Kleines Taktikfestival zwischen Gisdol und Guardiola
Mischketten, Asymmetrien, Umstellungen, verschiedene Organisationsformen – es war vieles drin im Gastspiel des FC Bayern bei 1899 Hoffenheim. Die vor der Pause etwas zu rechtslastigen Gäste spielten sehr kontrolliert und erzeugten dabei mehr Gefahr. Die überraschende, aber verdiente Niederlage bei einem starken FC Porto, das Theater um die medizinische Abteilung, die großen Verletzungsprobleme – was wurde über die Münchener Bayern in der vergangenen Woche auch ohne Klappstuhl geredet.
Das bedeutete große Aufmerksamkeit vor dem Auswärtsspiel bei Hoffenheim und angesichts der Personallage und jener Umstände schon vor der Aufstellung noch mehr Spannung, als es bei Pep Guardiola sonst ohnehin schon der Fall ist. Die elf Startspieler, bei denen einige Veränderungen im Vergleich zum Aufritt in der Champions League dabei waren, ließen eine Dreierkette im – je nach der genauen Rolle Götzes und entsprechend seiner beiden Offensivkollegen – 3-5-2, 3-4-1-2 oder 3-4-3 vermuten. Die tatsächliche Ausrichtung auf dem Platz kam dem auch durchaus nahe, war jedoch etwas asymmetrisch und phasenweise in einem Mischsystem organisiert, das in den allerersten Minuten sogar eher 4-4-2-hafte Tendenzen gegen den Ball – mit Rafinha und Bernat als Außenverteidigern sowie Weiser davor – aufwies. Schon bald sollte sich jedoch die Dreierkettenspielweise mit Rafinha als etwas offensiverem Halbverteidiger und entsprechend den Pendants aus Weiser sowie Bernat immer deutlicher zeigen und durchsetzen. Eine durchgehende Konstante war bei alledem – abgesehen von kleineren Rückfallbewegungen Götzes ins Mittelfeldzentrum – die neu formierte Doppel-Sechs aus Gaudino und Rode. Ersterer bildete eine ruhige und sicher strukturierende Anspielstation, war auf Absicherung bedacht und rückte gegenüber dem aggressiveren, bewegungsfreudigen Rode, der sich engagiert einzuschalten versuchte und durch die Räume driftete, weniger mit auf. Einige Male übernahm der junge Nachwuchsmann dabei noch balancierende Aufgaben, da insgesamt Rode nicht nur den aktiveren, sondern auch dominanteren Part bekleidete. Teilweise fiel der Neuzugang leicht abkippend in verschiedene Bereiche etwas hinter seinen Partner zurück, der sich dafür passiv anpassend verhielt, und versuchte anzukurbeln, um seinen eingeleiteten Szenen nicht selten dann auch nachzugehen, worauf Gaudino wiederum reagierte. In der Grundausrichtung nahm dieser die Position auf halbrechts ein und ließ in diesem fokussierten Bereich das Leder zusammen mit Rafinha laufen.
Münchener Pressingvarianten mit klaren Stürmerbewegungen
Mit der Zeit war nach der kurzen 4-4-2-haften Anfangsphase also das 3-5-2/3-4-3-artige System im Pressing der Bayern immer dominanter – wenngleich einzelne Umformungen und Asymmetrien in den hinteren Linien, die die vorderen Mechanismen dabei nicht immer direkt veränderten, weiterhin vorhanden waren – und realisierte sich in unterschiedlichen Ausrichtungen. Das betraf nicht nur die Anordnung der vordersten Spieler, wo Götze mal links in einer flachen Dreierreihe oder mal als etwas tieferer Zehner agierte, denn darüber hinaus gab es auch seltene Staffelungen mit einer flachen und breit präsenten Fünferreihe hinter den beiden Angreifern, in der Götze die halblinke Achterposition bekleidete. Wenngleich klare 3-4-3-artige Varianten etwas passiver und tiefer interpretiert wurden, entstanden jedoch auch hieraus – sogar, wenn Lewandowski den zentralen Part innehatte – letztlich meistens jene Strukturen mit zwei vordersten Akteuren, die die Bayern immer wieder suchten und das übergreifende, konstante Element ihrer zahlreichen defensiven Möglichkeiten darstellten.
