Eintracht Frankfurt – Hertha BSC 1:0
Die Partie Frankfurt gegen Hertha hatte unglaublich viel zu bieten. Das würde ich sagen, wenn sie unglaublich viel zu bieten gehabt hätte. Das tat sie allerdings nicht. Es gab aber zumindest ein paar einzelne taktisch interessante Ansätze, obwohl letztlich beide Mannschaften enttäuschten.
Dies wurde auch von den Medienvertretern schon im Spielverlauf so angemerkt.
In der Halbzeitpause meldeten sich nämlich viele Experten zu Wort, die das Spiel überraschend treffend beschrieben. Leider hatten sie wegen der Sendezeit und dem Spiel nur wenig Zeit und mussten sich darum kurz fassen. Ansonsten hätten wir sicherlich mehr Beobachtungen genießen dürfen. Doch ich habe diese hervorragenden Beschreibungen genommen und sie noch kurz und oberflächlich näher ausgeführt.
Jan Aage Fjortoft: „Zuviel Reagieren, kein Agieren.“
Norwegens deutschester Experte Jan Aage Fjortoft fasste die erste Halbzeit perfekt zusammen. Es wurde einfach nicht proaktiv genug gespielt, was vorrangig am hohen Ballbesitz der Eintracht, dem Zwang dazu durch die Hertha und die Spielweise der Berliner lag. Diese spielten nämlich einmal mehr mit ihrem 4-2-3-1/4-1-4-1-Defensivsystem, welches sich über die vielen Mannorientierungen definierte. Hosogai orientierte sich dabei an Rode, Skjelbred verfolgte Schwegler und Niemeyer sicherte dahinter ab. Niemeyer ging auch vereinzelt auf Rosenthal und Meier, wenn diese in seiner Nähe waren.
Fjortoft spielt dabei geschickt auf die Natur der Manndeckungen an, wo man auf die Bewegungen des Gegners reagiert und diese im Endeffekt spiegelt. Dadurch tut man sich schwer im konstanten Zustellen von Räumen und der Balleroberung in hohen Zonen, kann aber enormen Druck auf die einzelnen Spieler entfachen. Dies war der Fall; immer wieder gab es einzelne offene Räume bei der Hertha, welche sich aber auf der Hälfte der Frankfurter befanden.
Ramos stellte einen Innenverteidiger zu (den linken), der andere war offen. Schwegler kippte dann meistens ab und stand tiefer, Russ konnte dann in offene Räume aufrücken – wo er dann keine Anspielstationen mehr hatte und viele Bälle lang spielen musste. Fjortoft spielte aber nicht nur auf die Hertha an. Auch die Eintracht spielte zu reaktiv.
Die Frankfurter standen zwar hoch, waren dabei aber überaus passiv. Ihr 4-4-2 wurde defensiv immer wieder zu einem 4-1-3-2. Dies kam durch Rodes Mannorientierung auf Hosogai oder situativ Niemeyer zustande, welche er allerdings nicht konsequent durchziehen konnte, weil die Herthaner rein formativ schon einen Mann mehr im Mittelfeld hatten. In der Anfangsphase sah es meisten so aus, dass die beiden Stürmer sich sehr tief neben Niemeyer positionierten und Rode mit Hosogain mitging. Schwegler stand tiefer und sicherte das ab.
Diese passive Ausrichtung der Frankfurter Stürmer bedeutete ebenfalls eine „Reaktion“, statt einer Aktion, was mitverantwortlich für die schwache Anfangsphase der Eintracht war. Die Hertha hatte zu Beginn noch ein sehr sauberes Aufbauspiel, Hosogai ging in den Halbraum, Niemeyer kippte gelegentlich ab und die beiden Außenverteidigern standen sehr tief, was zu hoher Stabilität in der Ballzirkulation führte. Dieses Aufbauspiel war allerdings keineswegs durchschlagskräftiger als jenes der Eintracht. Lothar Matthäus sprach dies zur Halbzeit gut an.
Lothar Matthäus: „Die haben beide keinen Rhythmus im Spiel.“
Genau diese Rhythmusprobleme waren es, welche beiden Mannschaften – insbesondere in der Anfangsphase bei der Eintracht und später bei der Hertha – die größten Probleme bereiteten. Die Hertha konnte zwar den Ball in der eigenen Hälfte gut zirkulieren lassen, hatte aber Probleme im Übergang ins letzte Drittel. Die Frankfurter standen kompakt, formierten sich dann in ihrem engen 4-4-2 und sicherten die Mitte durch die ballfern diszipliniert einrückenden Außenstürmer gut ab.
