Hannover bringt die guten Ansätze nicht durch und öffnet die falschen Räume

1:2

Gegen einen defensiven SC Paderborn erzeugt Hannover 96 einige sehenswerte spielerische Momente, bleibt aber zu inkonsequent. Ihre 4-1-3-2-Umstellung nach der Pause fördert die Offensive, wird aber mit zwei Gegentoren aus zwei Szenen zu hart für seine kleinen Problemzonen bestraft.

h96-scp-2015Nach den zuletzt trotz ordentlicher bis guter Leistungen enttäuschenden Ergebnissen wollte Hannover 96 im Heimspiel gegen die in der Rückrunde noch torlosen Aufsteiger aus Paderborn die Trendwende schaffen. Dafür nahm Tayfun Korkut im Vergleich zur Partie beim Hamburger SV nur eine Änderung in der 4-2-3-1-Formation vor – auf dem Rechtsverteidigerposten begann Winter-Neuzugang João Pereira anstelle von Sakai. Der personell und formativ gerne rotierende André Breitenreiter entschied sich auf Paderborner Seite diesmal für eine 4-2-3-1-hafte Grundstellung mit Koc und Meha auf den Flügeln, Bakalorz auf der Sechs und Vrancic als höchstem Mittelfeldmann, der gegen den Ball vorne Kachunga unterstützen sollte.

Hannovers Ballbesitz- und Offensivszenen gut, aber unvollendet

Die Hannoveraner dominierten über weite Strecken der Begegnung mit enorm viel Ballbesitz, hatten allerdings trotz einiger interessanter Ansätze Probleme damit, sich konstant gute Chancen gegen ein solide und etwas ungewöhnlich verteidigendes Paderborn. In einer 4-4-2-haften Defensivformation zeigten die Gäste aus Ostwestfalen ein zunächst herkömmliches Mittelfeldpressing mit einzelnen herausrückenden Bewegungen und situativen Mannorientierungen. Dadurch konnten sie im Vorrücken gelegentlich mal einzelne Ballgewinne erzeugen. Interessant: Vrancic agierte auf halbrechts phasenweise etwas höher als Kachunga und hier rückten die Paderborner Spieler aggressiver auf, schienen teils gar einen Verlagerungskanal anzubieten, um Hannover im Aufbau von links weg- und wahrscheinlich zu Marcelo hinzuleiten. Ansonsten orientierten sich die Angreifer abdeckend an den eher passiven Hannoveraner Sechsern, zu denen sich gelegentlich Stindl zentral fallen ließ und die auch sonst gerne mal sich etwas seitlich herauskippend bewegten.

In ihren besten Phasen gelang es ihnen dabei – gerade anfangs – gut, die diagonalen Lücken im Verschieben bei Paderborn anzuvisieren und dadurch präzise Direktpässe – gerade Schmiedebach tat sich hervor – auf einen der drei Offensivspieler anzubringen. Diese bewegten sich gut und bewusst in den Halbraum, um die Schnittstellen in oder hinter der gegnerischen Mittelfeldreihe zu besetzen. Mit diesen diagonal eingeleiteten Aktionen konnten sie dann einige sehenswerte Spielzüge fahren, was über Kiyotakes Doppelpass mit Joselu und natürlich Stindls Weltklasse-Weiterleitung auf Briand zu Beginn zwei hochwertige Ansätze einbrachte. Die verschiedenen Bewegungsmuster und die potentiellen Synergien deuteten Potential an. Anschließend passten sich die Paderborner jedoch etwas an, versperrten die Wege etwas disziplinierter und fanden mehr Balance in den Staffelungen zwischen ballnahem und ballfernem Sechser sowie deren Verbindungen zu Zehner und Außenspieler.

Allerdings zeigte auch Hannover einige Schwächen, die einen durchschlagenderen Erfolg ihrer Spielweise hemmten, und schien sich bisweilen von einzelnen seltsamen Bewegungen Paderborns irritieren zu lassen. Die Sechser waren phasenweise etwas zu passiv und das Bewegungsspiel in Synchronisation mit Stindl nicht optimal abgestimmt, was die Unterstützung für Marcelo etwas inkonstant machte. So funktionierte das Paderborner Leiten auf den rechten 96-Innenverteidiger zunehmend besser und deckte dessen Schwächen in der zuverlässigen Ballverteilung auf. Problematisch war auch, dass die Niedersachsen ihre Ansätze generell – wie auch die Torwartketteneinbindung von Zieler – nicht so konstant aufzogen, sondern zwischendurch einfach immer mal wieder direkte lange Bälle auf den ausweichenden Joselu spielten. Dies war auf die Dauer keine besonders gute Ausrichtung, da Paderborns solides Nachschieben und ihre weitgehend überzeugenden Innenverteidiger dieses simple Mittel, das dafür komplexere Angriffsentwicklungen verhinderte, weitgehend kontrollierten – nur phasenweise gab es mal kleinere Lücken in den Rückzugsbewegungen.

