Carlo Ancelotti – Stoischer Maestro
Gefühlsregungen sind nicht sein Markenzeichen. Selbst die hochgezogene Augenbraue scheint mehr in das Poker Face eingemeißelt zu sein, als dass sie wirklich Auskunft über seinen Gemütszustand gibt. Der oft etwas spröde wirkende 54-Jährige aus der Emilia-Romagna zeichnet keinen besonderen Trainertypus aus. Er ist weder ein großer Redner, noch ein Philosoph im modernen Fußball oder der Charismatiker, der das Blitzlichtgewitter in seine Richtung zieht.
Dafür ist Carlo Ancelotti einer der erfolgreichsten Trainer seiner Zeit. Er war als Spieler nicht nur zweifacher Europapokalgewinner der Landesmeister und Weltpokalsieger, an der Seitenlinie dirigierte er AC Milan dreimal in ein Champions-League-Finale und führte nun die Blancos von Real Madrid in das Endspiel der Königsklasse.
Lange Zeit galt Ancelotti als klassischer Trainer, der vor allem ein Augenmerk auf die hohe individuelle Qualität legt. Doch der Sacchi-Schüler kann noch viel mehr.
Karriere auf dem Feld – Schüler von Arrigo Sacchi
Insbesondere Ancelottis Leistungen als Spieler sind heutzutage fast vergessen. Dabei finden sich in seiner Karriere einige Hinweise auf die Spielweise seiner Mannschaften. Ancelotti war in der großen Mailänder Mannschaft der späten 80er unter Arrigo Sacchi, welche als letztes Team den Meisterpokaltitel (jetzt Champions League) verteidigen konnte (1989) und auch später eine gesamte Ligasaison in der hochqualitativen Serie A in der Saison 1991/92 ohne Niederlage blieb. Bis heute wird dieses Milan unter Arrigo Sacchi immer wieder als eine der besten Mannschaften aller Zeiten bezeichnet. Dies liegt nicht nur an ihren Erfolgen, sondern auch an ihrer Spielweise.
In den 80ern lag der Fußball taktisch in gewisser Weise am Boden; die Manndeckung und der Libero hatten sich flächendeckend durchgesetzt, in vielen Ligen kam noch ein enormer Defensivfokus hinzu. Arrigo Sacchi hingegen verband „alte“ Aspekte wie die Viererkette, die Raumdeckung und das Pressing mit der Athletik des modernen Fußballs und einer starken Ballorientierung im Verschieben, was im Gesamtpaket oftmals als „Raumverknappung“ bezeichnet wird. Diese hohe Intensität und Kompaktheit, die daraus entstand, machte den AC Mailand zur spielerisch und taktisch stärksten Mannschaft Europas zu jener Zeit und zu einer Blaupause für den modernen Fußball.
In diesem System spielte Ancelotti lange Zeit eine Schlüsselrolle. Mit Frank Rijkaard, aber auch anderen Partnern auf der Doppelsechs im 4-4-1-1, kümmerte er sich defensiv um die Balleroberung und das Absichern des Pressings vorne und offensiv um das Einleiten von Angriffen und die Ballzirkulation. Häufig wird nämlich bei der Spielweise des AC Mailand und dem Fokus auf ihre defensiven Errungenschaften ihr hervorragendes Ballbesitzspiel vergessen, an welchem Ancelotti maßgeblich beteiligt war.
Allrounder und Mittelfeldstratege
Ebenso wie Rijkaard war Ancelotti die ideale Besetzung einer überaus komplexen Position. Beide waren offensiv und defensiv sehr gut, konnten sich im direkten Zweikampf die Bälle holen, versperrten Passwege gut, hatten eine tolle Technik und waren sehr aktiv im Vorwärtsgang, wo sie mit viel Laufarbeit und intelligentem Freilaufen die Mitte besetzen konnten. Rijkaard war hierbei der körperlich (noch) stärkere Akteur, der über seine Physis extrem viel abräumen konnte. Ancelotti hingegen war eher der Spielbestimmer und der primäre Ballverteiler im Aufbauspiel.
Ursache dafür war nicht unbedingt eine mögliche Überlegenheit gegenüber Rijkaard, sondern schlicht die leicht unterschiedliche Verteilung ihrer Stärken. Ancelotti war herausragend im Anvisieren der richtigen Räume in seinem Passspiel, konnte sehr empathische und intelligente lange Bälle spielen, welche auch die Dynamik der gegnerischen Bewegung und seiner Mitspieler berücksichtigten. Dies ermöglichte ihm seine sehr gute Ball- und Passtechnik; auch unter Druck konnte er den Ball behaupten, legte sich den Ball bei der Ballannahme sofort in den freien Raum weg vom Gegner und spielte dann den aus dieser Position bestmöglichen Pass.
„Zu Anfang hatte er Probleme. Berlusconi meinte, dass wir einen Orchesterdirigenten hätten, der keine Noten lesen könne. Ich erklärte ihm, dass ich ihm schon beibringen würde, im Takt mit unserem Orchester zu singen. Ich ließ ihn jeden Tag eine Stunde vor dem Training mit ein paar Jungs aus der Jugendmannschaft antreten, und wir gingen alles durch. Am Ende sang er perfekt im Takt mit.“ (Sacchi über Ancelotti)
Obwohl er nicht der dynamischste war – wie zum Beispiel Rijkaard –, konnte er sich durch seine intelligente Ballverarbeitung, seine Spielintelligenz, sein antizipatives Freilaufen und seine starken Fähigkeiten in der Drehung mit Ball am Fuß oftmals aus engen Drucksituationen befreien. Nach diesen Befreiungen war er im Stande strategisch geschickte Optionen zu wählen: Er wechselte stabilisierende Rückpässe auf die Innenverteidiger, Kurzpässe auf ballnahe Spieler, horizontale Seitenverlagerungen auf die Außenverteidiger mit Schnittstellenpässe ins letzte Drittel, langen Diagonalbällen auf die Flügelstürmer oder auch Distanzschüssen von ihm selbst ab. Dadurch konnte er zwischen Raumgewinn mit sicheren Pässen oder versuchten Angriffsabschlüssen durch tödliche Zuspiele variieren, was ihn als Sechser sowohl für eine Konter- als auch eine Ballbesitzmannschaft prädestinierte. Letzteres lag ihm dank seiner intelligenten Suche nach offenen Räumen im Spielaufbau allerdings mehr. Dadurch und insgesamt mit seinem Fähigkeitenprofil ähnelte er sogar in gewisser Weise einem Spieler, welcher unter ihm aktuell zum Schlüsselspieler bei Real Madrid geworden ist.
Der Modrić der 80er
Noch in der vergangenen Saison galt der kroatische Spielmacher Luka Modrić als Flop und Fehleinkauf. Unter Carlo Ancelotti nimmt er nunmehr eine Schlüsselrolle ein und ist für viele der beste zentrale Mittelfeldspieler der Welt in dieser Spielzeit. Interessant ist hierbei, dass sich Modrić und Ancelotti in vielen Aspekten ähneln. Dies betrifft einerseits ihre strategische Entscheidungsfindung, wo sie häufig ähnliche Lösungswege in schwierigen Situationen wählen. Viel stärker zeigt es sich aber in ihren Aktionsradien.
Im ersten Drittel ließ sich Ancelotti beispielsweise gerne nahe zwischen die beiden Innenverteidiger zurückfallen, drehte dabei sein Gesicht und somit sein Sichtfeld dem größeren Teil des Feldes horizontal zu und konnte dadurch Bälle direkt in der Drehung verarbeiten und auch die heranrauschenden Gegner beobachten. Ballverluste – selten. Auch kommen beide tief und holen sich die Bälle vor den Innenverteidigern ab, aber kippen selten zwischen diese und spielen eigentlich nie als situativer Libero, wie es zum Beispiel Bastian Schweinsteiger gerne macht.
Bei den Bewegungen im zweiten Spielfelddrittel ist es ähnlich. Ancelotti und Modrić gehen beide gerne in den defensiven Halbraum und in eine intelligente, ambivalente Position. Sie können dann mit den Außenverteidigern kombinieren, diese bei aufrückenden Bewegungen absichern oder sich schnell in die Spielfeldmitte drehen, um gefährliche Vertikalpässe oder lange Verlagerungen zu spielen. Des Weiteren entziehen sie sich auch hier dem Zugriff des gegnerischen Pressings und überladen lokal. Bei Ancelotti hatte dies unter Sacchi auch den Effekt, dass sich Gullit und Rijkaard zentral positionieren oder gar die Positionen tauschen konnten.
Teilweise ist die Ähnlichkeit sogar bei der Lauf- und Dribbeltechnik zu erkennen; Ancelotti nutzte gerne viel Effet im Passspiel und setzte sich im Dribbling oft mit einer Körpertäuschung nach innen und darauffolgendem Auswärtshaken durch. Beides kennt man von seinem Spieler Modrić ebenso. Natürlich gibt es aber auch kleinere Unterschiede.
