Oranjes Unentschieden gegen England

1:1

Nach drei Unentschieden sind die Niederlande bei der U17-Europameisterschaft in Bulgarien schon nach der Vorrunde ausgeschieden. Bereits am zweiten Spieltag war es dort zum Aufeinandertreffen zwischen der Elftal und England gekommen. 

Niederländische Fluidität und Probleme

Aufstellungen und Offensivmuster zu Spielbeginn

Aufstellungen und Offensivmuster zu Spielbeginn

Die Niederländer starteten in einer asymmetrischen 4-3-3/4-2-3-1-Mischformation, in der de Wit zwischen der rechten Achterposition und dem Flügel umher driftete, was in Verbindung mit den horizontalen Pendelbewegungen Grots – in seiner Ballverarbeitung recht sauber und ruhig – und dem Anpassen Bijlevelds stand und jeweils verschiedene formative Besetzungen ergab. Diese Fluidität fand zunächst einmal aber kaum ins Spiel, da die Niederländer zwar von Beginn an dominante Ballbesitzphasen und Aufbauspiel aus der Tiefe suchten, jedoch gegen die Rautenformation der Engländer abgeblockt wurden. Die beiden Spitzen der Briten agierten etwas breiter, um nicht nur die Innenverteidiger zustellen, sondern auch die Passwege nach außen belauern zu können, während Edwards eng an Eiting blieb, situativ etwas vorschob und diesen per Deckungsschatten verdeckte oder sich an leichte Asymmetrien der Stürmer anpasste, damit Zuspiele nach außen weiterhin effektiv verhindert werden konnten. Auch einzelne zurückfallende Bewegungen der anderen Mittelfeldspieler wurden von den Engländern direkt verfolgt.

So mussten die Niederländer über lange Phasen zwischen den Innenverteidigern und dem Keeper zirkulieren, der teilweise einige Zeit innerhalb seines Strafraums mit Ball am Fuß wartete und sich generell geschickt einbrachte, aber kaum Anspielstationen hatte. Wenn die Niederländer über eine geschickte Aktion – beispielsweise Eitings Pressingresistenz oder eine Rochade mit Ajax-Kollege Boultam – mal doch nach vorne kamen, zog sich England mit Zentrumspräsenz zurück und verschob bei Pässen nach außen nach typischem Rauten-Muster mit herausrückendem Halbspieler. In dieser Disziplin waren sie jedoch mehrmals etwas nachlässig, so dass hinter jenem Achter größere Löcher im ballnahen Halbraum klafften, die die Außenverteidiger von Oranje vereinzelt anspielen konnten. Doch die sich dorthin lösenden Spieler, gerade der dribbelnd ausgerichtete Dilrosun, zogen anschließend zu sehr in Richtung Flügel statt diese Möglichkeiten für diagonale Anschlüsse zur Mitte zu nutzen. Generell war dies im niederländischen Angriffspiel ein Problem, da sie zwar die Außenbahnen durch Überzahlen zu überladen versuchten und auch in den hohen mittigen Räumen durchaus präsent waren, die halbräumigen Verbindungen aber schleifen ließen.

Bei Angriffen über rechts gaben de Wit und der in Engen recht geschickte, listige, aber etwas ineffektive und nicht immer zielgerichtete Bijleveld Unterstützung, während beispielsweise Dilrosun aus den ballfernen Zonen weit einrückte, doch war die Mitte dadurch teilweise überbesetzt, konnte jedoch nur nach Flanken halbwegs eingebunden werden. Es waren bloß einzelne Szenen wie beispielsweise die starken und empathischen Vertikalzuspiele von Fosu-Mensah, die mal einen Mitspieler dynamisch in diese Räume brachten und dann über Boultam, Eiting oder Dilrosun kleinere Kombinationsansätze aufzwingend einleiten konnten. Da es sich hier aber eher um Ausnahmen handelte, waren die Engländer das gefährlichere Team. Sie zeigten eine kontrollierte Spielanlage, bei der die Innenverteidiger vom umsichtigen und erfolgsstabilen da Costa im Halbraum sowie dem meist tiefen Ballverteiler Arnold unterstützt wurden. Auch in den höheren Zonen deutete die Mannschaft die schon im Vorjahr beim Titelgewinn sehr ansprechende taktische Handschrift ihres Trainers John Peacock an.

