Liverpool – Manchester City 3:2
Liverpool marschiert Richtung Titel in der Premier League. Zuerst dominierten die Reds mit einer Rodgers-Interpretation der Raute, während nach der Halbzeitpause Manchester City zurück ins Spiel kam.
Grundausrichtungen
Die Mannschaft von Liverpool war rein strukturell zweigeteilt. Während sich um Schlachtross Steven Gerrard eine 4-3(1-2)-Formation bildete, Jordan Henderson und Philippe Coutinho agierten auf den Halbpositionen vor ihm, war die Angriffsreihe nicht immer klar in der Positionierung und von Intuition der Akteure geprägt. Raheem Sterling war von der Grundformation her die Spitze der Raute. Sein Aktionsradius war aber oftmals nur marginal tiefer als jener der beiden Spitzen, Daniel Sturridge und Luis Suarez, die zugleich sehr fluide wirkten.
Beim Gegenüber ergaben sich zum Zeitpunkt des Anpfiffes keine Überraschungen. Gael Clichy stand für Aleksandar Kolarov auf dem Platz. Sonst war es wie üblich eine Mischung aus 4-2-3-1 und 4-1-4-1. Die pendelnde Rolle übernahm Yaya Toure, der aber nach rund einer Viertelstunde bereits das Feld verlassen musste. Somit ging City das Box-to-Box-Element ab. Denn Ersatzmann Javi Garcia ist hauptsächlich ein stabilisierender Sechser. Damit war schnell die Konstruktion von City verändert.
Die Raute und das nicht greifbare Trio
Doch das war keineswegs der Grund, warum die Gäste aus Manchester von Beginn an in die Defensive gerieten. Liverpool übernahm sofort die Kontrolle und bespielte die komplette Breite des Feldes im mittleren Drittel sehr raumgreifend, um dann in Richtung des Tores einen Trichter zu bilden und viele Bälle von Halb- in Zentralräume zu bringen. Im vorderen Zentrum war man auf die raumschaffende Wirkung der Akteure angewiesen. Sterling bewegte sich ballfern wie mit Ball am Fuß sehr intelligent, stieß häufig links vor, um Suarez beim Zurückfallen Raum zu lassen.
Der Führungstreffer für die Hausherren fiel auch nach einer Ballbehauptung von Suarez im Mittelfeld. Der Uruguayer setzte sich gegen Martin Demichelis und Clichy durch und bediente im Anschluss aus dem rechten Halbraum heraus den von links in den Strafraum einlaufenden Sterling, der nach einem kurzen Tänzchen den Ball versenkte. (Das Tor erinnerte in seiner Vollendung stark an Max Kruses Treffer vor einigen Wochen in Dortmund.)
Auch in der Folge blieb Liverpool spielbestimmend, betrieb allerdings dafür einen hohen läuferischen Aufwand. Einerseits sollten die beiden Außenverteidiger lange Wege nach vorn gehen. Andererseits mussten beide Achter nicht nur in den Halbräumen Präsenz schaffen, sondern sogleich noch Lücken auf den Außenbahnen schließen oder den jeweils zweiten Flügelmann von City angehen.
Die Gäste blieben derweil äußerst bieder in ihrer spielerischen Darbietung. Es fehlte lange Zeit die Präzision im letzten Drittel. Zudem wurde Edin Dzeko schlecht eingebunden und einige Male in tote Räume geschickt, wo er sich nicht gewinnbringend aufrieb. Es fehlte insgesamt ein richtiger Ansatz, um die Raute der Reds richtig zu bespielen. Weder Flügelüberladungen noch zentrale Vorstöße mit blitzartigen Verlagerungen waren zu sehen. Außerdem trugen die Citizens ihre Angriffe ohne jegliches Tempo vor, sodass Liverpool relativ leicht die Lücken zulaufen konnte.
Zwischendurch erhöhte Liverpool auf 2:0. Martin Skrtel beförderte eine Gerrard-Ecke per Kopf ins Gehäuse der Gäste. Mit zunehmenden Zeigerumdrehungen auf der Spieluhr zogen sich die Hausherren ein Stück weiter zurück, waren dafür über Balleroberungen gefährlich und konnten mehrmals ihre tempostarken Spitzen schicken. Gerade Suarez war in der Ballverarbeitung an der letzten Linie oder im Zwischenraum nur schwer zu stoppen. Sterling konnte derweil in seiner freien Zehnerrolle schalten und walten, wie er wollte. City hatte nur geringen Zugriff und der 19-Jährige agierte als Ballschlepper, Ballverteiler oder selbst als Schnittstellenläufer.