Im Defensivzweikampf und dem Attackieren des Gegners definierte sich Ancelotti eher durch seine Wucht und Kraft, als über die Dynamik und Geschicklichkeit wie Modrić, wobei beide hier für spielmachende Sechser enorm stark und effektiv sind beziehungsweise waren. Der größte Unterschied ist jedoch im Dribbling zu finden. Zwar war Ancelotti ebenfalls sehr ruhig und überaus pressingresistent, dabei aber nicht so dynamisch, raumgreifend und im Stande mehr als einen oder zwei Spieler stehen zu lassen, wie es Modrić vermag. Ein undynamischer Modrić quasi, der heutzutage im modernen Gegenpressing des Gegners nach Balleroberungen nicht ganz so pressingresistent wie der Kroate wäre, aber fast schon perfekt als „80er-Version“ zu bezeichnen ist.
Es war auch das intensive und offensive 4-4-1-1/4-4-2 Sacchis, das Ancelotti bei seinen ersten beiden Cheftrainerstationen (AC Reggiana und AC Parma) ausprobierte. In Parma war er stark darauf bedacht, das System mit kollektivem Aufrücken und mannschaftstaktischen Abläufen in der Defensive weiterzuentwickeln. In dieser Zeit soll er sein 4-4-2 sehr dogmatisch verfolgt haben. Angeblich wurde auch deshalb der italienische Altmeister Roberto Baggio nicht verpflichtet.
Zwischenzeitlich schloss Ancelotti seine Ausbildung zum Trainer ab. Seine Abschlussarbeit trug den Titel „Il futuro del calcio. Piu dinamicita” („Die Zukunft des Fußballs. Mehr Dynamik“). Er legte darin seine Ansichten dar. Einige Auszüge: „Es gibt ständig ein hohes öffentliches Verlangen nach einem Produkt, das spektakulärer und aufregender ist. […] Die Öffentlichkeit möchte Unterhaltung und diese Unterhaltung kann durch schnelle Lösungen, einer variablen Offensive, mit dem finalen Ziel vor das Tor zu gelangen, geschaffen werden. In den letzten Jahren, speziell in Italien, wurde viel Zeit der Taktik des Spiels gewidmet. […] Um das Spiel effizient zu machen ist es unabdingbar, dass die Bewegungen fernab des Balls sowie das Passspiel perfekt synchronisiert sind. Dafür sind Konzepte von Raum und Zeit sehr wichtig für Taktik im Angriffsspiel. Falls zwischen der Person, die den Pass spielt, und der Person, die den Pass empfängt, keine Synchronisation herrscht, schlägt das Konzept der Dynamik fehl. […] Ich glaube, dass die zukünftige Entwicklung des Spiel von der Verbesserung offensiverer Lösungen abhängt, wobei mehr Zeit taktischer Ansätze geschenkt wird und zugleich eine Balance zwischen Defensive und Offensive vorherrschen sollte.“
Nach einer starken Vizemeisterschaft mit Parma und weiteren überzeugenden Leistungen wechselte Ancelotti zu Juventus, konnte mit den Turinern aber den Scudetto nicht gewinnen. Dafür stieg er vom 4-4-2 auf 3-4-1-2 um. Zinédine Zidane, heute sein Co-Trainer, war der freie Spieler vor einer Viererkette. Da Alessandro Del Piero oftmals nach links abkippte, bildete sich schon eine Art Vorläufer der Tannenbaumformation, mit der er später bei Milan auftrumpfte. Nachdem die Gruppenphase der Champions League 2000 nicht überstanden wurde, setzte man Ancelotti im darauffolgenden Sommer auf die Straße.
Milan-Zeit: Aller Anfang ist schwer
Am 7. November 2001 begann dann für ihn eine lange und von vielen Erfolgen geprägte Phase seiner Karriere. Er übernahm seinen früheren AC Milan von Fatih Terim und führte die Lombarden recht schnell wieder aus einer Krise heraus. Den deutschen Fans sollte zum Beispiel das Halbfinal-Duell mit Borussia Dortmund in dieser Saison in Erinnerung geblieben sein.
Anfangs stand der damals noch eher unerfahrene Trainer vor allem bei der schwierigen Milan-Führungsfigur Silvio Berlusconi in der Kritik. Allerdings brachte Ancelotti Stabilität in das Gefüge, spielte zu Beginn oft nur mit einem Stürmer, was dem exzentrischen Präsidenten „zu defensiv“ war. Interessanterweise vertraute Ancelotti dem damals vorgefundenen personellen Grundstock über viele Jahre hinweg und es wurden in den Transferperioden oft nur einzelne Ergänzungen, natürlich dann im hohen Millionen-Bereich, wie es in Italien üblich war, vorgenommen.
Führungsspieler Paolo Maldini, Mittelfeldstratege Andrea Pirlo, Abräumer Gennaro Gattuso, Abstauberkönig Pippo Inzaghi und andere gehörten bereits zum Kader. Das Grundsystem von Terim wurde übernommen. Milan spielte zu dieser Zeit in einer Raute der 4-3-1-2-Prägung. Terim ließ allerdings zuweilen noch defensiver spielen, positionierte vier gelernte Innenverteidiger in der Viererkette und eigentlich eher für die Außenverteidigung geeignete Spieler auf den Halbpositionen.
In weiten Teilen war Konterabsicherung und die kompakte Besetzung des zweiten Drittels ein Hauptaugenmerk, das Ancelotti gerade in seiner ersten Saison auch nicht änderte. Allerdings nahm der Neu-Trainer Verbesserungen in puncto Aufgabenaufteilung vor. Spielte Milan gegen einen tiefstehenden Gegner, kam beispielsweise der offensive Serginho als Linksverteidiger zum Einsatz. War man mehr auf Stabilität bedacht, sollte Kakher Kaladze die Außenbahn als zusätzlicher Manndecker verteidigen.
Insgesamt ließ sich bei Milan in der Saison 2001/02 und auch noch später ein hohes Maß an Mannorientierungen ausmachen. Dadurch entstanden zahlreiche Übergabemomente innerhalb der letzten Reihe. Vor allem wenn mehr als zwei Manndecker aufgeboten wurden, wechselte die Grundposition im Gefüge häufiger, sobald ein gegnerischer Angreifer verfolgt wurde.
Gerade bei der katastrophalen 4:0-Hinspielniederlage gegen den BVB im April 2002 konnte die Mannschaft von Matthias Sammer diese Defensivorganisation ausnutzen. Die vier vorderen Spieler, aber vor allem Marcio Amoroso und Jan Koller, pendelten ständig zwischen mehreren Positionen. Beim Verfolgen wurden Maldini und Co. in die Irre geführt, Abseitsfallen zunichte gemacht und Räume zwischen dem eigentlich kompakten Mittelfeld und der Abwehr geschaffen.
Im eigenen Spielaufbau war Ancelotti zu jener Zeit sehr orthodox und zurückhaltend eingestellt. Er vertraute vornehmlich auf die individuellen Qualitäten seiner nominellen Offensivkräfte. Die Doppelneun bestand meistens aus Inzaghi und Andrij Ševčenko. Dahinter agierten auf der klassischen Zehnerposition Rui Costa oder der aufstrebende Andrea Pirlo, dessen Fähigkeiten als tiefer agierender Aufbaudirigent erst später richtig zum Tragen kamen.
Durchbrüche gegen massierte Defensivreihen gab es weniger über strukturiertes Passspiel als vielmehr über längere Schläge in die Spitze, wo der Ball festgemacht wurde, während die Halbspieler nachrückten und die Außenverteidiger weite Wege überbrücken mussten. Im letzten Drittel wurde dann das Spielgerät entweder sofort durch eine Schnittstelle gepasst oder nach der Verlagerung auf den Flügel hinein geflankt. Außergewöhnliche Offensivstrukturen waren in diesen Tagen nicht zu erkennen. Die Rossoneri schlossen die Saison in der Serie A auf dem vierten Tabellenplatz ab.
Die Lombarden und der Feldzug durch Europa
Ob es nun der öffentliche wie vereinsinterne Druck oder doch eine Selbsterkenntnis Ancelottis war, ist wohl nicht überliefert. Allerdings änderte er in der darauffolgenden Saison seine komplette Ausrichtung doch ein Stück weit. Milan sollte offensiver agieren, nicht mehr derart auf Zentrumskompaktheit fokussieren. Unter anderem wechselte Clarence Seedorf nach Mailand und konnte in den nächsten Jahren die halblinke Position besetzen. Hauptsächliche Grundformation blieb die Raute, wenngleich kein Dogma vorherrschte. Durch den Transfer von Weltmeister Rivaldo hatte Ancelotti im Angriff neue Optionen, konnte auch auf ein 4-4-1-1 umstellen, wo der Brasilianer eher Freispieler war. Hinzu kam die Umfunktionierung Pirlos, der nun als spielmachender Sechser eingesetzt wurde und auf dieser Position die Ära Milans mit prägen konnte.
