FSV Mainz 05 – FC Schalke 04 2:2

In einem schwierigen Auswärtsspiel erkämpfte sich der FC Schalke 04 ein Unentschieden, lässt jedoch taktisch weiterhin keine wirkliche Entwicklung erkennen. Das vielerorts mit Spannung erwartete stürmerlose System, mit dem die gegnerischen Innenverteidiger vor Probleme gestellt werden sollten, entpuppte sich auf dem Feld als völlig unspektakulär und gegenteilig. Den Grund dafür lieferten unter anderem die Mainzer, die in diesem Spiel das bessere Team war, aber letztlich an sich selbst scheiterte, sodass die taktischen Überlegungen nicht erfolgreich umgemünzt wurden.

Logisches Mainz

Grundformation Mainz gegen Schalke

Formationen zu Spielbeginn

Thomas Tuchel entschied sich an diesem Spieltag für ein 4-2-3-1-System und setzte, wie schon im Heimspiel gegen Hannover 96, seinen nominellen zentralen Mittelfeldspieler Andreas Ivanschitz auf die offensive linke Seite. Zusammen mit Neuzugang Zimling in der Zentrale sowie der Doppelsechs aus Soto und Baumgartlinger boten die Rheinhessen vier ballsichere Passspieler auf, was positive Effekte im Ballvortrag nach sich zog. Der Gast aus Gelsenkirchen formierte sich in der geordneten Defensivphase hauptsächlich in einem 4-4-2, mit Hang zum 4-2-4.

In Konsequenz einer gegnerischen situativen Doppelspitze orientierte sich Baumgartlinger zwischen seine beiden Innenverteidiger und bildete eine Dreierkette, während die eigenen Außenverteidiger ein gutes Stück in die Tiefe schoben. Einhergehend mit dem Fallenlassen besetzte Zimling die vakante Position im Zentrum, wodurch die eigene Kompaktheit gewahrt werden konnte. Aus offensiver Sicht erlaubt dieser Ablauf den Spielaufbau in sämtliche vertikale Zonen, während ein „unterbesetztes“ Zentrum gezwungenermaßen zu einem flügellastigen Aufbau führen würde. Insgesamt eigentlich ein logischer Prozess, der jedoch nicht von allen Teams so gehandhabt wird. Die Mainzer kreierten somit ein Überzahlspiel innerhalb der ersten Aufbaulinie, welches mit dem Bespielen des Zentrums bzw. der offensiven Halbräume, die Außenverteidiger wurden bewusst nicht direkt angespielt, aufgelöst werden sollte.

Schalker Schwierigkeiten

Hier bekommt Ivanschitz‘ Aufstellung seinen Sinn, denn sowohl er als auch der polyvalente Nicolai Müller sollten mit eingerückten Positionierungen die jeweiligen Halbräume neben den gegnerischen Sechsern besetzen. Diese waren vergleichsweise weit geöffnet, da die Schalker Flügelstürmer Bastos und Draxler eine relativ enge räumliche Orientierung zu ihren jeweiligen gegnerischen Außenverteidigern pflegten. Im Zusammenspiel mit der tiefen Positionierung von Ivanschitz und Müller wurden die königsblauen Außenverteidiger Höger und Fuchs vor eine verzwickte Aufgabe gestellt. Im Prinzip gab es zwei mögliche Reaktionen, die jedoch beide in diesem mannschaftlichen Kontext keine optimalen Lösungen waren.

Situation Mainz

Die zwei möglichen Lösungen der skizzierten Problemstellung am Beispiel der Formationen.

1)

Das hauptsächliche Verhalten in diesem Spiel. Höger hält den Kontakt zur Viererkette, hält den Raum im eigenen Rücken gering und wahrt die Kompaktheit der Viererkette. In der Folge können Ivanschitz und Soto eine kurzzeitige Überzahlsituation herstellen (grauer Kreis), welche für die erste Aufbaulinie anspielbar ist. Getimte Läufe von Diaz bringen qualitative Breite im einfach besetzten Flügelkorridor (oranger Kasten), die zudem Draxler binden. Eine zusätzliche Gefahr für Höger, sodass er ein Herausrücken zu einem ballführenden Ivanschitz abwägen muss.

