Liverpools Erfolgsserie endet gegen besser kontrollierendes United
Vor allem in der ersten Halbzeit hatte Manchester United im Derby die Oberhand und deckte einige gegnerische Defensivschwächen auf. Nach dem schnellen Platzverweis gegen Gerrard reagierten sie auf Liverpools interessantes Mischsystem nicht optimal, brachten den verdienten Sieg aber nach Hause.
Mit 10 Siegen aus den letzten 14 Spielen – entsprechend also ungeschlagen seit der Niederlage im Old Trafford im Hinspiel – trat Liverpool zu diesem Topspiel und Derby gegen den Erzrivalen an. Erneut schickte Brendan Rodgers sein Team in der in den vergangenen Wochen so erfolgreichen 3-4-2-1-Formation auf den Platz und wählte eine offensive Besetzung. So wurde Raheem Sterling als rechter Flügelspieler vor Halbverteidiger-Entdeckung Emre Can aufgeboten, so dass das Offensivtrio aus Lallana, Coutinho und Sturridge bestand. Die Doppel-Sechs bildeten die mittlerweile zu einer eingespielten Besetzung gewordenen Henderson und Allen. Auch Louis van Gaals Manchester United konnte in den letzten Wochen mit verbesserten Ergebnissen auf sich aufmerksam machen, was zuletzt in einem 3:0-Erfolg gegen Tottenham mündete. Genau diese Elf vom vergangenen Sonntag schickte der Niederländer auch diesmal wieder in der aktuell bevorzugten 4-1-4-1-Formation auf den Rasen – mit Blind links hinten, Ander Herrera und Fellaini als Achtern sowie Juan Mata in von rechts einrückender Rolle.
Liverpools Probleme mit tiefer Defensivausrichtung
Etwas überraschend war es, dass Liverpool sich in der Arbeit gegen den Ball eher passiv verhielt und bis auf eine kleine Periode in der Anfangsphase auf früheres Anlaufen verzichtete. Sturridge bewegte sich knapp vor dem gegnerischen Sechserraum im Zentrum sehr zurückhaltend, wenngleich er auf halblinks manchmal verschiedene Passwege zu verhindern versuchte. Seine beiden Offensivkollegen agierten etwas versetzt in wechselnden Anordnungen hinter ihm. Zudem nutzte Liverpool viele kleine Mannorientierungen, die die Begegnung ganz allgemein prägten, ihr aber nicht unbedingt gut taten. Vor allem Moreno wurde von Mata häufig nach hinten gedrängt, während Sterling sich auf der gegenüberliegenden Seite etwas höher und häufiger auch mal an Blind orientierte, so dass dann Can hinter ihm vorrückte. Aufgrund dieser losen Asymmetrie erhielt Liverpool zu wenig Zugriff auf Valencia, der damit für Uniteds Ballzirkulation bereitstand, die einige sichere Phasen verbuchte. Generell hatten die Gastgeber vorne durch die insgesamt eher tiefen und dabei auch – selbst horizontal in den hinteren Linien – nicht wirklich ausgewogenen Stellungen zu wenig konstanten und nachhaltigen Druck auf ihren Rivalen.
Zwar konnten sie beispielsweise mit Moreno auf Valencia herausschieben und mit dem restlichen Verbund nachrücken, doch geschah dies zu unkompakt und unkollektiv, was United noch genügend Lösungsmöglichkeiten ließ. Die Gründe dessen lagen in den verschiedenen Defensivproblemen der Liverpooler Ausrichtung, die hier zum Tragen kam. Zum einen war die mannorientierte Spielweise der Sechser gegen Herrera und Fellaini beteiligt, die phasenweise zu unbalanciert ausgeführt wurde und damit ähnliche Schwierigkeiten bereitete, wie sie Tottenham in der Vorwoche hatte. Gerade Henderson wurde von Fellaini nach hinten gedrängt, was das Mittelfeldzentrum schwächte. Der entscheidende Punkt lag jedoch vor allem darin, dass diese Orientierung nun einmal das defensive Bewegungsspiel in Relation zu Raum und Ball einschränkte. Wenn United somit über rechts oder halbrechts spielte, hatten die dortigen Liverpool-Spieler wenig Unterstützung aus den zentralen Mittelfeldbereichen, weshalb nur selten defensive Überzahlen, vor allem das Verstellen von Ausweichoptionen und damit nachhaltig effektive, saubere Ballgewinne möglich waren.
