Neuer Trainer – Alte Probleme – FN

Nach drei Spielen unter Interimstrainer Mike Tullberg gab nun Niko Kovac sein Debut als neuer BVB – Trainer. Nach einem 5:1 Sieg im Hinspiel konnten die Stuttgarter auch in Dortmund dreifach Punkten. Anders als im Hinspiel überzeugten die Stuttgarter nicht durch ihr dominantes Ballbesitzspiel, sondern eine disziplinierte Defensivleistung aus einem Mittelfeldpressing heraus. Der BVB sah sich trotz neuem Trainer alten Problemen im Bespielen eines Mittelfeldpressings gegenüber.

Kovac veränderte die Startelf in der gewohnten 4-2-3-1 Grundordnung im Vergleich zum Sieg seines Vorgängers gegen Heidenheim auf nur einer Position. Adeyemi ersetzte den jungen Duranville auf dem rechten Flügel. Der BVB erhoffte sich von diesem Spiel einen positiven Trainereffekt, um somit den Anschluss zu den internationalen Plätzen im direkten Duell mit einem weiteren Anwärter zu wahren.

Stuttgart hingegen wollte sich nach einem unspektakulären 1:0 Erfolg unter der Woche im Pokal gegen Augsburg weiter aus einer kleineren Krise befreien. Nach zwei verlorenen Ligapartien gegen Gladbach und Mainz sowie dem Champions League aus gegen PSG galt es nun im Kamof um die top Vier weiter zu punkten. Personell nahm Hoeneß zwei Änderungen im Vergleich zum Pokalerfolg vor. Millot und Leweling rückten für Demirovic und Brun-Larsen in die Startformation und formten eine 3-4-2-1 Grundformation.

Stuttgart überspielt lang

Der VfB baute das Spiel aus einer asymmetrischen 3-2-4-1 Struktur heraus auf. Der linke Halbverteidiger Hendriks agierte etwas breiter als Stergiou auf der rechten Seite. Nübel wurde aktiv in den Aufbau miteinbezogen und bildete neben Chabot als rechter Innenverteidiger eine Viererkette in der ersten Linie.

23. Minute

Die Stuttgarter hatten jedoch Probleme gegen die Dortmunder 4-1-3-2 Raute im Angriffspressing in ihr gewohntes flaches Aufbauspiel zu kommen. Groß positionierte sich zwischen den Sechsern und verschob bei Anlaufen der Stürmer in der ersten Linie auf den ballnahen Sechser. Die Stürmer Guirassy und Brandt positionierten sich im Deckungsschatten auf die Stuttgarter Sechser, um das Spiel über den Dritten über den Sechser zu unterbinden. Dementsprechend steil lief Brandt als erster Anläufer Nübel an. Ziel war es dadurch den Pass auf Hendriks, aber auch das Finden von Hendriks im Deckungsschatten über Sechser Stiller zu verhindern und den Pass auf Stergiou zu erzwingen.

Guirassy sprang in diesen Momenten auf Stergiou und erzwang zumeist einen langen Ball. Das Zentrum wurde durch Springen von Groß auf Karazor und ballfernes Einrücken von Adeyemi, der in einer halbräumigen Position startete, auf Stiller geschlossen. Gittens auf der anderen Seite starte etwas tiefer um Abkippbewegungen von Millot aufzunehmen und eine Überladung des Sechserraums zu verhindern.

Häufig erfolgte der lange Ball auch bereits von Torhüter Nübel. Die langen Bälle waren zumeist unvorbereitet und ohne eine gute Struktur auf den Gewinn der zweiten Bälle. Zudem stellte der BVB durch die 4gg5 Unterzahl im Anlaufen eine +1 Unterzahl in der letzten Linie her und konnte durch numerische als auch physische Überlegenheit in der Luft für mehr Ballbesitzanteile sorgen.

21. Minute

Aus dem Spiel heraus presste der BVB den Stuttgarter 3+2 Aufbau aus einem kompakten 4-2-3-1 Angriffspressing. Die zweite Pressinglinie aus den Außenspielern und Zehner Brandt agierte dabei sehr sechserorientiert. Guirassy versuchte das Feld durch Anlaufen von Chabot zu teilen und den Pass auf eine Seite zu erzwingen. Der ballnahe Außenspieler schob in diesem Fall aggressiv diagonal auf den ballführenden Halbverteidiger. Durch den diagonalen Lauf von außen gelang es zudem die in der Breite abkippenden Flügelverteidiger in Deckungsschatten zu stellen. Die zweite Pressinglinie verschob ballnah wodruch der ballferne Außenspieler auf den ballfernen Sechser einrückte. Dahinter agierten die Dortmunder Sechser mannorientiert gegen die Halbraumzehner Führich und Millot. So wurde eine +1 Überzahl der Innenverteidiger gegen Guirassy erzeugt.

