Niederlande U21 – Russland U21 5:1
Die Niederlande mit einem Kantersieg gegen verbesserte Russen, deren riskante und mutige Ausrichtung nicht belohnt wurde. Nach einem eigenen Platzverweis wurden sie sogar zum besseren Team, eher Oranje die Konsequenz wiederfand.
Russische Umstellungen
Nach dem Auftaktsieg gegen das deutsche Team gab es bei den Niederländern keine personellen oder grundlegenden taktischen Veränderungen. Bei der bisher enttäuschenden russischen Mannschaft dagegen wurde nicht nur die Grundformation zu einem 4-4-1-1 umgestellt, sondern auch die Ausrichtung neu organisiert. Shatov wechselte aus dem Zentrum auf die rechte Seite und wurde dort vom herausrückenden Sechser Petrov unterstützt, der gegen Spanien noch der beste Akteur des Teams gewesen war.
Auf der anderen Flanke entstand ein Duo aus dem immer wieder nach vorn stoßenden Yakovlev und dem sehr beweglichen Dzagoev, der als nomineller Zehner auch den Aufbau mit ankurbelte oder durch ausweichende Läufe nach hinten und auf die außen für Raum sorgte, den Yakovlev attackieren konnte. Auch Außenverteidiger Schennikov schaltete sich diesmal besser nach vorne ein, während Mittelstürmer Smolov viel auf die Seiten auswich, so dass das niederländische Defensivkonzept aus dem ersten Spiel über verschiedene entstehende Tandems, die die Bälle füreinander in freie Räume weiterleiteten, einige Male ansatzweise geknackt werden konnte. Insgesamt waren die Russen deutlich gefährlicher, als noch gegen Spanien (Großschance Yakovlev, nicht gegebener Handelfmeter), auch wenn nur wenig klare Torszenen heraussprangen.
Aufrückende Innenverteidiger und van Ginkel gegen frühes Pressing
Bei niederländischem Ballbesitz präsentierte sich das russische Team in einer aktiveren Ausrichtung und versuchte relativ früh Druck zu machen, behielt dabei die häufige Nutzung von Mannorientierungen allerdings bei. In dieser Hinsicht hatte Dzagoev eine Doppel-Rolle zu spielen, da er sich situativ sowohl um de Vrij als auch van Ginkel kümmern sollte, während die offensiven Außen sporadisch ebenfalls die Innenverteidiger attackierten und dabei ihren eigentlichen Gegenspieler im Deckungsschatten zu halten versuchten.
Durch die aus dem Deutschland-Spiel bekannte „Torwartraute“ sowie gute Bewegungen der Außenverteidiger und zentralen Mittelfeldspieler konnten die Niederländer aber dagegen vorgehen – anfangs fanden sie die freien Spieler nur sporadisch, mit zunehmender Dauer des ersten Durchgangs immer häufiger. Während Linksverteidiger Blind einige Flugbälle gut weiterleitete, tat sich insbesondere van Ginkel hervor, geschickt in die tiefen Zwischenräume zu gehen und mit gelegentlichen Abkippbewegungen nach rechts die russischen Zuordnungen aufzureißen. In entsprechenden Situationen konnte Jong Oranje sich auch über Vorstöße der Innenverteidiger befreien, die solche Szenen gut erkannten und mit Ball aufrückten.
Die niederländische Offensive
Nach dem Umspielen des russischen Pressings zeigten sich die Niederländer im letzten Spielfelddrittel etwas besser als noch gegen die deutsche Auswahl. Kapitän Kevin Strootman machte ein besseres Spiel, attackierte geschickt freie Räume mit einzelnen Läufen, die Russland über Passivität kontrollieren wollte, und unterstützte effektiver auf dem linken Flügel. Auch Gladbachs Stürmer Luuk de Jong steigerte sich – er fiel häufiger und effektiver in seitliche Freiräume zurück, legte Bälle sicherer ab und band sich besser ins Zusammenspiel ein. Dafür wurde die Rolle von Adam Maher angepasst, der ausweichender und raumschaffender agierte als noch gegen die DFB-Elf, allerdings in engen Situationen immer noch Verbindungsspieler zur Verfügung stand und einige anspruchsvolle Szenen im Zusammenspiel meisterte.