Insgesamt wurde das Gefüge dynamischer. Die beiden Angreifer sollten trotz ihrer höheren Positionen mehr auf die Außen ausweichen und Räume für die aufrückenden Akteure wie Seedorf und Rui Costa schaffen. Damit wurden auch die Außenverteidiger bei der Flügelbesetzung etwas entlastet. Es gab mehr Überladungssituationen. Ancelottis System brach aus dem starren Abdecken der Grundräume aus.
Doch die Defensivarbeit wurde keineswegs verlernt. Zu jener Zeit hätte Milan allein aus den Innenverteidigern im Kader eine Startelf formieren können. Darunter waren erfahrene Abwehrrecken. Der Ruf einer Altherrentruppe sollte sich in den folgenden Jahren noch mehr zementieren. In der Serie A belegte Milan nur den dritten Platz. Dafür fuhr Ancelotti das Double mit Coppa- und Champions-League-Triumph ein und sicherte auch so seine eigene Zukunft.
In der Königsklasse schlug man Stadtrivale Internazionale im Halbfinale durch ein 1:1 „auswärts“. Darauf folgte das intensive, aber nicht unbedingt hochklassige Endspiel gegen Juventus. Beide Mannschaften hatten großen Respekt voreinander. Wurde Ancelotti 2001 noch bei der Alten Dame vor die Tür gesetzt und durch Vorgänger Marcelo Lippi ersetzt, konnte er im Old Trafford von Manchester an Juventus Revanche üben.
In diesem Finale wich der Milan-Trainer von der Raute ab und setzte auf ein 4-4-2. Pirlo und Gattuso bildeten die Doppelsechs. Dabei sprintete ersterer immer wieder vertikal nach vorn, wurde dabei von dem einrückenden Rui Costa unterstützt. In der Verlängerung übernahm die Verbindungsaufgabe im Mittelfeld Massimo Ambrosini. Bekam Milan kein Übergewicht in der gegnerischen Hälfte, erfolgten zumeist längere Zuspiele auf Ševčenko, der seinerseits auf die Flügel leitete. Insgesamt neutralisierten sich beide Teams im Endspiel in vielen Phasen. Es gab zahlreiche lose Bälle im Mittelfeld, um die gekämpft wurde und wo die Zweikampfführung nicht immer eindeutig war. Ansonsten wurde den Zuschauern viel Mannorientierung und Abschirmung geboten, sodass sich zeitweise Fehlpass an Fehlpass reihte.
Ancelotti schien während der Partie nicht den progressiven Weg einzuschlagen. Er ließ Rivaldo, der in dieser Saison auch nicht vollends überzeugte, auf der Bank, nahm sogar Andrea Pirlo nach rund 70 Minuten vom Platz. Über die Flügel entwickelte sich nur Druck, wenn Seedorf oder Rui Costa ihrerseits Einzeldurchbrüche initiieren konnten. Dahinter fanden sich mit Kaladze, Costacurta und im Spielverlauf auch noch Roque Junior limitiertere Spieler, die sich vornehmlich auf die Absicherungen gegen Mauro Camoranesi und Co. konzentrierten. Eine Meisterleistung war dieser Finaltriumph von Ancelotti nicht. Trotzdem brachte der 3:2-Sieg im Elfmeterschießen den ersten Titel als Trainer in der Königsklasse.
In der Saison 2003/04 gewann der Milan-Trainer dann den ersten Scudetto mit seiner Mannschaft. Die Weiterentwicklung war aus teamtaktischer Sicht eher unspektakulär. Dafür konnten zwei Transfers eingetütet werden, die große Wirkung auf die Durchschlagskraft hatten. Cafu, schon 33-jährig, kam aus Rom in die Lombardei. Kaka wurde ebenfalls verpflichtet. Die beiden Brasilianer belebten insgesamt das Offensivspiel. Cafu war perfekt dafür geeignet, über den rechten Flügel viel Druck auszuüben. In diesem Zusammenhang fand Gattuso auf der halbrechten Position in der Raute auch eine wichtige Aufgabe, die ihm auf den Leib geschneidert war: Absichern.
Kaka trat langsam in die Fußstapfen von Rui Costa. Der junge Offensivspieler vom Zuckerhut verkörperte auf seine Weise eine wichtige Komponente, die Milan im Schatten der Angreifer noch fehlte. Er war vielmehr Trequartista als klassischer Zehner, stieß unnachlässig in den Raum vor, den Ševčenko und Inzaghi vorher öffneten.
Neben dem nationalen Titel gab es auf europäischer Bühne eine herbe Enttäuschung. Gegen Deportivo La Coruna konnte Milan einen 4:1-Vorsprung im Riazor nicht verteidigen und verlor noch mit 4:0. Eigentlich verdient dieser Einbruch gegen die Mannschaft von Javier Irureta eine genauere Ausführung. Allerdings folgte mehr als ein Jahr später ein noch historischerer Einbruch der Rossoneri. Dieses Mal lag nur ein Kabinengang dazwischen.
Das Drama am Bosporus und die Revanche
Zu dieser schon legendären Finalbegegnung gegen Liverpool erschien auf Spielverlagerung bereits eine zweiteilige Retroanalyse, die sehr gut aufschlüsselt, warum Milan womöglich eine der besten Halbzeiten in der Ancelotti-Ära spielte. Gerade gegen das relativ starre 4-4-2, kam die Raute der Rossoneri dermaßen stark zum Tragen, dass die Reds ein ums andere Mal ausgehebelt wurden.
Zudem konnte in der ersten Halbzeit verdeutlicht werden, wie gewinnbringend die vertikale Staffelung von Pirlo und Kaka war. Der Brasilianer hatte einen großen Aktionsradius und musste entweder vom zentralen Mittelfeld abgedeckt werden, wodurch Pirlo enorme Freiräume für seine grandiosen Pässe und Verlagerungen bekam, oder aber der „architetto“ wurde angegangen und über die Halbräume oder auch den sehr aktiven Cafu gelangte das Spielgerät zu Kaka.
Vielleicht wurde besonders in diesem Fall deutlich, wo in der damaligen Zeit die Stärke des Ancelotti-Systems lag: Die pendelnde Bespielung der Zwischenlinienräume. Die beiden Halbspieler, vor allem Seedorf, konnten immer dahin verlagern, wo der Ball war, oder aber die Zwischenräume überlagern, in denen Milan Präsenz schaffen wollte. Dies in Kombination mit den stets an der Abseitsgrenze lauernden Angreifern, Hernan Crespo wurde eine Alternative zu Inzaghi, ergab ein vertikal angelegtes Offensivspiel, wo der tödliche Pass noch zelebriert wurde.
(Treffer zum 3:0: Überhastetes Anlaufen von Riise – freie Position von Kaka – raumschaffender Lauf von Ševčenko – Weltklasse-Pass auf Crespo)
In der Analyse von damals heißt es: „Doch warum hatte Pirlo so viel Zeit und Raum? Zunächst einmal gab es kein nennenswertes Rückwärtspressing von Baros und Kewell. Im Mittelfeld musste Riise den vorstürmenden Cafu im Auge behalten, rechts hatte Luis Garcia Probleme damit, dem Wechselspiel zwischen Maldini und Seedorf standzuhalten. Gerrard und Xabi Alonso kümmerten sich um den Sechserraum, in dem Kaka lauerte. Ganz vorne beschäftigten Ševčenko und Crespo die komplette Viererkette der Engländer, indem sie häufig in die Schnittstellen zwischen Innen- und Außenverteidiger starteten. So waren Liverpools hintere acht Spieler gebunden und konnten es sich eigentlich nicht leisten, auf Pirlo herauszurücken. […] Löste sich dann entweder Gerrard oder Alonso aus der vorderen Viererkette, um den italienischen Dirigenten anzulaufen, mussten die verbleibenden drei Akteure sehr eng zusammenrücken, um die Schnittstellen nicht zu weit zu öffnen – Kaka und die beiden Stürmer wären sonst zu leicht anspielbar gewesen. […] Folglich waren Cafu und Maldini auf den Flügeln frei. Während Letzterer etwas enger agierte und weiterkombinierte, nutzte der Brasilianer diese Räume zu gefährlichen Vorstößen im Stile Dani Alves´ zu besten Zeiten.“
Allerdings folgte in der zweiten Halbzeit innerhalb von einer Viertelstunde der Einbruch Milans. Liverpool schoss drei Tore und war auf einmal wieder im Spiel. Rafa Benitez stellte in der Halbzeit auf ein 3-4-2-1 um, bespielte durch viel höhere Zentrumspräsenz die Raute Ancelottis. Zudem verhielten sich die Mailänder Angreifer laissez-faire im Pressing, Kaka verrichtete nicht mehr derart viel Defensivarbeit.
