Eintracht Frankfurt – FSV Mainz 05 1:3
Die Mainzer Pressingspezialisten bezwangen auswärts die Ballbesitzmannschaft der Frankfurter Eintracht.
Mainzer Pressing und Defensivspiel
Einer der wichtigsten Aspekte in dieser Partie war die Bewegung der Mainzer ohne Ball. Im Pressing organisierten sie sich flexibel, liefen schon im letzten Drittel an und agierten sehr intensiv und aggressiv über den gesamten Platz. Sie betrieben konstant Pressing, auch Rückwärts- und Gegenpressing, wodurch sie den Frankfurtern den Ballbesitz verwehren wollten. Daraus resultierte auch ein etwas zerfahrenes Spiel mit vielen langen Bällen, Befreiungsschlägen und Fehlpässen; lange Zeit lagen beide Teams unter 75% Passgenauigkeit.
Dazu muss sogar noch hinzugefügt werden, dass die Mainzer weniger Fehlpässe hatten, allerdings eine marginal schwächere Passquote, nämlich 74,9% zu 73,9%. Ohne die vielen unbedrängten und unnötigen Fehlpässe von Wetklo, der seinem Gegenüber in diesem Aspekt klar unterlegen war, hätte das „Konterteam“ Mainz sogar eine klar bessere Quote gehabt (knapp über 77%). Eine Ursache war die bessere Ballzirkulation im zweiten Spielfelddrittel sowie das Abdrängen der Gegner in eben diesem Raum.
Dafür spielten die Mainzer mit einer beweglichen Raute. Die Dreierreihe im Mittelfeld versuchte den Raum zwischen den Linien zu versperren und sehr kompakt mit der Defensive zu agieren, welche nur mit ihnen im Verbund nach vorne schob. Die Offensivspieler orientierten sich weniger kompakt, Andreas Ivanschitz als zentraloffensiver Akteur schob oft weit nach vorne und war dadurch auch essentiell wichtig in der Spielweise.
Der FSV Mainz 05 stellte nämlich mit ihren zwei Stürmern Adam Szalai und Shawn Parker die Innenverteidiger konsequent zu und lief sie an, während Ivanschitz sich um die Passoptionen Kevin Trapps in der Mitte kümmerte. Dadurch konnte Frankfurt nicht ihr übliches Aufbauspiel praktizieren und musste öfter mit langen Bällen oder Pässen auf die Außenverteidiger kommen. Diese langen Bälle wurden dann genutzt, um sich kompakt zusammenzuziehen und sofort im Kollektiv zu verschieben.
Statistisch äußerte sich dies so, dass die Außenverteidiger bei der Eintracht die meisten Ballkontakte hatten; Oczipka hatte zeitweise sogar deutlich mehr Ballkontakte als die jeweiligen Sechser. Außerdem hatte Kevin Trapp lange Zeit mehr Ballkontakte, als die beiden aus dem Spiel genommenen Innenverteidiger.
Die Mainzer konnten auf diese Weise einige zweite Bälle gewinnen oder eben die Außenverteidiger unter Druck setzen. Kam der Ball bei der Eintracht auf die Seite, dann verschoben die Mainzer dorthin und der Halbspieler der Raute versperrte Passoptionen in die Mitte und der Außenverteidiger übernahm den Flügelstürmer. Dies wurde auch unabhängig vom Aufrücken des Außenverteidigers im letzten Drittel beim Flügelstürmer praktiziert – der Außenverteidiger kümmerte sich um ihn, die Sechser verschoben kettenähnlich und der ballnächste Halbspieler presste.
Mit dieser Vorgehensweise wollten sie die offenen Außen der 4-3-1-2-Formation als Pressingfallen nutzen. Die Eintracht hatte ihrerseits ohnehin exakt jene Räume anvisiert, kam sehr viel über die Seiten und bildete dort Pärchen, womit sie die Formation der Mainzer überladen wollten. Dank der starken Arbeit der Mainzer Halbspieler und dem individualtaktischen Verhalten der Außenverteidiger, welche den Gegenspieler stellten und ihm Räume versperrten, gelang dies kaum. Außerdem halfen die Stürmer bei Mainz ebenfalls sehr gut mit, ließen sich fallen und konnten Rückpässe zusperren. Dadurch konnten die Frankfurter nicht nur selten das Tempo aus dem Spiel nehmen, sondern die Mainzer konnten sofort schnell über die nahen Stürmer als Prellböcke kontern.