United zirkuliert, aber macht daraus nicht genug
Zudem interpretierten die zentralen Offensivakteure ihre Rolle in der Verteidigungsarbeit zu passiv und zu wenig ballorientiert. Sie waren teilweise kaum ins Verschieben nach außen sowie entlang der gegnerischen Zirkulation eingebunden, sondern agierten in einem sehr kleinen Radius von ihrer Grundposition aus. Dadurch hatten sie nur in diesen Zonen Zugriffsmöglichkeiten, aber nicht wirklich – gerade Lallana hing in einer seltsamen Raumkonzeption einige Male einfach effektlos im Nichts herum – bei anderer Ballposition, was letztlich alles in allem zu einem ähnlichen Effekt führte wie die Mannorientierungen der Sechser dahinter. Entsprechend wurde United vor keine allzu großen Aufgaben gestellt. Daher reichte van Gaals Mannen eine solide bis gute Offensivvorstellung ohne eigentlich übermäßig zu brillieren. Sie ließen das Leder solide laufen, fokussierten ihre wie schon gegen Tottenham starken Pärchenbildungen – gerade halbrechts – geschickt und bauten darüber hinaus einzelne ansehnliche Zusatzbewegungen ein. In der Gesamtbetrachtung spielten sie erneut viel über links, wo sich Fellaini sehr breit einschaltete, auch Rooney half und im Dreiecksspiel am Flügel Raum geöffnet werden sollte.
Die letzte Linie ihres Gegners war zwar präsent besetzt, in den Bewegungen aber nicht immer gut genug zusammenhängend, so dass sich zwischendurch horizontale Zwischenräume öffneten. Vor allem im gruppentaktischen Bereich haben die Red Devils über die vergangenen Wochen manche Fortschritte erzielt, so dass sie gesamtmannschaftlich inkonsequent unterstützte Situationen, wie sie Liverpool zu häufig zuließ, insgesamt besser zu ihren Gunsten lösen konnten als ihr Gegenüber. Auch das Gegenpressing gefiel über weite Strecken und sorgte für zuverlässige Absicherung. Mit etwas besserer Raumwahl im Ausspielen, konsequenterer eigener Unterstützung leicht isolierter gruppentaktischer Momente, stärkerem kollektivem Zug zum Tor, weniger langen Bällen Richtung Fellaini, und weniger Flügeltendenz gerade über die linke Seite hätten die Red Devils – die insgesamt trotz der über weite Strecken souveränen und überlegenen Vorstellung eben auch nur sechs Abschlüsse bzw. drei in der ersten Halbzeit verbuchten – noch mehr daraus machen und eine höhere Führung erzeugen können.
Von Flügelrollen und riskantem Herausrücken
Gegen den Ball schlossen die Gäste im Großen und Ganzen an ihre Spielweise aus der Partie gegen Tottenham an. Das bedeutete eine insgesamt weniger mannorientierte Grundausrichtung der äußeren Akteure. Demgegenüber orientierten sich Herrera und Fellaini bei Absicherung durch Carrick, der einige Male lose Zuordnungen auf Coutinho übernahm, ein wenig an den gegnerischen Sechsern. Dies spielten sie tiefer und abwartender aus als diese es gegenüber taten, zumal auch ihre Grundanlage positionsorientierter war. Von den etwas eingerückt agierenden Mata und Young gab es zwar auch einige Phasen, in denen sie eher den aufrückenden Läufen von Sterling und Moreno folgten, doch war dies insgesamt selten: Meist pendelten sie stattdessen zwischen situativen Pressingaktionen gegen einen Halbverteidiger Liverpools oder versuchten den Halbraum zu stabilisieren. Gerade Mata schaffte es insgesamt gut, den diesen halblinken Offensivbereich Liverpools zu verengen und abzudecken, so dass Lallana dort kaum effektiv ins Spiel eingebunden und auch situative Rochadebewegungen Coutinhos verschluckt werden konnten. Zudem funktionierten die Übergabemechanismen am Flügel gegen Sterling und Moreno meistens zuverlässig.