Die Liverpooler Wing-Backs hatten keine direkten Gegenspieler, Milans Zentrum verschob ständig auf den Flügel, wurde durch die höhere Präsenz der Liverpooler in den mittigen Ballverteilungszonen aber mehr und mehr in Bewegung gebracht, bis sich Lücken ergaben. Nach den drei Treffern blieb Ancelotti nahezu stoisch an der Seitenlinie stehen, reagierte erst kurz vor Schluss mit der Umstellung auf eine Dreierkette, um die müden Engländer zu knacken. Allerdings blieb Liverpool recht abgeklärt in der tiefen Staffelung. Das Elfmeterschießen brachte dieses Mal die Entscheidung zuungunsten Milans.
In der darauffolgenden Saison wurden die Rossoneri nur Drittplatzierter der Serie A. In der Champions League schied man denkbar knapp gegen Frank Rijkaards Barcelona aus. Es sollte noch eine Saison dauern, bis der zweite Champions-League-Titel eingefahren wurde. Und dieser Triumph war sogleich die Revanche für das Drama von Istanbul. Rein personell veränderte sich Milan nur in Nuancen. Alberto Gilardino war bereits ein Jahr im San Siro unterwegs. Ševčenko verabschiedete sich Richtung Chelsea, während man den 30-jährigen Ronaldo und Jungtalent Yoann Gourcuff verpflichtete. Mit Marek Jankulovski und Massimo Oddo kamen zudem offensivausgerichtete Außenverteidiger nach Mailand. Im Endeffekt setzte Ancelotti aber weitestgehend auf seine mittlerweile als Altherrentruppe abgestempelte Mannschaft.
Allerdings stellte er das Grundsystem etwas um, wich von der Raute auch aufgrund der ungünstigeren Kaderdichte im Stürmerbereich ab, setzte nun mehr auf das Tannenbaumsystem, was allerdings recht fluide blieb. Seedorf und Kaka waren die Schattenspieler des Neuners, während Ambrosini in wichtigen Partien verstärkter zum Einsatz kam. Nach einem 3:0 im San Siro gegen Manchester United zog Milan ins Finale gegen Liverpool ein. Diese Begegnung im Stadio Athinas Spyros Louis war von großem Respekt und Zurückhaltung im kollektiven Aufrücken geprägt. Liverpool wirkte in der ersten Halbzeit dominanter, wurde aber im Endeffekt ein Opfer des Torphantoms Inzaghi.
Lange Zeit sah es so aus, als würde Benitez da weiter machen, wo er irgendwann in der 65. Minute des Endspiels 2005 aufhörte. Seiner Mannschaft im 4-2-3-1 gelang es die Milan-Offensive zu isolieren und in viele Eins-gegen-Eins-Situation im letzten Drittel zu gelangen. Vor der Halbzeitpause fälschte Inzaghi versehentlich einen Pirlo-Freistoß ins Tor von Pepe Reina ab. Ancelotti wiederholte einen Fehler nicht. Er verordnete seiner Mannschaft eine gnadenlose Defensivstrategie, wo auch Kaka am eigenen Strafraum verteidigte. Der Konterfokus schien den Mailändern gut zu passen. Denn in ihrem Abwehrpressing hatten sie wenig Mühe in statischen Situationen gegen die doch mehr auf weitläufige Dynamik ausgelegten Engländer zu agieren. Lediglich ein paar Distanzschüsse wurden zugelassen. Selbst im Umschaltmodus blieb Milan zurückhaltend und immer auf Absicherung bedacht. Schlussendlich war es eine geniale Aktion von Kaka, der Inzaghi in Szene setzte und die Entscheidung vorbereitete. Der Anschlusstreffer von Dirk Kuyt kam zu spät.
Milan und Ancelotti durften ein zweites Mal den Henkelpott in die Höhe recken. UEFA Supercup und FIFA Klub-WM folgten noch in den Trophäenschrank. Weitere Erfolge blieben Ancelotti bis zum Abschied 2009 verwehrt. Eine wirkliche Verjüngung kam nicht zustande, die merkliche Weiterentwicklung der Mannschaft ebenso. Rückkehrer Ševčenko oder Stareinkauf Ronaldinho brachten keine Besserung. Auch andere Transfers waren eher enttäuschend. Die Ehe zwischen Ancelotti und seinem Verein schien ermüdet.
Torrekord an der Stamford Bridge
Er verließ die Lombarden und ging im Sommer 2009 zu Roman Abramovichs Chelsea. Dort übernahm der Italiener größtenteils das Team, was ein Jahr zuvor das Champions-League-Finale gegen Manchester United verlor. Ancelotti blieb ganz der Pragmatiker. Nach einer kürzeren Phase mit Mittelfeldraute und Tannenbaum formierte er Chelsea in einem simplen 4-3-3/4-5-1. Sein Team war physisch dominant und der Angriff um Didier Drogba schoss in der ersten Saison so manchen Erstligisten regelrecht aus dem Stadion. 103 Treffer in der Premier League verbuchten die Blues und erzielten damit als erste Mannschaft seit 1963 eine dreistellige Summe an Toren in der höchsten englischen Spielklasse. Zudem verzeichneten die Londoner die zweithöchste Total Shot Ratio (69,04%) von allen Teams in den europäischen Top-Ligen der letzten fünf Jahre.
Im knappen Titelrennen mit Manchester United vertraute Ancelotti auf eine klare Mittelfeldachse mit Frank Lampard, Michael Ballack, Michael Essien und anderen. Das Team agierte häufig sehr dominant und war auf Torabschlüsse im Zentrum durch Drogba ausgerichtet. Der Ivorer wurde dabei von Nicolas Anelka, nicht selten als nomineller Rechtsaußen aufgeboten, unterstützt. Lampard als aufrückender Spieler aus dem Mittelfeld tat sein Übriges.
Gerade die erste Saison bei Chelsea zeigte die Herangehensweise Ancelottis. Er versuchte keine taktischen Kunststücke, sondern nutzte ganz einfach die Stärken seiner individuell hervorragenden Kadermitglieder und unterstrich sein Augenmerk auf Disziplin. Anpassungen an den Gegner oder Umstellungen geschahen meist im Nanometerbereich. Das Double von Liga- und FA-Cup-Titel sprang am Ende dabei heraus. Allerdings sollte die nächste Saison keineswegs so erfolgreich werden. Denn nach einem Punktverlust gegen Newcastle United kam Chelsea im Herbst erheblich ins Straucheln. Den Rückstand auf die Red Devils konnte man nicht mehr aufholen. Zwischenzeitlich waren die Blues sogar auf Platz fünf abgerutscht. Trotz zahlreicher ernüchternder Auftritte veränderte Ancelotti wenig bis gar nichts. Dies gepaart mit seinem ruhigen, zurückhaltenden Wesen wurde ihm oft als Schwäche in Form von mangelnder Kreativität unterstellt.
„His calm demeanour has been interpreted by some as a lack of passion, while he has also been accused of being too passive and slow to make changes when his sides are in trouble.” (ESPN FC)
Abramovich gab seinerseits den Gewinn der Champions League als Ziel aus, gerade nachdem im Winter die Transfers von Fernando Torres und David Luiz getätigt wurden. Allerdings schied Chelsea im Viertelfinale gegen Manchester United aus und verlor im Mai noch quasi das Endspiel um die Meisterschaft. Ancelotti trat in dieser Zeit als Gentleman auf und zeigte Verständnis, sollte ihn der Verein entlassen, was die Londoner Ende Mai nach einer Niederlage gegen Everton auch taten. Die Zeit bei den Blues ist äußerst schwer einzuschätzen. Einerseits gab es ein vertikal angelegtes Offensivspiel mit physischer Dominanz und guten Vollstreckern. Andererseits hinterließ Ancelotti keinen bleibenden Eindruck.
Aufbau oder Verwaltung einer französischen Startruppe
Ancelotti sollte deshalb jedoch nicht in eine endlos lange Phase der Arbeitslosigkeit stürzen. Es dauerte rund sieben Monate, bis er dem Ruf eines anderen Mäzenen-Vereins folgte. Zum Jahreswechsel 2011/12 holte ihn sein ehemaliger Weggefährte Leonardo zu Paris Saint-Germain. Der als traditionell geltende Ancelotti ersetzte Antoine Kombouaré. Zum Zeitpunkt der Übernahme lag PSG an der Tabellenspitze, konnte allerdings im Verlaufe der Rückrunde den Abstand auf HSC Montpellier nicht halten und musste sich mit dem zweiten Platz begnügen. Im darauffolgenden Sommer wurden die Ansprüche durch zahlreiche Millionen-Transfers unterstrichen. Zlaten Ibrahimovic und Thiago Silva kamen aus Mailand, Ezequiel Lavezzi aus Neapel, Top-Talent Marco Verratti aus Pescara. Zudem gesellten sich im Verlaufe der Saison noch Lucas Moura und David Beckham zur Mannschaft.
