PSG verliert die Tabellenführung der Ligue 1- LB
Paris Saint-Germain und RC Strasbourg trafen im Topspiel der Ligue 1 (1. gegen 3.) am vergangenen Freitagabend in der französischen Hauptstadt aufeinander. Nach einem furiosem Spiel trennen sich die beiden 3:3. Aufgrund des Sieges von Marseille am nächsten Tag verliert PSG damit die Tabellenführung und findet sich nach dem Spieltag nur noch auf Platz 2 wieder. Mit welchen taktischen Mitteln konnte das junge Team aus Straßburg den Parisern den ersten Punktverlust der Saison im heimischen Stadion abringen?
Paris dominiert die Anfangsphase
Die ersten rund zehn bis 15 Minuten des Spiels sind von einer hohen Spielkontrolle der Hausherren geprägt. In der Anfangsviertelstunde verzeichnet Paris 74 Prozent Ballbesitz und Strasbourg kann sich kaum aus der eigenen Hälfte bewegen. PSG baut in einem asymmetrischen 3-4-3 auf (siehe Abb. 1). Die defensive Dreierkette bilden dabei die beiden Inneverteidiger Ilya Zabarnyi, Lucas Beraldo sowie Lucas Hernandez. Der Rechtsverteidiger Senny Mayulu rückt etwas offensiver auf die Höhe der zentralen Mittelfeldspieler Warren Zaire-Emery, Desiré Doué und Kang-In Lee auf. Die offensive Dreierreihe besteht aus Ibrahim Mbaye, Goncalo Ramos und Bradley Barcola. Lee und D. Doué bewegen sich dabei zwischen dem Achter- und Zehnerraum, wodurch situativ ein 3-2-5 entstehen kann.
Strasbourg spiegelt das System mit einem 3-4-3 Mittelfeldpressing. Damit schafft es das Team von Trainer Liam Rosenior das Zentrum sehr dicht zu verteidigen und die Räume im zentralen Mittelfeld sind für Zaire-Emery und D. Doué sehr eng. Paris tut sich auch tatsächlich schwer ihr Spiel über die Mitte aufzuziehen. Da Strasbourg allerdings mit vier Spielern das zentrale Mittelfeld besetzt, bekommt PSG auf den Flügeln einiges an Raum. Die Pariser machen daher in den ersten 15 Minuten das Spiel sehr breit und Hernandez, Mayulu, Barcola und Mbaye besetzen stets die Breite. Mit vielen Seitenwechseln und vor allem dank den 1 gegen 1 Fähigkeiten von Barcola schafft Paris in dieser Anfangsphase immer wieder das Mittelfeldpressing von Straßburg zu überspielen und sie in ihren tiefen 4-4-2 Block zu drücken.
So fällt auch bereits nach sechs Minuten der Führungstreffer durch Barcola. Paris setzt sich im Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte fest. Strasbourg setzt den ballführenden Spieler (Mayulu) nicht genug unter Druck, sodass er in aller Ruhe einen Seitenwechsel zu Barcola spielt und damit zwei Straßburger überspielen kann. Der findet sich in einer 1 gegen 1 Situation wieder und löst diese erstklassig mit einem Doppelpass im Zusammenspiel mit D. Doué auf, sodass Raum in der Box frei wird, den Barcola wiederum zum Torschuss nutzt. So schnelle das 1:0 für Paris gefallen ist, so schnell hören sie allerdings auch auf, auf den nächsten Treffer zu drücken.
Die Gäste nehmen Fahrt auf
Wie bereits angesprochen bekommt Strasbourg nach den ersten rund 15 Minuten immer mehr Spielanteile. Zum einen kommen sie regelmäßig in längere Ballbesitzphasen und können sich so etwas entlasten. Zum anderen kommen sie mit Kontern immer wieder zu Torchancen. Paris ist in ihrem Umschaltspiel nach Ballverlust oft schlichtweg zu langsam. Dazu kommt eine nachlässige Restverteidigung und teilweise schlechtes Timing und zu aggressives nach vorne verteidigen, wodurch Räume für Strasbourg geöffnet werden.
