Real Zaragoza – Real Madrid 0:6
Der Saisonauftakt ist für Real Madrid vollends gelungen: Das herausragende 6:0 bei Real Zaragoza war eine erste Kampfansage im Titelrennen mit Barcelona.
Viele hatten sich vorher gefragt, wie José Mourinho seine Mannschaft aufstellen und ausrichten würde, letztlich gab es vor allem personell recht wenige Neuerungen: Vor Iker Casillas spielte die Stamm-Viererkette der letzten Saison mit Pepé und Carvalho in der Innenverteidigung sowie Ramos und Marcelo auf außen – Letzterer agierte erneut sehr offensiv, doch auch Ramos durfte diesmal seinen Vorwärtsdrang mehr ausleben als zuletzt.
Im Mittelfeld war Mourinho aufgrund der verletzungsbedingten Ausfälle von Neuzugang Sahin und Nationalspieler Khedira zu Änderungen gezwungen: Xabi Alonso spielte halbrechts, mit dem neuverpflichteten Coentrão als sein Partner halblinks. Dieser spielte überraschend recht horizontal, während Alonso weitestgehend auf halbrechts beschränkt blieb.
In der Offensive gab es keine großen Überraschungen: Neben di María, Özil und Ronaldo bekam Benzema das Vertrauen und zahlte dies zurück – er fügte sich sehr gut in die fluide und bewegliche Offensive ein.
Gegen das in einem leicht modifizierten und asymmetrischen 4-1-4-1 spielende Zaragoza, mit Hoffenheim-Leihgabe Zuculini in der Startformation, war diese fluide und variable Offensive einer der Hauptgründe für das Schützenfest der Madrilenen.
Offensive und Fluidität – die Wörter zum Spiel
In einer schematisch hohen und offensiven Ausrichtung flutete man in Person der vier Offensivakteure das Zentrum, wo man somit den einzigen Sechser Zaragozas mit Leichtigkeit überladen konnte. Die vordere Vierrerreihe der Gastgeber ließ sich viel zu leicht überspielen, so dass man bei weitem nicht fähig war zu verhindern, dass Reals Künstler sich austoben konnten.
Versuchte Ronaldo zu Beginn noch, den Ball selbst auf außen anzunehmen und mit Ball in die Mitte zu ziehen, so band er sich schon nach kurzer Zeit mehr und mehr in die Fluidität ein und kam lieber ohne Ball ins Zentrum.
Damit konnte er nicht nur der Doppelung durch Juárez und Barrera entgehen, es machte das Spiel seiner Mannschaft auch in zwei Hinsichten flüssiger – zum einen gewannen die Rochaden und Bewegungen in der Offensive nun noch einen weiteren Protagonisten hinzu und waren somit noch schwerer zu verteidigen, zum anderen führte das Wegfallen der Doppelung Ronaldos dazu, dass das Spiel nicht mehr so leicht ins Stocken geriet und durch das vermehrte Einreihen Barreras in die zweite Viererkette die Systemschwäche Zaragozas besser genutzt werden konnte.
Doch nicht nur Hattrick-Schütze Ronaldo zeigte eine vorzügliche Leistung – der extrem hart arbeitende Benzema rochierte immer wieder auf die Außen, um Lücken für seine Offensivkollegen zu erzeugen und von jenen frei gelassene Räume zu füllen oder auf einen Lochpass zu warten. Özil begab sich ebenfalls auf außen, um Räume zu schaffen, doch aufgrund der Fluidität konnte er überall auftauchen und sein Kombinationstalent ebenfalls hervorragend unter Beweis stellen.
Während Sergio Ramos auf der rechten Seite bei seinen zahlreichen Vorstößen für Breite und auch – wie beim zweiten Treffer, dem Paradebeispiel für die fluiden Spielzüge – eine Anspielstation sorgte, war der ebenfalls extrem offensiv eingestellte Marcelo stark ins Kombinationsspiel eingebunden, was es ihm erlaubte, auch seinen bevorzugten Laufwegen zur Mitte hin nachzugehen, wo er von der exzellenten taktischen Arbeit Benzemas, Özils und natürlich auch di Marías profitierte, der Argentinier bildete zunächst ein Gegengewicht zu Ronaldo und stopfte außerdem immer wieder die Lücken, die andere freiließen.
Asymmetrie – die Unscheinbare
So ging auch er gelegentlich auf links, um hier für Breite zu sorgen, doch oft wurde ihm diese Aufgabe auch vom halblinken zentralen Mittelfeldspieler Coentrão abgenommen. Als gelernter offensiver Linksverteidiger konnte er somit auf dieser Seite mithelfen, indem durch seinen Linksdrang auch ein paar Mal die Breite halten konnte, aber besonders, zusammen mit Ronaldo und den dazu passenden Bewegungen von Benzema und Özil, das Spielgeschehen analog zur Asymmetrie der Formation auf diese Seite verlagern konnte.