Es war Ancelottis Aufgabe aus dieser Ansammlung an Stars ein homogenes Team zu formen. Man vertraute dabei auf seine Erfahrung aus der Milan-Ära und hoffte zugleich, dass er seinem Ruf als Offensivtrainer gerecht wird. Allerdings sollte es mit dem kollektivtaktischen Auftreten nicht so recht klappen. Über weite Strecken der Saison lebte PSG vor allem von seinen Einzelspielern, allen voran von Zlatan Ibrahimovic. Ancelotti vertraute während seiner zweiten Saison in der französischen Hauptstadt entweder auf ein 4-3-2-1 oder ein 4-4-2. Mittelfeldpräsenz war ihm enorm wichtig. In der Offensive kombinierten mehrere Akteure auf engem Raum, während die Außenverteidiger aufrückten. Die Formation war oft gestreckt, es mangelte an Kompaktheit. In der letzten Reihe musste viel ausgeputzt werden. In diesem Zusammenhang passte Ancelottis Spielerwahl gerade in der Ligue 1 nicht immer perfekt. Paris war in vielen Partien dominant, trotzdem ließ der Italiener zuweilen mit drei tieferen Spielmachern agieren. Die Verbindungen in die Offensive fehlten und auch dadurch mussten es im letzten Drittel oft Aktionen der etwas isolierten Angreifer sein.
In der Liga konnte man sich den Titel sichern. Ancelottis Ausrichtung wurde zudem variabler, er stellte mehr auf ein 4-2-2-2 um, wobei zwei tiefere Sechser vor der Abwehr standen, während sich davor ein qualitativ hochwertiges Band bildete, bei dem Lavezzi oftmals neben Ibrahimovic agierte. In einer Analyse zum Achtelfinale gegen Valencia wird dazu geschrieben: „Das System ähnelte ein wenig dem brasilianischen 4-2-2-2 mit zwei tiefen Sechsern und vier Spielern in recht freien Positionen. Auch Manchester City mit den spielmachenden Flügeln Nasri und Silva sind nicht sehr weit von dieser Spielweise weg.“
Gerade Javier Pastore fokussierte auf das spielmachende Element, während Lucas in der Rückrunde unter Ancelotti die Tempomaschine im Team war. Musste PSG gegen einen stärkeren Gegner verteidigen, verordnete der Italiener seiner Mannschaft ein eher passives Agieren mit zwei engen Viererketten. Durch die kopfballstarken Innenverteidiger konnten Gegner auch angstfrei auf die Flügel geleitet werden. Eigentlich wurden die Pariser im Umschaltspiel, eben über die tempostarken und spielintelligenten Angreifer, noch gefährlicher. Eine stärkere Fokussierung auf diesen Aspekt verhinderte aber Ibrahimovic, der als Zielspieler im Gefüge integriert war. Ancelotti blieb auch bei PSG äußerst pragmatisch. Er drückte der Mannschaft keine explizite Spielidee auf, sondern versuchte aus dem hochwertigen Spielermaterial die besten Leistungen herauszuholen.
In der Champions League kam im Viertelfinale das Aus gegen den FC Barcelona, dem allerdings viel abverlangt wurde. Ancelotti setzte dabei auf Beckham als tiefen Sechser und auf lange Vertikalbälle als generelle Strategie. Die beiden engen, zum Teil asymmetrischen, Viererketten gegen Barca waren ein probates Mittel. Pressing gegen die katalanische Ballbesitzdominanz war eine Seltenheit, wurde es versucht, ging es meist schief.
Trotzdem verhielt sich Ancelotti in diesem hochklassigen Duell klug bei Anpassungen seiner Mittelfeldakteure. Er bewies ein weiteres Mal, dass er Aufrückbewegungen im zentralen Mittelfeld sehr gut dosieren kann. Das endgültige Ausscheiden aus der Königklasse konnte der Italiener aber nicht verhindern. Die Beziehung zum Pariser Milliardenverein beendete er dann Mitte Mai 2013. Denn der Ruf aus Madrid lockte Ancelotti auf den Stuhl José Mourinhos.
Wenig Glanz, aber „La Decima“ vor Augen
Beim spanischen Hauptstadtklub Real Madrid sollte Ancelotti nach dem Selbstverständnis der Königlichen entsprechend unwürdigen Jahren unter Mourinho neue Seriosität und Würde an der Seitenlinie verkörpern. Neben dem Trainerwechsel wurde auch der Kader zum Amtsantritt ein Stück weit umgekrempelt. Die Nationalspieler Gonzalo Higuain und Raul Albiol sowie der gradlinige Konterstürmer José Callejon wurden nach Neapel transferiert, dafür kamen die spanischen Talente Isco, Asier Illarramendi und Daniel Carvajal, welcher nach seinem Jahr in Leverkusen per Rückkaufoption zurückkehrte, zu den Königlichen.
„Ancelotti will be a breath of fresh air. Real Madrid has great players, they just need to play like a team. Ancelotti will make that happen. He has played and coached at the very top, so he knows full well what goes on in the dressing room.” (Johan Cruyff)
Ancelotti startete mit einem 4-4-2/4-2-2-2-Mischsystem, in welchem er mit Isco, Mesut Özil und Di Maria eher spielmachende, in die Halbräume tendierende Spielertypen, auf den Flügeln aufbot. Cristiano Ronaldo wurde als nach links hängende Spitze von der Defensivarbeit fast vollständig entbunden. Wegen der Verletzung Xabi Alonsos zu Saisonbeginn durfte Ancelottis modernes Alter Ego Luka Modrić als dominanter, spielmachender Akteur mit wechselnden Partnern im zentralen Mittelfeld operieren. Dies versprach eine Menge Kreativität, führte defensiv jedoch oft zu einer zerrissenen Mannschaft, in der die fünf Spieler hinten und die vier Spieler vorne nur durch Modrić verbunden wurden. Die Außenverteidiger verhielten sich entgegen ihres Naturells eher defensiv, was häufig zu fehlender Breite im Offensivspiel führte.
Auch wegen seiner Defensivschwäche verließ Mesut Özil den Klub nach zwei Spielen in La Liga in Richtung London. Ancelotti übernahm die volle Verantwortung für den Transfer: „Seinen Weggang habe ich entschieden, das war eine sportliche Entscheidung. Ich bevorzuge Di Maria dank seiner Dynamik, seines Charakters, seiner Hilfe für die Mannschaft.“ Zudem warf Ancelotti Özil indirekt Charakterschwäche vor: „Angel di Maria hat weniger Qualitäten als Özil, aber ich bevorzuge seinen Charakter und die Tatsache, dass er dem Team mehr hilft.“ Di Maria sei wichtiger für das Gleichgewicht der Mannschaft, so Ancelotti.
Kurz vor Ende der Transferperiode wurde dann endlich der (fast) 100 Millionen-Euro-Transfer von Gareth Bale realisiert. Dieser komplettierte nach seiner erfolgreichen Integration das Puzzlespiel von Ancelotti. Das 4-4-2/4-2-2-2-Mischsystem konnte um eine weitere Systemkomponente, das 4-3-3, erweitert werden. Dies war zu Beginn bei Ballbesitz auch die dominante Struktur, die sich im Defensivspiel durch die Inkonstanz Ronaldos von einem 4-3-3, zu einem 4-4-2 (Bale im rechten Mittelfeld) und abschließend zu einem 4-1-4-1 entwickelte. Durch die Dynamik dieser Verschiebungen war Real in dieser Phase insbesondere in den defensiven Halbräumen instabil.
Deswegen stellte Ancelotti in den wichtigen Spielen, zum Beispiel gegen Barcelona und gegen die Bayern, konsequent auf ein 4-4-2/4-2-2-2 um, wobei er maßgebliche Aspekte des Pressings unter Arrigo Sacchi (Raumverknappung, Spiel mit Deckungsschatten, lokale Kompaktheit) umsetzen ließ. Nach der torreichen Niederlage in La Liga gegen Barcelona, wurden anschließend Siege in der Copa (ein Gegentor) und Champions-League (ohne Gegentore) eingefahren. Das neue System nutzt insbesondere die Defensivfähigkeiten Bales und Di Marias sowie die unglaubliche Raumkontrolle Luka Modrić‘ ideal aus, um die Defensive zu balancieren und zu stabilisieren. Ancelotti ist nur noch einen Sieg von „La Decima“ entfernt.
Schlusssatz
Das ist natürlich nur ein kleiner Abriss des Schaffens von Carlo Ancelotti, der sich wie die „intellektuelle Biografie“ nur dem öffentlichen Wirken widmet. Die Autobiografie „Preferisco la Coppa“, welche 2009 erschien, wurde nicht herangezogen. Wenngleich ein solches Selbstzeugnis mehr über die Sehnsüchte und Eindrücke des Autoren als über weitestgehend objektive Tatsachen aussagt, könnte natürlich dieses Werk noch in eine Betrachtung der Person Ancelotti einbezogen werden.
47 Kommentare Alle anzeigen
Peda 21. Dezember 2015 um 22:47
Ich erwarte mir eigentlich, das Ancelotti als Pep-Nachfolger in seiner pragmatischen Herangehensweise ähnlich wie zuvor Heynckes nach van Gaal die zum Teil sehr rigiden Vorgaben seines Vorgängers (gerade van Gaal und Guardiola stehen wie sonst niemand für ein auskomponiertes Ballbesitzspiel) ein Stück weit lockert und durch die Mischung aus bestehenden Automatismen und dazugewonnenen Freiheiten mit der Mannschaft eine ungeheure Durchschlagskraft entwickeln kann.