So fällt auch der Ausgleichstreffer: Strasbourg befindet sich im Spielaufbau. Julio Enciso zieht mit seinem Laufweg in Richtung Mittellinie Lucas Hernandez aus der Kette, der ihm folgt. So entsteht Raum für Guela Doué an der rechten Seitenlinie. Ismael Doukouré spielt ihn an und G. Doué hat Platz zum andribbeln. Hernandez entscheidet sich mit Enciso mitzugehen, der mit einem guten Laufweg wieder Richtung Box läuft. Da Desiré Doué seinen älteren Bruder gewähren lässt kann dieser eine sehr gut platzierte Flanke schlagen, die Mittelstürmer Joaquin Panichelli aus rund elf Metern per Kopfball exzellent verwertet.
Paris gibt das Spiel aus der Hand
Der Ausgleichstreffer verleiht Strasbourg noch mehr Momentum und Paris verliert immer mehr Spielanteile. PSG tut sich in der zweiten Phase der ersten Hälfte sehr schwer aus ihrem Ballbesitz Torchancen zu erspielen. Die Gäste verteidigen sehr entschieden, sind eng an ihren Gegenspielern und machen die Räume eng. Paris stellt in dieser Phase ihren Spielaufbau auf ein 4-2-4 um mit Zaire-Emery und D. Doué als Sechser, um das Zentrum zu entzerren und Räume zu öffnen. Mayulu bleibt in dieser Phase in der defensiven Viererkette und Kang-In Lee bewegt sich neben Ramos im offensiven Halbraum. Nun findet Paris zwar mehr Räume im Zentrum, aber Strasbourg stört den Spielaufbau von Paris sehr gut, indem sie einen der beiden Sechser in Manndeckung nehmen.
Der Innenverteidiger und Kapitän der Gäste Ismael Doukouré verfolgt Desiré Doué im gegnerischen Spielaufbau über den gesamten Platz. Das macht es Zaire-Emery extrem schwer gegen das 3-4-3 (in dem Fall meist ein 3-3-3, da Doukouré D. Doué in Manndeckung nimmt) den Ball kontrolliert nach vorne zu treiben, da er im Moment der Ballannahme von zwei bis drei Spielern angelaufen wird. Zabarnyi, Beraldo und Hernandez werden von der offensiven Dreierreihe Straßburgs angelaufen und finden oftmals keine Anspielstationen für progressive Pässe.
PSG hätte in dieser Phase ihre Überzahl in der vordersten Kette (4 gegen 3) besser ausspielen müssen, indem sich Lee, Barcola, Ramos oder Mbaye tiefer fallen lassen, um den Spielaufbau zu unterstützen. Allerdings befindet sich schlichtweg zu viel Raum zwischen Verteidigung und Angriffsreihe und sie bekommen durch die Unterzahl im Mittelfeld plus Manndeckung von D. Doué das mittlere Drittel nicht überspielt. Das 2:1 für Strasbourg fällt passenderweise nach einem Fehlpass im Pariser Spielaufbau. D. Doué spielt den Ball Diego Moreira im eigenen Strafraum in die Füße, der nach einem Doppelpass mit Valentin Barco zum Führungstreffer vollenden kann.
Schlagabtausch und wichtige Wechsel
Der zweite Durchgang beginnt mit einer wilden ersten Viertelstunde, in der sich Paris direkt das 1:3 fängt, weil die Verteidigung bei einem langen Ball durch schlechtes Stellungsspiel und schlechter Ordnung Probleme bekommt. Rund zehn Minuten später kann D. Doué der Manndeckung von Doukouré entwischen und nach wiederum einem langen Ball einen Elfmeter herausholen.
So steht es also nach 60 gespielten Minuten 3:2 für die Gäste und PSG wechselt drei Mal. D. Doué und Barcola verlassen für Khvicha Kvaratskhelia und Quentin Ndjantou den Platz. Außerdem ersetzt Willian Pacho positionsgetreu Lucas Beraldo in der Innenverteidigung. Kvaratskhelia nimmt den Platz von Barcola auf der linken Seite ein. Ndjantou besetzt die rechte Seite, dafür rückt Mbaye defensiver auf die Rechtsverteidigerposition, wo vorher Mayulu spielte. Mayulu rückt ins Zentrum neben Zaire-Emery und nimmt somit die Position ein, die vorher D. Doué bespielte.