In diesem Fall orientierte sich der mittlere Akteur etwas nach hinten und deckte vor allem die Passwege auf den tieferen gegnerischen Sechser ab, so dass wiederum 3-4-1-2-artige Logiken entstanden. Die beiden Stürmer stellten jeweils die Innenverteidiger zu, verhinderten Pässe ins Mittelfeld und versuchten die Hoffenheimer Zirkulation diagonal abzuschneiden, indem sie auf Baumann nachpressten, ihren eigentlichen Gegenspieler im Deckungsschatten behielten und den Keeper zu, meist langen, Pässen auf die andere Seite zwangen. Mit einer solchen Grundlogik sorgten die Münchener schon in der Hinrunde mehrfach für starkes Pressing, dessen derartige Funktionsweise ein Hauptgrund für die wenigen Gegentreffer war, und auch in dieser Begegnung zwangen sie Baumann oder auch die Innenverteidiger in der Mehrzahl der Fälle zu langen, unkontrolliert weggeschlagenen Bällen. Nur selten gelang diesen mal ein scharfer Flachpass in eine der meist verborgenen Lücken innerhalb der Münchener Formation, doch selbst dann wurde Hoffenheim zum Flügel weggeleitet – und ansonsten ergaben sich somit nur wenige Szenen, während die Bayern mit viel Ballbesitz das Kommando führten.
Bayerns Rechtlastigkeit etwas zu simpel
Aus der dreierkettenhaft organisierten Aufbauarbeit der Bayern lief das primäre und die erste Halbzeit entscheidend prägende Angriffsmuster über Rafinha und Weiser auf der rechten Seite. Eine Mischung aus leichtem Hoffenheimer Leiten und die grundsätzliche Ausrichtung der Münchener selbst führten zu diesem auffälligen Fokus. Daraus versuchten sich die Gäste zur Grundlinie durchzuspielen oder nach Pässen auf die Außen mit sofortigen Hereingaben ab Höhe des gegnerischen Strafraums, meist natürlich durch den präsenten Weiser, den Sechzehner mit Lewandowski und dem einlaufenden Müller zu bedienen. Neben Weiser begab sich einige Male auch Götze ausweichend in diesen Bereich, holte sich aus der sicheren Münchener Zirkulation um Rafinha und Gaudino die Bälle und versuchte auf die gegnerische Abwehrlinie zuzudribbeln. Diese Ausrichtung zeigte sich zwar in ihrer vorhergehenden Zirkulation stabil, drückte die Hausherren nach hinten und war fähig, das Leder schnell in Richtung torgefährliche Zonen zu bringen.
Andererseits stellte sie sich jedoch insgesamt als etwas zu breit, simpel, flankenlastig und teilweise statisch andribbelnd dar, um wirklich durchgehend und konstant klar gefährlich werden zu können. Die gelegentlichen Szenen, in denen im Halbraum gut ins Zusammenspiel übergegangen wurde, führten zu einigen Ansätzen, traten im Vergleich zu den anderen Angriffsverläufen jedoch zu selten auf. Insbesondere das Nachrücken der Sechser an die vom Flügel ausgehenden Aktionen mit den zentral nicht immer ganz passenden Vertikalstaffelungen hätte noch konstanter und kompakter ausfallen sollen. Erst ab der 30. Minute schaltete sich der meist halblinks agierende Rolle halbrechts nochmals stärker diagonal aufrückend ein. Beim Führungstor war er beteiligt, als der FCB stark den Rückraum für Müller öffnete, wenngleich in dieser Szene Hoffenheim wegen einer Behandlung gerade in Unterzahl agieren musste. Ansonsten waren von den sechs Münchener Abschlüssen nur wenige klare Chancen dabei. Einige Szenen gab es nach Hereingaben von rechts, die auch manchen Eckball brachten, aber eben doch nicht stark genug waren, um wirklich für mehr sorgen zu können. Dafür hatten diese klaren Abläufe von der rechten Außenbahn bei den Bayern ein zu hohes Gewicht.
Hoffenheims verstecktes 4-3-3
Dafür war auch die Hoffenheimer Ausrichtung – und nicht nur dadurch, dass Firmino innerhalb des versetzten Sturmduos tiefer agierte als Modeste – verantwortlich. Diese stellte sich grundsätzlich in einem 4-4-1-1 mit häufigem mannorientiertem Zurückfallen der Außenspieler, aufrückenden Bewegungen Rudys und einer weiträumig gerade nach links nachpressenden Rolle Firminos – situativ dann mit 5-4-1-Tendenz – dar, formte sich aber immer wieder um. Durch die herausschiebende Ausrichtung von Rudy agierten die Hoffenheimer anstelle des eher simpel angelegten 4-4-1-1 häufig in einer asymmetrischen 4-3-3-haften Organisation, die eine Lücke innerhalb der mittleren formativen Linie, auch innerhalb des Verschiebevorgangs auf die rechte Bayernseite, aufwies. Neben der Anordnung der beiden nominellen Stürmer der Hoffenheimer war also Rudys Herausrücken ein Faktor für diese Entwicklung – entweder schob er im linken Münchener Halbraum gegen den aufbaustarken Badstuber nach vorne oder dann, wenn sich einer der Sechser dorthin fallen ließ. So wurden die Münchener Vorwärtswege aus diesem Bereich zugestellt und dort auch Druck gemacht, was sie halblinks noch mehr lahmlegte und nach rechts drängen sollte.