2)

Die zweite Option, das frühzeitige Herausrücken, ermöglicht ein sofortiges Gleichzahlspiel im Mittelfeld. Im Gegenzug öffnet sich jedoch ein großer offener Raum im Rücken des Außenverteidigers, hier Fuchs. Die Kompaktheit der Viererkette ist so nicht mehr gegeben, der Gefahrenraum wird weiter zum eigenen Tor verlagert. Szalai kann diesen Raum bewusst nutzen, die Schalker Zuordnung wäre erschwert. Auch die Gefahr eines getimten Tiefenlaufs seitens des Mainzer Außenverteidiger Pospech ist, wie bei 1), mehr als gegeben.

Die Kombination aus eigener Raumaufteilung und der gegnerischen Halbraumpositionierung stellte die Schalker Defensive vor eine komplexe Aufgabenstellung, welche ohne Änderung keine Ideallösung anbot. Mainz schaffte es nicht oft genug, diese erzielten Vorteile im Aufbau- und Übergangsspiel mithilfe der Außenverteidiger gefährlich in die Endphase zu bringen, wobei weniger Unvermögen bei den tatsächlich erspielten Chancen wohl auch schon gereicht hätte.

Mainzer Defensive

Im Spiel gegen den Ball versuchte die Heimelf ebenfalls das Heft in die Hand zu nehmen. Die Schalker sollte im Spielaufbau auf die Außen gelenkt werden, was durch Szalais trennen der beiden aufbauenden Innenverteidiger gelang. In den Ebenen dahinter sollte das Zentrum solange kompakt gehalten werden, bis der angebotene Pass auf den Flügel gespielt wurde. Ab diesem Moment verschob der gesamte hintere 05er-Block zum Ball und versuchte mit extremen Einrücken die Situationen auf dem Flügel zu isolieren. Der ballentfernte Flügelspieler stand oftmals weit innerhalb der zentralen Achse. Diese extremen horizontalen Verschiebungen sorgten für Kompaktheit zum Zentrum bei gleichzeitigem Überzahlspiel in Ballnähe. Seitenwechsel waren ohne weiteres selten möglich. Darüber hinaus wurden auch die vertikalen Abstände entsprechend verringert, sodass den Schalkern kaum Möglichkeiten für auflösende Interaktionen zwischen den Linien gegeben wurden.

Das nicht-stürmerlose System

Aufgrund dieser defensiven Kompaktheit wirkte das eigentliche königsblaue 4-2-3-1 nicht nur in der Defensivphase wie ein 4-2-4, sondern auch bei eigenem Ballbesitz. Raffael fand keinen Zwischenlinienraum vor, sodass seine spielgestalterischen Fähigkeiten räumlich beschnitten wurden und er sich wesentlich höher als gewohnt positionieren musste. Sein Einfluss beschränkte sich in der Regel als kombinativer Anspielpartner im Flügelbereich. Farfan war von dieser Enge gleichermaßen betroffen, wobei der Peruaner dieser Komprimiertheit öfters zu entfliehen versuchte, indem er dem ballführenden Mitspieler weit entgegen kam. Angesichts seiner Physis und seinem Durchsetzungsvermögen konnten deshalb einige erfolgsversprechende Situationen für Flügeldurchbrüche modelliert werden, welche das meist verwendeste taktische Offensivelement der Gelsenkirchener darstellte. Die Dribbelstärke und Schnelligkeit der beiden Flügelspieler Bastos und Draxler waren hierfür von großer Bedeutung. Unter dem Strich verzeichnete das angekündigte stürmerlose System vier unmittelbare Angreifer in Reichweite der gegnerischen Viererkette, statt null Fixpunkte und nachdenkliche Innenverteidiger. Einzig das Fehlen eines gelernten Stürmers wurde der Bezeichnung „stürmerloses System“ gerecht. Am Ende hatte das jedoch keine größeren negativen Ausmaße, da im Gegenzug Vorteile aus der vorherrschenden Gegebenheit gezogen werden konnten. Die Gleichzahl an vorderster Linie erzeugte, beispielsweise nach Flügeldurchbrüchen, für einige Probleme in der Mainzer Hintermannschaft. Beide erzielten Tore waren das Ergebnis dieser ausgeglichenen Konstellation an vorderster Front.