Diese drei Wechsel von Luis Enrique zeigten Wirkung. Im Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte spielt Paris im 3-2-5 und arbeitet mit sehr vielen Positionswechseln, Rochaden und Tiefenläufen. Kvaratskhelia taucht immer wieder im offensiven Halbraum auf und tauscht Position mit Lee und Ndjantou. Ramos lässt sich regelmäßig aus der Sturmspitze fallen. Mayulu bekommt in seiner zentralen Position im zweiten Durchgang deutlich mehr Ballkontakte und bewegt sich sehr intelligent im Zwischenlinienraum. Gleichzeitig agiert Zaire-Emery etwas offensiver und bedient seine Vorderleute mit Schnittstellenpässen.
Paris wird immer besser
Die Hausherren spiegeln in der zweiten Hälfte gegen den Ball den Spielaufbau ihres Gegners im 2-4-4 und stören diesen so sehr effizient. Strasbourg bekommt in der letzten halben Stunde so gut wie gar keine längere Ballbesitzphase mehr und weiß sich nur noch mit langen Schlägen zu helfen, die meistens direkt bei Paris landen. So drückt PSG Strasbourg zwischen den Wechseln (Minute 61.) und dem 3:3 (Minute 79.) fast dauerhaft in den tiefen Block. Diesen passen die Gäste leicht an, indem sie in ihrer letzten Reihe eine Überzahl gegen die fünf Offensivspieler Paris herstellen. Sie verteidigen also im 6-3-1. Allerdings führt dies dazu, dass Mayulu, Zaire-Emery und Co. im Zentrum vor der 6er-Kette mehr Raum zur Verfügung haben. Daher stellt Strasbourg nach dem letzten Gegentor auch wieder auf ein 5-4-1 um, was deutlich besser funktioniert.
Der letzte Treffer der Partie ist sinnbildlich für die Umstellungen der beiden Mannschaften. Zaire-Emery hat kurz nach der Mittellinie Platz zum andribbeln, wird allerdings vor dem Strafraum abgegrätscht. Der Ball landet bei Zabarnyi, währenddessen lässt sich Mayulu aus dem offensiven Halbraum in Richtung Zabarnyi fallen, was Barco dazu bringt mit ihm mitzugehen. Gleichzeitig läuft Lee entgegengesetzt zu Mayulu in den freien Raum und bekommt den Ball. Barco und Innenverteidiger Lucas Högsberg laufen beide Lee an, den dadurch frei gewordenen Raum in der Box beläuft Mayulu, er bekommt den Ball und trifft zum 3:3 Endstand.
Fazit
Am Ende ist das 3:3 ein verdientes Endergebnis. Strasbourg gewinnt die erste Halbzeit 2:1 und Paris die zweite Halbzeit 2:1, weil beide Teams die jeweiligen Schwächen ihres Gegners effizient ausgenutzt haben. Strasbourg nutzt erst die unsortierte Restverteidigung und die unkoordinierte Verteidigung bei langen Bällen von Paris, um zu Torchancen und einem Tor zu kommen. Darüber hinaus stören sie den Spielaufbau gut und kommen auch hierüber zu einem Tor. Nach den ersten 15 Minuten lassen sie auch im tiefen Block wenig zu. Allerding ist ihre Umstellung auf das 6-3-1 in der zweiten Halbzeit zu kritisieren, da sie danach nur noch wenig Zugriff auf das Spiel bekommen.
Paris auf der anderen Seite ruht sich in Halbzeit zu sehr auf dem 1:0 aus und machen nicht genug Druck auf das nächste Tor. Dadurch lassen sie Strasbourg zurück ins Spiel kommen. Die Wechsel und Umstellungen in der zweiten Halbzeit allerdings sind positiv hervorzuheben und verhelfen ihnen am Ende auch zum 3:3. Ganz zum Schluss schaffen sie es sogar fast noch das Spiel mit einem weiteren Treffer für sich zu entscheiden, weil sie hier nach dem Tor von Mayulu weiter Druck machen.
In Bestbesetzung mit Marquinhos, Dembélé, Vitinha und Co. auf dem Platz hätte sich PSG in diesem Spiel sehr wahrscheinlich noch mehr Torchancen herausspielen und das Spiel gewinnen können. So müssen sie sich mit dem Unentschieden zufrieden geben und liegen nun einen Punkt hinter Tabellenführer Olympique Marseille (gegen die Paris bereits an 5. Spieltag 0:1 verlor) und wir können uns womöglich auf einen spannenden Titelkampf in der Ligue 1 freuen!

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