Italien U21 – Niederlande U21 1:0

Lange Zeit deutete in diesem Halbfinale vieles auf die Verlängerung hin – die Pressingpläne und Defensivkonzepte dominierten über die Offensivkraft. Doch dann erzielte Borini doch noch den Treffer, der Italien ins Endspiel brachte.

Grundformationen und Spielcharakter

Nachdem sie in ihrem letzten Gruppenspiel gegen Spanien auf allen Positionen getauscht hatten, liefen die Niederländer nun wieder mit ihrem Stammpersonal auf. Auch die Italiener formierten sich in der bekannten Aufstellung und der gewohnten 4-4-2-Formation, doch gab es hier zumindest kleinere Veränderungen.

u21-em-2013-ita-nedLinks in der Viererkette wurde Biraghi durch den eigentlichen Innenverteidiger Regini ersetzt, um gegen niederländische Konter und die Dribblings von Wijnaldum gewappnet zu sein. Weiter vorne auf der Seite konnte der zuletzt verletzte Insigne überraschenderweise schon wieder mitspielen und kam für Sansone, während Saponara auf dem rechten Flügel ebenfalls weichen musste. Hier entschied sich Devis Mangia mit dem eigentlichen Achter Florenzi für die defensivere Variante, die im Gruppenspiel gegen England gezeigt worden war, so dass Rossi neben Verratti im Mittelfeld in der Mannschaft verblieb.

Alles in allem war es eine selten überzeugende Partie mit wenigen Torszenen. Die jeweiligen Abwehrreihen der Teams standen grundsätzlich wie erwartet sicher und auch die Viererketten zeigten eine gute Leistung. Darüber hinaus konnte von beiden Mannschaften engagiertes Pressing beobachtet werden, das diese mit leichten Unterschieden und besonderer Konzentration auf die jeweils gegnerischen Schlüsselspieler ausführten.

Fokus auf Verratti

Die wie gewohnt mit vielen Mannorientierungen agierenden Niederländer achteten ganz besonders auf Italiens tiefen Spielmacher Marco Verratti. Dieser ist normalerweise der Knotenpunkt in der sicheren Ballzirkulation Italiens und setzt die meisten Akzente nach vorne, weshalb Maher sich stets in seiner Nähe aufhalten und Zuspiele auf den PSG-Akteur verhindern sollte. Auch Luuk de Jong agierte meistens in etwa auf dieser Höhe und konnte entstandene Löcher in der Zentrale füllen, wenn Maher von den zurückfallenden Bewegungen Verrattis weggezogen wurde.

Alles in allem konnte dieser wegen Maher nicht so gut ins Spiel eingebunden werden, wie die Italiener das gerne gehabt hätten. Ohne die Dominanz ihres zentralen Gestalters und Ballverteilers fehlte es ihnen oftmals an Optionen und spielerischen Impulsen nach vorne. Zwischen dem Mittelfeld und den Angreifern fehlten die Verbindungen, was sich auch dadurch bedingte, dass Verrattis Zurückfallen der italienischen Präsenz im Zentrum abträglich war und von den Außenverteidigern nicht mit vorstoßenden Bewegungen beantwortet wurde. Auch Florenzi als eigentlicher Mittelfeldspieler konnte diese fehlenden Verbindungen nicht aufbauen, da er häufig dazu gebraucht wurde, Räume im tieferen Mittelfeld zu füllen, und ohnehin eher absichernd agierte.

Situativ asymmetrische Abwehr

Italiens größte Hoffnung in der Offensive hieß daher Insigne – der äußerst bewegliche und präzise Napoli-Mann sollte für die Verbindungen in den Angriff sorgen, wofür er immer wieder auch einrückte und recht frei agierte. Allerdings wussten die Niederländer um dessen Gefährlichkeit und ließen Gegenspieler van Rhijn – auch wegen des vorsichtigen Linksverteidigers und dem eher geringem Aufrücken bei Italien – die Mannorientierung auf Insigne sehr konsequent ausspielen.

