FC Bayern München – Valencia CF 2:1
Bayern sehr ballsicher, konzentriert und gutem Gegenpressing. Valencias Mangel an Verbindungen spielt dem Rekordmeister in die Karten. Das Trio Martinez-Schweinsteiger-Kroos überzeugt auf Anhieb.
Grundformationen
Heynckes wechselte im Vergleich zum Spiel gegen Mainz gleich vier Mal: Pizarro begann anstelle von Mandzukic im Sturm, Ribery und Robben kehrten dahinter auf ihre gewohnten Positionen neben Kroos zurück in die Startelf.
Neuzugang Javi Martinez durfte erstmals von Beginn an auflaufen und bildete gemeinsam mit Bastian Schweinsteiger die Doppelsechs. Die Viererkette blieb wie gehabt, Badstuber übernahm also wieder aushilfsweise den Job als Linksverteidiger.
Valencia lief nominell in einem 4-2-3-1/4-4-2-Mischsystem auf. Jonas sollte um Stoßstürmer Soldado herumspielen, gleichzeitig aber auch der Doppelsechs T.Costa/Parejo in der Defensive helfen.
Auf den Außenbahnen kamen die schnellen Guardado und Feghouli zum Einsatz. In der Viererkette liefen Cissokho und Pereira auf den Flügeln auf, in der Innenverteidigung begann der ehemalige Wolfsburger Ricardo Costa neben Rami.
Valencia verschließt das Zentrum, Bayern kommt über die Flügel
Valencias Trainer Pellegrino war sich der Unterlegenheit gegen Bayerns spielstarkes Zentrum bewusst und wollte folglich die Mitte schließen. Um dies zu bewerkstelligen, ließ er seine Stürmer bei Münchener Ballbesitz sehr tief spielen. Resultat war ein enger, quadratischer Block, der es Bayern schwer machte, durchs Zentrum zu kombinieren.
In einigen Szenen gelang dies dank guter Bewegungen des Trios Martinez-Kroos-Schweinsteiger trotzdem, was auch stets für Gefahr sorgte, dazu jedoch später mehr. Hauptsächlich spielten die Bayern also über die Flügel, sodass am Ende ganze 78% der Angriffe über die Seiten kamen.
Kroos tendierte wie gewohnt nach links und konnte dort mit dem aufrückenden Badstuber dafür sorgen, dass Ribery häufig in 1gegen1-Situationen gegen Pereira geschickt wird.
Bayerns flexibles Mittelfeldtrio
Im Zentrum war Bayern sehr ballsicher, Martinez ist deutlich pressingresisistenter als Gustavo, was er einige Male durch kleine Dribblings, bei denen er den Ball schön mit dem Körper abschirmte, zeigte. Zusammen mit Kroos und Schweinsteiger agierte er sehr variabel.
Eine klassische Aufteilung in Sechs, Acht und Zehn konnte man selten sehen, die einzige Regelmäßigkeit war, dass Kroos am häufigsten in und um den gegnerischen Strafraum herum agierte.
Wie schon gegen Mainz rückten Kroos und Schweinsteiger oft mit auf die Seiten, um dort Überzahl herzustellen und sich aus der engen Mitte zu befreien. Von dort aus konnten sie einige Spielverlagerungen anbringen, was auf der anderen Seite unweigerlich zu Gefahr führte.
Das Abkippen Schweinsteigers hinter die Aufrückenden Außenverteidiger war hin und wieder zu sehen, auffällig war hierbei, dass Kroos ebenfalls tief kam und Martinez höher agierte.
In anderen Situationen konnte man wiederum ein Fallenlassen Martinez´ zwischen die breit auffächernden Innenverteidiger sehen.
In diesem Fall rückten die Außenverteidiger sehr weit auf, Robben und Ribery gingen dafür in den Zehnerraum, den Kroos freimachte, um sich neben Schweinsteiger zu positionieren.
Ein weiteres Stilmittel war das Einrücken von Badstuber, sodass eine Dreierkette aus drei gelernten Innenverteidigern entstand. Meistens glich Schweinsteiger dieses Einrücken aus, indem er auf den linken Flügel zog und hier mit Ribery für Breite sorgte.
Durch diese vielen Positions- und situativ auch Systemwechsel war es für Valencia unheimlich schwierig, an den Ball zu kommen.
Da sie mit Jonas und Soldado pressten und die Sechser gleichzeitig tief blieben, konnten Martinez und Co. immer wieder Bälle im Rücken der beiden Stürmer empfangen und sie auf die Außenbahnen weiterleiten.
Auch eine zeitweise Manndeckung Martinez´ durch Jonas konnte der Sicherheit im Aufbau keinen Abbruch tun, da Schweinsteiger die freien Räume immer wieder ansteuerte und somit auch häufiger rechts zu finden war.