Zweite Halbzeit: Comeback von Manchester
Bereits in der Schlussphase der ersten Halbzeit konnte City den Gegner intensiver einschnüren und zu eigenen Aktionen in Tornähe kommen. Nach dem Kabinengang trat der Tabellendritte verändert auf, wenngleich großartige Anpassungen von Manuel Pellegrini zunächst ausblieben. In der 50. Minute schickte der chilenische Trainer James Milner auf das Feld, nahm dafür aber beispielsweise nicht Clichy herunter, um auf eine Dreierkette umzustellen. Jesus Navas musste vom Platz. Dieser Schachzug sollte sich allerdings auszahlen.
Milner stellte größere körperliche Präsenz auf dem Flanagan-Flügel her und war schon sieben Minuten nach seiner Einwechslung maßgeblich am Anschlusstreffer beteiligt. Durch einen Doppelpass mit dem stärker aufrückenden Fernandinho konnte Milner zur Grundlinie durchbrechen und David Silva den Treffer auflegen. Beim Ausgleich fünf Minuten später hatte der Engländer auch seine Füße im Spiel und setzte von halblinks aus Silva in der Enge des Liverpool-Strafraums ein, dessen abgefälschter Torschuss schließlich in Mignolets Kasten landete.
Rund 30 Minuten vor Schluss war die Partie wieder offen. Rodgers brachte unterdessen Joe Allen für Sturridge und änderte die formative Struktur seiner Mannschaft. Zunächst bewegte sich Coutinho weit vorn und zum Teil als Nebenmann von Suarez. Allerdings rückte der Brasilianer in ein neues Viererband zurück. Aus dem kurzzeitig praktizierten Tannenbaum wurde ein klassisches 4-1-4-1. Es ging Rodgers vor allem um Mittelfeldkontrolle und mehr Breite.
Denn City hatte in der eigenen Hochphase die Linien der Hausherren durch viele Verlagerungen auseinandergezogen und dadurch Platz für Dzekos Ausweichen, Fernandinhos Vorstoßen oder eben Milners Flügel- und Halbraumpräsenz geschaffen. City wusste trotzdem weiterhin zu dominieren und schien auch größere Reserven im Tank zu haben.
Ein Luftloch des Kapitäns Vincent Kompany sollte allerdings Liverpool auf die Siegerstraße bringen. Nach einem Einwurf wollte der Belgier den Ball aus dem Sechzehner schlagen, traf das Spielgerät nur marginal und Coutinho reagierte schnell. Der 21-Jährige versenkte aus zentraler Position.
Bis zum Ende der Partie sollten die Gäste keine Antwort mehr finden. Nach der Einwechslung von Aguero trat City weitestgehend in einem 4-1-3-2 auf. Fernandinho versuchte, soweit es möglich war, den Yaya-Toure-Part zu übernehmen und die Verbindungen aus der Tiefe herzustellen, während Silva seinerseits weiter aufschob und Nadelspielermomente zwischen den Verteidigern anstrebte. Die drei Punkte blieben schlussendlich an der Anfield Road.
Fazit
Dieses Spiel war von zwei verschiedenen Halbzeiten geprägt. War die Mannschaft aus Manchester in den ersten 45 Minuten dem Knockout bereits äußerst nahe, kam sie mit Durchschlagskraft in der zweiten Hälfte zurück. Trotzdem muss sich Pellegrini selbst die Fragen stellen, warum man die Raute nicht besser bespielen konnte, warum das Tempo fehlte, warum die Raumaufteilung nicht konstant passte, warum der Spielaufbau ideenlos wirkte und sich einige Spieler selbst nicht als pressingresistent genug fühlten.
In den zweiten 45 Minuten konnten sie die Hausherren tiefer hineindrücken und mit viel Kraft die Defensive der Reds in Schwierigkeiten bringen. Das war ein krasses Spiegelbild zur ersten Phase des Spiels, als die Offensivkräfte Liverpools noch brillierten und das Dreiermittelfeld die Angriffe gut verwaltete. Insgesamt lag es der Mannschaft von Rodgers mehr, eine gewisse Kontrolle auszuüben und nicht zu viel Deckungsarbeit gegen die starken Individualakteure der Citizens zu verrichten. Im Endeffekt entschied eine einzelne verpatzte Aktion des Gäste-Kapitäns, wodurch Pellegrinis Mannschaft aus dem Meisterschaftsrennen gespült sein könnte.
