Wolfsburger Leistungssteigerung findet die Schwachstellen bei Inter
In der Anfangsphase hatten sie noch Probleme, doch danach fand der VfL Wolfsburg ins Spiel und feierte gegen ein eher schwaches Inter einen verdienten Sieg. Übergeordnet betrachtet, war Pressing das taktisch entscheidende Element der Begegnung.
Für dieses mit Spannung erwartete Duell traten die Hausherren weitgehend mit erwarteter Aufstellung an. Dieter Hecking verzichtete auf Überraschungen und schickte in seiner 4-2-3-1-Grundformation sogar exakt die gleiche Besetzung auf das Feld wie beim enttäuschenden 0:1 in Augsburg. Auf der anderen Seite entschied sich der formativ durchaus noch experimentierende Roberto Mancini bei Inter diesmal für ein 4-3-3 mit Shaqiri und Rodrigo Palacio als Flügelstürmern. Im Mittelfeld nahm der kraftvolle Fredy Guarín die höchste Rolle als vorrückender rechter Achter ein, während Ausnahmetalent Mateo Kovacic erneut keinen Startplatz erhielt. In dieser vor allem vom Pressing geprägten Partie mussten die Wolfsburger eine schwierige Anfangsphase überstehen, steigerten sich aber mit der Zeit, waren über weite Strecken die bessere Mannschaft und schufen sich letztlich mit dem 3:1-Erfolg eine starke Ausgangslage für das Rückspiel.
Viel Pressing in der Anfangsphase
In ihrer im hinteren Teil typisch mannorientierten 4-4-2-Defensivformation agierten Dost und de Bruyne noch tiefer als gewohnt und rückten aus diesen Stellungen kaum mal weiter heraus. Nur die – ansonsten auch mal eingerückten – Caligiuri und Schürrle auf den Flügeln liefen situativ die gegnerischen Außenverteidiger an und standen dann bisweilen höher als ihre Kollegen in breiten 4-2-2-2-Anordnungen. Damit blockte das Hecking-Team die Vorwärtswege gut und war im Zentrum präsent, zumal das Bewegungsspiel des Mittelfeld-Trios bei Inter etwas unstrukturiert und unambitioniert war. Nur vereinzelt konnten die Italiener über halblinks mal Raum für Direktpässe schaffen, wenn Hernanes Guilavogui herauslockte und Medel sich passend dazu bewegte. In diesen Szenen waren die Niedersachsen im Sechserraum etwas offen, wohin sich einer der Angreifer – meist Icardi – gut fallen ließ, um die Wolfsburger Mannorientierungen zu bespielen. Dies war die wohl beste Maßnahme im Konzept der Gäste und ließ das ansonsten zuverlässige Herausrücken der Wolfsburger Innenverteidiger einige Male ins Leere laufen, was zu einigen Halbchancen Inters führte. Auch Guarín schaltete sich in solchen Szenen einige Male im halblinken Zehnerraum ein, ohne die Aktionen allerdings gut zu Ende zu führen.
Der frühe Rückstand durch den diagonal einstartenden Palacio entstand allerdings auf anderem Wege – nach einem Pressing-Ballgewinn der Blau-Schwarzen. Diese zeigten sich in der Anfangsphase enorm aggressiv, rückten mannorientiert weit heraus und wollten auf diesem Wege über Intensität kommen. Die Wolfsburger Außenverteidiger hatten keine Ruhe gegen die sich zwischendurch auch mal enger positionierenden Inter-Flügel – was Palacio beim Tor zugute kam – und die Sechser wurden frühzeitig von Guarín, der dann oft und auch beim 0:1 auf die Innenverteidiger ins 4-4-2 nachschob, sowie Hernanes zugestellt. Das alles war zwar eher simpel ausgerichtet und stützte sich klar auf Intensität, doch war diese anfangs gegeben, während Wolfsburg in den Anordnungen und strukturellen Verbindungen zunächst ebenfalls eher simpel agierte. Vor dem 0:1 eroberte D´Ambrosio – die Außenverteidiger der Italiener verfolgten zurückfallende Bewegungen ihrer Gegenspieler ebenfalls – nach suboptimalem Pass von Knoche das Leder gegen den nicht gut genug unterstützten Schürrle.