Phasenweise sah diese Spielweise Rudys wie eine etwas unflexible Mannorientierung gegen Rode aus und war sekundär vielleicht auch dadurch mitgeprägt, doch in vielen Fällen verblieb er bei anschließender Verlagerung des FCB in Richtung halbrechts auch in der folgenden mannschaftlichen Verschiebebewegung etwas vorgeschoben in der vordersten Reihe mit Firmino und Modeste, anstatt sich wieder etwas zur Mittelfeldlinie zu bewegen oder dort einzugliedern. Diese situative 4-3-3-Organisation sollte die Bayern also auf die vermeintlich schwache rechte Seite – eventuell über den Bereich von Dante – oder einfach generell dort zum Flügel leiten, zumal so auch Badstuber wenig Einfluss entwickelte. Ein weiterer Gedanke dahinter lag möglicherweise darin, mit der verschachtelten Anordnung und dem etwas höheren Rudy mehr Zugriff zu haben, wenn die Bayern vom Flügel gegen die eigene Fünferkettenbildung um Polanski in den Halbraum zurück spielten, und Anschlusspässe ins Zentrum dynamischer bekämpfen zu können.
Von Mittelfeldlöchern und nachpressenden Vertikal-Umformungen
Wegen der mehrfach sehr sauber organisierten ersten Dreierreihe, die dadurch entstand, hatte schließlich auch noch der weiter nach außen geschobene Firmino mehr Freiheiten im Nachpressen, um die Bayern seitlich zu jagen und dort den Raum zu verengen. Vom Ziel her erinnerte es enfernt an ein lascheres Porto. Das gelang zwar bei weitem nicht immer und Firmino wurde dann – vor allem wenn Polanski sich durch Weiser sehr simpel zurückdrücken ließ, die umliegenden Spieler etwas passiv blieben und auch Modeste nicht ganz konsequent nachschob – von Bayerns lokaler Überzahl am Flügel laufen gelassen, bedeutete aber zumindest keine direkten gefährlichen Folgen. Neben solchen Situationen, in den Hoffenheim bei den provozierten Verlagerungen nach außen in der Rückwärtsbewegung also zu simpel agierte, gab es auch mehrere bessere Szenen und Phasen, in denen sie fluide Umformungen um den Halbraum – insbesondere durch die zurückfallenden Bewegungen und das anpassungsfähige Herausrücken gerade Toljans in jene Bereiche – erzeugten, die Bayern dort lokal kompakt isolieren und nach hinten außen wegdrängen konnten, wenngleich nicht viele direkte Ballgewinne möglich waren.
Das in der Mittelfeldlinie zwischen Schwegler und Volland durch Rudys höhere Spielweise entstehende Loch mussten sie dabei in Kauf nehmen, doch es gelang ihnen durchaus ansprechend, es über weite Teile unbespielbar zu machen. Schwegler bewegte sich einige Male gut, die Verteidiger rückten situativ heraus, Rudy konnte zurückfallen und auch die vielseitigen Umformungen halfen dabei, diese Lücken in der spontanen Situationsdynamik auffressen zu können anstatt sie von Anfang an zu besetzen. Hoffenheims Plan mit etwas veränderter Defensivlogik lautete also, diesen – bei den vielen Bayern-Angriffen über rechts ballfernen – Halbraumbereich nicht durchgehend abzudecken, sondern nur situativ Zugriff zu suchen, wenn die Münchener vom Flügel dorthin wechseln würden. Das dadurch gesparte Personal verstärkte stattdessen die vorderste Linie, um den leitenden Effekt zu vergrößern und bei der Reaktion auf Bayerns Aufrücken am Flügel etwas mehr defensive Möglichkeiten zu gewinnen, wenngleich zumindest dieser letztere Aspekt nicht konstant griff.
