Türchen 19: Samir Nasri
Wie wird eigentlich Samir Nasri gesehen? Man findet kaum Aussagen über den französischen Techniker, die darüber hinausgehen, dass er Franzose und Techniker ist.
Wendig, ballstark, diese Attribute sind offensichtlich. Das gilt aber für eine ganze Reihe von Spielertypen. Doch Nasri scheint kein wirklicher Dribbler zu, dafür geht er zu selten Eins-gegen-Eins. Für einen Spielmacher ist er zu unpräsent – weder verteilt er die Bälle weiträumig im Mittelfeld, noch zeigt er regelmäßig attackierende Pässe in die Spitze. Gleichzeitig hat man bei keinem dieser Profile das Gefühl, dass Nasri überhaupt nicht reinpasst.
Der Mann, der alles konnte, aber nur irgendwann
Man hat alles schon mal von Nasri gesehen: Druckvolle Dribblings gegen Gegner und in Räume, spektakuläre Pässe, strategische Pässe, starke Distanzschüsse. Meistens beschränkt er sich aber auf naheliegendes; in vielen Spielen erreicht er sehr hohe Passquoten. Die aufregenden Aktionen ruft er nur ab, wenn sie naheliegend werden. Wenn sich die Situation in eine bestimmte durchschlagende Aktion entwickelt, kann er diese abrufen. Er erzwingt sie aber nicht, weswegen man sie seltener sieht als bei ähnlich begabten Spielern.
Merkwürdigerweise erscheint seine Entscheidungsfindung dennoch nicht streng logisch wie bei einem Götze oder Iniesta. Vereinzelt versucht er immer wieder überraschende Dinge, die in der Situation auf – teils unscheinbare Weise – sinnvoll wirken, aber nicht die klarste Option darstellen. So bricht er recht plötzlich aus seiner unauffällig verbindenden Spielweise aus und entwickelt diese schwer zu greifende Mischung aus verschiedenen Spielertypen. Dadurch bewahrt er sich einen Überraschungsmoment, der vielen „reifen“ Technikern abgeht“.
Konstant stark zeigt er sich im Kombinationsspiel und kann auch in sehr engen Räumen problemlos mit dem Ball arbeiten. Insofern ist er in seinen Fähigkeiten und seinem Entscheidungsrhythmus ein sehr passender Spieler für eine stark auf Ballbesitz ausgerichtete Mannschaft, die aus einer sehr flexiblen Ballzirkulation heraus klare, saubere finale Aktionen erspielen will.
Variationsspieler
Passend dazu ist auch seine Position etwas unklar. Er kann auf beiden Flügeln und auf der Zehnerposition agieren, auch ein Einsatz als offensiver Achter wäre möglich. Seine Bewegungen erstrecken sich im besten Fall auf den gesamten Offensivbereich und phasenweise auch die Sechserräume. Dabei scheint er keine Bereiche zu präferieren, sondern seine Bewegungen durch das Mittelfeld wirken regelrecht zufällig.
Allerdings ist es nicht so, dass er völlig wahllos und unstrategisch durch das Mittelfeld irrt, wie das beispielsweise (der individuell sehr ähnlich begabte) Moritz Leitner manchmal tut. Ähnlich wie mit dem Ball ist seine Entscheidungsfindung nicht streng logisch, aber doch sinnvoll. So ändert er die Balance des Spiels, ohne Unbalanciertheit zu verursachen; beziehungsweise ergibt sich nur eine ganz leichte Disbalance, die von seinen Nebenleuten im Rahmen ihrer Möglichkeiten leicht zu kompensieren ist.
So belebt er die Ballzirkulation auf subtile Weise. Das Spiel seiner Mannschaft wird organisch ohne wild zu werden. Nasri ist ein Variationsspieler, der neue Wege erschließt, ohne sich zu verirren. Variabilität und Überraschungseffekt ohne Inkonstanz – eine total schöne und seltene Mischung.
Wegen seines geringen Zugs zum Tor wirkt seine wechselhafte Art zu spielen oberflächlich betrachtet „frech“ und jugendlich. In gewisser Weise ist sie das wohl auch. Nasri verbindet diese Unbekümmertheit aber mit einer intuitiven strategischen Reife – allerdings nicht indem er seine individuellen Fähigkeiten sehr definiert und effektiv einbringt wie ein Ribery, Götze oder Messi, sondern in subtilerer Form, die leicht übersehen wird. Ihm ist die echte Kreativität – das Finden neuer Möglichkeiten – nicht abhanden kommen, als er sich an die Anforderungen des taktisch konstanten Fußballs des 21. Jahrhunderts anpasste. Das macht ihn zu einem ganz außergewöhnlichen Spieler, der stattdessen wohl als eine Art „ewiges Talent“ in die Fußballgeschichte eingehen wird.