Mit der vorsichtigeren Ausrichtung Florenzis entstanden bei Italien immer wieder auch asymmetrische 4-3-3- oder gar 4-3-1-2-Formationen, auf die die Niederländer mit einer ganz eigenen Asymmetrie reagierten. In Verbindung zu van Rhijns aggressiver Deckung auf Insigne erzeugten die anderen drei Abwehrspieler gelegentlich eine Dreierkette gegen die italienischen Angreifer – der auch als Innenverteidiger erfahrene Blind passte mit seinem Spielstil gut auf die ausweichenden Bewegungen, die Borini manchmal zeigte.

Abgesehen von einer kurzen Phase unmittelbar vor der Halbzeitpause standen die Niederländer mit ihrer Defensivausrichtung und der Konzentration auf Verratti und Insigne äußerst sicher, was durch die vorsichtige Ausrichtung Italiens noch unterstützt wurde. Letztlich machten die Italiener allerdings doch noch das entscheidende Tor: Nach einem langen Ball konnte van Rhijn Insigne stellen, den Pass aber nicht verhindern – der für den verletzten de Vrij gekommene van der Hoorn sah gegen Borini unglücklich aus und dieser verwandelte gegen Zoet.

Italiens Pressing und das niederländische Mittelfeld

Dass die Niederländer anschließend nicht mehr antworten konnten, kam angesichts ihres schwachen Offensivspiels in der Zeit zuvor nicht unbedingt überraschend. Im Vergleich mit de Jong und Maher, die sich an der Positionierung Verrattis orientierten, spielte Italien das Pressing höher und die Stürmer ihres Defensiv-4-4-2 stellten häufiger die gegnerischen Innenverteidiger zu.

Im Mittelfeld von Oranje hatten überraschenderweise Strootman und van Ginkel sowohl die Seiten als auch die Rollen getauscht – der Kapitän agierte nun halbrechts als tiefster Mittelfeldmann und Aufbauspieler, während sich van Ginkel auf halblinks verstärkt um die Verbindungen nach vorne kümmerte. Ersterer fiel einige Male nach hinten zurück und unterstützte die Innenverteidiger, wurde dann allerdings von einem italienischen Mittelfeldspieler verfolgt, so dass für die Niederländer Probleme entstanden, Anspielstationen im Aufbau zu finden und sich dem frühen Druck der Squadra Azurra zu widersetzen. Insgesamt griffen sie einige Male zu früh zum langen Ball.

Zu häufig über die Außenbahnen

Dennoch generierten die Niederländer einen hohen Ballbesitzwert und dominierten die Partie, hatten allerdings auch im letzten Drittel einige Probleme mit ihrem Spiel gegen die starke Endverteidigung der Italiener. Die beiden Außenverteidiger agierten etwas zögerlich (Blind) oder fanden nicht zu durchschlagender Effektivität (van Rhijn), während insbesondere die Außenstürmer erneut durch einen zu deutlichen Flügelfokus auffielen, der sich statistisch gesehen in 72 % Angriffen über die Seiten und 22 Flanken ausdrückte.

Auf diese Spielweise stellten sich die Italiener geschickt ein und ließen einige Male gar Insigne als Gegenmittel zocken. In den entscheidenden Situationen war dieser dann zur Stelle, doch immer wieder blieb er vorne und Italien formierte sich mit dem einrückenden Florenzi in einer asymmetrischen 4-3-Stellung vor dem Strafraum. Von dieser Aufreihung ließen sich die Niederländer zu leicht auf die Flügel lenken, so dass Insignes – über bestimmte Phasen bewusste – defensive Freiheiten die gegnerischen Probleme betonten.

Auf der linken Seite startete van Ginkel immer wieder diagonale Läufe auf die Seite und versuchte nach Zuspielen von Ola John in freie Räume zu kommen, allerdings wurde dieses Mittel mit der Zeit vorhersehbar und die Niederländer ließen sich hier einige Male auf dem Flügel festnageln. Ohnehin konnte der eingerückte Florenzi diese Rochaden van Ginkels meistens recht einfach aufnehmen, so dass hieraus – abgesehen von einer Szene nach einem Konter – keine Gefahr entstand.