Nur wenige Konterszenen für die TSG
Mit ihren beiden phasenweise eher absichernd ausgerichteten Sechsern und den vielen Dreierkettenstaffelungen standen die Bayern gegen Hoffenheimer Konter grundsätzlich stabil. Zudem konnte Rafinha in seiner vielseitigen, etwas vorgeschobenen Rolle immer wieder aktiv direkt im vor ihm dominanten Halb- und Ballungsraum gegenpressen, falls das mannschaftliche Nachsetzen seiner Kollegen nicht schon Erfolg gehabt hatte. Zwar vermochten es die Hoffenheimer, auch individuell, einige Male, sich im ersten Moment aus dem Münchener Zugriff zu lösen, aber bremsten diese im Anschluss zumindest das Tempo solcher Umschaltmomente und drängten die Hausherren etwas ab, die in den Folgebewegungen und der Entscheidungsfindung kleinere Schwächen aufwiesen. In diesem Kontext waren auch die teilweise weit zurückgedrückten Positionierungen der nominellen Außenstürmer ein Faktor, die sich an der Grundstellung an Weiser und Bernat orientierten und von diesen teilweise in Fünfer- oder selten gar Sechserketten gezwungen wurden.
Bei Polanski war dies noch stärker zu beobachten als bei Volland, der zwar einige Male ballfern etwas zocken konnte, ansonsten aber auch tief agieren musste. Gelegentlich schob er bei Bayerns Angriffen über rechts bis in die letzte Linie, um die Strafraumverteidigung zu stärken, oder rückte in der Mittelfeldreihe etwas weiter ein, um zentral mehr Präsenz im Bereich um Schwegler zu erzeugen. Generell tauschte er in der defensiven Aufgabenverteilung manchmal für kürzere Phasen die Rollen mit Rudy und nahm dessen Part als vorrückender Akteur ein, wenngleich dies vor der Pause noch sehr selten vorkam. Letztlich kamen die flach nach hinten gedrückten Hoffenheimer also bei potentiellen Kontermöglichkeiten trotz mancher Teilerfolge im zweiten Drittel nicht entscheidend bis zum gegnerischen Strafraum durch, wenn die Bayern ihre Rückwärtsbewegung im Umschalten und die ohnehin sehr solide Restabsicherung einbrachten.
Gisdols 4-3-2-1-hafte Umstellung öffnet umstellungsreiche zweite Halbzeit
Beide Teams begannen den zweiten Durchgang in etwas veränderter Ausrichtung. Bei den Bayern war dies personeller Natur, da Bernat verletzungsbedingt für Boateng ausgewechselt werden musste. Zunächst machte Rafinha für diesen den Platz in der Mitte frei und ging stattdessen anstelle des angeschlagenen Spaniers auf die linke Seite, was allerdings nur kurz Bestand haben sollte. Markus Gisdol entschied sich bei der TSG für einen Tausch zwischen Volland und Rudy, von denen Letzterer nun nominell die rechte Seite besetzte. Dagegen interpretierte Erstgenannter die zentrale Rolle dauerhafter und konstanter als sein Vorgänger, was für die Hoffenheimer Defensivorganisation nach dem Seitenwechsel nun meist eine klare Mischung aus breitem 4-3-2-1 mit den vorgeschobenen Volland und Firmino in den Halbpositionen sowie seltenerem 4-1-4-1 bedeutete. Grundsätzlich öffnete diese Umstellung des Coaches der Hausherren die Begegnung. Gerade in der Anfangsphase hatte sein Team in der Koordination der neuen Besetzung um den rechten Halbraum herum noch Probleme und agierte weniger abgestimmt, zumal die Grundanlage ohnehin symmetrischer und nicht mehr so potentiell verschachtelt daherkam.
Innerhalb des vorderen Dreiecks der Hoffenheimer Formation fanden die bayerischen Sechser manches Mal gewisse Freiheiten und somit etwas mehr Aufbaupräsenz in zentralen Zonen. Auch über halblinks konnten die Münchener vermehrt durch von Hoffenheim offenbarte Lücken hinter deren Doppel-Zehn hindurch spielen. In den ersten Minuten nach Wiederbeginn verbuchten die Gäste somit einige Abschlüsse aus dem Raum unmittelbar vor der Abwehrkette, wo Schwegler daher zu einfach in Unterzahl geriet, sowie einen Lattenschuss Lewandowskis. In die andere Richtung hatte Hoffenheim mit dieser Anordnung jedoch zusätzliches Offensivpotential. Das zeigte sich einmal im Umschaltmoment, wo Volland mit zentral zurückfallenden Bewegungen nach gewonnen Bällen diese effektiver abholen und sich in den Offensivübergang drehen konnte. Dafür hatte er in den mittigeren Bereichen auch mehr Optionen und agierte näher an Firmino, der überdies einige Male aktiver ausweichende Bewegungen zum Flügel suchte.