Fazit

Tuchels Mainzer waren erneut gut auf den Gegner eingestellt und versuchten das gegnerischen Defensivverhalten gezielt zu nutzen. Mit einem Überzahlspiel wurde das Aufbauspiel der ersten Phase kontrolliert, welches mithilfe von zentralen Überladungen in die Tiefe gebracht wurde. Kombiniert mit überlaufenden Außenverteidigern sollte vor allem der freigeschaffene Flügelkorridor für den Übergang in die Endphase genutzt werden. Das Auslassen einiger Großchancen verhinderte einen verdienten Dreier. Schalke bekam die Mainzer über das Spiel hinweg nie ganz unter Kontrolle. Zudem konnte der eigentliche Matchplan ohne Stürmer innerhalb der Wechselwirkungen beider Mannschaften nicht umgesetzt werden, dagegen konnte aus den gegebenen Umständen anderweitig Kapital geschlagen werden. Das Aufbauspiel wirkt immer noch einfach strukturiert, der offensive Fokussierung des Flügelspiels wird weiter vorangetrieben.

El Entrenador 20. Februar 2013 um 15:20

Habe das Spiel nicht gesehen. Anhand der Analyse funktioniert aber mein Kopfkino. Ich stelle mir aber folgende Fragen: hat Keller vorab tatsächlich eine stürmerloses System angekündigt? Wenn ja: konnte er den Spielern nicht vermitteln wie das umzusetzten ist? Oder haben die Spieler es einfach nicht umgesetzt?

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Felix 20. Februar 2013 um 13:25

Erstmal Danke für die Analyse. Hat mich gefreut das doch noch was zu dem Spiel kam. Das Spiel konnte ich leider nicht sehen und Zusammenfassungen sind meist wenig hilfreich aus taktischer Sicht.
Das Farfan zentral spielen sollte hat mich ehrlich gesagt gewundert, weil ich dort eher Draxler erwartet hätte, Farfan links, Bastos rechts und Raffael hinter oder neben Draxler. Das System war aus der Not geboren und das hat man wohl recht deutlich gemerkt. Weil Faran nicht mittrainieren konnte unter der Woche konnte man kaum etwas einstudieren, was sich in der Analyse wieder findet, wo von wenig taktisch beeindruckenden Aspekte gesprochen wird in dem Zusammenhang des Stürmerlosen Systems.
Dazu kommen sicher auch viele Ausfälle die Schalke hat und die ja letztlich zu diesem System geführt haben. Die gesamte Situation kann man wohl auch nicht außen vor lassen. Aus über 10Ligaspielen nur 1 Sieg, Pokal aus, teilweise bittere Ergebnisse (Fürthspiel mit Abseitstor in der Nachspielzeit) hinterlassen einfach Spuren. Ich denke das in einer selbstbewussten und komplett gesunden Schalker Mannschaft ein solches System um einige Facetten reicher gewesen wäre.
Aber letztlich geht es darum überhaupt Punkte zu holen.

Wie intensiv studiert ihr die Situation auf Schalke? Eine interessante Analyse zur (Schein-)Krise gab es ja schon. Hättet ihr Ansatzpunkte, wie Schalke taktisch aus der Krise kommen könnte, welche Spielweise ihr bei dem Kader für erfolgsversprechend haltet?

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Franz K 19. Februar 2013 um 19:19

Kommt eigentlich ein Vorbericht zum morgigen CL-Spiel gegen Galatasaray? 🙂

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MR 19. Februar 2013 um 19:27

Ja, auf ZDFSport.de

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villas-boas276 19. Februar 2013 um 16:58

Ich frage mich immer noch, warum Keller die Schalker nicht in die Erfolgsspur bekommt oder zumindest seine Handschrift erkennbar wird. Mit der U17 war er zur Winterpause Tabellenführer der Bundesliga West (wohl die stärkste der drei Jugendbundesligen) und das macht man nicht mal eben so.

Kann er gestandenen Profis sein System nicht vermitteln? Wollen die Profis nicht? Ist das System im Profifußball nicht umsetzbar? Ist für mich alles nicht nachvollziehbar…

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RM 19. Februar 2013 um 17:16

Die U17 gewann sogar alle Spiele. Ihr Stürmerpärchen Bodenröder und Avdijaj hat mehr Tore erzielt, als jede andere Mannschaft der Liga insgesamt. Avdijaj bspw. macht 2,76 Scorerpunkte pro 90min, Bodenröder kommt auf 1,45. Schalke hat eine Tordifferenz von +63, der Zweite hat +26. Eventuell lag es also vielleicht an der Qualität des Teams, als an Jens Keller?