7 Kommentare Alle anzeigen
CF 23. April 2014 um 13:20
„warum der Spielaufbau ideenlos wirkte und sich einige Spieler selbst nicht als pressingresistent genug fühlten“
Was meinst du mit dem letzten Punkt genau, welche Spieler fühlten sich nicht Pressingresistent genug? Im ersten Drittel und anfang zweitem Drittel gab es für LFC relativ wenig Enge Räume. Einzig und allein bei Navas ist mir aufgefallen, dass er nicht genug in Engen lief und teilweise um die Formation herum lief. Dabei ist er in einem gewissen Mass auf ungewöhnliche Weise auch pressingresistent. Sehr ähnlich zu Chamberlain.
Fabio 14. April 2014 um 12:01
Sehr guter Artikel! War ein klasse Spiel gestern, aber meine Nerven sind jetzt am Ende. Sterling gefiel mir wiedermal extrem gut, der Typ wird Liverpool noch viel Freude bereiten. Seine Entwicklung in dieser Saison ist genial, hätte Ende letzte Saison nicht gedacht, das er so schnell zum Stammspieler wird. Hoffe jetzt einfach wir können die Führung halten, nur schon wegen den Tränen von Gerrard.
An die Leute von Spielverlagerung, wie wärs mal mit einem Mannschaftsporträt zum neuen Liverpool? Die Veränderungen unter Brendan sind meiner Meinung nach einen Artikel wert:-)
Sub 13. April 2014 um 21:45
Ich liebe ja solche Formation, die entweder ein 4-3-1-2 oder ein 4-3-3 sind, je nach dem ob der der Freigeist (bei Liverpool Sterling) sich zentral oder auf dem Flügel aufhält. Am besten lässt man sich noch die Option offen, auf ein 4-2-3-1 um zustellen, in dem einer der (möglichen) Stürmer den einen und der Achter auf der gegenüberliegenden Seite die Flügelspieler sind. Auch ein 4-3-2-1 ist ohne große Mühen herstellbar.
In so einem System, wie es neben Liverpool noch Mainz und Hoffenheim öfters spielen, hat man einfach maximale Flexibilität. Vor allem ist es wertvoll, dass in der Defensive auf die mangelnde Breite fast ohne Probleme reagiert werden kann.
Nicht zuletzt wegen des Systems hoffe ich, dass Liverpool die heute eroberte Tabellenführung verteidigen kann!
MR 14. April 2014 um 03:29
Brasilien 2010 verfolgt? Die legendäre Dunga-Raute könnte was für dich sein.
Sub 14. April 2014 um 09:18
Verfolgt ja, nur war ich damals noch nicht ganz so taktikaffin.
Aber nachgelesen habe ich natürlich schon, jetzt gerade noch enimal. http://www.theguardian.com/sport/blog/2009/jun/24/the-question-brazil-4-2-3-1 http://www.zonalmarking.net/2010/03/03/analysing-brazils-fluid-system-at-close-quarters/
Vor allem ein Punkt in „The Question“ ist extrem wahr: Robinhos unklare Positionierung (mal ganz links, mal eher links-zentral; jedenfalls zwischen AV und IV) ist der Schlüssel für die Verwirrnis bei der verteidigenden Mannschaft. Wenn dann noch der Zehner auf beiden Flügeln spielen kann (wie Sterling) und die beiden Stürmer zumindest situativ auch auf den Flügeln einsetzbar sind (wie Suarez, Sturridge), ist das Chaos perfekt.
Sub 14. April 2014 um 09:22
*das organisierte Chaos
Blau-Weiß 14. April 2014 um 12:36
Mainz hat Samstag gegen Werder auch so ähnlich gespielt : Choupo-Moting war LA und Moritz RM in einem 4-2-3-1, mit soto als halblinkem Sechser und Malli als Zehner , was dann aber auch oft als raute mit Moritz und Soto als Achter interpretiert wurde aus der Malli manchmal nach rechts auswich.