Topspiel der zweiten Liga: Elversberg vs. Hannover – MH
Mit Elversberg und Hannover trafen zwei der spielstärksten Teams der zweiten Liga aufeinander, die sich schlussendlich mit einem 2:2 Unentschieden trennten. Hier geht’s zur Analyse.
Elversberg startete aus einer 4-2-3-1 Formation mit dem insbesondere in Ballbesitz wichtigen 10er Conté. Im Sturm startete ausnahmsweise Schnellbacher statt Ebnoutalib, der wiederum erst zur zweiten Halbzeit eingewechselt werden sollte. Gegen den Ball presste Elversberg aus einer 4-4-2 Staffelung mit Conté und Schnellbacher in der ersten Pressinglinie.
Hannover wiederum startete wie gewohnt aus einem nominellen 3-Raute-3 System mit Sechser Leopold und 10er Aséko. Die beiden Außenverteidiger der Fünferkette, Neubauer (ab der 20. Minute Oudenne) und Matsuda, schieben in Ballbesitz auf die Achter Positionen, wodurch die 3-Raute-3 Staffelung entsteht. Hannover presste ebenfalls wie gewohnt mit einer Manndeckung über das gesamte Feld, wobei Leopold die wichtige Aufgabe zukam, 10er Conté in Manndeckung zu nehmen.
Auffällig gegen Elversberg war allerdings, dass Sechser Leopold im Spielaufbau erstaunlich häufig in die Aufbaukette einrückte, wodurch ein 4er Aufbau entstand. Zudem kippte 10er Aséko auf die Sechserposition unmittelbar hinter die erste Pressinglinie. Es entstand eine 4-1-2-3 (4-3-3) Staffelung.
Treffen die beiden spielstärksten Mannschaften der zweiten Liga aufeinander, entsteht ein sehr pressing-intensives Spiel. Sehr wahrscheinlich haben beide Mannschaften, insbesondere Elversberg, in der Trainingswoche einen besonderen Fokus auf das eigene Pressing gelegt. Zumindest wäre das in Anbetracht der Anfangsphase des Spiels naheliegend. Schließlich hatten beide Mannschaften gegen den Ball einen sehr guten Plan, den gegnerischen Ballbesitz unter Druck zu setzen, wodurch ein Spiel mit wenigen lange Ballbesitzphasen entstand.
Hannover setzt Elversberg durch die Manndeckung unter Druck
Der tiefe Elversberger Spielaufbau in der eigenen Hälfte fand aus einem 1-4-2-3-1 (5-2-3-1) statt. Der linke Außenspieler Elversbergs, Zimmerschied kam immer wieder im Halbraum entgegen. Auch 10er Conté kam immer wieder im linken Halbraum entgegen. Ziel dieser Aktionen war es, sowohl die jeweiligen Gegenspieler aus den entscheidenden Räumen rauszuziehen, als auch im Zentrum bessere Kombinationen zu ermöglichen.
Hannovers Manndeckung war auf den Aufbau von Elversberg allerdings sehr gut vorbereitet. Um die Manndeckung im Angriffspressing herzustellen, ließ sich Stürmer Källmann auf einen der beiden Sechser zurückfallen und nahm diesen in konsequente Manndeckung. Die Außenspieler, Bundu und Chakroun, sollten die beiden Innenverteidiger anlaufen und dabei versuchen, den Torwart situativ so zu pressen, dass ein Spiel über den Dritten (TW-Sechser-IV) nicht möglich wurde. Das Spiel über den Dritten wurde durch die enge Manndeckung auf die Sechser für Elversberg zusätzlich erschwert. Dadurch konnte Hannover immer wieder den Elversberger Spielaufbau erfolgreich unter Druck setzen und ungenaue lange Bälle erzwingen.
Wenn Elversberg sich befreien konnte, dann funktionierte das häufig über steil-steil Kombinationen, die sich immer wieder in Elversbergs Ballbesitzspiel auffinden lassen und auch bereits in der letzten Saison unter dem damaligen Trainer Horst Steffen eine wichtige Rolle spielten. Solche und ähnliche Kombinationen sind eine Besonderheit im Spiel der Elversberger, da sie sich deutlich von den Positionsspiel-Mustern vieler anderer Teams, darunter auch Hannover, unterscheiden. Interessant ist dabei vorrangig, aus welcher Anordnung die Spieler der Elversberger solche (steil-steil) Kombinationen herstellen.