England mit Flügeldurchbrüchen und Schnellangriffen als prägende Offensivmuster

Die Schlüsselspieler waren in dieser Begegnung der äußerst wendige, technisch starke Spielmacher Edwards, der sich in Zwischenräumen anbot und viele Szenen einleitete, sowie der etwas tiefere Stürmer Willock mit interessanter Dribbeltechnik, der sich von seiner anfangs halbrechten Position oft in den linken Halbraum fallen ließ, um dort als antreibender Passgeber zu fungieren. Währenddessen agierten die beiden Halbspieler Herbie Kane und Edun als balancierende und anpassende Helfer, wobei Letztgenannter dies etwas höher und kleinräumiger, eher in Form von kurzen Pärchenbildungen zeigte, während Kane sich in etwas größeren Kontexten einband. Letztlich agierten sie beide vielleicht etwas zu zurückhaltend, so dass die Engländer wegen kleinerer Präsenzprobleme aus dem Aufbau gegen die Niederländer nicht ganz durchkamen und eher über Flankenläufe des dynamischen und effektiven Rechtsverteidigers Yates Gefahr ausstrahlten.

In erster Instanz agierte Oranje gerade im Mittelfeld und auch bei den herausrückenden Innenverteidigern mit vielen Mannorientierungen, die sie aufgrund der eigenen Asymmetrie und der gegnerischen Formation immer mal wieder wechselten, gab diese im Verlauf der Rückzugsbewegung jedoch häufig auf. Im letzten Drittel hatten sie dann oftmals asymmetrische 4-3-3 oder 4-5-1-Staffelungen mit starker vertikaler Kompaktheit inne, die sie für ein enorm robustes Abwehrpressing nutzten. Auf diese Weise blockten sie die vielversprechenden englischen Ansätze mit sich zusammenziehenden lokalen Überzahlen oftmals gerade noch ab. Die besten Chancen hatten die Briten entsprechend über Schnellangriffe oder Konter, bei denen die Abstimmung der drei offensiven Akteure zu überzeugen wusste und die Angreifer ihre körperlichen Fähigkeiten einbringen konnten. Als in einer solchen Szene sich auch mal Edun seitlich überlaufend einschaltete, führte dieses Angriffsmuster zur Führung durch ein Eigentor von Fosu-Mensah.

Formative Umstellung der Niederlande

Die Niederlande nach der Umstellung.

Die Niederlande nach der Umstellung.

Im Verlauf der ersten Halbzeit wurden die Schnellangriffe immer mehr ein Faktor, nachdem die Niederländer auf eine Dreierkette umstellen und Troupée ins halbrechte Mittelfeld stellten, was am ehesten in eine Art 3-3-1-3 mündete. Nach anfänglichen Asymmetrien kristallisierte sich diese genaue Anordnung erst mit der Zeit heraus. Im Aufbau, wo die Umstellung als erstes deutlich wurde, entfaltete sie nur bedingt Wirkung – die Stärkung der Zentrale funktionierte anfangs nicht, da die Vorwärtswege weiterhin blockiert waren. Letztlich konnte sich Troupée individuell nicht entscheidend lösen, während auch die passwegsöffnende Wirkung nicht eintrat. Gegen den Ball konnten die Niederländer mit der neuen Formation nun sehr klar in einer mannorientierten Spielweise mit freiem Mann arbeiten, was wohl mehr Druck auf die Engländer machen und deren hinterste Zirkulation stören sollte. Die Mannen von Peacock reagierten aber gut, versuchten die gegnerischen Flügel durch die Außenverteidiger zurückzudrängen, und brachten nun zahlreiche frühe lange Bälle oder direkte Zuspiele, oft in den Bereich um die gegnerische Dreierkette. Damit banden sie die Physis ihrer Angreifer geschickt ein, die sich für diese Zuspiele anboten.