9 Kommentare Alle anzeigen
CF 25. Dezember 2013 um 10:57
Das er als ewiges Talent in die Geschichte eingehen wird liegt es auch daran dass ihm die Trainer falsch einbinden?
MR 26. Dezember 2013 um 02:30
Hmm, das würd ich nicht sagen. Eigentlich bindet er sich ja von selbst ein, so viel kann man da bezüglich seiner Rolle gar nicht falsch machen; wenn man ihm nicht grad sagt, er muss die ganze Zeit seine Position halten.
Eher ist es wohl so, dass ihm
a) teilweise die richtige Umgebung fehlt, um in seiner Spielweise so richtig effektiv zu sein – bisschen zu wenig Variabilität und Dominanz in der grundlegenden Anlage bei City, nur manchmal blühen die auf. Wäre wohl besser bei Arsenal geblieben…
b) aus diesem Grund die Wertschätzung der Trainer ein bisschen abgeht. Das war bei Mancini ganz bestimmt so, bei Pellegrini in geringem Maße wohl auch noch.
Bei Blanc war er ja ein ganz wichtiger Spieler, da passte die Mannschaft auch zu ihm. Aber diese Mannschaft konnte sich nicht schnell genug weit genug entwickeln, um dann so top und durchschlagskräftig zu sein, wie das für Nasri perfekt wäre. Wobei Nasri für mich glaube trotzdem der beste Offensivspieler der Vorrunde war. Insofern schade, dass die ganzen französischen Sechsertalente bei der EM noch nicht ein paar Jahre weiter waren und dass Frankreich im VF schon gegen Spanien musste, wo Nasri ja wegen taktischer/strategischer Anpassung draußen blieb.
Dass er wohl für immer bisschen unterbewertet bleiben wird, liegt dann eher daran, dass er halt so ein Spielertyp ist, der eigentlich dauernd gut spielt, aber individuell nur manchmal glänzt – was aber im richtigen Kontext gut ist! – und er von den individuell fokussierten Beobachtern einfach nicht ausreichend geschätzt wird, selbst wenn er sein Potential abruft. Oder, wie wurde er bei der EM denn so bewertet?
CF 26. Dezember 2013 um 19:43
Sehe gerade das Spiel und eigentlich ist Nasri von den Bewgungsmustern und den Qualitäten eigentlich nciht richtig schwer einzubidnen, aber um seine ganze Klasse die aus meiner Sicht dann aufjeden Fall Welklasse wäre voll zu entfalten. Bräuchte man wie du schon sagst die richtigen Spieler und auchd en richtigen Trainer.
Wäre ein interessantes Projekt, wenn Nasri bei Bayern unter Guardiola spielen würde. Man könnte ihn wahrscheinlich Ideal ein bauen.
Finde ihn von den Bewegunsmustern übrigesn einen der coolsten und modernsten Dudes.
SB 26. Dezember 2013 um 22:11
Kann man ihn vielleicht als dynamischeren, dribbelstärkeren Kroos charakterisieren? Die Beschreibung und das, was ich bislang von ihm gesehen habe, lässt den Anschein vermuten. Das könnte dann auch der Grund sein, warum er als „ewiges Talent“ gesehen wird: er kann sein u.a. sein Dribbelpotenzial oder Spielmacherpotenzial nur selten ausschöpfen, weil es die Situation meist nicht verlangt und er eher öfter als eine Art Verbindungsspieler eingesetzt wird.
Strafraumautist 27. Dezember 2013 um 08:44
Ein dynamisch dribbelstarker Kross klingt für mich stärker als welkklasse.
MR 27. Dezember 2013 um 16:55
Gerade das spielmachende, weitgreifende und strategische von Kroos geht ihm ein bisschen ab, würd ich sagen.
Man könnte vlt sagen, er ist der Durchschnitt aus Kroos und Götze. Kommt ziemlich gut hin, find ich. Von den Fähigkeiten wie vom taktischen Verhalten.
Malabac 19. Dezember 2013 um 18:58
„Man findet kaum Aussagen über den französischen Techniker, die darüber hinausgehen, dass er Franzose und Techniker ist“
Lustiger Weise bin ich auch nach diesem Artikel nicht schlauer.
Er ist taktisch nicht stark, aber auch nicht schwach…
Ändert die Balance, aber nicht grundlegend…
Und und und…
Ich schaue kaum ManCity, aber ich habe das Gefühl ich fange jetzt damit an 😀
blub 19. Dezember 2013 um 19:16
Nasri kann halt irgendwie alles, macht aber nie was bestimmtes.
scharf 20. Dezember 2013 um 14:12
Er hat eine feine Schusstechnik, was ihn auch oft zum berühmten Robben von Linksaußen befugt.