Nur selten konnte die Hertha dann über das Mittelfeld nach vorne kommen, da ihnen schlicht die Akteure dafür fehlten und auch über die Flügel die Anbindungen nach vorne nicht ordentlich gegeben waren. Ähnlich erging es aber auch den Frankfurtern.
Wie erwähnt rückte Russ immer wieder schnell nach vorne und versuchte offene Räume zu infiltrieren, aber fand dann nur selten passende Anspielstationen. Sehr oft verschoben Russ und Schwegler hinten den Ball hin und her, nutzten Rode im Mittelfeld als Ablagestation, um Ramos zu überspielen und konnten dann gelegentlich auf den rechten Innenverteidiger spielen. Wirkliche Effektivität brachte dies nicht, obgleich Schwegler sich wie üblich gut bewegte, Rode schöne Ablagen zeigte und Russ extrem ambitioniert war. Der Rhythmus fehlte dennoch. Dies sollte sich aber erst in der Phase kurz vor dem 1:0-Treffer ändern.
Stefan Effenberg: „Die werden jetzt frecher.“
Nach dem besten Lexikon der Welt, Wikipedia, wird „frech“ heutzutage meistens als „respektlos“ gesehen, im Althochdeutschen heißt es so viel wie „begierig/ungezähmt“ und im Mittelhochdeutschen wurde „vrech“ zu „lebhaft/kühn/keck“. Welche Definition Effenberg im Sinne hatte – ich tippe auf die mittelhochdeutsche –, er hatte Recht. Die Eintracht startete ein höheres Pressing, positionierte die Stürmer eine Ebene weiter vorne und ließ Rode öfter zwischen Niemeyer und Hosogai pendeln.
Insbesondere das Aufrücken der Stürmer auf die gegnerischen Innenverteidiger erhöhte den Druck und die Präsenz im Defensivspiel, wodurch die Hertha ihre Ausweichzone verlor. Damit kamen sie kaum klar und hatten noch größere Probleme im Aufrücken, besonders weil die Frankfurter oftmals in einem 4-4-1-1 pressten, wo Meier und Rosenthal die Innenverteidiger wechselnd unter Druck setzten, während einer dem Mittelfeld mit einer tieferen Position half.
Generell war die Aufteilung von Rosenthal und Meier interessant. Beide ließen sich fallen, tauschten die Positionen oder spielten in einzelnen Szenen gar als „schwimmende Neuneinhalber“ nach Freiburger Vorbild aus der letzten Saison. Hier fand die Manndeckungsspielweise der Herthaner ein Limit, denn wenn sich beide Stürmer kurz in Richtung Mittelfeld fallen ließen, waren sie nicht ordentlich zu verfolgen und wurden für Eintrachts Defensive anspielbar.
Russ‘ Aufrücken wurde dadurch effektiver, auch Rode und Schwegler fanden besser ins Spiel. Eintracht hatte nun mehr vom Spiel und Ball, griff mehr an und war bis in die zweite Halbzeit hinein die klar bessere Mannschaft. Die langen Bälle gab es nun seltener, auch im Kombinationsspiel wurde die Eintracht „frecher“. Sie trauten sich öfter in die Zweikämpfe mit der Hertha, ließen Anspiele kurz und dynamisch prallen, liefen sich frei und konnten dadurch die Nachteile der Manndeckung bespielen; etwas, was vielen Bundesligamannschaften in dieser Saison nicht gelang.
Stefan Effenberg: „Frankfurt macht jetzt nicht mehr viel, ist aber auch nicht gefordert.“
Später formierten sich die Frankfurter wieder tiefer, wieder passiver in hohen Zonen und mit ähnlicher Intensität in der eigenen Spielhälfte. Die Hertha versuchte die Bewegungen der gegnerischen Außenverteidiger zu bespielen, wollte in die offensiven Halbräume kommen und versuchte mit den Einwechslungen von Ronny und Sandro Wagner vorne mehr Präsenz zu erzeugen, was kaum gelang.
Die Eintracht hatte zwar nun wieder weniger vom Spiel und war nicht allzu überzeugend, im Gegensatz zur Phase zuvor, konnte aber für Stabilität sorgen. Auch Armin Veh wechselte übrigens: Schröck übernahm die Rolle Inuis, wurde in der Schlussphase dann nach rechts geschoben. Joselu kam nämlich in der 75. Minute für Aigner und ging nach vorne, Rosenthal orientierte sich nach rechts und wurde in den letzten fünf Minuten für Madlung ausgewechselt, woraufhin Rode nach links ging und Russ die Sechserposition übernahm (ergo Schröck von links auf rechts).