Zum anderen wurden die Hausherren auch bei eigenem Ballbesitz etwas stärker, zumal Bayerns Pressing in dieser Phase etwas nachließ. Entweder von Schwegler aus oder über den präsenter besetzten und zunehmend dominanter werden rechten Halbraum kurbelten die Hoffenheimer sehr direkt und teilweise auch riskant in die Spitze an. Gerade der Bereich auf halbrechts mit Rudy und Volland zeigte sich beweglich, von denen Letzterer nach direkten Pässen in die Offensivabteilung die zusätzlichen Möglichkeiten im Zentrum für das Zusammenspiel mit Firmino auch in diesen Szenen wiederum für einige Überladungsansätze nutzen konnte. Insgesamt gab es somit einige Szenen für die Kraichgauer, die jedoch oft in dem teilweise sehr starken, immer häufiger von Müller statt Götze betriebenen und sauber ausgeführten Rückwärtspressing der Bayern hängen blieben oder abgelenkt wurden. Am Ende standen nur acht Schüsse und ein Versuch auf den Kasten von Neuer zu Buche. Da Hoffenheim das neue 4-3-2-1-hafte Konstrukt gegen den Ball mit der Zeit besser auf den Platz brachte, nahm die Intensität und Offenheit der Begegnung zur Mitte des zweiten Durchgangs dann für eine kurze Zwischenphase wieder etwas ab.
Peps Mischketten und weitere Gisdol-Umstellungen
Von diesem zeitlichen Scheitelpunkt her setzte Pep Guardiola den Startschuss für eine Reihe an diversen Umstellungen, die beide Trainer anschließend vornehmen sollten. Kurz nach der Einwechslung von Thiago für Gaudino organisierte der Katalane seine Abwehrreihe um und ließ Rafinha in einer Mischung aus Rechtsverteidiger und Halbverteidiger agieren, während Badstuber den Platz ganz links in dieser hintersten Linie erhielt, aber dabei tiefer agierte als die beiden dortigen Flügelverteidiger vor ihm. Nachdem sein Team durch das Zentrum nun doch nicht mehr so flüssig zum Strafraum kam, wollte Guardiola damit vermutlich den rechten Flügel und die dortigen Überladungen reaktivieren. So schob Rafinha im Aufbau wie ein Rechtsverteidiger an, bildete mit Weiser den seitlichen Rahmen und hatte dann zentral die verschiedenen unterstützenden Kollegen um sich. Diese Szenen brachten den im zweiten Durchgang druckvollen, abschlussstarken und durch gute Dribblingnutzung nach ausweichenden Bewegungen überzeugenden Münchenern ebenso einige Möglichkeiten, die über Thiago und Götze nun auch über halblinks entstanden, wenngleich insgesamt nur wenige Hochkaräter dabei waren.
Gegen den Ball ähnelte dieses System dann wiederum den unmittelbaren Anfangsminuten der Begegnung in Form eines schiefen 4-4-2, wenngleich diesmal deutlicher praktiziert, nun mit Rafinha und Badstuber als Außenverteidigern. Vorne stellten Müller und Lewandowski als Doppelspitze den gegnerischen Aufbau zu, verdeckten auch die Sechser und pressten weiterhin situativ auf Baumann nach. Hinter ihnen übernahm meist Thiago die lose Mannorientierung auf den tiefen Schwegler, Rode verblieb als Sechser, Weiser agierte rechts etwas zurückgezogen und füllte situativ die letzte Linie auf. Die ihm gegenüber nicht durchgehend eindeutig besetzte linke Seite wurde in vielen Szenen – gerade nach frühen langen Bällen der TSG – von Götze herausrückend geschlossen, der ansonsten dort im Halbraum eine flexible Mischrolle einnahm und dadurch zu leicht rautenhaften Ansätzen dieser Spielweise beitrug. Diese enge defensive Interpretation – mehr 4-4-2-haft als 5-3-2-haft – sollte im Bereich um Badstuber wohl mehr Stabilität gegen Hoffenheimer Versuche auf zweite Bälle bieten und vielleicht auch zusätzlich gegen die zentralen Überladungen um Firmino und Volland helfen, wobei dagegen auch das Dreier-Mittelfeld zuvor schon sehr stark gearbeitet hatte.
