geschafft und vorher auch Spanien und so besiegt. Hazard, Messi und CR haben noch keine WM geholt und darum geht es ja dem DFB. Meiner Meinung nach geht es in erster Linie um die Quantität an Weltklassespielern und nicht so sehr einen Messi oder so im Team zu haben. Für mich geht es im Teamsport mehr darum wie gut das schwächste Glied in der Mannschaft ist und nicht wie gut der beste Spieler in der Mannschaft ist….
RAE EFF 27. Mai 2015 um 11:54
Im Kader der DFB Auswahl :
1. Quartal (Januar, Februar, März) : 7 Spieler
2. Quartal (April, Mai, Juni): 11 Spieler
3. Quartal (Juli, August, September): 1 Spieler (Juli)
4. Quartal (Oktober, November, Dezember): 0,00000 Spieler
Im französischen Kader:
1. Quartal (Januar, Februar, März) : 7 Spieler
2. Quartal (April, Mai, Juni): 6 Spieler
3. Quartal (Juli, August, September): 4 Spieler
4. Quartal (Oktober, November, Dezember): 1 Spieler
Isco 23. Mai 2015 um 23:02
Dass ich bein SV noch positive Worte zu einem Zidane zu lesen bekommen.. 🙂
Schorsch 23. Mai 2015 um 20:59
Ein doch eher negatives Fazit trotz des Finaleinzugs der DFB-Auswahl, so jedenfalls mein Empfinden. In der Kritik stehen offensichtlich weniger die einzelnen Spieler und die Mannschaft, als vielmehr Trainer Wück und der DFB. Erscheint zunächst verwunderlich, bei genauerem Nachdenken allerdings als berechtigt. Wück gilt als erfolgreich beim DFB; so ganz scheint SV diese Einschätzung nicht zu teilen nach meinem Eindruck.
Ich persönlich habe die französische Auswahl gar nicht so sehr überlegen gesehen. Einzelne Spieler verfügen allerdings offensichtlich über eine größerer individuelle Klasse (zumindest was den aktuellen Entwicklungsstand anbelangt) und über eine überlegene Physis. Letzteres kann sich in wenigen Jahren ändern und es ist für mich die Frage, ob diese physische Überlegenheit daran liegt, dass die französischen Spieler im Schnitt älter waren. Ein halbes oder dreiviertel Jahr Altersunterschied kann in dieser Altersklasse schon etwas ausmachen. Oder ist die athletische Ausbildung in Frankeich vielleicht anders? Nachdem was ich dort sehe, möchte ich letzteres nicht ausschließen.
Was die Rotation anbelangt, so habe ich mich auch ein wenig gewundert. Auch was die Positionierung bzw. Berücksichtigung/Nichtberücksichtigung einzelner Spieler anbelangt. Um nur bei Öczan zu bleiben, den CE mMn ausgezeichnet analysiert hat, so bin ich mehr als erstaunt gewesen, dass er im Finale nicht von Beginn an gespielt hat.
Ich bin sehr gespannt, wie der DFB Leistung und Ergebnis seiner U 17 – Auswahl bewerten wird.
Schorsch 23. Mai 2015 um 21:01
Sorry, das mit den ‚älteren‘ Spielern ist natürlich Quatsch.
Kny 28. Mai 2015 um 00:29
Ich habe mir mal die Lehrprobe von Wück zum Thema Spielaufbau aus der Abwehr angeschaut (https://www.youtube.com/watch?v=f_Nv8C_QeCU), und das war eigentlich nicht mehr als das übliche Lehrbuch-Blabla, das man in jedem Fußballtrainerbuch liest. Von Innovation habe ich da nicht viel gesehen. Die Spielform ist dann auch ziemlich medioker und funktioniert kaum, die Coachings von Wück helfen da auch nicht viel. Insofern sieht es so aus, als ob da ein weiterer 8-Monate DFB-Lehrbuch-Trainer am Werk ist. Mich würde interessieren, welche Rolle die Trainerausbildung bei den modernen Konzepttrainern noch spielt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Klopp, Tuchel und Schmidt (mal so als Auswahl) da allzu viel mitgenommen haben. Viele machen die Ausbildung ja auch begleitend – und sitzen längst schon irgendwo auf der Bank. Die Übungsformen sind eigentlich bis in die Kreisklasse bekannt – den Unterschied machen halt die Talente beim DFB – und ein Trainer, der die wesentlichen Inhalte in die Köpfe und das Zusammenspiel von 11 Spielern bekommt. Da liegt der Hase im Pfeffer, und m.E. versagen da auch die meisten Trainer – bis in die Bundesliga.