Ziel ist es zunächst, durch die Verringerung der Abstände zwischen den Spielern, schnellere Kombinationen zu ermöglichen. Das Entgegenkommen des Flügelspielers und des 10ers im Halbraum initiierte häufig solche Kombinationen – weitergeleitet wurde der Ball dann meist direkt weiter auf den Stürmer (steil-steil). Eine Szene in der 36. Minute im Spiel ins letzte Drittel gegen einen tieferen Block Hannovers steht dabei exemplarisch für den Versuch einer solchen Kombination:

Elversberg hat den Halbraum geöffnet und kann ihn nun belaufen. 10er Conté und Flügelspieler kommen im Halbraum entgegen und staffeln sich diagonal versetzt.
Die entgegenkommenden 10er Conté und Flügelspieler Zimmerschied ordnen sich diagonal in der Höhe versetzt an. Dadurch kann Conté den ballempfangenden Zimmerschied überlaufen. Gleichzeitig rückt Stürmer Schnellbacher vor seinen Gegenspieler, um anspielbar zu werden und Sechser Poreba wird als weitere Klatschoption anspielbar.

Der (Steil-)Pass auf Zimmerschied löst das Vorderlaufen Contés aus. Zimmerschied leitet direkt steil mit der Hacke auf den entgegengekommenen Schnellbacher weiter und überläuft ebenfalls sofort, sodass Schnellbacher 3 Klatschoptionen hat (Sechser, Zimmerschied, Conté).
Zurück zum Spielaufbau der Elversberger: Es lässt sich festhalten, dass Elversberg zu wenig Ideen gegen die Manndeckung Hannovers hatte. Zu selten kam Elversberg wirklich ins Kombinieren oder schaffte es, entscheidende Räume zu öffnen und zu bespielen. Auch wurden die Verteidiger von Hannover kaum in Zwickmühlen gebracht, indem bspw. Stürmer sich weit fallenließen oder ähnliches versucht wurde. Das Nachrücken nach langen Bällen, um zweite Bälle zu gewinnen, konnte Hannover durch eine gute Rückwärtsbewegung unterbinden.
Elversberger Pressing und Hannovers zunehmende Kontrolle in Halbzeit 1
Wie bereits erwähnt, baut Hannover grundsätzlich aus einer Art 3-Raute-3 auf. Hierzu schieben die Außenverteidiger ein und besetzen die Achterpositionen der Raute. Mehr dazu findet ihr in der Analyse des Spiels des vorletzten Spieltags von Hannover gegen Schalke. Entsprechend zeigte sich Elversberg auch bestens auf das 3-Raute-3 bzw. teils mit Torwartekette 4-Raute-3 vorbereitet. Auf der letzten Linie verteidigte Elversberg mit einer +1 Überzahl, indem sich die beiden Innenverteidiger gegen den Stürmer Hannovers positionierten. Ziel war es, die häufigen Bälle auf die schnellen Außenspieler der Hannoveraner in der Tiefe besser absichern zu können. Grundsätzlich verteidigte Elversberg aus einer 4-4-2/ 4-2-4 Staffelung.
Das Pressing der Elversberger blieb zunächst passiv, bis es durch einen Pressingauslöser aktiv wurde. Die beiden Stürmer sollten Hannovers zentralen Innenverteidiger und Sechser Leopold bzw. Torhüter Noll pressen. Dahinter positionierten sich die Flügelspieler Elversbergs zwischen den breit geschobenen äußeren Innenverteidigern und den eingerückten und hochgeschobenen Außenverteidigern Hannovers, um einen Deckungsschatten auf diese im Moment des Anlaufens zu erschaffen. Dahinter verschoben die beiden Sechser gegen die drei verbliebenen Spieler: 10er Aséko und die eingeschobenen Außenverteidiger Matsuda und Neubauer.