Markus Gisdol versuchte auf der anderen Seite gegen die zunehmenden Bayernchancen mit einer engeren Spielweise Polanskis für neue Stabilität zu sorgen. Dieser rückte – teilweise auch während des laufenden Pressings – diagonal hinter Firmino ein und füllte den ballfernen Halbraum neben Schwegler während des Verschiebevorgangs auf. Zudem sollte das Leiten nach rechts damit wirkungsvoller und ebenso kompakter gegen mögliche lange Bälle werden. Diese 4-2-3-1-haften Tendenzen und einige weitere Rochaden auf halblinks waren jedoch nur von kurzer Dauer, denn schnell folgte bald danach mit einem Hoffenheimer Doppelwechsel die nächste Umstellung in dieser Partie. Polanski wurde für Zuber aus dem Spiel genommen und Rudy ins defensive Mittelfeld zurückbeordert, was ein klares 4-2-3-1 mit Firmino als Zehner und Volland auf rechts bedeutete. Abschließend gab es mit Schipplocks Einwechslung noch eine Dreierkette zu sehen, bei der Volland und Zuber als hohe Flügelspieler agierten – der letzte Akt der vielen Umstellungen, durch die immer wieder kleine Veränderungen aufkamen, während jedoch das grobe Kräfteverhältnis grundlegend bestehen blieb. So gelang den Hausherren der entscheidende Durchbruch nicht mehr, während eher die Bayern einem Treffer näher schienen und sich am Ende mit dem späten 0:2 nach ihren zahlreichen Abschlüssen des zweiten Durchgangs noch einmal belohnten.
Fazit
Nach längerer Zeit lässt Markus Gisdol die Welt mal wieder an seinen kreativeren und speziellen taktischen Überlegungen teilhaben – mit zahlreichen In-Game-Umstellungen und einer interessanten Defensivorganisation, die für einige gute Momente sorgte. Trotzdem reichte es gegen vor der Pause etwas zu rechtslastige, aber insgesamt deutlich gefährlichere, erneut sehr flexible und teilweise schwer zu beschreibende Bayern – gerechtfertigt – nicht für einen Hoffenheimer Punkt. Abermals zeigt Pep Guardiola seine hohe Flexibilität als für sein Team wichtige Stärke, auf der für die kommende Woche gegen Porto die größten Hoffnungen ruhen werden.
18 Kommentare Alle anzeigen
victorolosaurus 20. April 2015 um 10:24
Ist das irgendein Insider, den ich nicht verstehe, dass in dem RSS podcast folge 15 mitgekapselt wird?
Felix 20. April 2015 um 08:49
Mal eine Retrospektivfrage zu Hoffenheim:
Als die ihre Megahinrunde direkt nach dem Aufstieg hatten – woran lag das eigentlich? Ich kann mich nur noch an eine extreme Intensität erinnern, aber nicht mehr an konkrete Spielzüge. Kann es sein, dass die die Ära des Extrempressings in der Bundesliga eingeläutet haben? Würde ja irgendwie zu Ralf Rangnick passen.
Paddi 20. April 2015 um 10:14
http://ballverliebt.eu/2014/12/24/ballverliebt-classics-als-rangnick-der-bundesliga-den-zufall-nahm/#more-10750
felixander 20. April 2015 um 10:57
Sehr geil, danke!
Benni 19. April 2015 um 18:58
Mir ist beim 0:1 aufgefallen, dass Rode relativ ungestört zum Schuss kam. Die Innenverteidiger haben innenverteidigt, aber ansonsten ist niemand so in den Strafraum gerückt, als dass er ernsthaft stören könnte. Etwas ähnliches war beim 3:1 von Köln letztes Wochenende, als Hector zwischen Rudy und Bico quasi ungestört dribbeln konnte. Das sind jetzt nur zwei Beispiele, allgemein sieht man recht oft, wie Bico in letzter Not Bälle aus dem Strafraum kratzen muss (war auch in Dortmund extrem).
Sind das technische Defizite der defensiven 6er und Außenverteidiger oder ist das doch ein taktisches Problem? So oder so – wie könnte man das lösen? Ich würde entweder Polanski oder Rudy als defensiven 6er aufstellen, der dann im Zweifelsfall zu den IV einrückt. Wen von den beiden, hängt davon ab, ob mit langen (Rudy) oder kurzen (Polanski) Pässen von hinten raus gespielt werden soll.