Defensivbedachte Paderborner harmlos

Wenngleich sie in der Defensive solide agierten und damit an einige ordentliche Auftritte gegen den Ball – wie zuletzt in Köln oder zum Hinrundenabschluss in Stuttgart – anknüpfen konnten, war das, was Paderborn demgegenüber in der Offensive anbot, eine ziemliche Enttäuschung. Alles in allem waren bis auf absolute Standardbewegungen kaum Mechanismen in der 4-2-3-1-haften Grundausrichtung zu sehen und auch die gewissen Ballbesitzambitionen sowie das häufig praktizierte Zurückfallen Zieglers in eine raumgreifende Aufbaudreierkette inexistent. Schon sehr frühzeitig und gezielt griffen die Paderborner zu wenig konstruktiven langen Bällen.

Diese richteten sie zwar durchaus konsequent in die hohen äußeren Halbräume aus und ließen den dortigen Flügelspieler durch eine ausweichende Bewegung von entweder Kachunga oder Vrancic unterstützen. Ansonsten gab es aber wenig Unterstützung oder Aufrücken aus den tieferen Gebieten, in denen man sich lieber absichernd verhielt. Über halbrechts gab es einige kleinere Ansätze, bei denen beispielsweise mal Bakalorz mit vorschieb und die Mannschaft dann Dribblingversuche und raumöffnende Aktionen zeigte, während am anderen Flügel einige ausweichende Läufe Kachungas zu verbuchen waren. Das brachte aber praktisch kaum etwas ein und konnte die kleineren Inkonsequenzen in der weitgehend soliden Pressingarbeit der Niedersachsen praktisch nie aufdecken. Noch viel mehr aus Paderborner als aus Hannoveraner Sicht war es also nicht überraschend, dass es mit einem chancenarmen 0:0 in die Kabinen ging.

Verschiedene Phasen und Konstellationen in Halbzeit zwei

Es folgte eine deutlich ereignisreichere und vielschichtigere zweite Halbzeit. Zunächst fanden die Hannoveraner ihren Fokus wieder und versuchten es stärker spielerisch mit jenen kombinativen Ansätzen, die zu Beginn der ersten Halbzeit zu sehen gewesen waren. Dazu kam eine Umstellung mit der Einwechslung von Sobiech, was eine enge 4-1-3-2-hafte Formation mit Stindl zentral und Briand sowie Kiyotake in den Halbpositionen zur Folge hatte. Aus der Sturmspitze ließ sich nun Joselu wieder etwas häufiger zurückfallen, während Kiyotake gerne nach links herausging und aus dem Raum neben den Paderborner Stürmern die Angriffe ankurbelte. Gerade über den linken Halbraum zeigten die Hausherren in den ersten 15 Minuten einige ansehnliche Szenen, die fast bis zum Tor durchgekommen wären. Stark war dabei vor allem, wie sie das Paderborner Herausrücken bespielten: Mehrfach gab es lockende Rückfallbewegungen einzelner Akteure, die kurz einen Sechser herauszogen, wieder ablegten und sich dann in das unmittelbar folgende Bespielen des entstandenen Loches einbanden. So überwanden sie diese mittlere Linie der Gäste und konnten auf die Abwehr zulaufen, wo sie zwar etwas unkoordinierte Bewegungsmuster hatten, in manchen Szenen aber wirklich auch einfach am Pech scheiterten, dass die Angriffe nicht durchkamen. Über halbrechts gab es zudem auch längere Bälle in den Halbraum auf die Stürmer als Zielspieler, was aber seltener genutzt sowie besser und balancierter in die Gesamtstrategie eingebunden wurde.

h96-scp-2015-2hz

Die Grundformationen für die letzten zwanzig Minuten nach Paderborns Umstellung auf 4-4-2 (Hannover seit der Pause im 4-1-3-2 mit Rauten-Ansätzen)

Eine Folge dieser Umstellung der Hausherren bestand allerdings auch darin, dass Paderborn etwas mehr Offensivpräsenz erhielt und dadurch für situative Entlastung zu sorgen vermochte. Gegen die engere Mittelfeldausrichtung der Niedersachsen konnten sie nach Verlagerungen auf Heinloth einige Male aufrücken. Auf diesen Flügel wich auch Kachunga vermehrt aus und bot sich einige Male für direkte Pässe an der Außenbahn entlang an, wenngleich daraus praktisch keine Torchancen erwuchsen. Als sich Hannover ab der 60. Minute allerdings wieder in Sachen Rhythmus und Entscheidungsfindung verschlechterte, entsprechend häufiger fahrig wurde, kamen für die Gäste auch mal gelegentliche Konterchancen auf. Hier zeigten sie nun bessere Methoden, ließen Kachunga ebenfalls häufig nach rechts ausweichen und suchten mit nachrückenden Bewegungen des Zehners oder der Außenstürmer zunehmend die Halbräume neben Schmiedebach. Eine Riesenchance entstand aus diesem Umschalten – doch Koc vergab sie. Stattdessen markierte Marcelo kurz danach (dazwischen lag noch Kiyotakes verrückter Gegenkonter) nach einer Standardsituation in einer Phase, als Hannover wieder leicht abzubauen begann, aber immer noch recht gut spielte, die Führung für die Hausherren und schien die Weichen auf Sieg zu stellen.