Die Räume im Rückraum nicht gut genug genutzt

Die von van Ginkel gelegentlich freigelassenen Bereiche im linken Halbraum nutzen die Niederländer darüber hinaus nicht abgestimmt genug aus. Wegen seiner generell eher absichernden Rolle war Blind auch hier ein wenig vorsichtig, wobei ihm zudem der nach links tendierende Strootman ein wenig in die Quere kam, der wiederum etwas den Kontakt zu Maher verlor.

Allerdings trugen Strootmans Bewegungen, die einerseits eben Teil einer etwas desbalancierten Offensive waren, andererseits auch zum gefährlichsten Aspekt der niederländischen Angriffe bei – dem Bespielen des Rückraums. Wenn das italienische 4-4-2 sich gegen den niederländischen Vorwärtsdrang am Flügel tief fallen ließ, konnten diese die flache Staffelung des Gegners ausnutzen und bei Querpassen im Bereich des Strafraums einige freie Aktionen erzeugen. So verfehlte Maher ein scharfes Zuspiel Strootmans von halblinks nur knapp und scheiterte unglücklich mit zwei Freistößen (einmal Pfosten), die Italien nach brenzligen Situationen im Rückraum hatte verursachen müssen.

In den Schlussminuten und insbesondere nach dem Gegentor konnte das Team von Cor Pot offensiv nicht mehr zulegen. Zu den Problemen im letzten Spielfelddrittel gesellten sich auch neue Aspekte beim Spielaufbau: Als die Italiener mit zunehmender Spielzeit immer passiver geworden waren, verschenkten die niederländischen Innenverteidiger – besonders nach der Verletzung de Vrijs – den Platz, den sie bekamen, und rückten nicht raumgewinnend vor. So verbrauchten sie viel Zeit unnötig für das Aufrücken und hatten nicht mehr die Quantität an Offensivaktionen, um über Druck und Präsenz noch ein Tor erzwingen zu können.

Fazit

Trotz der niederländischen Dominanz und der geringen italienischen Offensivgefahr muss sich Oranje das Ausscheiden aufgrund einiger Probleme im Angriffsspiel selbst auf die Fahnen schreiben – mit großen Ambitionen angetreten, konnten sie in vier Spielen nur in drei Halbzeiten vollends überzeugen. Obwohl sie die etwas bessere von zwei harmlosen Mannschaften waren, ist die Niederlage nicht ganz unverdient. Italien zeigte am Ende die nötige Kaltschnäuzigkeit und Effektivität, mit der sie das Spiel für sich entschieden – sie standen defensiv weitgehend sicher und warteten auf die entscheidende Chance. Dies ist eine ihrer großen Stärken – nun ist die Frage, ob Italien sich auch gegen das bisher beste Turnierteam aus Spanien behaupten kann. Dafür müssen sie in der Offensive zulegen und an die viel besseren Leistungen gegen Israel oder Norwegen anknüpfen.

Rosinenmann 19. Juni 2013 um 14:15

Hallo liebes Spielverlagerungsteam,

ich habe vorgestern meine Bewerbung abgeschickt, vielleicht könntet Ihr ja auch bei Nichtinteresse antworten, da ich mich gerade fast frage, ob diese Aufforderung hier überhaupt ernst gemeint war 😉
Vielen Dank schonmal im Vorrus

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blub 17. Juni 2013 um 00:11

nice. hab ich wirklich gerne gelesen.

können wir noch mit dem anderen Halbfinale rechnen?

Antworten

RM 17. Juni 2013 um 00:43

Hoffe ich doch. Wir suchen allerdings noch für MR jemanden, der gut mit einer Peitsche umgehen kann. Als Motivationswerkzeug und so. Meldungen bitte an [email protected].

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