In diesem Spiel war ja Rudy weiter vorn, aber statt das Spiel anzutreiben, hat er ständig nach hinten gepasst. Hätten wir mehr schnelle Konter gefahren, hätte das vielleicht noch mal 10-15% Ballbesitz gekostet, aber so entstehen auch die besten Chancen. Was anderes geht mit dem Rumpfteam da vorn eh nicht, Modeste ist ja recht einseitig begabt.
DAF 19. April 2015 um 17:12
Wie wird hier im Forum denn die Entscheidung gesehen, den Vertrag von Weiser wohl nicht zu verlängern? Ich befürchte, dass die Bayernführung hier den nächsten Fehler der Art macht, den sie sich in den letzten Jahren leider angewöhnt hat: Junge Talente verprellen und sich (zu) stark auf ältere, vermeintlich renomiertere Spieler zu verlassen (welche dann nicht selten wegen Alter und Überlastung in der entscheidenden Saisonphase verletzt/außer Form sind).
Ich persönlich würde unabhängig von der derzeitigen sportlichen Situation wesentlich optimistischer in die Zukunft schauen, wenn vor dieser Saison Kroos gehalten und Can zurückgeholt worden wäre und im Gegenzug Dante abgegeben und Alonso nicht geholt worden wäre. Aus dem aktuellen Feldspielerkader sind mit Dante, Lahm, Rafinha (so gut wie), Alonso, Schweinsteiger, Ribéry, Robben und Pizarro knapp die Hälfte dreißig oder älter! Dass diese Überalterung auch ein maßgeblicher Grund für die auffällige Häufung an Verletzungen ist ist ziemlich naheliegend.
In der kommenden Transferperiode muss endlich die Verjüngung des Kaders begonnen werden; besser wäre gewesen, das schon vor einer bis zwei Transferperioden anzugehen – je länger man es herausschiebt umso härter und schwieriger wird dann hinterher der Umbruch (das hat man in den letzten Jahren an einigen Beispielen beobachten können). Stattdessen wurde das Problem in der vergangenen Transferperiode mit dem indirekten Tausch Kroos für Alonso sogar noch verschärft (unabhängig davon, dass Kroos auch spielerisch besser zum Kader gepasst hat).
Das bedeutet konkret, dass von den oben angesprochenen Spielern drei bis vier (vorzugsweise Dante, Alonso, Schweinsteiger und Pizarro) im Sommer abgegeben werden sollten und teilweise durch jüngere Perspektivspieler (Anfang 20), teilweise durch sofortige Verstärkungen (Mitte 20) ersetzt werden. Junge Spieler mit Perspektive, die nicht sofort weiterhelfen können (wie Gaudino oder Weiser) sollte man langfristige Verträge geben und dann für ein bis zwei Saisons verleihen. Das finanzielle Risiko dabei ist überschaubar – ein Weiser wird ja keinen Millionenvertrag fordern. Dass es Mut fordert, Spieler wie Alonso gehen zu lassen und dafür auf Kimmich zu setzen ist klar – ich weiß noch wie die Reaktion war, als van Gaal Khedira mit Verweis auf Alaba abgelehnt hat.
Die Verpflichtung von Kimmich war da für mich nur ein erster Schritt in die richtige Richtung, der durch das leichtsinnige Vertreiben von Weiser wieder zunichte gemacht werden könnte. Er hat bisher keine Bäume ausgerissen, aber war meistens trotz Jugend und mangelnder Erfahrung auch keine Schwachstelle – zumal die Alternativen Raffa und Lahm beide nicht die jüngsten sind und zudem Lahm wohl im Mittelfeld bleiben wird. Und RV wachsen aktuell nicht gerade auf Bäumen…
So, genug von mir 😉 Ich bin auf Antworten gespannt, ob ich das vllt total falsch seh…
RM 19. April 2015 um 18:44
Ich habe auch aus diesen Gründen über Kroos‘ Verkauf, Cans Verkauf und auch das Abgeben Sansones früher geschimpft, u.a.
Weisers Abgang kann ich nachvollziehen, wenn es da intern bisschen kriselt und ihm nicht so viel zugetraut wird, aber ich persönlich würde ihn aus ähnlichen Gründen wie du behalten (abgesehen von Kader und Talent).
Krawu 20. April 2015 um 10:06
Bin voll deiner Meinung! Kroos, Can, sowie die Ausleihe von Shaqiri und Hojberg waren – und sind aktuell noch viel mehr – nicht nachzuvollziehen. Natürlich sind all die Verletzungen nicht vorhersehbar gewesen, aber wie Du schon sagst sind zumeist die Älteren Spieler betroffen. Ich denke hier hat Guardiola vielleicht noch nicht die Reife wie ein Heynckes, um diese wichtigen Kaderspieler bei Laune halten zu können.