Kai Dittmann: „Ergebnisse sind wichtig.“
Selten wurde ein Spiel so gut zusammengefasst. Es gab neun Schüsse – sechs davon von der Hertha. Wirklich gefährlich war aber nur ein Schuss, nämlich das Tor der Eintracht. Insgesamt gab es nur zwei Schüsse aufs Tor in dieser Partie, beide Mannschaften bestachen nicht durch Kreativität, sondern durch „Rhythmusprobleme“ und „zu wenig Agieren“. Es war kein starkes Spiel, sondern eine eher träge Partie, in der die Eintracht eine kurze starke Phase hatte, die Hertha aber längere Zeit weniger schlecht war.
Gerne hätte ich noch mehr Ausführungen der Experten näher ausgeführt, nach dem Spiel wurde aber leider über irgendwelche Ellenbogen und den Charakter eines jungen Peruaner sowie Stereotypen diskutiert.
7 Kommentare Alle anzeigen
fluxkompensator 27. Januar 2014 um 09:38
sehr schöner ansatz für einen analyse, haha. auch lobend zu erwähnen sind die grafiken zu den mannschaften jeweils in der offensive wie in der defensive – scheint sich ja jetzt durchgesetzt zu haben. kleines, aber sehr feines detail!
Vinnie 27. Januar 2014 um 00:23
Geniale Gliederung 🙂
CF 26. Januar 2014 um 14:48
Lässiger Aufbau des Artikels 😉
Zum Spiel gab einige interessante Bewegungen, gerade von Meier und Rosenthal. Haben beide auch sehr gut Rückwärtsgepresst, wenn Rode sich ziemlich weit raus ziehen lassen hat, war hinter ihm viel Raum der von den Stürmern bei bespielen dieses Raumes gut gepresst wurde. Daraus resultierten zwar keine Ballgewinnen aber viel Raum wurde gefressen und es entstand eine Art Pressingfalle.
Zu dem gab es einige gute Anpassungen von Veh an Hertha. Was immer wieder auf viel war das die Positionierung von Rode und Schwegler in Verbindung mit Skeljbred Bewegungen. Waren da sehr gut auf die Bewegungen von Skeljbred angepasst.
Trotzdem gibt es noch Potential nach oben aus Sicht von Frankfurt. Inui war extrem schlecht eingebunden und Schwegler hätte man noch besser einbinden können war aber schon ganz gut. Weiß nicht ob das Inuis Rolle ist auf dem Flügel ist ja auch ein sehr interessanter Spieler der auf einer andere Position und einen Fokus auf ihn sehr gut sein könnte. Weiß jemand vielleicht wie er in Duisburg eingebunden wurde?
L 26. Januar 2014 um 23:36
Inui war davor nicht bei Duisburg, sondern bei Bochum und da war es so, dass ihn der alte Eintracht-Trainier Funkel teilweise in die Mitte zog und ihn auf der 10 mit ins kreative Spiel einband – leider jedoch nie sein Talent wirklich erkannte und ihn später mit den Worten „Inui verliert zu leicht die Bälle. In Bochum haben wir drei, vier Kontertore bekommen, weil er den Ball leichtfertig hergegeben hat“ bedachte. Ich war im Stadion und muss sagen Inui ist wie so oft in letzter Zeit etwas zu bemitleiden. Das Zusammenspiel mit Djakpa funktioniert längst nicht so gut wie das mit Oczipka in der letzten Vorrunde aber die kann leider kaum als Maßstab für die jetzige Verfassung der Eintracht gelten.
VB 26. Januar 2014 um 12:06
Danke für die Analyse. Würde ich sagen, wenn ich mich bedanken wollte. Und das will ich auch. Leider hatte das Spiel an der Qualität der Analyse keinen großen Anteil.
Zwei Fehler die bei Analysen im Rekordtempo schon mal passieren können:
„Die Partie gegen Frankfurt gegen Hertha“
„immer wieder gab es einzelne offene Räume bei der Hertha, welche sich aber auf der Hälfte der Freiburger befanden.“
RM 26. Januar 2014 um 13:03
Danke für das Lob und die Kritik. Das würde ich sagen, wenn ich mich für Lob und Kritik bedanken würde. Und das will ich auch.
Ich habe die Fehler ausgebessert. Das würde ich sagen, wenn ich die Fehler ausgebessert hätte. Und das habe ich auch.
(erinnert nur mich das an die SouthPark-Folge „Sarcastaball“ und besonders die Arzt-Szene?)
LS 26. Januar 2014 um 23:00
Ne, mich auch. Wobei die Folge teilweise (die Werbung für Butters „Creemy Goo“ oder wie des hieß) schon extrem räudig ist.
Ansonsten wie eigentlich immer toller Artikel. Würde und will ich sagen. Oder so.