Real Madrid – Getafe C.F. 4:2
Nach einer abermals überzeugenden und für das Publikum unterhaltsamen Leistung kann sich Real Madrid nach dem Erfolg im Stadtduell weiterhin Tabellenführer nennen und von Erzrivale Barcelona absetzen.
Der Gast aus Getafe agierte in einem weitgehend klassischen 4-1-4-1/4-3-3-System, während die „Königlichen“ unverändert im Vergleich zum Kantersieg bei Zaragoza aufliefen.
Letztlich war es offensiv auch eine ähnlich fluide Vorstellung wie in jenem Spiel – allerdings ließ man es zwischenzeitlich etwas schleifen und konnte dennoch 26 starke Abschlüsse verbuchen, wichtig festzuhalten aber, dass es einige Abweichungen vom Grundkonzept gab.
Ronaldos Freiheiten und di Marías Rolle
Schlüsselspieler im Geheimen war, wieder einmal, die alleinige Sturmspitze Karim Benzema. Unermüdlich rochierte er auf die Außen, um sich anzubieten, Gegner aus der Position, Räume für seine Kollegen zum Hineinstoßen und Kombinieren zu schaffen oder die von jenen hinterlassenen Löcher zu stopfen (wofür er immerhin mit einem Doppelpack belohnt wurde bzw. sich selbst belohnte).
Letzterer Aspekt bezieht sich im Besonderen auf den Superstar und Schlüsselspieler im Öffentlichen (möglicherweise war dies heute ebenfalls Benzema), Cristiano Ronaldo. Bevorzugt zieht er von seiner nominellen linken Seite ins Zentrum, doch auch diesmal hatte er wieder einen enormen Bewegungsradius und durfte sich überall herumtreiben. So gab es ab und an mal Wechselspielchen mit Benzema, um von den Gegenspielern – gelegentlich switchte Getafe aus einem 4-1-4-1 auf ein asymmetrisches 5-4-1 zur verstärkten Doppelung des Portugiesen – wegzukommen oder im Zentrum Pässe, flache sowie hohe Flanken abnehmen zu können.
Der meistens diese Bälle spielende Angel di María war es aber, zu dem Ronaldo die interessanteste Verbindung hatte. Grundsätzlich sollte dieser anstelle des defensiver ausgerichteten Ramos für Breite im Spiel sorgen, doch wenn Ronaldo mal auf die nicht ganz so stark bewachte rechte Seite kam, ging er entweder auf die andere Flanke, ließ sich in den Rückraum fallen oder blieb auf der Seite: So konnte Ronaldo entweder halbrechts Platz und dann den Ball bekommen oder die Gegner auf sich ziehen und anderswo Räume für die Kollegen öffnen.
Die Balance-Funktion der zentralen Mittelfeldspieler und die Auswirkungen auf die Spielweise der Außenverteidiger
Dies sorgte aber nicht nur für Gefahr und Torchancen, sondern auch für eine veränderte Rollenverteilung des neuen Mittelfeldpärchens. Anders als in Zaragoza spielte Xabi Alonso nun wieder deutlich horizontaler, aber auch höher als Coentrao. Dies hing mit dem diesmal tiefer stehenden Ramos sowie dem hoch und breit postierten di María und den gelegentlichen Ausflügen Ronaldos auf jene Seite zusammen – so musste Alonso höher stehen, um keine Lücken auf rechts entstehen zu lassen.
Coentrao beschränkte sich damit besonders auf vertikale Vorstöße auf der linken Seite. Das dynamische Vorstoßen aus der Tiefe direkt in den Strafraum, verbunden mit der starken taktischen Arbeit Benzemas sowie dem gelegentlichen Driften Ronaldos und den Pässen des diesmal als tiefer stehender und eher klassischer Vorbereiter spielenden Özil, hebelten die gegnerische Defensive ein ums andere Mal auf – auf diese Art und Weise tauchte der Nationalspieler Portugals mehr als fünfmal alleine vor dem Torwart auf, traf aber nie.
In seiner vertikalen Spielanlage blieb er aber auch häufig hinten und sicherte für den sehr angriffslustigen Marcelo ab, der sein Kombinationsspiel mit Özil aufziehen konnte, oder eben andersherum oder beide gingen mit nach vorne, wobei sie schon sehr gut harmonierten und profitierend von der gesamten Spielanlage auch hier Özil und bisweilen Benzema mit einbezogen, was dann häufig in jenen Chancen Coentraos mündete.
Wie das Konzept zum Sieg führte
Der Schlüssel zum Sieg lag darin, dass man das eigene System gegen einen formal ähnlich, aber individuell und mannschaftstaktisch das Spiel besser ausführenden Gegner leicht, aber entscheidend anpasste. So sollte die größere Fokussierung Özils auf die Aufgaben des klassischen Spielmachers für mehr entscheidende Pässe sorgen.
Benzema öffnete immer wieder Räume, die dann ausgenutzt werden konnten – die Rochaden von Marcelo und Coentrao sowie dessen Vorstöße waren auch wegen Benzemas Raumschaffen und in Kombination mit Özils Pässen schwer zu verteidigen. Ebenfalls profitierte man von Ronaldos Präsenz, die Gegner auf sich zog und für noch mehr Raum sorgte. Wenn jener auf rechts ging, verlagerte sich der Fokus der gegnerischen Defensive dorthin, was sie genau dort aufbrach, wo Coentrao und Co. zuschlugen. Ronaldo selbst konnte so immer wieder frei und zum Abschluss kommen oder wurde in typischer Mittelstürmer-Manier bedient, da er sich dank seiner Klasse und seines Körpers behaupten konnte – und ansonsten nutzte dann Benzema das Chaos und die Unordnung, ein Doppelpack nach schönen Spielzügen.
Fazit
Offensiv war man stark, defensiv ließ man lange nichts zu, erst in der Schlussphase das Spiel etwas schleifen. Dies kann auch Mitte der ersten Halbzeit passiert sein, als man nach der Führung etwas zu verhalten war – so jedenfalls der Eindruck, denn vielleicht sollte man besser sagen, dass man es mit der Fluidität etwas übertrieb und damit im Spielaufbau die Strukturen auflöste und sich ein wenig selbst isolierte.
Der Ausgleich kurz vor der Halbzeit war dann ein Weckruf, wobei man – trotz erneut sehr starken, aber auch sehr riskanten Pressings – defensiv ein wenig anfällig war: Konter, bewegliche Stürmer und situatives Fehlschlagen des Pressings machen dem Team noch zu schaffen (wobei man aufgrund der eigenen Klasse häufig nur Gefahr, aber nicht so viele konkrete Chancen zulässt) – wenn man dies noch verbessert, könnte „El Real“ dieses Jahr die ganz große Nummer werden.
1 Kommentar Alle anzeigen
HW 12. September 2011 um 13:13
„…und konnte dennoch 26 starke Abschlüsse verbuchen…“
Mir ist schon in den Statistiken des letzten Ligaspiels aufgefallen, dass Ronaldo sehr oft aufs Tor schießt (etwa 15 mal, soweit ich mich erinnere). Er schoss zwar auch viele Tor in dem Spiel. Trotzdem frage ich mich, ob diese eigensinnige Art bei bestimmten Gegnern nicht zum Problem werden kann.
26 Torschüsse und „nur“ 4 Tore ist nicht unbedingt die beste Bilanz. Real sollte etwas mehr an der Qualität oder dem Nutzen der Chancen arbeiten.
Komisch sowas bei einem Team zu schreiben, das regelmäßig die Gegner aus dem Stadion ballert.