Man erkennt bei der Schussgrafik (auf erste Halbzeit klicken), dass die Abschlüsse innerhalb des Strafraums, welche durch Kombinationen entstanden, eher von der linken Seite kamen, was die Dominanz dieses Bereichs unterstreicht. Interessant zu sehen sind die zahlreichen Distanzschüsse aus halbrechts: Das lag zum einen an der asymmetrischen und linkslastigen Mittelfeld-Ausrichtung Reals, welche dort im halbrechten Mittelfeld ein Vakuum hinterließ, in der sich der etwas defensivere Flügel Angel di María fallen lassen konnte, um im Mittelfeld im Spielaufbau zu helfen oder zu kreieren.
Zum anderen spiegelt sich in dieser Darstellung auch die asymmetrische Formation der gegnerischen Mannschaft wieder. Der linke Mittelfeldspieler Lafita agierte deutlich offensiver und versuchte, Uche zu unterstützen. So gesehen spielte er gelegentlich fast schon einen Linksaußen. Dies schwächte die halblinke Defensivseite Zaragozas und zwang Abraham, weiter hinüberzuschieben, was für Ronaldo und Co. noch mehr Räume ließ. Abraham musste einfach zu viel Raum abdecken, was da Silva allein (eine frühe gelbe Karte sowie die vielen begangenen Fouls von Lafita und da Silva belegen dies) und damit Real zu jenen Schussmöglichkeiten kommen ließ.
Zaragoza hatte ohnehin dem fluiden und phasenweise sogar entzückend anzuschauendem Offensivspektakel der Königlichen nichts entgegen zu setzen – ironischerweise waren die vielen taktischen Fouls gerade in der ersten Halbzeit die einzige wirklich gut funktionierende Defensivstrategie.
Mit der Zeit ließ sich der Sechser tiefer fallen, doch das machte alles nur noch schlimmer und ließ das Debakel immer realer werden: Es gab noch weniger Anbindung zwischen Defensive und Offensive und die Mannschaft zerfiel in eben jene beiden Teile, was in einer noch instabileren Defensive sowie erschwertem Spielaufbau und folglich noch mehr Ballverlusten mündete.
Der Faktor Pressing und der Faktor Uche
Denn Real hatte schon vorher sehr starkes Pressing geboten – man attackierte Zaragoza sehr weit vorne und sehr aggressiv, so dass diese keine Zeit zum Passspiel hatten. Wie ein Schwarm ging die in schwarzen Jerseys gehüllte Madrider Bestie auf Zaragozas Defensivspieler los und erzwang viele, viele Ballverluste, die man in Konter umwandeln und zum Offensivfeuerwerk hinzufügen konnte – das 0:1 durch Ronaldo gilt hier als bestes Beispiel, aber nur, weil man ähnliche Großchancen verstreichen ließ.
Zwar war dies eine sehr riskante Strategie von Mourinho, weil man besonders im Mittelfeld einige Räume offen ließen, doch diese konnten von Zaragoza nicht genutzt werden – zu gefesselt und zu durchgeschüttelt waren sie.
Dafür, dass jene dennoch zu einigen Gelegenheiten kam, gab es neben dem Risiko bei Reals Pressing vor allem noch einen weiteren Faktor namens Uche: Der bullige Mittelstürmer ließ sich nach hinten oder außen fallen, um für ein wenig Spielfluss zu sorgen, und konnte einige Male Carvalho aus dessen Position ziehen und Räume öffnen – schaut man sich die Schüsse Zaragozas an, erkennt man, dass ihre Chancen in halbrechter Position entstanden, dort wo Carvalho gelegentliche Lücken hinterließ (in der zweiten Halbzeit wechselte Uche oft die Seite mit Latifa, welcher dann gegen Carvalho ähnliches bewirken sollte).
Ebenfalls sollte hier erwähnt werden, dass die Offensivspieler Reals gewisse Defensivfreiheiten bekamen, nachdem ihre erste Linie überspielt worden war – meistens eilte dann nur di María und manchmal Özil nach hinten, während der Rest vorne blieb, um auf Konter zu warten, was auch wunderbar funktionierte – besonders in der zweiten Halbzeit hätte man noch etliche Tore mehr erzielen können, doch beste Chancen wurden vertan und so fiel „nur“ ein Tor aus einer solchen Situation. Man konnte jedenfalls beim 4:0 perfekt sehen, wie zwischen fünf vorderen und fünf defensiven Spielern beim Gastgeber eine große Lücke klaffte. Im jenem zweiten Durchgang kam Real Madrid aber auch gelegen, dass Zaragoza offensiv wechselte, auf ein 4-4-2 umstellte und damit seine Probleme in der Zentrale erneut etwas schlimmer machte.