Frankfurts verwehrtes Ballbesitz- und Offensivspiel
Allerdings kamen die Frankfurter zu zahlreichen Flanken, womit sie eventuell das starke Verschieben der Mainzer ausnutzen wollten. Da sowohl die Sechser als auch die Viererkette weit zum Ball hin verschoben und die Viererkette relativ breit agierte, um die Außen gut abzudecken, kamen einige Flanken aus dem Halbfeld in den Mainzer Strafraum oder davor. Man wollte einerseits das erwartete starke Pressing der Mainzer umgehen, andererseits auch eventuelle Löcher am zweiten Pfosten bespielen und über Quantität durch einfache Angriffe offensiv werden.
Ein wichtiger Zielspieler war dabei natürlich Alex Meier, der allerdings von den Mainzern hervorragend aus dem Spiel genommen wurde. Wie üblich pendelte er in der Horizontale und wollte unter Bedrängnis geschlagene lange Bälle behaupten, um den Ballbesitz nicht zu verlieren. Doch die Mainzer Verteidiger gewannen zwar einige Kopfballduelle gegen Meier, doch die Krux war, dass sie ihn bei verlorenen Kopfballduellen sofort unter Druck setzten und einige Bälle während der Ballverarbeitung erpressten.
Die Frankfurter kamen dadurch nahezu nie in den Raum zwischen den Linien oder in die Spitze, auch Olivier Occean hatte seine Ballkontakte zumeist in den Halbräumen oder als Durchlaufstation. Das Spiel konzentrierte sich somit noch stärker auf die Außen, als geplant und die Frankfurter mussten einmal mehr öfter pressen, als es ihnen wahrscheinlich lieb war.
Dabei hatte die Eintracht eigentlich eine ähnliche Idee, wenn auch nicht so ausgefeilt. Sie pressten ebenfalls aggressiv und wechselten dabei zwischen einem 4-4-2 mit Alex Meier als zweitem Stürmer im Angriffspressing, einem 4-2-3-1 im Mittelfeldpressing oder einem tieferen 4-4-1-1 im Abwehrpressing, wo die Außenstürmer sich um die aufrückenden Außenverteidiger der Mainzer kümmerten.
Das große Problem war, dass die Mainzer nicht nur die Außenspieler nicht zwingend benötigten, sondern durch ihren Fokus deutlich flexibler in ihren Angriffen waren. Sie konnten sowohl die Halbräume als auch das Zentrum sowie situativ die Außen bespielen, womit sie konzeptuell den Gastgebern überlegen waren.
Die Rollenverteilung der Mainzer Schlüsselspieler
Interessant zu sehen war auch die Spielweise der zentralen Achse der Mainzer, nämlich Adam Szalai, Andreas Ivanschitz, Shawn Parker und natürlich dem heimlichen Star der Mannschaft, Julian Baumgartlinger. Der Österreicher organisierte nicht nur das Defensivspiel, füllte Löcher und war herausragend in seiner Arbeit gegen den Ball, er war auch offensiv präsent und überzeugend. Im Aufbauspiel sorgte er für Unterstützung für die Halbspieler, bot den Innenverteidigern eine zentrale Anspielstation und ließ sich bei Bedarf zwischen sie abkippen, wodurch Frankfurt kaum pressen konnte.
Im Offensivspiel war er eine pressingresistente Anspielstation, die teilweise Spielverlagerungen oder Tempowechsel einstreute, während die Halbspieler im Mittelfeld sich um das Bespielen der Halbräume kümmerten. Desweiteren hatte der nominelle „Zehner“ Ivanschitz wenig Aufgaben in der Spielgestaltung, sondern diente einerseits als Nadelspieler, andererseits als hängender Stürmer.
Oft zu sehen war, wie er Zielspieler Szalai bei dessen Kopfballduellen hinterlief oder sich in den entstehenden Lücken durch den ebenfalls hinterlaufenden Parker bewegte und bei Abprallern zugegen war. Gelegentlich schlossen die Mainzer etwas zu früh ab, alles in allem funktionierte diese Spielweise sehr gut.