Schorsch 28. Mai 2015 um 23:36
Die erste Frage ist für mich, welches Ziel der DFB mit seinen Trainerlehrgängen verfolgt. Einen hohen allgemeinen Standard der Absolventen zu erreichen oder Kreativität und Ideenreichtum des Einzelnen zu fördern. Ersteres wird wohl der Fall sein und dies ist für einen Verband auch richtig. Die zweite Frage die sich mir stellt ist, was von einem Auswahltrainer einer Jahrgangsstufe erwartet wird. Verfestigung und Verfeinerung des Standardrepertoires, worauf man dann immer weiter aufbauen kann bei Erreichen der nächsten Jahrgangsstufe, oder kreative Trainingsmethoden und Spielinterpretationen. Auch hier glaube ich, dass eher Ersteres der Fall ist. Ein Verband ist nun einmal kein Proficlub.
Nichtsdestoweniger ist es schon ein Unterschied, wie ich z.B. bestimmte Stilmittel wie Pressing einsetze. Und ob ich die mir zur Verfügung stehenden Spieler adäquat einsetze oder nicht. In diesen Punkten machen sich dann mMn einfach die Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Trainern bemerkbar.
Eine Trainerausbildung sollte so qualifiziert wie möglich sein und der DFB hat da schon einiges getan in jüngerer Vergangenheit und die weitere Optimierung gehört zu den ‚to dos‘ von Hansi Flick. Aber mehr als eine möglichst hochangesiedelte Basis kann der Lehrgang letztlich nicht vermitteln. Erfolgreiche Trainer -und die gibt es auf allen Ebenen- können sich dadurch auszeichnen, dass sie das Standardrepertoire erfolgreich vermitteln. Es spielen ja auch Dinge wie Kommunikationsfähigkeit etc. eine wichtige Rolle. Es gibt aber eben auch Trainer, die ihren Erfolg daraus ziehen, dass sie eine ganz bestimmte Vorstellung von Fußball haben und sich mit dieser sehr intensiv auseinandersetzen und sie immer weiter zu perfektionieren versuchen. Das bekommt man aber nicht unbedingt im Trainer-Lehrgang mit auf den Weg. Vielmehr ist es wie überall sonst auch. Wenn ich mich auf das stütze, was ich in Schule und Ausbildung/Studium erlernt habe, dann werde ich sicherlich in meinem Beruf ordentlich arbeiten und vielleicht auch Erfolg haben. Wenn mein Interesse aber weiter geht, wenn ich mich mehr als nur durchschnittlich für meine Aufgaben interessiere und etwas bewegen will, dann kann ich auch überdurchschnittlichen Erfolg haben. Ohne Eigeninitiative geht nichts. Allerdings nutzt das alles nichts, wenn ich nicht in der Lage bin meine Spieler von meinen Ideen zu überzeugen.
Lenn 29. Mai 2015 um 01:33
Die Ziele der Trainerausbildung verändern sich ja auch, je höher es geht. Natürlich ist die Vermittlung der ganzen „Standartsachen“ vor allem zu Beginn sehr wichtig, aber vor allem bei der Fußballlehrerausbildung geht es laut u.a. Wormuth zu großen Teilen um die einzelne Person und damit auch deren Ideen und Vorstellungen, also zumindest in der Theorie steht doch auch Kreativität etc. im Fokus.