Wolfsburg kommt ins Spiel, Inter zeigt Defensivprobleme
Wirklich besser war das Team von Mancini auch in der Anfangsphase allerdings nicht und anschließend sank zudem ihre Intensität ab, so dass Wolfsburg das Kommando übernehmen konnte. Vor allem die Achter der Gäste hielten sich gegen den Ball nun merklich zurück, was Wolfsburg im Sechserraum mehr Ruhe und Möglichkeiten zur Ballverteilung gab. Die tiefere Mittelfeldkompaktheit Inters, die mit dieser Umstellung intendiert war, kam aber nicht wirklich zum Tragen, da Wolfsburg diesen Bereich entweder umspielte oder so anvisierte, dass die schwachen Tiefenstaffelungen Inters aufgedeckt wurden. Über schnelle Abläufe am Flügel oder Rochaden von Schürrle und de Bruyne erzeugten sie einige Chancen, zumal Inters Abstände in der letzten Linie wegen der zu wenig an die jeweiligen Situationen angepassten Mannorientierungen schwach waren. Über manche Phasen tauschten de Bruyne und Schürrle bei den Wolfsburgern nun konstanter die Plätze, während Caliguiri auf rechts in klarer Rolle verblieb, oder Letztgenannter agierte enger. Vereinzelt streuten beide auch mal im Halbraum unterstützende Positionierungen ein, mit denen sie den Aufbau vereinfachten, wenngleich dabei Schürrle nicht ganz an manche Auftritte, wie beispielsweise schon gegen Hertha, herankam.
Ein bedeutendes Merkmal der Wolfsburger Anlage waren zudem ihre Rechtsüberladungen, die sie immer stärker fokussierten. Dafür schob Guilavogui unterstützend mit auf die Seite, Dost wich aus dem Sturmzentrum etwas aus und im Wechsel mit de Bruyne schaltete sich manchmal auch Schürrle ein. Gegen Inters situative Mannorientierungen fanden die verschiedenen Bewegungen manche Freiräume, zumal sich auch Vierinha mehrmals gut diagonal einschaltete und die vielleicht beste Chance aus diesen Überladungen hatte. Inter kam auch wegen konzeptioneller Schwächen in diesen Bereichen nicht mehr mit dem VfL mit: Medels tiefe Rolle als freier Mittelfeld-Libero – nunmehr anders als im hohen Pressing ohne Mannorientierung – war zu passiv und zu wenig weiträumig ausgerichtet, so dass er in den Wolfsburger Ballungsräumen nicht entscheidend helfen konnte. Stattdessen sollte Juan Jesus mannorientiert gegen de Bruyne agieren, wurde dadurch aber immer wieder unnötig herausgezogen, was Lücken in der Defensivlinie öffnete. Auch dies war unter anderem bei der Vierinha-Chance ein Faktor.
Pressingvariationen und 5-2-1-2-Phase
Außerdem schoben die Hausherren nach dem Rückstand deutlich häufiger ins Angriffspressing hoch, wofür die Stürmer sich etwas asymmetrisch staffelten, die Sechser weit aufrückten, Guilavogui dabei sogar manchmal bis in die vorderste Linie nachpresste und der ballferne Außenstürmer sich immer wieder an einem der zentralen Mittelfeldakteure orientierte. Zunächst war das manchmal noch etwas instabil, wenn Shaqiri sehr weit und fast zehnerartig einrückte, doch in der zweiten Halbzeit sollte eine solche Pressingaktion mit etwas Glück sogar zum 2:1 führen, als Vierinha – mittlerweile vorne rechts – im Halbraum einen Pass Carrizos abfing. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Gäste durch die Einwechslung von Vidic für Hernanes bereits auf 5-2-1-2 mit Shaqiri auf der Zehn umgestellt. Durch die breite Staffelung der letzten Linie sollte wohl zusätzliche Stabilität gegen Wolfsburgs Flügelangriffe erzeugt werden, doch war letztlich gerade das Gegenteil der Fall, da die Italiener insbesondere hinterlaufende Aktionen der Außenverteidiger mit anschließenden Hereingaben wegen der einfachen Flügelbesetzung nun sogar schlechter verteidigten. In der Pressingszene vor dem Tor übten dann de Bruyne, Dost und der kurzzeitig hochschiebende Guilavogui Druck auf die drei Verteidiger aus, während Vierinha als zunächst ballferner Flügel das Zentrum unterstützte und aus dieser Stellung dann im richtigen Moment herausschob, um in den Passweg zu gehen.