Mit einer gelegentlich zu hektischen Spielweise in kniffligen Situationen und einem etwas unreflektierten Suchen des Weges auf den Flügel machten sie sich einige Situationen allerdings auch wieder kaputt, wobei Wijnaldum und John schon häufiger in der Mitte auftauchten als noch in der ersten Partie. Letzterer suchte in Strafraumnähe noch gerne das Dribbling zur Grundlinie, doch besonders in den tieferen Zonen des Feldes war das Bespielen des Halbraums durch die beiden offensiven Außenspieler verstärkt der Fall. In etwas anderer Form waren die Bewegungen Wijnaldums auch für dessen Führungstreffer (38.) verantwortlich: Nach einem langen Ball schob er zentral in den Raum vor der russischen Abwehr, so dass seine Mannschaft besser auf den von de Jong abprallenden zweiten Ball stand, er nach dem Aufsammeln des Leders ein kurzes Dribbling starten und dies mit einem unbedrängten Schuss aus etwa 20 Metern erfolgreich abschließen konnte.
Ein Platzverweis mit überraschenden Auswirkungen
Die zweite Halbzeit begann mit einer glatten und vielleicht etwas harten Roten Karte für Russlands Rechtsverteidiger Chicherin. Diese Entscheidung schien die Chancen der zurückliegenden und dezimierten Mannschaft allerdings nicht zu schwächen, sondern ihnen tendenziell mehr zu helfen als den Niederländern. Diese verloren im Anschluss an den Platzverweis die Konsequenz und waren gegen das russische Team in dieser Phase unterlegen.
Entscheidend dafür war, dass Trainer Pisarev keine vorsichtige Reaktion auf die Unterzahl zeigte, sondern nominell das Mittelfeldzentrum schwächte – mit Tsallagov wechselte einer der beiden Sechser auf die Position Chicherins, während Petrov das Zentrum alleine bespielte und dabei immer wieder vom beweglichen Dzagoev mit zurückfallenden Aktionen unterstützt wurde. Wie schon im ersten Spiel zeigte sich Petrov spielintelligent und bewegte sich in die richtigen Räume, was sich in dieser Phase mit dem großen Engagement Dzagoevs ergänzte. Der A-Nationalspieler glänzte mit einigen gelungenen Weiterleitungen und sorgte in Unterzahl mit hohem Laufaufwand für die Verbindungen zwischen dem einzigen Sechser und der hochstehenden Offensivabteilung. Von diesen beiden Spielern animiert, blühte auch Shatov verstärkt auf, der bereits zuvor mit einigen unorthodoxen Läufen für Unruhe hatte sorgen können.
Wie Oranje sich selbst aus dem Spiel nahm
Weil die Niederländer mit der Führung und der Überzahl im Rücken sowohl bei eigenem als auch bei gegnerischem Mittelfeld ihre Flexibilität verloren und immer mehr in der eigenen Grundformation erstarrten, konnten die Russen trotz Unterzahl häufig nach vorne kommen und Abschlüsse kreieren. So wie Dzagoev, Petrov und Shatov sich bei den Angriffen sinnvoll in den niederländischen Zwischenräumen anboten, schwirrten sie auch beim wieder deutlich aktiver und aggressiver werdenden Pressing innerhalb der gegnerischen Reihen zwischen deren einzelnen Akteuren umher. Damit konnten sie die Unterzahl zu einem gewissen Grad ausgleichen, selbst die spielstarken Niederländer an deren Strafraum bedrängen und immer wieder lange Bälle provozieren.
Allerdings trug Jong Oranje auch selbst etwas zu dieser Situation bei, da sie – wie bereits erwähnt und wie auch schon gegen die deutsche Mannschaft nach der Pause angedeutet erkennbar – ihre Beweglichkeit einbüßten, was insbesondere auf das Mittelfelddreieck sowie die Bewegungen der offensiven Außen zutraf. Die schematischen Löcher in der russischen Formation lagen eindeutig im Mittelfeldzentrum, die sich dort bietenden riesigen Lücken wurden von den niederländischen Akteuren aber ignoriert oder viel zu inkonsequent ausgenutzt. Stattdessen wählten sie erneut zu oft den Weg auf den Flügel, wo Russland allerdings weiterhin eine Doppelbesetzung aufgeboten hatte.