Der VfB hatte zunehmend Probleme gegen das kompakte Dortmunder Zentrum und schaffte es selten für längere Ballbesitzphasen zu sorgte, was auch der starke Dortmunder ppda Wert von 9,3 statistisch belegte, auch wenn das Zurückfallen in ein Mittelfeld Pressing dem etwas konservativeren Matchplan von Hoeneß entsprach.

Kompaktes Stuttgarter Mittelfeldpressing

Gegen das Dortmunder 3-2-4-1 verteidigten die Stuttgarter zunächst in einem 5-1-4/5-1-2-2 Mittelfeldpressing. Ziel war es die Höhe zu halten, bei klaren Auslösern den Ball auf eine Seite zu lenken und die Dortmunder ballfern zu isolieren, um die Überzahl in der letzten Linie aufrechtzuerhalten und ballnah mannorientiert Druck auszuüben.

26. Minute

Die Stürmer Führich und Undav agierten mit einem starken Mannbezug auf die beiden Dortmunder Sechser Sabitzer und den ins Mittelfeld eingerückten Bensebaini. Auf der rechten Seite agierte Millot halbräumig und blockte Passwege ins Zentrum. Zudem konnte dieser auf den regelmäßig aus seiner Rolle als Halbraumzehner nach außen kippenden Groß herausrücken und das diagonale Bespielen des Zentrums verhindern. Auf der linken Seite rückte Stiller von der Doppelsechs in eine halbräumige Position um bei Pässen in die Breite auf Ryerson, der etwas asymmetrisch im Dreieraufbau agierte, herauszuschieben und einen kürzeren Presssingweg zu haben. So konnte ein Andribbeln von Ryerson in den freien Raum unterbunden werden und Führich als nomineller linker Halbraumzehner neben Undav agieren. Durch die enge Positionierung von Stiller und Millot schaffte man es das Zentrum im Deckungsschatten zu schützen und die Dortmunder bei Ballbesitz der Halbverteidiger zum diagonalen Pass in die Breite auf den isolierten Außenstürmer als einzige progressive Passoption zu zwingen.

Die Flügelverteidiger Leweling und Mittelstädt rückten in diesen Situationen sehr entschlossen nach außen und setzen Gittens und Adeyemi bei Ballannahme sofort unter Druck. So gingen die Stuttgarter aus diesen Duellen zumeist als Sieger hervor. Dieses aggressive mannorientierte Herausschieben war erst durch Gleichzahl in der letzten Linie möglich. So verfolgten auch die Halbverteidiger aggressiv aus der Kette verteidigend die Abkippbewegungen der Dortmunder Halbraumzehner. Davor agierte Karazor als freier Spieler im Zentrum.

Die kurzen Abstände von Millot und Stiller zu den Stürmern ermöglichte ein kompaktes Verschieben und Herausrücken bei Pressingauslösern. Ziel war er hauptsächlich den Ball durch einen Bogenlauf von Führich auf die rechte Seite zu lenken. Undav sprang in diesem Fall diagonal auf Anton, um den Deckungsschatten auf Bensebaini zu halten. Stiller rückte in diesem Fall ballfern auf Sabitzer ein, während je nach Höhe des Herauskippen von Groß auf den ballnahen Sechser Bensebaini gesprungen wurde. Bei niedrigerem Abkippen zu einem 2+4 Aufbau schob Millot auf Groß, während Karazor auf Bensebaini sprang und für ballnahe Mannorientierungen sorgte. So konnte eine +1 Überzahl von Stergiou und Chabot gegen Guirassy erzeugt werden. Bei höherem Abkippen von Groß schoben Stergiou oder Leweling entschlossen aus der Kette heraus und Millot schob mannorientiert auf Bensebaini. Somit blieb Karazor der freie Mann im Zentrum.