Seht ihr das ähnlich oder völlig anders?
CE 21. Dezember 2015 um 23:08
Sehe ich ähnlich. Im Moment gehe ich davon aus, dass er gerade die 4-1-4-1/4-3-3-Abläufe von Guardiola aufgreift und etwas verallgemeinert.
luckyluke 21. Dezember 2015 um 10:00
Der internationale Hecking kommt nun also nach Bayern…naja
NB 20. Dezember 2015 um 14:45
Bin mir nicht sicher, ob es wirklich die richtige Entscheidung ist, nach Pep Ancelotti zu holen? Nachdem was man den Zeilen so entnehmen kann, ist Ancelotti kein Freund von wirklicher Gegneranpassung, wobei diese doch die Bayern unter anderem so stark macht unter Pep Guardiola. Einen Trainer, der dsd Spiel liest wie Pep, gibt es wohl kein zweites Mal, aber auch da werf ich Ancelotti ein Stück weit vor, wieso er mit Madrid die Meisterschaft nicht gewinnen konnte. Die fehlende Flexibilität spielt meiner Meinung nach dabei eine große Rolle.
Gh 20. Dezember 2015 um 17:25
Würde jetzt Luis Enrique auch nicht als Meister des ingame-Coaching oder der Gegneranpassung bezeichnen. Dennoch hat er als indirekter Nachfolger Peps keinen schlechten Erfolg. Denke mal, dass Ancelotti auf der Grundlage von Peps Arbeit sehr gut mit seinen Mitteln arbeiten kann. Der Einfluss des ingame/Gegneranpassungs-Zeugs bei Guardiola auf den Erfolg seiner Mannschaften halt ich persönlich für überschätzt. Das saubere Passen und Positionieren sind mE wichtiger.
Guardian 25. Mai 2014 um 14:29
die Graphik am Ende des Artikels mit den beiden rhetorischen Fragen darunter, soll heißen, dass Ancelotti Sacchis System kopiert und an den modernen Fußball angepasst hat?! Dann verstehe ich aber nicht, warum diese Saison vergleichsweise wenige Mannschaften Real wirklich dominieren bzw schlagen konnten ( Dortmund, Atletico, Barca) Ein Trainerstab muss doch merken, wenn der Trainer des Gegners ein System seines ehemaligen Trainers anwendet, oder nicht?
Eine weitere Frage habe ich noch: Wie konnte Ancelotti in nur wenigen Monaten Real wieder das Verteidigen lehren? Wie schafft man das als Trainer so schnell?
blub 25. Mai 2014 um 15:21
Kopiert hat er saccis system nicht, die laufwege und abläufe sind ja in mancher hinsicht anders, aber die Ähnlichkeiten sind schon frappierend. Nicht besonders überraschend da ja de fakto alle modernen mannschaften saccis paradigmen übernommen haben. Hier wieder im 442 deswegen sieht das dann so aus.
Offensichtliche unterschiede sind z.B. das Gullit und CR total anders spielen und ihre rollen anders interpretieren auch wenn sie an der gleichen stelle als tieferer Stürmer stehen.
Wenns so einfach wäre ein Mannschaft mit ghuten spielern und guten abläufen zu schlagen hätten das ja mehr mannschften getan.
Saccis system wurde ja auch nicht „geschlagen“ sondern die anderen haben sich hinterher entwickelt udn die „edge“ fiel weg.
Wenn man nur 1 defensiv-nulpe ausgleichen muss ist es einfacher zu verteidigen.
wenn man modric gut einbaut ist man per se gut im umschaltspiel.
Guardian 25. Mai 2014 um 15:47
Dann muss ich seine Arbeit anerkennen, nach dem Sieg gestern, obwohl das als Bayernfan nach dem 0:4 in München nicht so leicht ist. Hoffe natürlich, dass Guardiloa nächste Saison die Chance bekommt sich zu revanchieren. Danke auch für die Erklärung!
HW 20. Dezember 2015 um 13:07
Auch wenn sich die Formationen im Bild gleichen, die Spielertypen sind andere. Das sieht man auch an den Pfeilen.
Dr. Acula 22. Mai 2014 um 10:28
Klasse Artikel! Mich erinnert seine vor allem anfangs starke Fokussierung auf individuelle Qualität an del Bosque, der es bisher immer geschafft hat, aus großen Einzelspielern ein Team zu formen, ohne wirkliches „Konzept“, also durchgängige Spielidee wie Guardiola oder Mourinho.
CP 22. Mai 2014 um 04:06
Danke für den tollen Artikel!!!
Tank 22. Mai 2014 um 01:58
Ganz feiner Artikel.
Nur zwei kleine Anmerkungen: Die ungeschlagene Saison des AC Milan in den frühen 90ern war schon unter Capello. Und ob die da noch so Sacchi-mäßig gespielt haben, weiß ich nicht.
Und zweitens darf ich noch mal alle Leser bitten, sich die Viererkette vom AC Milan im 2005er Finale auf der Zunge zergehen zu lassen: Maldini – Nesta – Stam – Cafu
Die Viererkette von Sacchis Milan war zwar noch besser eingebunden, aber rein personell kommt die 2005er Variante zumindest in ihre Nähe.
Isco 21. Mai 2014 um 16:10
„Das Elfmeterschießen brachte dieses Mal die Entscheidung zuungunsten Milans.“
Das hatte ich irgendwie anders in Erinnerung 😉
Toller Artikel über einen tollen Trainer.
blub 21. Mai 2014 um 16:26
Liverool hat im Elfmeterschießen gewonnen.
Was ist dein problem „zuUNgunsten“ steht da doch o.O
Isco 21. Mai 2014 um 16:37
Ja, das habe ich jetzt auch bemerkt, aber erst, als es schon gepostet war. Ich möchte mich vielmals entschuldigen; ich habe es sicher 5 Mal durchgelesen, ob es denn wirklich falsch da steht 😉
Da hat mir wohl der word-superiority effect einen Streich gespielt. Nochmal, tut mir sehr leid.
HW 21. Mai 2014 um 21:53
Vielleicht ist zuungunsten auch einfach ein Wort bei dem schnell eine Silber überlesen wird. Damit ändert sich die Bedeutung des Satzes leider komplett.
HW 21. Mai 2014 um 21:55
Fuck Hell, SilbeR?! Ha Ha *pointfingeratme
You know what I mean.
RM 21. Mai 2014 um 15:12
Anmerkung (könnte man auch übernehmen): Carlo Ancelottis Chelsea hatte die zweithöchste TSR (total shots ratio) von allen Teams in den Top-5-Ligen in den letzten fünf Jahren. Nur Barcelona 2011/12 war besser.
credi 24. Mai 2014 um 11:03
Taktische Arbeiten Ancelottis, Spielvorbereitungen, Analysen etc habe ich hier finden können (neben einem langen Simeone Interview unter anderem), als Tip an Euch, da ihr hier immer so gute Artikel bringt, wird Euch auch gefallen: http://www.soccertranslator.com/2013/06/carlo-ancelottis-coaching-education.html
Danke für den guten Artikel. Ancelotti hatte ja beinahe die funktionierende Mannschaft bei Madrid, der Verkauf Özils und das Setzen auf Modric hat dem ganzen die letzte Änderung gegeben, die nötig war. Um vom Thema abzuschweifen: Ancelottis Begründung des Verkaufs von Özil sollte man sich mal durch den Kopf gehen lassen. Bzw. wird Löw sich sicher NICHT durch den kopf gehen lassen, weil es unser super duper Vorzeigemigrant ist. Özil hat große Schwächen und Ancelotti hat die schonungslos benannt. Dafür sollten wir ihm dankbar sein. Götze oder Kroos statt Özil ist schon längst die Lösung für die DFB Mannschaft, aber will ja keiner hören.
mk 24. Mai 2014 um 14:46
Du hast es mit deinem messerscharfen Verstand brillant erkannt: Özil spielt nur aus dem Grund, dass seine Eltern zufälligerweise nicht in Deutschland geboren wurden. Stichhaltig.