Verdanken konnten sie dies auch dem jungen Parker, der eine gute Leistung darbot. Er war eine der Symbolfiguren des Mainzer Spielstils an diesem Abend: beweglich, raumöffnend, pressend und quirlig. Dabei nutzte er öfters die Athletik und Fähigkeiten in der Ballbehauptung von Szalai, um mit schnellen Beschleunigungen in Löcher zu starten und einen Spieler zu befreien oder sich selbst in der Gasse freizulaufen.
Frankfurts Offensive
Die Eintracht wurde besser, als sie auch ihre Intensität erhöhten, mit den Sechsern stärker nach vorne rückten und die Offensivspieler unterstützten. Gleichwohl waren die Mainzer auch nicht mehr so dynamisch und effektiv im Pressing, wie es in der ersten Spielhälfte beziehungsweise bis zur Phase nach einer Stunde circa war. Sie waren in der ersten Hälfte nicht nur schneller gerannt, sondern auch im Kollektiv vier Kilometer mehr.
Desweiteren mussten sie enorm viele und weite Wege auf die Seite verschieben, was über längere Strecken ohne die nötigen Erholungsphasen in der Offensive schwer auszuhalten ist. Auch deswegen stellte Thomas Tuchel nach der 3:0-Führung auf eine Art 4-4-1-1 und später ein 4-5-1 mit Ansätzen eines 4-3-2-1 mit breiter Dreierkette im zweiten Band im Defensivspiel um. Die war in der Mitte nach wie vor sehr eng organisiert war, stellte aber doch einen klaren Unterschied zur vorherigen Formation dar. Offensiv wirkte es übrigens in der Schlussphase wie ein 4-3-3 mit drei Sechsern.
Die Eintracht kam auch deswegen scheinbar besser ins Spiel, hatte im Aufbau mehr Zeit und konnte im Spiel mit dem Ball ihre Stärken betonen. Gleichzeitig wurden Sebastian Rode und Pirmin Schwegler nicht mehr aus dem Spiel genommen durch einen zentraloffensiven Akteur, was mehr Zugriff auf das letzte Spielfelddrittel und die Halbräume bedeutete.
Dennoch war es spätestens dort wieder extrem schwierig ins Zentrum zu kommen, weil die Mainzer in Mittelfeldkette eng standen und weiterhin überaus präzise verschoben. Sie konzentrierten sich auf Konter, was ohne einen Referenzpunkt hinter den Stürmern nicht mehr ganz so klappte, aber dennoch das ein oder andere Mal für Gefahr sorgte. Ab der 75. Minute gingen die Mainzer wieder in eine aggressivere Pressingphase bis zum Schluss ein und konnten das Ergebnis behaupten.
Fazit
Eine starke Leistung der Mainzer, welche mit enormem Pressing und einer spielerisch ebenfalls ansprechenden Leistung das Spiel verdient für sich entscheiden konnten. Frankfurts Ballbesitzspiel wurden einmal mehr die Grenzen aufgezeigt, indem sie in viele Zweikämpfe und eine intensive Spielweise verwickelt wurden, was ihr Aufbauspiel nachhaltig (zer)störte.
15 Kommentare Alle anzeigen
Schlicke 29. November 2012 um 14:48
War im Stadion und auch von Baumgartlingers Spiel sehr angetan. Zusammen mit dem sich sehr clever bewegenden und umsichtig spielenden Soto für mich der Grundpfeiler für die gute Punktausbeute der Mainzer und (noch) einer der unterschätztesten Spieler der Liga.
Konnte Rode jetzt auch endlich mal live sehen und war sehr angetan, auch wenn er bestimmt schon bessere Auftritte hatte. Aber grundsätzlich stimmt da alles: Er schaltet sehr schnell um, spielt überlegte Pässe, wählt häufig den direkten Weg und war der Ausgangspunkt fast aller Frankfurter Angriffsbemühungen. So was erfasst keine Statistik, aber sein „impact“ auf das Frankfurter Spiel ist mittlerweile gewaltig.
Yn 28. November 2012 um 17:04
Die Mainzer Pressingspezialisten bezwangen auswärts die Ballbesitzmannschaft der „Eintrachter Frankfurt“? 😀 Du meinst die „Frankfurter Eintracht“.
RM 28. November 2012 um 23:33
Ich bin ja so ein Depp.