Dahinter zeigte die Abwehrreihe der Red Devils immer wieder zahlreiche, weiträumige und flexible, teils mannorientierte und teils sehr riskante Herausrückbewegungen verschiedener Spieler. Vor allem Smalling und Jones rückten einige Male über größere Strecken in den Zwischenlinienraum, um Sturridge zu verfolgen oder – häufiger – Coutinho oder Lallana bei der Ballannahme zu stören. Das gelang zwar im Großen und Ganzen meistens, allerdings fehlte es der letzten Linie etwas an Stabilität. Wenn sie solche Bewegungen bereits andeuteten oder sich mal etwas weiträumiger an bestimmten Gegnern orientierten, passten ihre genauen Positionierungen im Verhältnis zu den Abwehrkollegen nicht immer und wurden etwas unsauber. So gab es gelegentlich einfach mal kurzzeitig unkoordiniert größere Abstände, die zu einem Außenverteidiger oder zwischen ihnen selbst aufgingen. Vereinzelt konnte Liverpool diese Lücken fast schon aus dem Nichts mit schnellen, plötzlichen Direktpässen bespielen und hätte zwei oder drei Mal fast alleine vor dem Tor gestanden, wenn nicht de Gea schnell aus dem Kasten geeilt wäre.
Ansonsten gab es nur wenige Offensivszenen der Reds, die sich gegen die etwas engeren Rollen von Uniteds Flügelspielern und dem situativen Rückzug von deren Achtern kaum durchsetzen konnten. Phasenweise lief bei ihnen überhaupt nichts zusammen, die Ballzirkulation war von haarsträubenden Fehlern geprägt und situatives Anlaufen eines Halbverteidigers durch Mata oder Young schien die Aufbauversuche zusammenbrechen zu lassen. Erst zum Ende der ersten Halbzeit kamen die Hausherren – auch unterstützt durch kleinere Umstellungen – etwas besser in die Partie. Die vorderen Akteure, insbesondere Sturridge, zeigten mehr und aktivere Horizontalbewegungen, Henderson rückte aus dem Mittelfeld mehr und frühzeitiger auf, um Raum zu öffnen, wofür dann Lallana oder Coutinho situativ in den tiefen Halbraum zurückfielen und dort ankurbelnd die Bälle verteilten. Das brachte einige dynamische Schnellangriffe über die Flügel und zehn Minuten vor der Pause ihre quasi einzige Torchance dieses ersten Durchgangs, war aber noch keine wirklich starke Vorstellung.
Zweite Halbzeit im 10 gegen 11
Mit der Einwechslung von Steven Gerrard für Lallana – Sterling ging zunächst nach vorne und Henderson nach rechts – zur zweiten Halbzeit sollte aus Liverpool-Sicht eine Wende in der Partie eingeleitet werden, doch kam diese auf eine unerwartete, überraschende Weise mit dem Platzverweis nach 33 Sekunden, was zu einer skurrilen Folgeatmosphäre und sofortigen weiteren Umstellungen führte. Nun agierte Liverpool über den zweiten Durchgang hinweg mit einem 3-4-2/4-3-2/4-3-1-1-Hybrid, in dem Henderson eine Mischrolle aus eingerücktem Flügel sowie aufrückendem Achter gab und Coutinho vertikal zwischen Offensivzentrum und Sechserraum pendelte. Insbesondere diese Bewegungen machten United vereinzelt durchaus Probleme, während Henderson wechselnd mal Young nach innen ziehen oder Fellaini beschäftigen konnte, was wiederum dessen Unterstützung im anderen Halbraum einschränkte – kurzum: keine ungeschickte Anpassung der Reds.