Inhaltlich könnte man bestimmt über deine Thesen zu Modric, Kroos oder Schwächen bei Fußballern diskutieren, aber argumentativ sind dir glaube ich nicht viele gewachsen. Ich jedenfalls nicht…
JS 24. Mai 2014 um 16:51
Genau! Arsenal hat ihn auch nur gekauft, um aufkommende Gerüchte einer Bevorzugung von Deutschen durch Wenger im Keim zu ersticken. Real hatte ihn bekanntlich aus ähnlichen Gründen verpflichtet.
credi 24. Mai 2014 um 19:33
Ancelotti hat zu Özil das gesagt, was gesagt werden musste. Özil frustriert nicht nur Ancelotti, sondern auch mich bei der Nationalelf, wobei seine Mimik bei der Hymne schon den Anfang macht. Der Satz zu Löw war natürlich Mutmaßung meinerseits, aber ich kenne das poltische Klima hierzulande gut genug, dass ich diese beibehalte. Dass das nicht beweisbar ist, da habt ihr Recht und ich hätte es nicht erwähnen müssen. Ich behalte die Einschätzung, dass Löw Özil nicht ersetzen könnte, ohne schärfste Probleme durch die Medien zu bekommen. Man muss sich nur mal durchlesen, wie Khedira zum Starfussballer hochgeschrieben wird („Atléticos Defensivriegel: Khedira könnte Real helfen“ ZDF gerade), obwohl er am Ball wohl der schlechteste Spieler der DFB-Elf ist (einen Jens Jeremies, Ramelow hat man auch nicht so lächerlich hochgejubelt, waren ja nur Rumpelkicker, nüch wahr).
Spanische Kritik an Khedira hat das längst herausgestellt: „Khedira ist ein Maulesel und nimmt seine Rolle zu ernst. Er hat noch nicht begriffen, dass er mehr spielt, als er verdient hat“, ätzte Carlos Forjanes von der „AS“. „Ich versetze mich in die Haut des Balles und der Ball fühlt sich von Khedira misshandelt. Er kann nicht mal einen einfachen Pass spielen. Er hat Zucchini in seinen Füßen.“ „Die „Cadena Cope“ fragte provozierend: „Tun euch nicht die Augen weh, wenn Khedira am Ball ist? Er ist wie ein Dorn im Filet.“http://www.sport1.de/de/fussball/fus_international/fussball_international_primera_division/newspage_793578.html
Hierzulande ist er der Superkicker, warum auch immer.
Özil kann viel am Ball, aber hat eben die von Ancelotti herausgestellten Defizite, die Mannschaften runterziehen. Özil spielt die wichtigste Position und er ist eine Fehlbesetzung in der Nationalmannschaft. Es haben auch schon andere bemerkt, dass Özils läuferische und defensive Schwächen uns taktisch einige Grenzen setzen und Probleme bereiten. Meine Vermutung zu Löw muss man nicht diskutieren, ich habe auch nicht „argumentiert“, sondern geäußert. Wir müssen nicht einer Meinung sein, hauptsache der Verweis zu den übersetzten Interviews der Trainer gefällt Euch. War nicht bös gemeint, aber ich halte nicht viel von Özil, Khedira und Löw, habe das geäußert und gut ist.
Demetrios 24. Mai 2014 um 19:45
Volle Zustimmung.
Wer bei der Nationalhymne nicht mindestens die Anteilnahme von Chong Tese zeigt, zieht aber auch echt die ganze Mannschaft runter. Und dann fassen die sich manchmal auch noch so homoerotisch an den Schultern an, anstatt mit Adlerblick und Hand auf dem Herz die Mannschaft mitzureißen und zum Sieg zu führen.
credi 24. Mai 2014 um 19:59
Özils Blick bei der Hymne ist natürlich eine Zumutung und Vorbote seines Einsatzverhaltens. Anders braucht man es nicht beschreiben und keine gewitzte Polemik kann das verschleiern. Ancelotti hat nicht umsonst öffentlich derartiges geäußert. Seine Aussagen waren glasklar, beinhart und trafen mitten ins Schwarze.
HW 24. Mai 2014 um 19:58
Welcome to North Korea. Wer nicht inbrünstig singt wird ersch….
Schade dass die spanisch Hymne keinen Text hat, dann könnten wir sehen wie Sieger singen. Dass Löw nur nach Pass der Großeltern aufstellt ist ja bekannt. Endlich hat mal ein Nationaltrainer erkannt, dass der typische Deutsche zu sehr an Weizenbier und Torfstechen denkt und daher für den Fußball nicht geeignet ist. In Brasilien wird Löw auch keine Spieler mit roten oder blonden Haaren aufstellen, die bekommen doch nur einen Hitzeschlag. Aber keine Angst, sollte eine WM mal auf Island und den Färöer stattfinden, dann stehen wieder echte Deutsche im Kader. Dann hab ich mit blonden Haaren und blauen Augen auch wieder ne Chance. Ich fang am besten gleich an zu trainieren.
credi 24. Mai 2014 um 20:03
Löw wirds schon richten, Özil und Khedira werden alle Kritiker Lügen strafen mit pressingkompatiblem Einsatzverhalten und ballsicherer Positionstreue (in dieser Reihenfolge auf Öz und Khe anwenden). Polemik kann lustig sein, wenn sie trifft aber kann auch albern wirken, wenn nicht.
Demetrios 24. Mai 2014 um 20:07
Huch!
Meine Kommentare sollten gar nicht polemisch sein. Wollte bloß mit Dir scherzen, merke leider jetzt erst, dass das Dein Ernst war
mk 24. Mai 2014 um 20:20
Es gäbe so unfassbar viele Punkte, an denen man deinen „Ansichten“ saubere Argumente entgegensetzen könnte. Aber ich fürchte, dass ich dir nicht nur argumentativ, sondern auch intellektuell einfach nicht gewachsen bin. Daher gucke ich jetzt einfach dem Rumpelfußballer und Quotenmigranten Khedira dabei zu, wie er unbeholfen durch das Champions-League-Finale dilettiert. Danach ärgere ich mich über diese Spieler mit den künstlich eingedeutschten Namen, die nicht gut spielen weil sie die Hymne nicht mitsingen, rufe laut „das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ und mache morgen mein Kreuz bei der Wahl im unteren Drittel (nicht ganz unten). Oh du kleine, meine Welt…
credi 24. Mai 2014 um 20:57
Ich kann die Kritik Ancelottis an Özil und an Khedira von der spanischen Presse teilen. Du nicht. Was solls. Löw wird Özil aufstellen und dann darfst Du ja zufrieden sein.
karl-ton 24. Mai 2014 um 22:53
Darf man fragen weshalb der Minderleister und Quotenstuttgarter Khedira im CL-Finale auf’m Platz steht? Trotz fehlender Spielpraxis und mangelnder Fitness. Ist das Sadismus von Ancelotti, der ihn nur ein wenig leiden sehen möchte?
credi 25. Mai 2014 um 09:47
@karl-ton
Weil Alonso verletzt ist und er den Abräumer (aka Ramelow, Jeremies) spielen soll. Ich habe nie geschrieben, dass er ein schlechter Abräumer wäre, sondern dass er hierzulande als Schlüsselspieler hochstilisiert wird, ohne dass das angemessen wäre. Auch gestern hat er wieder durch mangelnde Ballkontrolle, Fehlpässe, hektisches Ballvertendeln geglänzt, neben gutem Abräumen. Beim 0-1 sah er jetzt im verlorenen Kopfballduell aber nicht etwa gut aus. Wie die spanische Kritik schon geäußert hat, spielt er halt mehr als er kann, obwohl er spielerisch nichts drauf hat und der Ausdruck Maulesel passend gewählt ist, früher hiess das Wasserträger oder halt Abräumer oder auch mal Rumpelkicker. Das reicht aber schon um bei vielen als „haut sich rein“ „probiert was“ „Leader“ hochgeschrieben zu werden, ist ja schließlich der Säämmy ;).
HW 24. Mai 2014 um 19:49
Ich sehe die TSR immer zwiegespalten. Wie oft geht der Ball aufs/ins Tor? Schießen die so oft, weil sie Angriffe nicht zuende spielen oder weil sie so gute Angriffe fahren? Beim Basketball kann ich auch oft werfen, wichtiger ist aber die Trefferquote. TSR alleine sagt mir immer zu wenig aus. Ronaldo hat wahrscheinlich ne höhere TSR als 50% der Clubs.
RM 24. Mai 2014 um 20:02
Schießt Cristiano nicht fast auch mehr Tore als 50% der Clubs? 8 der 10 Teams in La Liga erzielen pro Spiel weniger Treffer als Cristiano. Dafür gibt es aber auch den ExpG; und es gibt nur wenige Teams, die wirklich konstant schlechte Abschlusspositionen über längere Zeiträume wählen.
HW 25. Mai 2014 um 14:13
Stimmt natürlich, dass Ronaldo auch viel trifft. Trotzdem bleibt bei vielen Schüssen, vor allem am Tor vorbei, die Frage ob diese Teams nicht besser andere Torchancen herausspielen sollten. Gerade bei zwei Angreifern von Real ist es ja oft so, dass die Chancen zumindest gefährlich aussehen, aber gleichzeitig sieht man oft den besser postierten Mitspieler, der den Ball nicht bekommt.
Ein Zuschauer 21. Mai 2014 um 12:47
Terim ließ allerdings zuweilen noch defensiver spielen, positionierte vier gelernte Außenverteidiger in der Viererkette und eigentlich eher für die Außenverteidigung geeignete Spieler auf den Halbpositionen.
Also 6 Außenverteidiger?