Etwas besser wurde es für die Niederländer mit der Auswechslung von Troupée, der schon nach 25 Minuten von Donyell Malen ersetzt wurde. Das hatte zunächst einmal eine Umbesetzung des 3-3-1-3 zur Folge, indem der neue Mann die linke Seite – optimal aufgehoben wirkte er dort jedoch nicht – besetzte, Dilrosun nach rechts ging und Bijleveld auf die Zehn wechselte. Die leichten Verbesserungen waren aber nur in den Offensivansätzen zu erahnen, die von den zentralen Mittelfeldakteuren einige Male recht gut angetrieben wurden, ehe sich Malen dann diagonal ins Sturmzentrum ziehen konnte. Gegen den Ball wurden die eigenen Flügelstürmer durch die Mannorientierungen nun jedoch immer häufiger zurückgedrängt, wenngleich die Engländer daraus wegen einer zunehmenden Fixierung auf diese seitlichen Bereiche aus ihren Szenen in hohen Zonen weniger zu machen wussten, als möglich gewesen wäre.

Formative Flexibilität und Rechtsfokus der Niederlande im zweiten Durchgang

In der zweiten Halbzeit veränderten die Niederländer mehrfach die genaue formative Ausrichtung, spielten häufig in einer Art asymmetrischen 3-3-4 mit neuer Rollenverteilung, das auf verschiedene Weisen ins 3-5-2 tendieren konnte. Der entscheidende Punkt dabei war die zunehmende Fokussierung auf die rechte Offensivseite in ihren Angriffen, die sie nun fokussierten – durch den ausweichenden Bijleveld, die nun sehr klar hierhin gerichtete Rolle de Wits und das stärkere Aufrücken Fosu-Mensahs. Weil die Engländer in der vertikalen Kompaktheit etwas nachließen, innerhalb des Mittelfelds schon zuvor gewisse Lücken gelassen hatten und strategisch etwas unklar schienen, wie hoch sie attackieren konnten, kam Oranje besser in die Partie, erhielt Kontrolle und gelangte einfacher nach vorne, um dort ihre Mechanismen einzuleiten.

Zunächst war das alles noch etwas zaghaft und brauchte einen umstrittenen Elfmeter, den de Wit nach 15 Minuten mit einem diagonalen Lauf in den Strafraum herausholte, zum Ausgleich. Danach hatten die Niederländer mit der Einwechslung von Rechtsaußen Fernandes aber zusätzliche Konsequenz in diesen Aktionen und endgültig die besseren Ansätze. Über die ballschleppenden Aktionen des neuen Mannes und von de Wit, die Bijleveld spielerisch zu verbunden versuchte, hatten sie gegen die englischen Probleme einige gute Überladungen, die sie an der letzten Linie entlang trugen oder mit denen sie diagonal die Grundlinie suchten. Als Ausgleich zu diesen Ballungen auf rechts zog Malen aus ballfernen Zonen immer wieder in die Spitze und bildete fast ein Duo mit dem ausweichenden Grot. Trotz einiger Abschlüsse reichte es gegen die nachlassenden Engländer letztlich jedoch nicht zu genügend klaren Chancen, um das Spiel auch noch drehen zu können.

Letztlich war diese Partie einerseits durchaus exemplarisch für die Probleme der ausgeschiedenen Niederländer, die bei allen ihren Remis sich nicht entscheidend vom Gegner absetzen konnten, andererseits aber aufgrund der interessanten formativen Varianten eine kleine Werbung für das Turnier als Grund, es sich anzuschauen.

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