Spätestens nach dem sehenswerten Fernschuss von Xabi Alonso Mitte der zweiten Halbzeit war die Partie gelaufen und mutierte zum Trainingsspiel: Nach dem vierten Treffer bot man den Zuschauern noch weitere schön vorgetragene Angriffe und Beispiele der fluiden Angriffsstärke.
Das Mittelfeldpärchen Alonso-Coentrão
Es ist noch ein junges Gespann im zentralen Mittelfeld bei Real Madrid – bisher gab es erst zwei Kurz-Auftritte, im Hin- und Rückspiel der Supercopa – aber ein sehr vielversprechendes und im ersten Härtetest sehr erfolgreiches. Über die wichtige Rolle des portugiesischen Neuzugangs, der erwähnten Unterstützung auf der linken Seite, wurde bereits gesprochen.
Auffällig ist, dass Coentrão recht horizontal spielte und auch auf der rechten Seite zu finden war. Xabi hingegen spielte primär auf der halbrechten Seite, doch rückte in solchen Situationen nicht nur ins Zentrum, sondern noch weiter nach links. Diese Wechsel sind auch in den Heatmaps der beiden zu finden und hatten einen bestimmten Grund – es war nicht unbedingt spielentscheidend, doch ein wichtiger Aspekt, der die Rochaden und Fluidität in der Offensive so kontinuierlich wie möglich am Laufen halten sollte.
Wenn di María mit einem der drei anderen Offensivspieler rochierte und nach links ging, verbreiterte sich die Formation, so dass die Hilfe Coentrãos zum einen auf der linken Seite nicht mehr gebraucht wurde, zum anderen auf der rechten Seite bei Real der Link-Spieler di María nicht nur ein wenig, sondern, was die Distanz angeht, sehr weit rochiert war, womit Coentrão nun diese Aufgabe zufiel, während Alonso von halblinks absicherte, den Rhythmus hielt bzw. bei einem gestoppten Angriff wieder aufbaute.
Interessant war dieser Aspekt allemal, obgleich man aufgrund der generellen Rollenverteilung im Mittelfeld nicht bei jeder Situation genau sagen konnte, ob nun jene oder die Rochaden der Auslöser für die Umpositionierung waren – die Grenzen waren hier fließend, ein schönes Schlusswort aufgrund dieses Adjektivs.
Fazit
Wenn eine Mannschaft mit einem derartigen Ergebnis gewinnt, muss natürlich immer auch gesagt sein, dass sie einfach die bessere, stärkere und überlegene Mannschaft war und der Unterschied in der Klasse auch einen großen Faktor darstellt – besonders, wenn es um eine Mannschaft wie Real Madrid geht.
Beeindruckend war, wie sich die fluide Offensive koordinierte und wie sie aufeinander abgestimmt war. Es gelang Mourinho, seine geballte individuelle Offensivmacht in ein funktionierendes Kollektiv umzusetzen und in Form von 6 Toren und sagenhaften 39 Schüssen auf dem Feld auszudrücken – einmal mehr auch der Beweis, dass José Mourinho beileibe nicht der Defensiv-Trainer ist, zu dem er gemacht wird.
Oder wenn man es anders sagen möchte: Einmal mehr der Beweis, dass auch Defensiv-Trainer eine derartige Offensive mit seinem Team trainieren kann – so wie es dieses Wochenende auch Roberto Mancini mit Manchester City zu zeigen vermochte.
Es lässt sich also konstatieren, dass auf der einen Seite noch ziemlich viel Arbeit auf das enttäuschende Zaragoza wartet, während auf der anderen Seite Mourinho gestärkt und optimistisch sein kann, denn das bisher Gezeigte – man erinnere sich auch an die starken Leistungen gegen Barcelona in der Supercopa – war aller Ehren wert und lässt auch einiges erwarten.
1 Kommentar Alle anzeigen
RonnieBarca 1. September 2011 um 00:37
Mourinho ist DER Defensivtrainer, wenns gegen bessere Mannschaften geht…
RZ ist beileibe kein Gegner, zudem musste er was gutmachen bei den RM Fans…ich glaub, die haben die Schnauze auch gestrichen voll von seinen AntiFussball Verhaltensweisen…
ICh halts nach wie vor mit Pique: Mourinho ist schlecht für den spanischen Fussball, und ergänze: Der ist generell schlecht für den Fussball…so ein A brauchts einfach nicht…
Analyse wie immer top…
Cheerio