BG 21. Mai 2014 um 12:52
Ich musste auch stocken beim Lesen. Ist vielleicht eher gemeint, dass er mit vier Innenverteidigern in der Viererkette gespielt hat und die Halbpositionen mit AV besetzt hat. 6 Außenverteidiger in einem Kader kommen mir nämlich generell ziemlich viel vor.
CE 21. Mai 2014 um 12:56
Geändert. Sorry.
Remiel 21. Mai 2014 um 12:17
Krass, vielen Dank 🙂
Koom 21. Mai 2014 um 12:13
Sehr schöner, interessanter und umfassender Artikel.
Einiges von Ancelotti, sowohl persönlich als auch bei seiner Arbeitsweise, erinnert mich an Ottmar Hitzfeld: Beide keine großen Innovatoren, sondern eher Mediatoren, die mit dem, was sie haben, ideal arbeiten. Dazu zählt auch ein guter psychologischer Umgang mit den schwierigeren Charakteren und ihre ideale Einbindung in das mannschaftliche System, ohne andere vor den Kopf zu stoßen.
Dabei behalten sie immer eine Grundlage als Ausgangsbasis, die durch die verschiedenen Stärken einzelner Spieler dann variiert werden.
Sasa 21. Mai 2014 um 14:13
Stimme dir zu. Ich denke auch nicht, dass Ancelotti ein besonders innovativer Trainer ist. Ich zitiere mal Zonalmarking: „Bale and Ronaldo will get the praise, but there’s no great managerial skill in getting those players to counter-attack speedily – Ancelotti’s greater achievement is making the Alonso-Modric combination work defensively.“
Ohne Titel hätte er möglicherweise kaum Anerkennung in der Welt des Fußballs. Andererseits kann man natürlich auch sagen, dass grade die Fähigkeit, bereits Vorhandenes (mit Ergänzungen) mit wenig Finesse zum funktionieren zu bringen, dafür gesorgt hat, dass er die Titel holt.
AlexF 21. Mai 2014 um 15:49
Musste auch bei der Beschreibung zwischenzeitlich immer wieder an Hitzfeld denken. Genau was du beschrieben hast, hat die Basis eigentlich meist schon vorgefunden und hat eher die perfekte Balance für die Mannschaften gefunden. Was will man aber auch mehr, wenn man wie Real wahrscheinlich eh schon die besten Einzelkönner versammelt hat.
juventino 21. Mai 2014 um 19:00
Ich sehe bei Ancelotti auch Ähnlichkeiten mit Trainern wie Hitzfeld (von dem ich persönlich zwar nicht ganz so viel halte) oder zum Beispiel Scolari. Es sind Trainer die es verstehen ein starkes Kollektiv aus dem vorhandenen Spielermaterial zu formen und dafür nicht ganz so durch Innovation auffallen. Ein schöner Kompromiss ist für mich zum Beispiel Heynckes der auch die Teambildung extrem gut verstand, aber doch immer sehr modern spielte.
Mir gefällt Ancelottis Arbeit in Madrid sehr gut. Wie gesagt können die einzelnen Spieler ihre Fähigkeiten sehr gut einbringen und bleiben trotzdem ein starkes Kollektiv. Ich denke auch, dass die Umstellung Ronaldos vom linken Flügel auf den halblinken/hängenden Stürmer ein schlauer Schachzug war, da Ronaldos Zocken dem Gegner ja durchaus auch in die Karten spielen kann. Auch die Verschiebung di Marias ins zentrale Mittelfeld (als das 4-3-3 noch das Stammsyste war) empfand ich als sehr gelungen.
HW 21. Mai 2014 um 22:03
Bin jetzt kein Basketballexperte, meine mich aber an einen Vergleich von Ancelotti mit Phil Jackson in irgendwelchen Medien zu erinnern.
Die Men-Management Skills sind auch nicht zu unterschätzen. Er scheint die richtige Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen, gerne nen Spaß zu machen. Ich denke er vermittelt den Spielern viel auf non-verbale Art und versucht die Dinge einfach zu halten ohne plump zu werden.
Koom 22. Mai 2014 um 10:59
Weiter oben wurde ja auch Del Bosque genannt. Ich denke, die Reihe Ancelotti, Heynckes, Hitzfeld, Scolari und eben Del Bosque (und sicherlich auch einige weitere) steht für ein und denselben Trainertypus.
Dieser zeichnet sich dann wohl eher dadurch aus, dass er auf relativ einfache Konzepte und Strukturen setzt (entweder das, was bereits vorhanden ist, oder eben das, was man schon ewig verwendet und gelehrt hat), was meist wenig innovativ und speziell erscheint, sondern sehr simpel. Und in dieser Struktur werden die Spieler anhand ihrer Stärken positioniert, ohne ihnen komplett neue Laufwege oder Verhaltensweisen einzutrainieren.
Hm, ich tue mich schwer, dass im Detail auszudrücken.
Mal die Gegenbeispiele: Klopp oder Guardiola haben in erster Linie ihr System und trainieren die Spieler darauf um. Dieser Prozeß kann dauern, deswegen dauert es bei Klopp auch gern mal 1 Jahr, bis eine Neuverpflichtung richtig einschlägt. Ancelotti und Co. würden ihre recht einfache Struktur nehmen (meist eine Variante des 4-4-2), die Spieler darin positionieren und über individuelle Stärken und Schwächen ausbalancieren. Wo Klopp einem Lewandowski bspw. erst mal beibringt, teilweise wie ein DM zu denken und die Laufwege zu sehen und zu gehen, belässt Ancelotti einen Ronaldo und verschiebt ihn u.U. nur geringfügig auf dem Platz.
Gerade bei den Topmannschaften ist möglicherweise diese Herangehensweise besser. Es motiviert die Spieler mehr, wenn sie konkret anhand ihrer Stärken eingesetzt werden, anstatt teilweise neu ausgebildet werden zu müssen. Das kann man natürlich nicht pauschal sagen, denn nicht jeder Weltklassespieler ist eine Jungunternehmer-Diva, sondern auch einfach Vollprofi, der am Gesamterfolg interessiert ist. Aber 15 Leute von diesem Schlag bekommt man auf dem Niveau nicht.
blub 22. Mai 2014 um 13:37
1. Ihr habe Sir Alex vergessen ihr banausen.
2.Ich denke nicht das erstere variante bei top mannschaften besser ist, sie ist nur vor allem bei schlechteren mannschaften deutlich schlechter.
Ist natürlich die Frage ob es Ausreicht die stärken seiner stars maximal zu bespielen und dafür eine im team den dreck fressen oder ob man spieler nach dem taktischen bedarf einsetzt.
Man spart sich allerdings die entwicklung komplexer abläufe wenn man nicht erstmal ein gebilde entwickeln muss. Neben dem einüben muss man als trainer auch erstmal ne Idee haben wie es sein könnte, z.B. beim Klopps neuer formation war bestimmt ne menge brainstorming auf Papier dabei.
Koom 22. Mai 2014 um 14:15
Asche auf unser Haupt. Ja, Sir Alex muss man wohl definitiv da auch aufzählen!
Das „besser und schlechter“ ist sowieso Ansichtssache. Ist Van Gaal, der jetzt eher „invasiv“ oder „aufbauender“ wirkt (und weniger „nur balancierend“), besser? Heynckes hat auf dessen Arbeit gut aufgesetzt, auch Guardiola profitierte bei den Bayern von dessen taktischer Arbeit (auch wenn er spätestens jetzt anfängt, das umzukrempeln). Bei einem Van Gaal oder Klopp kann es sein, dass die Mannschaft im ersten Jahr unter den Erwartungen bleibt, weil bestimmte Spieler nicht mit den Vorgaben zurecht kommen und der Kader auf die Taktik zugeschnitten oder trainiert werden muss. Mittelfristig macht sich der Verein aber auch weniger abhängig von individuellen Leistungen, bzw. kann durch dieses Korsett auch mal einen schwächeren Spieler „durchschleppen“ (oder anlernen). Natürlich kann sich so ein Konzepttrainer aber auch verrennen, wie es Van Gaal bei den Bayern tat. Aber wie gesagt: Sein Tun wirkt IMO noch heute nach.
Trainertypen wie Ancelotti sind IMO für den kurzfristigen Erfolg sicherer. Es muss kein Kaderumbau vorgenommen werden, die vorhandenen Stärken bleiben solche und es werden meist vorhandene Schwächen reduziert. Durch die theoretische Ungleichbehandlung (Spieler A kann sich defensiv raushalten, Spieler B muss dafür 1km mehr laufen und zuarbeiten) kann es mittelfristig natürlich dann schon zu Spannungen kommen, bzw. ist man auch anfälliger für Abgänge und Verletzungen.
blub 22. Mai 2014 um 15:46
Nur zum verständnis: ich kann mir vorstellen das van gaal oder guardiola oder klopp (der das schon getan hat) mit minderbegabten kickern eine mannschaft formen die deutlich über dem niveau der einzelspieler liegt.
Bei den „Man Managern“ denk ich an eine taktisch etwas filigranere Version von Peter Neururer.