Schorsch 29. Mai 2015 um 15:18
Ist schon richtig; die Fußballlehrerausbildung hat sich in den letzten Jahren schon geändert. Es finden mittlerweile immer mehr Aspekte Raum. Und Flick soll hier ja mit seinem Team an der Weiterentwicklung arbeiten. Mein Einblick in die Dinge sagt mir allerdings, dass es hier eher eine Theorielastigkeit gibt und man auch die Gefahr einer Überfrachtung nicht aus den Augen verlieren darf. 8 Monate sind eben nur 8 Monate.
Ich persönlich bin ja noch einer aus den längst verstaubten Weisweiler-Zeiten. Als Bälle noch aus Leder waren und es beim Fußballschuhwerk nur die Wahl zwischen adidas und Puma gab. Was ungefähr die Bedeutung von katholisch oder evangelisch hatte. Oder BVB 09 oder Schalke 04. Was allerdings niemanden daran gehindert hat, sich intensiv Gedanken über Fußball zu machen, und eben auch uber das Training mit Nachwuchsspielern. Das hieß seinerzeit noch nicht ‚U‘ – X, sondern Knaben, Schüler, Jugend. Jeweils A und B. Und auch damals gab es die Diskussionen, was dominieren sollte. Mannschaftsdienliches Spiel, taktische Disziplin, athletische / konditionell Stärke auf der einen Seite und individuelle, kreative Fähigkeiten auf der anderen. Weisweiler, der auch typisch rheinischer Pragmatiker sein konnte, pflegte daszu immer folgendes zu sagen: ‚Lasst die Fummler fummeln!‘ Wobei der Begriff ‚Fummeln‘ die in Deutschland seinerzeit übliche Bezeichnung für ‚Dribbeln‘ war. Nur damit keine Missverständnisse entstehen…
Was er damit zum Ausdruck bringen wollte war, dass man z.B. Dribbeltalente dahin anleiten sollte, sich zwar einerseits in das taktische Konzept einer Mannschaft einzugliedern. Andererseits soll man sie ihre Fähigkeiten ausleben lassen. Was letztlich wieder das ‚Händchen‘ des jeweiligen Trainers fordert.
CleverK 23. Mai 2015 um 19:33
Servus, erstmal vielen Dank für die Analyse(n)! Bezüglich der Nominierungspolitik, ist damit gemeint dass der DFB verhältnismäßig junge Spieler für dieses Turnier nominiert hatte? Welche anderen Talente hätte man deiner Meinung denn noch nominieren sollen?
VG
CE 23. Mai 2015 um 20:29
Es werden doch stets eher die „alten“ Spieler eines Jahrgangs (geboren in der ersten Jahreshälfte) bevorzugt, was aber nicht nur beim DFB so ist, sondern allgemein in den Vereinen beobachtet werden kann.
Matthias 26. Mai 2015 um 20:15
In vielen Fortbildungsveranstaltungen des DFB mit den Trainern der Leistungszentren wird kritisiert dass im Sichtungs- und Selektionsprozess das erste Semester eines Jahrgangs bevorzugt wird. Und bei Ihren Nationalmannschaftsnominierungen und den Einladungen zu Sichtungsmassnahen werden zum grossen Teil die Akzelerierten bevorzugt. Einfach nur scheinheilig.
vanGaalsNase 27. Mai 2015 um 14:56
Der DFB ist in vielen Bereichen ziemlich widersprüchlich. Das fängt schon bei den Kindern an, wo gesagt wird, man solle sie spielen lassen, damit sie eine große Bewegungserfahrung sammeln. Andererseits warnt der DFB davor, dass (vermeintlich) falsche Techniken in die Spielformen übernommen werden. Also kriegen die Kinder zunächst bestimmte Bewegungsabläufe eingeschliffen. Dass die Wissenschaften schon seit Jahren festgestellt haben, dass das der Kreativität abträglich ist und die Technik kaum verbessert, wird leider völlig ignoriert.