Zusammenfassend lässt sich hier also sagen, dass Martinez exakt die Flexibilität, gerade wenn Müller statt Kroos auf der Zehn spielt, ins Mittelfeld bringt, die den Bayern aufgrund Gustavos schwächen bei gegnerischem Pressing manchmal abging.
Valencia zu gestreckt
Valencia gelangen kaum vernünftige Angriffe. Erkämpften sie einmal den Ball, war der (Pass)Weg zu den hoch stehenden Offensivkräften zu weit.
Die Gastgeber konnten so einige lange Pässe abfangen, besonders Badstuber tat sich hier mit vier sogenannten Interceptions hervor.
So entstanden auch Bayerns Tore: Beim 1:0 fehlte den Spaniern der Anschluss zwischen Mittelfeld und Angriff, sodass der Ball im Sechserbereich verloren wurde.
Es folgte ein schnelles Umschalten der Bayern, das in einer schönen Kombination mit Abschlussglück den Führungstreffer brachte.
Beim 2:0 zeigte sich das verbesserte Gegenpressing des Rekordmeisters.
Die Außenverteidiger hinterliefen wie schon im Supercup gegen Dortmund nur ab und zu, stattdessen boten sie sich oft etwas zentraler, also eher im Achter- bzw. Zehnerraum an.
Vor Kroos´ Treffer konnte Badstuber hier den Ball schnell zurückgewinnen, was für Valencia den Todesstoß bedeutete.
Offensiv stärkere und vor allem ballsicherere Spielertypen im zentralen Mittelfeld, wie es beispielsweise der verletzte Banega ist, hätten für mehr Entlastung sorgen können. So verfing sich Valencia permanent im Münchener Gegenpressing und konnte nur nach Standards Gefahr ausstrahlen – das Tor fiel passenderweise nach einer Ecke.
Warum Pizarro auflief
Im Zuge der Rotation kam Claudio Pizarro zu seinem ersten Startelfeinsatz in dieser Saison. Da Heynckes wohl kaum würfelt, wer rein- und rausrotiert, steckte hinter Pizarros Aufstellung wohl folgende Idee:
Der Peruaner ist der ballsicherste Stürmer im Kader der Bayern, zudem ist er äußerst geschickt mit dem Rücken zum Tor. Pizarro sollte gewährleisten, dass der Kombinationsfluss der Bayern nicht unterbrochen wird.
Dadurch, dass man mit Kroos als Zehner häufig 4-3-3-ähnlich agiert, sprich: Kroos tiefer als bspw. Müller spielt, ist es wichtig, dass der zentrale Stürmer immer wieder auf den Flügel ausweicht, um dort mit Robben und Ribery zu kombinieren.
Pizarro bewegte sich äußerst viel, sowohl bei eigenem, als auch bei gegnerischem Ballbesitz. Mehrere Male ließ Robben den rechten Flügel verwaisen, um mit Ribery und Kroos zu kombinieren. Wurde der Ball dann verloren, lief Pizarro auf der rechten Seite mit zurück und konnte dort einige Bälle erkämpfen oder zumindest ins Aus grätschen.
Pizarro hatte mit 79% eine sehr gute Passquote für einen zentralen Stürmer. Nur das argentinische Trio Messi, Higuain und Tevez konnte auf dieser Position am ersten Spieltag der Champions League eine bessere Quote als der Peruaner verzeichnen.
Heynckes´ Wechsel
Müller kam zur zweiten Halbzei für den angeschlagenen Ribery und ging auf die rechte Seite, Robben wechselte nach links.
Dort war der Niederländer durch Kroos´ Linkslastigkeit besser im Spiel, auch wenn er nicht großartig auffiel. Das System wurde mit den klassischen Flügelspielern nun noch 4-3-3-ähnlicher.
Hauptaufgabe der beiden Außenstürmer war im zweiten Drittel das Kombinieren mit den Außenverteidigern, im letzten Drittel das Raumschaffen mit Läufen ohne Ball. Hierdurch konnten Kroos, Pizarro, Schweinsteiger und Martinez oft angespielt werden.
Im Verlauf der zweiten Hälfte kam dann mit Gustavo noch die defensivere Variante zu Martinez, was zur Folge hatte, dass Bayerns zentrales Trio nicht mehr so flexibel wie vorher agierte – das Ergebnis sollte gesichert werden.
Passend dazu ist auch die Einwechslung Mandzukics für Pizarro. Der Kroate sollte als Notfalloption für lange Bälle dienen, da Heynckes wohl mit einem stärkeren Aufbäumen durch höheres Pressing von Valencia rechnete. Dies fand aber faktisch nicht statt.