Dagegen zeigte sich United in manchen Momenten etwas nachlässig im Pressing und unsicher in der Rhythmuswahl. Zusammen mit den anderen Aspekten schwächte dies ein Stück weit die vertikale Kompaktheit, so dass sie im Bereich hinter Rooney einige Male den Zugriff auf den gegnerischen Sechserraum verloren, im Herausschieben zu spät kamen und Liverpool manches Mal das Aufrücken gestatten mussten. Das war nicht optimal, aber auch nicht ganz dramatisch: Liverpool erspielte sich einige Halbchancen, konnte allerdings keine größeren Szenen vor de Gea erzeugen. Stattdessen erhöhte United durch Matas sehr ansehnlichen zweiten Treffer nach Zusammenspiel mit dem eingewechselten, insgesamt etwas fahrigen di María auf 0:2 und schien die Partie zu entscheiden. Dies war eine der etwas konsequenteren Szenen der Gäste, die auch im Aufbau das Potential ihrer numerischen Überzahl zumindest nicht optimal ausnutzten. Sie zirkulierten zwar viel herum und besetzten über Phasen auch sehr konsequent die Halbraumzwischenlücken neben der gegnerischen Sturmreihe, spielten die Szenen aber alles in allem etwas zu wenig zielstrebig und sauber aus. So wurden die in höheren Zonen bestehenden Lücken eher vorsichtig und manchmal nur halbgar angelaufen sowie leicht ndynamisch besetzt.
Bei einzelnen versuchten Vorstößen beim Übergang in den Zehnerraum liefen die unterstützenden Akteure nach einem Zuspiel zu oft in den Strafraum durch, so dass der angespielte Kollege abdrehen musste und die Gegenpressing-Staffelung – zumal verglichen mit dem Niveau aus der ersten Halbzeit – geschwächt wurde. Dazu gab es einige Szenen, bei denen Liverpool aktiver presste, in den ballnahen Bereichen zunächst einmal gut zuschieben konnte und United darauf nicht so gut reagierte: Sie waren in ihren Staffelungen zu wenig angepasst, um ballferne Kollegen erfolgsstabil mit Verlagerungen einzubinden statt sich zu langen Bällen drängen zu lassen. In diesen ballfernen Zonen wiederum postierten sich teilweise gar zwei Spieler, von denen aber einer problemlos ausgereicht hätte und der andere lieber zusätzlich in umliegenden Verbindungslücken gegen die Liverpool-Unterzahl benötigt worden wäre. Nach Sturridges von de Gea begünstigtem Anschlusstreffer mussten sie daher noch einmal mit Spannung leben, doch war Liverpool im letzten Drittel gegen den in Überzahl spielenden und situativ für längere Entlastung sorgenden Gegner letztlich zu harmlos dafür. Ohnehin muss man natürlich sagen, dass es insgesamt nach der Pause keine schlechte Leistung der Gäste auf einem weiterhin ordentlichen Niveau war, sie aber eben doch gewisse Kritikpunkte hergaben.
Fazit
Vor allem aufgrund der ersten Halbzeit ein verdienter Derby-Erfolg für Manchester United, die danach auf den schnellen Platzverweis für den Gegner durchwachsen reagierten, zwar zunächst die scheinbare Entscheidung herbeiführten, nach dem 1:2 aber doch noch einmal unter Druck gerieten, wenngleich Liverpool keine weitere gute Torchance zu erspielen wusste. Insgesamt gilt für das Team von Louis van Gaal das, was auch schon in der Vorwoche zu konstatieren war: Zudem scheinen sie einen weiteren kleinen Fortschritt in der Entwicklung gemacht zu haben. Brendan Rodgers sieht den Erfolgslauf seiner Mannschaft zunächst einmal gestoppt, hat mit der neuen Ausrichtung und den Ergebnissen der letzten Wochen insgesamt aber ebenfalls gute Perspektiven für die nächsten Partien. Allerdings machte diese Begegnung einige Problempunkte deutlich, insbesondere in Bezug auf die Defensivrollen der Offensivspieler und Sechser.
1 Kommentar Alle anzeigen
Sven 23. März 2015 um 11:42
Es war schon enttäuschend als Reds-Fan, wie wenig die Reds am Spiel teilnahmen. Es fehlt einfach ein typ im Team, der auf dem rasen sein Team mitreißt, alle spielen irgendwie, aber eben nur, mit. Gerrard hat früher gerade solche Spiele durch seine Präsenz, seine Physis, gepaart mit seinen spieltechnischen Fähigkeiten rumgerissen. Und genau dieser Spielertyp fehlt völlig im Redsteam. Henderson fehlen die spielerischen Fähigkeiten, Coutinho die nötige Physis.