Das wenig kreative 4-4-2 von Paderborn – durch die Einwechslung von Lakic für Ziegler – brachte allerdings den schnellen Ausgleich nach einer simplen Flanke in die vordere Präsenz. Nach guter einleitender Arbeit von Vrancic wurde hier die schwächer gewordene Flügelpräsenz Hannovers bestraft – ein gewisses Risiko gegen die sich darauf fokussierende Spielweise Paderborns. Zehn Minuten vor dem Ende war es dann einer der berüchtigten – durch die auch vertikal abgenommene Kompaktheit bei Hannover mit verursachten – Freistöße Alban Mehas, die den Gästen sogar den Sieg bescherten. Abgesehen von der Konterchance waren es aber die einzigen beiden guten Szenen Paderborns, die auch nicht immer zwangsläufig so zu klaren Toren führen – von daher auch wirklich unglücklich für 96. Nach diesem Nackenschlag fanden sie aber nicht mehr in ihren Stil hinein. Bei Verlagerungen auf die breiten Außenverteidiger fehlte ihnen oft die konstante Verbindungsgabe zu den sich im offensiven Zentrum ballenden, aber schwierig zu bedienenden Kollegen – eine etwas ungewöhnliche Situation. Paderborn machte es geschickt, die Außenspieler beide sehr eng spielen und bei solchen Seitenwechseln nur die Mittelfeldlinie nach außen rücken zu lassen, was die Verbindungswege für Hannover nur so weit blockierte wie nötig, ansonsten aber das Zentrum hielt. Als diese dann irgendwann zu bolzen anfingen, war die Partie dann nur noch schwierig zu kippen.

Fazit

Hannovers Leistung wurde insgesamt sehr kritisch und als spielerisch schwach bewertet, hatte in dieser Hinsicht aber doch viele gute Momente. Wie schon in der letzten Rückrunde angedeutet, entwickeln sie zunehmend Ballbesitzambitionen – und wie schon zu Beginn der diesjährigen Saison angedeutet, haben sie in ihrer soliden Grundausrichtung einige spielerisch ansehnliche Szenen. Diesmal fanden sie eher höher statt als im zweiten Drittel und liefen weniger über unterstützendes Zurückfallen Joselus als über Zusammenspiel in den hohen Achter- und Zehnerräumen. Doch kamen die guten Momente zu situativ, hätten noch durchgehender forciert werden müssen. Hannover war in dieser Hinsicht auch nicht wirklich konsequent genug, sondern in ihren übergreifenden, gesamtmannschaftlichen Mechanismen etwas zu normal und gewöhnlich, um mehr Kapital daraus schlagen zu können. Dabei scheint die zuverlässige Bedienung aus dem Ballbesitz nicht unbedingt weniger problematisch zu sein als das Ausspielen der Ansätze. Wirklich gut war es im Gesamtbild nur bei konstanterer Einbindung von Schmiedebach und seinen Pässen auf halbrechts sowie nach der Pause insbesondere durch die Rolle von Kiyotake im linken Halbraum. Die vielen schönen Szenen verbieten es, sie nicht zu loben. Für Paderborn gibt es trotz des Sieges eigentlich nicht allzu viele neue Positivmeldungen abzugeben. Momentan können sie fast nur über eine solide Defensive mit einigen kleineren starken Elementen performen – immerhin forcieren sie dies gut. Weil die Offensive enttäuscht, sind daneben die vielen Optionen für Umstellungen eine ihrer wichtigsten Waffen, was sich diesmal – wenngleich etwas unglücklich und nicht besonders kreativ – auszahlte. Mit solch einer Leistung im Angriffsspiel aber zwei Tore zu erzielen, kann normalerweise nicht mehr so oft vorkommen.

DonRolando 16. Februar 2015 um 08:55

Wieder sehr schöne und treffende Analyse, aber was hilft 96 wirklich weiter. Kann es langsam nämlich nicht mehr hören, schön gespielt, aber verloren

Antworten

mk 15. Februar 2015 um 22:49

Die Kiyotake-Szene war total abgedreht. Da packt er auf einmal sowas aus… Ansonsten: sehr gute Analyse, überraschend wohlwollendes Fazit, aber inhaltlich schon treffend aus meiner Sicht (dachte eigentlich ich hätte 96 zu positiv gesehen).

Antworten

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*