Die A-Jugend steht übrigens ähnlich da. Ebenfalls 14 Siege aus 15 Spielen.

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villas-boas276 19. Februar 2013 um 17:29

Mit dem ungeschlagen hab ich vergessen rein zu nehmen, aber stimmt natürlich. Aber trotzdem gehört zu sowas doch auch immer ein Trainer, der eine ordentlich Asrichtung vorgibt, diese einstudiert und die Jungs motiviert, nicht abheben lässt und auch mal auf den Teppich holt.

Lewandowski hat ja in der Jugend bei Bayer auch immer einen guten Job gemacht und sein System in den Seniorenbereich übertragen. Warum schafft das Keller nicht?

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RM 19. Februar 2013 um 17:35

Wie gesagt – wenn man einen Spieler hat, der alleine mehr Tore schießt als zwei Drittel der Gegner, hat man es nicht sooo schwer. Wer weiß, was Keller da alles gemacht hat. War er der Grund für die tollen Ergebnisse oder nur ein passabler Trainer, der eine herausragende Mannschaft stagnieren ließ? Das kann ich ohne Spiele gesehen zu haben, nicht beantworten…

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ES 20. Februar 2013 um 19:01

JK war ja wohl auch als Jugendtrainer in Stuttgart erfolgreich. Als Jugendtrainer würde ich ihn mal, auch ohne die B-Jugend-Spiele gesehen zu haben, nicht in Zweifel ziehen. und dann bleibt die Frage im Raum: Warum scheint da was zu klappen mit Jugendtrainern in Mainz, Leverkusen, Freiburg, auf Schalke aber nicht. Ein Grund ist doch derzeit, dass es bei aller individuellen Klasse an taktisch starken Spielern, besonders im Mittefeld, mangelt. Schalke im ersten Saisondrittel funktionierte doch deshalb besonders gut dank dem taktisch und passtechnisch gutem Dreieck Neustädter, Höger, Holtby, die den Individualisten wie Farfan und Draxler, sowie den offensiven Aussen, insbesondere Fuchs, erst die Stabilität gegeben haben. Heute steht Neustätter einsam auf der Flur, weil Holtby weg ist und Höger auf Nichtideal-Positionen verschenkt wird. Wenn Ihr oben von dem passstarken Mainzer Mittelfeld schreibt (und es auch imSpiel sieht), wird man ja richtig neidisch. Übrigens versucht ja anscheinend auch Heldt diesen Mangel zu beheben (Neustädter, Höger, vielleicht geht auch Barnetta in die Richtung, aber der ist ja formmässig noch mal ein besonderer Spezialfall). Nun scheint Bastos ja kein schlechter zu sein, aber ein Positionsaustausch mit Holtby ist es ja kaum, und bei allem Respekt für Raffael…..Kurz und gut: Was soll der arme Keller denn machen mit einem solchen Haufen taktisch nicht so starker Einzelspieler in kurzer Zeit? Hätte hier Hecking mehr gemacht? Dumme Frage, zugegeben, aber auch: Was hat z.B. Rangnick in kurzer Zeit bewirkt? War da nicht ein sensationelles Spiel in Mailand mit solchen taktischen Granaten wie Edu und Jujado? Ratlos…..

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blub 19. Februar 2013 um 14:20

Die folgen von Ivanschitz aufestellung auf links hab ich garnicht so mitgekriegt, ich hab mich mehr auf Schalke konzentriert, und da ist mir eines noch nicht klar geworden, rein vond er Spielidee her:

Raffael sollte offensichtlich seine spielachenden Fähigkeiten einbringen, ok das hat nicht so funktioniert, weil es diesen Raum nicht gab.
Wenn Farfan dann in der Mitte sehr beweglich agiert, dann kommt den außenstürmern, denn das sind sie ja dann gemäß der Rollenverteilung, Bastos und Draxler eine entscheidende Rolle bei der Torgefahr zu. Macht es dann nicht mehr Sinn sie Invers aufzustellen?
Zumal mit Höger und Fuchs auch AVs zur verfügung stehen die die außen besetzen können, wenn das den nötig ist.

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