Das Elversberger Pressing (Blocken) bleibt zunächst passiv im 4-4-2 und wird durch bestimmte Pressingauslöser immer wieder aktiv. Dabei pressen die Flügelspieler auf die Außenverteidiger der 3er Kette von Hannover.
Im Gegensatz zu Elversberg konnte Hannover besser mit dem Pressing der Saarländer umgehen. Als Reaktion auf das Pressing baute Hannover aus einer 4-1-2-3 (4-3-3) Staffelung auf. Diese entstand, indem sich Leopold sehr häufig in die Abwehrkette fallenließ und vor sowie hinter der ersten Pressinglinie pendelte. Zusätzlich kam 10er Aséko weit entgegen, sodass eine ausspielbare 3vs2 bzw. 5gg4 Überzahl in der Aufbauzone entstand.

Hannover baut im 4-1-2-3 (4-3-3) auf, um die Überzahl im Zentrum auszuspielen und die Schnittstellen im Zentrum finden zu können. Hierzu lässt sich 10er Aséko fallen und Sechser Leopold pendelt vor und hinter der ersten Pressinglinie.
So entstand insgesamt ein pressingintensives Spiel, welches im Laufe der ersten Halbzeit immer mehr von Hannover durch die eigenen Ballbesitzphasen kontrolliert werden konnte. Hannover schaffte es gegen das blockende Verteidigen der Elversberger immer besser, die Überzahl im Zentrum auszuspielen, indem die Schnittstellen gefunden wurden. Entscheidend im Aufbau Hannovers war natürlich nicht nur die Art der Staffelung, sondern auch welche Spieler in der zentralen Aufbauzone positioniert wurden. Sowohl Sechser Leopold, als auch 10er Aséko sind sehr pressingresistent und haben wenige Ballverluste. Dementsprechend ist die Erfolgsquote im Spiel über das Zentrum auch höher. Wurde einmal die erste Pressinglinie über das Zentrum überspielt, so konnte Hannover, vorausgesetzt Elversberg konnte nicht früh genug durch die erste Pressinglinie zurückpressen, auf eine weitere 3vs2 Überzahl gegen die Sechser Elversbergs bauen.
Dadurch, dass Hannover immer besser die Schnittstellen im Zentrum fand, konnte Hannover auch immer besser den Spielrhythmus über eigene Ballbesitzphasen kontrollieren, wodurch die erste Halbzeit immer stärker durch Hannover kontrolliert wurde. So fiel das 1:0 für Elversberg auch eher überraschend. Nichtsdestotrotz hatte auch Hannover noch Potential im Ballbesitzspiel. So konnte Elversberg in der zweiten Pressinglinie auch mithilfe der zurückpressenden ersten Pressinglinie einige Durchbrüche durch das Zentrum verhindern. Möglicherweise könnte aus Sicht von Hannover durch situative Ausbrüche aus der klassischen Zonenbesetzung noch häufiger das gegnerische Pressing ausgespielt werden.
Hierzu käme in Betracht, den ballfernen Achter insbesondere im Moment des ersten Überspielens der ersten Pressinglinie näher an den ballempfangenden Spieler zu schieben, um eine weitere Klatsch- oder Steil-Option aus dem Zentrum zu haben. Zwar würde dadurch die Verlagerungsoption (der ballferne Achter) bei Überspielen der zweiten Prssinglinie wegfallen, allerdings könnte Hannover dadurch auch deutlich häufiger die erste Pressinglinie erfolgreich überspielen. Die Positionierung in diesen Momenten des Überspielens, ausgerichtet an einer bestmöglichen Kombination (= primär ausgerichtet an den Mitspielern) anstelle der Ausrichtung an einer bestmöglichen Zonenorientierung (= primär ausgerichtet an dem Gegenspieler), könnte das Spiel Hannovers noch schwerer zu pressen machen.

Eine beispielhafte Bewegung der Zentrumsspieler, um eine relationistische Staffelung herzustellen und die Überzahl noch erfolgreicher auszuspielen. Das situative Herstellen solcher kurzzeitigen Staffelungen lässt eine bestmögliche Kombination/ Ballstafette im Zentrum zu.