Erna_K. 28. November 2012 um 16:57
Sehe ich ähnlich. Welche Signifikanz haben den die Statistiken? Wenn Matmour bei einem 5:0 Sieg von Frankfurt gegen einen Achtligisten 90min auf dem Platz stand, hat er einen hohen „Impact“ und wenn Rode alle Spiele gegen CL-Mannschaften durchspielt und Frankfurt alle verliert, hat er einen niedrigen „Impact“?! Was sagen mir die Zahlen? Steven Gerrard (132) ist für Liverpool genauso wichtig, wie Martin Amedick (135) für Frankfurt?! OhOh – Fußball ist keine Finanzmathematik – aber warum nicht, jedem Tierchen sein Pläsierchen…
GoalImpact 28. November 2012 um 19:14
Die Spielstärken der Gegner werden mit bewertet. Insofern ist passt der Einwand mit unterer Liga vs. Champigons League nicht. Natürlich ist der Wert trotzdem nicht perfekt und bleibt Statistik. Es wird also immer Spieler geben, die „zu schlecht“ oder „zu gut“ wegkommen. Aber das die Tendenz passt, sieht man z.B. an den Nominierungen zur Weltauswahl:
http://www.goalimpact.com/2012/11/alle-kandidaten-der-fifa-weltauswahl.html
Fast alle der nominierten Spieler haben einen sehr hohen GoalImpact.
MR 28. November 2012 um 22:36
Von denen wurden aber sicher nicht wie bei Matmour nur 4 Einsätze und ein paar Einwechslungen bewertet. Eine Berücksichtigung der Verteilungsvarianzen würde diese Betrachtung deutlich aufwerten.
GoalImpact 29. November 2012 um 08:35
Ich bewerte alle Spieler immer über alles Spiele in der Historie. Bei Matmour sind dies 219 Spiele. Ich überlege mal, wie ich Schätzfehler/Varianzen hier mit angeben kann.
Blubb 28. November 2012 um 09:20
Ich wollts grad sagen. Matmour hat in den letzten Spielen, zumindest solange Aigner auf dem Feld war, nominell stets im Sturmzentrum gespielt.
Statistiken sind schön und gut, habe vor kurzem auf transfermarkt.de eine schöne und v.a. stichhaltige Analyse, die mit Statistiken gestützt war, gesehen. Aber hier ist doch ein klares Beispiel zu sehen, warum man zuallervorderst die Spiele sehen sollte, statt auf Stats zurückzugreifen.
RM 28. November 2012 um 10:15
Klingt interessant mit der Analyse, gibt’s dafür einen Link?
GoalImpact 27. November 2012 um 22:36
Bei den Frankfurtern fehlte mit Karim Matmour im auf rechten offensiven Mittelfeld einer der stärksten Spieler wegen einer Gelb-Rot-Sperre. Ich denke, dies hat zu der Niederlage beigetragen.
Erna_K, 28. November 2012 um 00:03
Na das Matmour ein Schlüsselspieler der Frankfurter ist halte ich für ein Gerücht. Schon gar nicht ist das Fehlen eines Spielers verantwortlich für die Niederlage des Teams-vielmehr war das hervorragende Pressing und Umschaltspiel der Mainzer Grund für den Sieg. Auch das Hinterlaufen der offensiven Frankfurter Außenverteidiger war ausgezeichnet.
GoalImpact 28. November 2012 um 01:02
Das widerspricht sich nicht unbedingt. Matmour wäre mit dem Pressing vielleicht einfach besser klar gekommen. Meine Analysen ergeben schlicht, dass der die SGE mit Matmour auf dem Platz statistisch eine deutlich bessere Tordifferenz hat als ohne. Warum das so ist, kann ich nicht beurteilen.
RM 28. November 2012 um 10:14
Wurde in der statistischen Analyse die Zahl durch die eine Kategorisierung des jeweiligen Gegners in Stärkeklassen oder das Nutzen der gegnerischen Tordifferenz als Relativierung genutzt?
GoalImpact 28. November 2012 um 18:29
Ja. Es werden alle Mitspieler und Gegner berücksichtigt. Wer also gegen mit mittelmäßigen Mitspielern gegen eine Top-Mannschaft verliert, kann trotzdem gut bewertet werden.
GH 28. November 2012 um 00:12
Und im rechten offensiven Mittelfeld spielt eigentlich fast immer Aigner und das auch sehr gut. Deswegen ergibt sich diese Behauptung nicht unbedingt für mich.