Zusammenfassung
- Bayern sehr konzentriert und kontrolliert
- Flexibles Mittelfeldtrio erschwert Valencia das Pressing enorm. Wichtig hier besonders Schweinsteigers teilweise sehr weite Freilaufbewegungen
- Valencia bei Ballbesitz mit zu großem Abstand zwischen Defensive und Offensive mit 6 Spielern hinter und 4 Spielern vor dem Ball
- Bayern mit verbessertem Gegenpressing, Resultat: viele abgefange Pässe und gewonnene Zweikämpfe in der gegnerischen Hälfte, die letztendlich auch zu den Toren führten
- Kein Alles-oder-Nichts von Valencia gegen Ende des Spiels
Fazit
Bayern siegte verdient und souverän, musste aber aufgrund der bekannten Schwäche bei gegnerischen Standards eine gute Minute zittern. Einzig die Chancenverwertung (Elfmeter Mandzukic) kann man ihnen vorwerfen, ansonsten war es eine ansprechende Leistung gegen einen ersatzgeschwächten, aber dennoch unangenehmen Gegner.
Spätestens jetzt sollte jeder wissen, dass der Münchener Kader im Vergleich zur vergangenen Saison bedeutend stärker ist – vor allem wenn man bedenkt, dass Gomez und Alaba noch wiederkommen. Heynckes kann nun je nach Gegner die unterschiedlichsten Spielertypen bringen, was den Rekordmeister deutlich weniger ausrechenbar macht als in den letzten Jahren. Besonders das zentrale Mittelfeld mit Martinez, Schweinsteiger und Kroos macht Lust auf mehr.
13 Kommentare Alle anzeigen
Kimho 22. September 2012 um 05:48
Großartige Analyse! Obwohl ich hier fleißiger Leser bin, sehe ich leider im Spiel viele dieser Dinge (noch?) nicht.
Ich fände es wirklich toll wenn Leute wie ihr Spiele (co-)kommentieren würdet!!! Man könnte dann richtig lernen und tiefe Einblicke erhalten. Ich habe die Live-Kommentare vom RM während des Spiels erst in der Halbzeit bzw. nach dem Abpfiff gelesen, da ich mich beim Spiel normalerweise ganz auf selbiges konzentriere. Als gesprochener Live-Kommentar wären die spitze gewesen.
Ernst Happel 21. September 2012 um 22:41
Hallo
Feine Analyse! Danke.
lg
EH
André 21. September 2012 um 22:26
Richtig guter Artikel. Kurz, knapp und auf das Wesentliche beschränkt (vllt etwas zu wenig zum Valencia Spiel!?). Ich denke die wirklich interessanten Spiele werden für die Bayern noch kommen – also die Spiele gegen läuferisch überragend starke Pressingteams bzw wäre es auch interessant sie mal wieder gegen Barca zu sehen und wie sich da die Ballbesitzverhältnise ergeben. Trotzdem denke auch ich, dass die ausgewählten Neuzugänge die Qualität des Kaders sowohl in der Breite als auch in der Spitze extrem aufwerten. Speziell scheint man ein Stück weit vom Starkult abgekommen zu sein und eine mannschaftsdienlichere Auffassung entwickelt zu haben. Der Jupp ist eben doch ein alter Fuch. Hat nicht dauernd öffentlich gejammert, dass sein Kader zu schmal ist, hat dies dann aber intern vermutlich sehr gut verkaufen können – sonst wäre er vermutlich schon nicht mehr da. Ist also ruhig geblieben, hat niemanden öffentlich angezählt (wie derzeit z.B. Favre
blub 21. September 2012 um 18:56
wenn bayer dieses flexible aufbauspiel stabilisieren und wiederholen können werden die nächsten spiele gegen pressingstarke teams wie dortmund seeehr interessant.
KarlA 21. September 2012 um 13:36
Danke für die informative Spielanalyse. Ich freu mich heuer auf die kommenden Bayernspiele in der CL. Wenn nicht der Verletzungsteufel zuschlägt, schaut das gut aus um wieder unter die letzten 4 zu kommen. Plus ist sicherlich, dass aufgrund der Spielertypen ein Plan B/C/D möglich ist. In den letzten Saisonen war man doch zusehr von 1-3 Spielern (Robben, Ribbery, Schweinsteiger) abhängig.
xking 21. September 2012 um 19:53
Würde nicht sagen das Robben 2011/2012 so extrem wichtig war in der letzten Saison, hatte irgendwie in der Rückrunde formtief/HR verletzt.
Würde in die Reihe eher Gomez reinstellen…
Der in der Hinrunde in richtig guter Form war und dann massiv abgebaut hat…
Auge 21. September 2012 um 12:19
Sehr gute Analyse. Ich habe mich schon streiten müssen mit leuten, die meinten, Pizarro hätte schlecht gespielt. Die typischen Leute halt, die immer nur auf den Ballführenden Spieler schauen.