Die letzte halbe Stunde voller Tore und Einwechslungen
Erst, als van Ginkel in einer Szene die niederländische Überzahl aus der Zentrale mit einem hinaus rochierenden Lauf auf den Flügel hinüber transferierte, brachten die Angriffe über außen etwas ein – Russland wurde links defensiv überladen und de Jong köpfte ein. Da sich in der Grundbalance des Spiels allerdings nichts veränderte, kam das schnelle Anschlusstor für Russland auch in seiner Entstehung nicht unbedingt überraschend. Erst danach stabilisierten sich die Niederländer wieder, wobei sie von Ola Johns simplem 3:1 profitierten, das nach einer Verlängerung eines langen Balles fiel und Russlands Hoffnungen genauso schnell zerstörte, wie sie gekommen waren.
Mit dem 3:1 im Rücken und der Einwechslung neuer Spieler fanden die Niederländer ihre Konsequenz zurück und konnten nun die riskante russische Spielweise dementsprechend bestrafen. Besonders stachen die beiden Spieler hervor, die sich auch noch in die Torschützenliste eintrugen: Leroy Fer kam für Maher ins Spiel und sollte als defensivstarker Allrounder für mehr Stabilität sorgen. Trotz seiner Größe ist er recht beweglich und besitzt einen schwierig zu kategorisierenden Torinstinkt. Positiv hervorzuheben ist sein Gespür für Positionierungen, mit denen er gute Verbindungen herstellen kann, allerdings agiert er innerhalb einzelner Spiele unkonstant und erzeugt mit gelegentlich mangelnder Übersicht festgefahrene Situationen.
Für Luuk de Jong kam mit Danny Hoesen ein körperlich starker, aber dennoch technisch und spielerisch überzeugender Mittelstürmer, der sich in der letzten Zeit sehr gut entwickelt hat. Er weicht viel in der Horizontale aus, entfernt sich dabei aber nicht allzu weit aus dem Zentrum, um noch in die Kombinationen eingebunden zu sein. Spielerisch ist er de Jong bei anspruchsvollen Bällen etwas überlegen und agiert sauberer, wenngleich nicht so druckvoll wie der Gladbacher, der diese Eigenschaft interessanterweise mit recht beiläufigen, etwas willkürlichen und „stolpernden“ Bewegungen kombiniert.
In der Endphase drehte dann auch Ola John immer mehr auf und zeigte einige starke spielgestalterische Szenen in den zentralen Bereichen, wo er offene Räume bespielte und sehr dominant auftrat. Mit Zuspielen in Zwischenräume nahe des Strafraums und diagonalen Schnittstellenpässen bereitete er unter anderem zwei gute Chancen für Hoesen und Wijnaldum vor. Am Ende wurde es ein Schützenfest für die Niederländer, die mit diesem etwas zu hoch ausgefallenen Sieg bereits sicher weiter sind, während die Russen vorzeitig die Segel streichen müssen.
2 Kommentare Alle anzeigen
Mauna 12. Juni 2013 um 13:00
Da kann ich nur widersprechen. Finde den allgemeinen Spielablauf deutlich leichter anhand mehrerer Pfeile zu erkennen, anstatt einem leeren statischen 4-2-3-1 Bild, das man derart auf so ziemlich jede Mannschaft übertragen könnte.
Tocovsky 11. Juni 2013 um 22:26
Leute, man kann es auch echt übertreiben mit den Pfeilen in der Grafik.
Dass Außenverteidiger heute fast immer sehr weit mit nach vorne kommen, ist eher die Regel als die Ausnahme. Ebenso das Ausweichen der Stürmer auf die Flügel. Es würde der Übersicht sehr zugute kommen, wenn solche Sachen einfach wegbleiben, Danke.