Das situative relationistische Ausbrüche aus einer positionellen Basis im Ballbesitzspiel funktionieren können, zeigte der Gegner, Elversberg, bereits in der letzten Saison. Letzten Endes geht es darum, wie Hannover die Überzahl im Zentrum bestmöglich ausspielen kann. Im Gegensatz zum vergangenen Spiel gegen Schalke funktionierte das gegen Elversberg in der ersten Halbzeit bereits deutlich besser, wenn auch noch nicht perfekt.
Zweite Halbzeit – Elversberg sorgt für „unkontrolliertes“ Spiel
In der zweiten Halbzeit veränderte Elversberg die Art des Verteidigens. Anstelle des passiveren Blockens mit Übergängen ins Pressing wurde hauptsächlich dauerhaft gepresst. Die Prinzipien der Elversberger blieben gleich: auch weiterhin wurde auf der letzten Kette mit +1 gepresst. Zudem blieb die zentrale Überzahl Hannovers bestehen. Dennoch schaffte es Elversberg, das Hannover kaum noch kontrollierte Ballbesitzphasen verzeichnen konnte.
Häufig schaffte es Elversberg, einen ungenauen langen Ball über das Durchpressen auf den Torwart zu provozieren. Allerdings schaffte es Hannover insbesondere bei Abstößen, das Pressing über die Überzahl im Zentrum auszuspielen. Hilfreich dabei waren größere Abstände zwischen 10er Aséko und den situativ aus dem Zentrum abkippenden Außenverteidigern. Dadurch konnten die Sechser der Elversberger aus der 2gg3 Unterzahl nicht mehr ballnah durchschieben, da die Abstände zu groß wurden. Zudem schaffte es Hannover immer wieder, das Spiel entgegen der Elversberger Pressingrichtung der ersten Pressinglinie zu lösen.
Dass Hannover dennoch weniger Spielkontrolle hatte, lag unter anderem an dem höheren Risiko des Elversberger Pressings. Wurde die Kette überspielt, entstanden Umschalt-ähnliche-Situationen, die Hannover allerdings nicht gut ausgespielt bekam. Die Folge war ein Spiel, welches noch mehr geprägt wurde durch das jeweilige Pressing. Dadurch dass das Spiel aufgrund der veränderten Art zu Verteidigen der Elversberger deutlich vertikaler wurde, erhöhte sich ebenso die Intensität für die Spieler. Insbesondere Hannover hatte damit im Laufe der Halbzeit vermehrt Probleme: schließlich ist die Manndeckung eine besonders intensive Art zu verteidigen. Fehlen die Erholungspausen, so wird auch die Manndeckung zunehmend weniger eng und gleichzeitig leichter auszuspielen.
Dass Hannover die gesamte zweite Halbzeit über, auch im tieferen Pressing, auf eine Manndeckung setzte, sorgte dafür, dass Elversberg ebenfalls schnell den Weg zum Tor suchen musste. Andernfalls wurde Elversberg erfolgreich zu einem langen Ball gezwungen. Auf die gesunkene Intensität der Manndeckung reagierte Titz bereits früh. Bis zur 72. Minute verbrauchte Hannover alle 5 Wechsel und sorgte damit wieder für engere Abstände in der Manndeckung sowie weniger Ballbesitzphasen der Elversberger.
Passend zur zweiten Halbzeit entstanden die beiden restlichen Tore jeweils aus Standardsituationen. Letzten Endes schaffte es keines der beiden Teams über eine längere Phase der zweiten Halbzeit, Spielkontrolle zu sichern oder sich mehrere große Torchancen am Stück herauszuspielen.
Fazit
Elversberg und Hannover lieferten sich ein intensives Spiel. Am Ende steht ein 2:2 Unentschieden zwischen den beiden eigentlich sehr spielstarken Teams. Die dominanteste Phase der Partie entwickelte Hannover vor der Halbzeitpause. Letzten Endes entscheiden Kleinigkeiten über solche Spiele: gewonnene Zweikämpfe in entscheidenden Situationen im Kampf um den zweiten Ball oder auch ein individueller Fehler. In diesem Fall sorgten zwei Standardsituationen, ein Elfmeter und ein Freistoß, für die beiden Tore in der zweiten Halbzeit.


Keine Kommentare vorhanden Alle anzeigen