Auch bei Lenken des Balles auf die linke Seite durch ein diagonales Anlaufen von Undav auf Anton schaffte es der VfB mit klarer Struktur im Übergang Druck auszuüben. Führich sprang auf Can, wodurch der Ball auf Ryerson geleitet wurde. Dieser wurde von Stiller diagonal mit Deckungsschatten im Zentrum angelaufen. Millot schob nach innen auf Bensebaini und Karazor sprang auf den ballnahen Sechser Sabitzer. So schaffte man es wieder durch Stergiou und Chabot im Zentrum eine +1 Überzahl gegen Guirassy zu erzeugen.

In jedem Fall gelang es dem VfB einen Dortmunder ballfern zu isolieren und den BVB dazu zu zwingen neu über Kobel aufzubauen, wodurch man wieder etwas an Höhe gewinnen konnte und eine Passivität ihm Mittelfeldpressing vermieden werden konnte. Die Stuttgarter überzeugten durch ein sehr gutes Verständnis der Spieler füreinander und eine gute Anpassungsfähigkeit.

Alte Probleme beim BVB

Im Bespielen des Mittelfeldpressings hatte der BVB unter Kovac ähnliche Probleme zu seinen Vorgängern Tullberg, Sahin und Terzic. So wirkte das Ballbesitzspiel aus der 3-2-4-1 Grundordnung heraus statisch und man schaffte es selten durch klare Muster und Abläufe Durchbrüche zu erzielen.

Ein wiederkehrendes Bewegungsmuster war jedoch das nach außen Kippen von Groß auf der linken Seite in eine Art Flügelverteidigerrolle. Diese erfolgte zumeist nach dem Einrücken von Bensebaini auf die Doppelsechs neben Sabitzer. Man replizierte durch die Asymmetrie des rechten Halbverteidigers Ryerson die 2-4 Struktur aus dem tiefen Aufbau und schaffte es so nicht die Stuttgarter vor Entscheidungen zu stellen. Durch die leichte Vorhersehbarkeit in dieser Rotation stellte den VfB durch die halbräumige Positionierung von Millot, sowie das aggressive Herausverteidigen von Stergiou vor keine großen Probleme.

Zudem litt der Effekt der Inversion Bensebainis massiv unter der Kostanz des Herauskippens von Groß. So blockierte dieser unter anderem den diagonalen Passweg auf Gittens, wodurch der BVB Probleme hatte diesen konstant seine Stärke im isolierten 1gg1 ausspielen zu lassen. Zudem schaffte man es durch die damit Verbunde engere Positionierung von Anton selten den VfB vor Probleme in der Verschiebebewegung in Unterzahl zu stellen und so einen der sechser als freien Mann zu finden.

Es gelang auch selten das Herauskippen von Groß effektiv im Bespielen des Zentrums zu nutzen. Ballseitige Überladungen im Halbraum hätten in diesem Fall eine effektive Möglichkeit im diagonalen Bespielen des freien Raumes um Karazor im Zentrum dargestellt. Durch ballseitiges Verschieben von Brandt sowie Vorstöße von Bensebaini in der Halbspur hätte man in diesen Fällen für Überladungen gegen Karazor sorgen können und den Zwischenlininraum diagonal bespielen können.

Dem BVB fehlte es zudem an Gegenbewegungen im letzten Drittel. So stellten die Stuttgarter Halbverteidiger durch ihr aggressives nach vorne Verteidigen zum einen eine Stärke im Mittelfeldpressing dar. Allerdings hätten die sich öffnenden Räume im Rücken der Halbverteidiger durch Gegenbewegungen attackiert werden können. Das Ab-/ Herauskippen der Halbraumzehner hätte in Kombination mit diagonalen Tiefenläufen der Außenspieler und Chippässen der Dortmunder Halbverteidiger für ein Bespielen der Tiefe sorgen können. Genauso hätte auch Guirassy durch die 1 zu 1 Verteidigung der Stuttgarter Fünferkette gegen die letzte Linie des BVB, bei Abkippen des Halbraumzehners und Außenspielers die Tiefe hinter dem Stuttgarter Halbverteidiger belaufen können.

Die Dortmunder waren so zu berechenbar in ihren Abläufen und schafften es nicht für Rhytmuswechsel zu sorgen. Dies belegt auch der im Verhältnis zu einem Ballbesitzwert von 68% niedrige Field tilt Wert von 60%. Der VfB schaffte es den BVB konstant auf den Flügel zu lenken und das Zentrum durch gezielte Deckungsschatten geschützt zu halten, was zu einer Ballzirkulation in einer Art U-Form führte, wodurch Guirassy kaum in das Spiel eingebunden war.