Insider 20. April 2015 um 10:32
die Spatzen pfeifen, dass aktuell mit Firmino und de Bruyne verhandelt wird.
Pogba wird wohl leider zu Real Madrid wechseln für 80 Mille. Leider geil!
Felix 22. April 2015 um 15:02
Ich wüsste nicht was Bayern in der jetzigen Situation mit de Bruyne sollte, man braucht eher ein oder zwei weitere Spieler á la Ribery und Robben. Dort drückt derzeit extrem der Schuh, weil man außer den beiden einfach keine Flügelstürmer mehr hat. Außerdem glaube ich, dass de Bruyne als Spielertyp garnicht zu Bayern passt, wie Ribery vor kurzem festgestellt hat, kann dieser seine Stärken eher ausspielen, wenn er Platz hat. Den bekommt man bei Bayern aber nicht. Firmino könnte vielleicht passen, sehe aber keinen Bedarf auf seiner Position.
HK 20. April 2015 um 11:28
Die vier genannten Spieler kann man nicht in einen Topf werfen. Da hat jeder seine eigene Geschichte und Situation.
Kroos und Can waren Managementfehler (in Beziehung auf Vertrags- und Konditionenmanagement). Die Leihen von Shaqiri und Höjbjerg waren im Einzelfall sicher vernünftig und nachvollziehbar im beiderseitigem Interesse.
Dass dann allerdings beide im Winter ersatzlos gegangen sind, war für mich sehr überraschend. Da hätte ich glatt ne Wette verloren.
Koom 19. April 2015 um 19:23
Weiser wird vermutlich gehen gelassen, weil er zu teuer für die Amateure ist und bei den Profis aus Guardiolas Sicht den Durchbruch nicht schaffen wird. Dann belegt er nur einen Kaderplatz für seinen sehr kleinen Kader. Nachvollziehbar – und für Weiser vermutlich auch besser, er wird sicherlich in der Bundesliga irgendwo landen. Er ist ein junger, schneller Allroundertyp, das wird nach wie vor gerne gesucht.
lenni 20. April 2015 um 09:57
Nein, du siehst das schon ganz richtig, ich denke, das Problem von Can und Weiser ist einfach, dass sie jeweils etwa 2 Jahre zu früh da waren/sind. Aber trotzdem glaube ich, dass mit Rode, Thiago, Alaba, Höjbjerg, Götze und Müller eine sehr gute Basis für 3-4 Jahre da ist, dazu kommen ja noch Kimmich (kann ich überhaupt nicht einschätzen) und Kurt (schade, bei ner 2:0-Führung hätte ich den in der 80. Minute eingewechselt, aber so war es dann doch zu knapp).
Rode erinnert mich arg an Jens Jeremies oder auch Mark van Bommel, so einer kann am Dienstag gegen Porto sehr wichtig sein.
Tipic 21. April 2015 um 00:52
Badstuber, Boateng & Lewandowski (alle 26) gehören ja auch noch nicht zum alten Eisen, sondern sind im besten Fußballeralter.
Insider 30. April 2015 um 09:52
Badstuber wird leider mit 28 als Sportinvalide aufhören müssen.. Würde ein „normaler“ Patient sich diesen Operationen unterziehen, versteift das Bein mit spätestens Anfang 40.
Nick704 20. April 2015 um 21:55
Ich sehe das genau so wie du und die Kommentare zeigen, dass wir da nicht allein sind.
Wäre da nur die Frage, warum die Entscheidungsträger bei Bayern anders entscheiden.
Die müssten ja eigentlich schlauer sein. Vielleicht hat jemand da mehr Insider wissen aus dem Forum?
fololo 19. April 2015 um 14:11
50+1 REGEL Bitte entfernen! Zerstört die liga
Achter 19. April 2015 um 14:00
Wie habt ihr denn die beiden jungen Weiser und Gaudino gesehen? Weiser scheint ja technisch und physisch schon sehr weit zu sein, auch wenn es vor allem defensiv noch etwas hakt.
Gaudino kann ich nicht so recht einschätzen, er scheint gut Pässe zu spielen, gutes Bewegungsspiel, technisch sauber, aber es fehlt ihm noch die Dynamik und physische Präsenz um dominanter aufzutreten oder wie seht ihr das? Er ist ja auch noch extrem jung