Ich fand seine Leistung sehr gut und sehe mit Freude, daß ich nich alleine bin.
CRE 21. September 2012 um 14:52
Ja, schön kompakt diesmal, sehr schön zu lesen. Hatte aber Pizas Leistung im Spiel auch nicht so stark gesehen. Habe leider nicht den Blick um beim Livespiel alle taktischen Feinheiten zu erkennen (dafür gibts ja spielverlagerung *g*), aber gerade seine Ballsicherheit konnte er IMO nicht so unter Beweis stellen. Es gab da aber schon den ein oder anderen Ball, den er Gomez like nicht sauber annehmen konnte und deshalb verloren ging. Stellungsspiel und vor allem Einsatz ist zwar zu loben, aber ich denke trotzdem, dass er es (wie zu erwarten) schwer haben wird in dieser Saison Spielzeit zu bekommen wenn Gomez wieder fit ist.
Luckc 21. September 2012 um 15:46
Habe Piza auch nicht schlecht gesehen hat aber ein paar bälle vertändeld wie gomez. Finde den bayern kader den besten seit anfang de nuller jahre!
Conraldinho 22. September 2012 um 17:07
Muss meinen Vorrednern recht geben, Pizzaro hat viel gearbeitet, aber auch einige Bälle vertändelt.
Ich hatte während des Spiels den Eindruck, dass er nach einigen Fehlern konstant umspielt wurde von seiner Mannschaft. Insbesondere Kroos schien den Ball lieber zurück spielen zu wollen als ihn auf Claudio zu legen. Ich hätte mir hier gewünscht, dass ihm Mut durch einfache Pässe auf ihn, die er verwerten kann, zurückgegeben wird.
Zudem habe ich eine halbe Stunde mal wieder Robben verflucht, der den selben alten Trick immer und immer wieder probierte. Allerdings besann er sich dann eines besseren und spielte auch mal einen Pass. Schlagartig mit dieser Veränderung wurde Bayern noch überlegener. Vielleicht sollte man ihn öfters mal auf links setzen, damit man ihn zwingt seine selbstauferlegte Limitierung aufzuheben.
Um es kurz zu machen, obwohl dieser Zeitpunkt längst überschritten wurde, ist die Hauptkritik an Robben, die gleiche wie eh und je: Es ist nicht so, dass er es nicht kann, oftmals will er einfach nicht die richtigen Entscheidungen treffen und umsetzen.
Aber dieses Mal hat er es ja gemerkt und sein Spiel umgestellt.
PS: Wie immer eine tolle Analyse von euch! Selbst, wenn man euch manchmal nicht recht gibt, ist euer Blickwinkel jedes Mal aufs Neue interessant!
sharpe 21. September 2012 um 12:00
guter Artikel.
die noch größere Ballsicherheit, das schnellere Passspiel gegenüber letzter Saison, die gute Raumaufteilung und die kurzen Ballbesitzzeiten der einzelnen Spieler machen es dem Gegner unglaublich schwer, an den Ball zu kommen. Da Bayern das Spiel sehr schnell horizontal verlagert, fordert das enormen läuferischen Aufwand beim Gegner. Das, im Zusammenhang mit dem aggressiven Pressing bei Ballbesitz der gegnerischen Mannschaft, führt dazu, dass die Gegner schneller müde gespielt werden als in der Vergangenheit. Mit Martinez scheinen sie einen Spieler geholt zu haben, der Schweini und Kroos sehr gut ergänzt.
Auffallend ist auch, dass Boateng überhaupt keine langen Bälle mehr spielt, die ja in der Vergangenheit fast nur Ballverluste waren.
Durch Bayerns Dominanz werden die Gegner auch irgendwie gleichgemacht. Valencia ist sicher stärker als sie in München wahrgenommen wurden, aber ihnen ist es genauso wie Mainz, Stuttgart und Fürth nicht gelungen, offensive Impulse zu setzen.
Golo 21. September 2012 um 11:47
Ich möchte gar nicht so sehr auf die Rotation eingehen, aber wie fandet ihr das Kommentar / die Kritik von Heynkes über Martinez, dass er noch mehr offensive Laufwege gehen müsste?
Ich fand sein Spiel vollkommen in Ordnung, was er machte, hatte Hand und Fuß. War die Ruhe selbst und hat einen wirklich guten Part gespielt. Auch wenn Valencia nicht so einen starken Eindruck gemacht hat wie gegen Madrid oder Barca.
Cabana 21. September 2012 um 11:19
Wie immer sehr interessanter Artikel!
Eine Kleinigkeit: „Auch eine zeitweise Manndeckung Martinez´ durch Jonas […]“ kommt doppelt vor.