Nach diesem Treffer änderten die Niedersachsen ihre Pressinglogik gegen die neue Inter-Formation ein wenig und schoben seltener vorne drauf. In der passiven Grundausrichtung bewegten sich die Stürmer nun um die gegnerischen Sechser und ließen den zentralen Verteidigern Zeit. Die defensiven Mittelfeldspieler der Wölfe orientierten sich situativ mal an Shaqiri, während Vierinha und Caligiuri in eingerückten Positionierungen das Zentrum verdichteten. In günstigen Momenten am Flügel konnten sie auf einen breiten Halbverteidiger pressen, während Träsch bzw. Rodríguez hinter ihnen auf den gegnerischen Außenspieler nachrückte und die Stürmer diagonal die Mitte verstellten. Alternativ schoben auch diese mal im Halbraum heraus und weiter nach vorne, so dass Wolfsburg aus der stabilen Grundordnung auf verschiedene Arten ins höhere Pressing übergehen und dabei manchmal sogar bis in komplett mannorientierte Zuteilungen schieben konnte. Später änderte Inter die Aufteilung der Dreierkette in ein 5-4-1/3-4-3, ehe sie für die Schlussphase auch noch eine Raute auf den Platz brachten, doch änderte dies alles nichts an der Wolfsburger Überlegenheit, die nach durchwachsener Anfangsphase letztlich einen verdienten VfL-Sieg erzeugte.
Weitere anschauliche Grafiken gibt es hier in der empfehlenswerten englischsprachigen Analyse unserer internationalen Ausgabe spielverlagerung.com von TP.
3 Kommentare Alle anzeigen
LVG 17. März 2015 um 00:13
wie würdet ihr eigentlich ein dauerhaftes tieferes oder zumindestens wie bei Athletico in festen Abständen tiefes 4-4-2 mit de Bruyne sehen ich finde das potenziel sehr stark und die meisten tore von Wolfsburg fallen doch auch so meistens in der schlussphase wenn der Gegner aufrückt und wolfsburg die mittellinie als Abseitsprotection nutzt. Vor allem würde es glaube ich auch Guillavogui helfen.
DAF 17. März 2015 um 14:14
Könnte ich mir theoretisch schon vorstellen, aber wo wären denn die überzeugenden Vorteile gegenüber dem aktuellen System? Immerhin ist Wolfsburg damit in beiden Pokalwettbewerben noch vertreten und hat als zweiter einen größeren Vorsprung auf den dritten als Rückstand auf Bayern…so schlecht kann das System nicht sein 😉
LVG 17. März 2015 um 15:24
Ich meine das ja auch gar nicht als Ersatz des aktuellen Systems nur als Ergänzung den sie spielen das ja schon relativ häufig gegen die großen Mannschaften Bayern etc. aber ich denke, dass man solche tieferen Staffelungen halt auch früher gegen Mannschaften wie Stuttgart oder so nutzen könnte um nicht auf enge Räume auf rechts gedrängt zu werden und halt mehr Platz zu generieren außerdem bekomme ich jedes mal ein ungutes Gefühl wenn Gustavo aufrückt und Guillavogi den Solo Sechser gibt