Stuttgart schaltet diagonal um

Nach Ballgewinnen auf der Außenbahn durch das nach Außen lenken des BVB schaffte es Stuttgart sofort in das Konterspiel zu kommen und die abkippenden Halbraumzehner diagonal im Halbraum zu finden.

6. Minute

Diese bildeten mit dem durch die defensive Grundordnung halbräumig positionierten Stiller eine Passleiter. Durch geschicktes Ablagespiel konnten so der ballferne Halbraumzehner sowie Undav im Zentrum gefunden werden und durch Ablagen die nachrückenden Spieler der Passleiter mit einem offenen Fuß in großen zentralen Räumen finden. Dadurch kam der VfB wiederholt in aussichtsreiche gleichzahlige Schnellangriffe.

Diese waren jedoch häufig durch schlechte Entscheidungen im letzten Drittel nicht effektiv zu Ende gespielt. Die Dortmunder überzeugten zudem durch eine geschlossene Rückwärtsbewegung und egalisierten den Dynamikvorteil im Schnellangriff.

Kleine Anpassungen zur Pause

In der zweiten Halbzeit nahm Kovac kleine Änderungen vor. Ryerson positionierte sich in der Folge etwas breiter und höher im Dreieraufbau und sollte durch die höhere Position für bessere Passwinkel im Bespielen des Zentrums sorgen und eine Verschiebebewegung von Stiller erzwingen. Zudem erfolgten häufiger unterstützende Läufe für Außenspier Adeymi um in Kombinaton mit dem Herauskippen von Brandt für Übergabeprobleme der Stuttgarter zu sorgen.

Durch das kompakte Verschieben des VfB hatten diese Änderungen jedoch keinen erkennbaren Effekt auf die Partie, welche sich von der Grunddynamik nicht groß zur ersten Halbzeit unterschied.

Auch der VfB nahm kleinere Anpassungen in der Pause vor. So kippte Stiller im tiefen Aufbau wiederholt halblinks vor den Pressingwall und schaffte es durch das zögerliche Springen von Groß sich aufzudrehen. Währenddessen überluden die Halbraumzehner durch Abkippen Sabitzer im Dortmunder Sechserraum. Diese konnten von Stiller durch das raumsichernde Verhalten der Dortmunder Innenvertiediger in der Überzahl aufdrehen und eine künstliche Umschaltsituation erzeugen. Auf diesem Weg entstand auch das 1:0 durch das Eigentor von Anton.

Nach der Führung der Stuttgarter wurde das Spiel zunehmend umschaltlastiger und intensiver. Geordnete Ballbesitzphasen waren zu diesem Zeitpunkt eine Seltenheit. Mit dem 2:0 durch Chabot im Rücken beschränkte sich der VfB in der Folge hautpsächlich auf das kompakte Verteidigen im Mittelfeldpressing und die Kontrolle ohne Ball. Der BVB tat sich weiterhin schwer Lösungen gegen den Stuttgarter Block zu finden. Hoeneß reagierte dementsprechend auch personell und brachte zur Stärkung der Defensive mit Vagnoman eine echten Rechtsverteidiger für Führich, wodurch Leweling mit seinen Umschaltqualitäten zu einem der Halbraumzehner wurde. Zudem brachte er mit Demirovic für Undav einen frischen Anläufer in der ersten Linie.

Letztendlich schaffte es der VfB trotz des Anschlusstreffers durch Brandt in der 81. Minute das Ergebnis, ohne in größere Ängste zu geraten über die Ziellinie zu bringen.

Fazit

Trotz einer sehr guten Spielanlage und einer gut organisierten Dortmunder Mannschaft gegen den Ball reichte es im Debut unter Neu-Trainer Niko Kovac nicht zu einem Punktgewinn gegen Stuttgart. Die Probleme lagen vielmehr im Ballbesitz. Das Ballbesitzspiel wirkte häufig statisch und man hatte wie unter Kovacs Vorgängern Probleme im Bespielen eines gut strukturierten Mittelfeldpressings.

Vergleichbar mit Leverkusen verzichte auch Hoeneß gegen Dortmund zeitweise auf den Ball und konzentrierte sich auf das Verteidigen im Mittelfeldpressing, sowie die Kontrolle ohne Ball. Trotz einer unterdurchschnittlichen Performance mit dem Ball und wenigen geordneten Ballbesitzphasen nutzte der VfB die Chancen, die sich ihnen boten und blieb in den wenigen Gelegenheiten eiskalt.

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